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Da es Scarpetta einfach nicht gelingen will, das Problem aus einem Blickwinkel anzugehen, der Klarheit schafft, hört sie auf, über das lackierte Aluminium und den Knochenstaub nachzugrübeln. Sie befürchtet, vor Erschöpfung zusammenzubrechen, wenn sie weiter an rote, weiße und blaue Farbsplitter und kaum wahrzunehmende Partikel vermutlich menschlicher Knochen denkt.

Es ist früher Nachmittag. Das Wetter ist grau und die Luft so schwer, dass sie in sich zusammenzusacken droht wie eine vom Regen durchweichte Zimmerdecke. Als Scarpetta und Marino aus dem Geländewagen steigen und die Türen zufallen lassen, klingt das Geräusch gedämpft. Ihre Hoffnung schwindet, als sie kein Licht in dem Backsteinhaus mit dem mit Moos bewachsenen Dach sieht, das jenseits des Gartenzauns der Paulssons steht.

»Bist du sicher, dass er kommen wollte?«, fragt Scarpetta.

»Er hat es jedenfalls versprochen. Außerdem weiß ich, wo der Schlüssel liegt. Er hat es mir gesagt, also ist es offenbar kein Staatsgeheimnis.«

»Wir werden nicht in dieses Haus einbrechen, falls du das damit meinst«, protestiert sie und betrachtet den geborstenen Gartenweg, der zu der Sturmtür aus Aluminium und der Holztür dahinter führt. Die Fenster auf beiden Seiten sind dunkel. Das Haus ist klein und alt und wirkt auf traurige Weise vernachlässigt. Es wird von vorwitzigen Magnolien, jahrelang nicht mehr gestutzten Dornenbüschen und Nadelbäumen bedrängt, die so hoch und dicht sind, dass ihre Nadeln und Zapfen in Schichten die Rinnsteine verstopfen und die kläglichen Überreste des Rasens unter sich ersticken.

»Ich habe gar nichts gemeint«, entgegnet Marino und blickt die ruhige Straße entlang. »Ich wollte dir nur mitteilen, dass er mir gesagt hat, wo der Schlüssel ist, und auch, dass das Haus keine Alarmanlage hat. Warum, glaubst du, könnte er mir das wohl verraten haben?«

»Das spielt keine Rolle«, gibt sie zurück, obwohl sie weiß, dass es das sehr wohl tut, denn sie ahnt bereits, was sie erwartet.

Dem Makler ist es offenbar zu lästig, persönlich zu erscheinen. Vielleicht hat er dieses Objekt ja schon innerlich abgeschrieben. Und deshalb hat er es ihnen mehr oder weniger freigestellt, sich selbst im Haus umzusehen. Scarpetta steckt die Hände in die Manteltaschen. Die Tatorttasche hat sie über der Schulter hängen. Ohne die Tüten mit Erde, die inzwischen in der Kriminaltechnik getrocknet werden, ist sie erheblich leichter.

»Ich werfe wenigstens mal einen Blick durch die Fenster.« Marino setzt sich, den Gartenweg entlang, in Bewegung. Er geht langsam und passt auf, wo er hintritt. »Kommst du mit, oder bleibst du am Auto?«, fragt er, ohne sich umzudrehen.

Am Anfang ihrer Suche nach Informationen, von denen sie inzwischen einige wenige besitzen, stand ein Blick ins örtliche Telefonbuch. Dort hat Marino den Immobilienmakler gefunden, der das Haus offenbar seit über einem Jahr keinem Interessenten mehr gezeigt hat und dem dieser Umstand herzlich gleichgültig zu sein scheint. Besitzerin ist eine Frau namens Bernice Towle. Sie lebt in South Carolina und weigert sich, auch nur einen Penny in die Instandsetzung des Hauses zu investieren oder mit dem Preis weit genug herunterzugehen, sodass ein Verkauf in den Bereich des Möglichen rückt. Laut Makler wird das Gebäude nur benutzt, wenn Mrs. Towle es ihren Gästen überlässt, und niemand weiß, wie oft – oder ob überhaupt – das vorkommt. Die Polizei von Richmond hat sich nicht um das Haus oder seine Vorgeschichte gekümmert, weil es unbewohnt und deshalb im Fall Gilly Paulsson angeblich nicht relevant ist. Aus demselben Grund hatte auch das FBI kein Interesse am verfallenen Gebäude von Mrs. Towle. Marino und Scarpetta hingegen sind sehr neugierig darauf, denn in einem Mordfall ist alles von Bedeutung.

Scarpetta schlendert auf das Haus zu. Der Beton unter ihren Füßen ist nach dem Regen mit einer glitschigen grünen Schleimschicht bedeckt. Wenn es ihr eigener Gartenweg wäre, würde sie ihn mit Bleiche schrubben, denkt sie, während sie Marino folgt. Er steht auf der kleinen, eingesackten Veranda und hält sich die Hände seitlich an die Augen, um durch ein Fenster zu spähen.

