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Lichter huschen über die Wände und die beige lackierten Betonstufen. Ihre Schritte machen schlurfende Geräusche, als sie in die Tiefen hinabsteigen, wo Edgar Allan Pogue während Scarpettas Amtszeit gearbeitet hat. In den ersten beiden Etagen des Gebäudes gibt es keine Fenster, da sie durch die ehemalige Leichenhalle eingetreten sind und Leichenhallen normalerweise keine Fenster haben. Weil unter der Erde ohnehin keine Fenster existieren, ist das Treppenhaus stockfinster. In der feuchten Luft liegt der beißende Geruch von Staub.

»Als ich hier herumgeführt wurde«, sagt Joe, der vor ihr die Treppe hinuntergeht, sodass der Schein seiner Taschenlampe bei jedem Schritt wippt, »haben sie diesen Teil ausgespart. Sie haben mir nur die oberen Stockwerke gezeigt. Ich dachte, hier käme bloß der Keller. Unten war ich noch nie.« Sein Tonfall klingt beklommen.

»Sie hätten es Ihnen zeigen sollen«, erwidert Scarpetta. Der Staub kratzt in ihrer Kehle und juckt auf der Haut. »Dort unten sind zwei Bodenwannen, etwa sechs mal sechs Meter groß und drei Meter tief. Es wäre nicht gut, wenn Sie mit einem Traktor dort hineingerieten oder gar hineinfielen.«

»So ein Mist!«, sagt er wütend. »Sie hätten mir wenigstens Fotos zeigen müssen. Sechs mal sechs Meter. Verdammt! Jetzt bin ich wirklich sauer. Hier kommt die letzte Stufe. Vorsicht.« Er leuchtet die Umgebung ab.

»Wir sollten jetzt in einem Flur sein. Gehen Sie nach links.«

»Sieht aus, als gäbe es keinen anderen Weg.« Langsam setzt er sich in Bewegung. »Warum zum Teufel haben sie uns diese Wannen verschwiegen?« Er kann es nicht fassen.

»Keine Ahnung. Hängt davon ab, wer Sie herumgeführt hat.«

»Irgendein Typ. Den Namen weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass er von der Stadtverwaltung war und sich hier ziemlich unwohl fühlte. Wahrscheinlich kannte er sich selbst nicht im Gebäude aus.«

»Durchaus möglich«, meint Scarpetta und betrachtet den schmutzig weißen Fliesenboden, der im Schein ihrer Taschenlampe stumpf schimmert. »Sie wollten einfach nur, dass der Laden abgerissen wird. Der Mann von der Stadtverwaltung hatte vermutlich nichts von den Bodenwannen gehört. Bestimmt hat er nie einen Fuß in die Anatomie gesetzt. Es sind nur wenige Leute je hier heruntergekommen. Gleich da drüben sind sie.« Sie weist mit der Taschenlampe geradeaus. Der Lichtstrahl verdrängt die undurchdringliche Dunkelheit in dem leeren Raum und beleuchtet schwach die rechteckigen Abdeckungen der Bodenwannen, die aus dunklem Metall bestehen. »Tja, die Deckel sind drauf. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder nicht«, sagt sie. »Jedenfalls lagern hier unten gefährliche biologisch kontaminierte Abfälle. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie diesen Teil des Gebäudes abreißen.«

»Da machen Sie sich mal keine Sorgen … Ich fasse es nicht«, entgegnet er ärgerlich und nervös, während er die Umgebung ableuchtet.

Scarpetta geht von den Wannen zum hinteren Bereich der Anatomieabteilung, der sich auf der anderen Seite des großen Raums befindet, vorbei an der kleinen Kammer, wo die Einbalsamierungen durchgeführt wurden. Mit der Taschenlampe leuchtet sie hinein. Ein Stahltisch, an den dicke, in den Boden führende Rohre angeschlossen sind, ein stählernes Waschbecken und Schränke gleiten im Lichtstrahl vorbei. An der Wand lehnt ein verrosteter Rollwagen, auf dem eine zusammengefaltete Plastikhülle liegt. Links von dem Raum befindet sich eine Nische, und sie hat das Krematorium aus Betonblöcken bereits vor Augen, noch bevor sie es wirklich sieht. Dann fällt ihr Lichtstrahl auf die lange Eisentür in der Wand, und sie erinnert sich, wie sie das Feuer durch den Spalt in der Tür beobachtet hat. Staubige Stahlbahren mit Leichen darauf wurden hineingeschoben, und wenn sie herauskamen, waren nur noch Asche und Knochenstücke übrig. Sie denkt an die Baseballschläger, mit denen die Stücke zermalmt wurden, und wird von Scham ergriffen.

Der Lichtstrahl huscht über den Boden, der immer noch weiß von Staub und kleinen Knochensplittern ist, die wie Kreide aussehen. Beim Gehen spürt sie ein Knirschen unter den Sohlen. Joe ist ihr nicht gefolgt. Er wartet vor der Nische und hilft ihr aus der Entfernung, indem er den Boden und die Ecken ausleuchtet. Ihr Schatten, im Mantel und mit Schutzhelm, zeichnet sich riesengroß an der Betonwand ab. Dann gleitet das Licht über das Auge. Es ist mit schwarzem Sprühlack auf der beigefarbenen Betonwand angebracht. Ein großes schwarzes, starrendes Auge mit Wimpern.

»Was zum Teufel ist das?«, fragt Joe. Sie ahnt, dass er ebenfalls das Auge an der Wand betrachtet, obwohl sie das nicht sehen kann. »Mein Gott, was ist das?«

Scarpetta antwortet nicht und lässt den Lichtstrahl weiterwandern. Die Baseballschläger stehen nicht mehr in der Ecke, in der sie gelehnt haben, als sie noch Chefpathologin war. Doch sie erkennt einen großen Haufen Asche und Knochen. Eine ziemliche Menge, denkt sie. Das Licht fällt auf eine Sprühdose mit schwarzem Lack und zwei Lackdosen, eine rot, die andere blau und beide leer, die sie in einem Plastikbeutel verstaut. Die Sprühdose steckt sie in einen anderen Beutel. Außerdem entdeckt sie einige alte Zigarrenkisten mit Ascheresten darin, Zigarrenstummel auf dem Boden und eine zerknitterte braune Papiertüte. Ihre behandschuhten Hände greifen in den Lichtkegel und heben die Tüte auf. Papier knistert, als sie sie öffnet, und ihr ist klar, dass diese Tüte nicht schon seit acht Jahren hier unten liegt, nein, noch nicht einmal seit zwölf Monaten.

Ein leichter Geruch nach Zigarren steigt ihr in die Nase, und zwar nicht nach gerauchten Zigarren, sondern nach unverbranntem Tabak. Als sie in die Tüte leuchtet, entdeckt sie Tabakkrümel und eine Quittung. Joe beobachtet sie und richtet seine Lampe auf die Tüte in ihrer Hand. Sie betrachtet die Quittung und fühlt sich verwirrt und wie im Traum, als sie das Datum abliest. Es ist der 14. September, der Tag, an dem Edgar Allan Pogue – und sie ist sicher, dass er es war – in einem Tabakladen gleich die Straße hinunter im James Center mehr als einhundert Dollar für zehn Zigarren der Marke Romeo y Julieta ausgegeben hat.

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