»Wenn wir hier schon herumschnüffeln, können wir uns genauso gut gleich strafbar machen«, sagt sie. »Wo also ist der Schlüssel?«

»Siehst du den Blumentopf da unter dem Busch?« Er weist mit dem Kopf auf einen riesigen ungepflegten Buchsbaum, unter dem, kaum sichtbar, ein schlammiger Blumentopf steht. »Der Schlüssel ist da drunter.«

Sie tritt von der Veranda, steckt die Hände zwischen die Zweige und stellt fest, dass der Blumentopf mit grünem, nach Morast stinkendem Regenwasser gefüllt ist. Als sie ihn beiseite rückt, entdeckt sie ein flaches, quadratisches, mit Schmutz und Spinnweben bedecktes Päckchen aus Alufolie. In der Alufolie befindet sich ein Kupferschlüssel, der angelaufen ist wie ein alter Penny. Diesen Schlüssel hat seit langer Zeit niemand mehr angefasst, mindestens seit ein paar Monaten, wenn nicht sogar länger, sagt sie sich. Sie kehrt zur Veranda zurück und reicht den Schlüssel Marino, weil sie nicht diejenige sein will, die das Haus aufschließt.

Die Tür öffnet sich quietschend, und ein muffiger Gestank schlägt ihnen entgegen. Drinnen ist es kalt, und Scarpetta glaubt, alten Zigarrenrauch zu riechen. Marino tastet nach dem Lichtschalter, doch als er ihn findet und betätigt, geschieht nichts.

»Hier.« Scarpetta gibt ihm ein Paar Baumwollhandschuhe. »Ich habe zufällig welche in deiner Größe dabei.«

»Hmm.« Er zwängt seine riesigen Hände hinein, während sie auch welche anzieht.

Auf einem Tisch an der Wand steht eine Lampe, die Scarpetta anknipst. »Wenigstens haben wir Strom«, meint sie. »Ich frage mich, ob das Telefon auch angeschlossen ist.« Sie hebt den Hörer eines alten schwarzen Wählscheibentelefons ab, hält ihn ans Ohr und hört nichts. »Es funktioniert nicht«, stellt sie fest. »Riechst du auch den abgestandenen Zigarrenrauch?«

»Tja, den Strom kann man nicht abschalten, sonst frieren die Wasserleitungen ein«, sagt Marino, schnuppert und blickt sich im Wohnzimmer um, das durch seine Anwesenheit winzig wirkt. »Ich rieche keine Zigarren, nur Staub und Moder. Aber du hattest schon immer eine bessere Nase als ich.«

Scarpetta steht im Lichtkegel der Lampe und blickt durch das kleine, dämmrige Zimmer zu der geblümten Couch unter den Fenstern und dem blauen Queen-Anne-Sessel, der in einer Ecke steht. Auf dem Couchtisch aus dunklem Holz liegen einige Zeitschriftenstapel. Sie geht hinüber, um sich die Magazine anzusehen. »Das hätte ich jetzt nicht erwartet!«, ruft sie und betrachtet eine Ausgabe von Variety.

»Was?« Marino kommt näher und starrt auf die Wochenzeitschrift in Schwarz-Weiß.

»Eine Fachzeitschrift für die Unterhaltungsindustrie«, sagt Scarpetta. »Seltsam. Vom November letzten Jahres«, liest sie das Erscheinungsdatum ab. »Wirklich eigenartig. Ich frage mich, ob Mrs. Towles, wer immer sie auch sein mag, Verbindungen zur Filmbranche hat.«

»Vielleicht ist sie ja auch nur promiverrückt wie die Hälfte der Menschheit.« Marino misst dem keine große Bedeutung bei.

»Aber diese Hälfte der Menschheit liest People, Entertainment Weekly oder ähnliche Blätter. Nicht Variety«, erwidert sie und greift nach weiteren Zeitschriften. »Hollywood Reporter, Variety, Variety, Hollywood Reporter, Ausgaben aus den letzten zwei Jahren. Die letzten sechs Monate fehlen. Vielleicht sind die Abonnements ausgelaufen. Der Adressaufkleber lautet auf Mrs. Edith Arnette, diese Adresse. Sagt dir dieser Name etwas?«

»Nein.«

»Hat der Immobilienmakler erwähnt, wer früher hier gewohnt hat? War es Mrs. Towle selbst?«

»Hat er nicht. Ich hatte nur den Eindruck, dass es Mrs. Towle war.«

»Wir sollten uns nicht auf unsere Eindrücke verlassen. Was hältst du davon, ihn anzurufen?« Sie öffnet ihre schwarze Tatorttasche, holt einen dicken Müllsack heraus, schüttelt ihn lautstark und packt die Ausgaben von Variety und Hollywood Reporter hinein.

»Nimmst du die etwa mit?« Marino steht in der Tür und hat ihr den Rücken zugekehrt. »Warum?«

»Kann nicht schaden, sie auf Fingerabdrücke zu untersuchen.«

»Diebstahl«, erwidert er, entfaltet einen Zettel und liest die Nummer ab.

»Hausfriedensbruch, Einbruch. Warum dann nicht auch Diebstahl?«, entgegnet sie.

»Falls sich die Sachen als wichtige Beweismittel entpuppen, können wir keinen Durchsuchungsbefehl vorweisen.« Offenbar will er sie ärgern.

»Soll ich sie zurücklegen?«, fragt sie.

Marino, immer noch in der Tür, zuckt die Achseln. »Wenn wir was finden, weiß ich ja, wo der Schlüssel ist. Ich schmuggle sie wieder ins Haus, und dann besorgen wir uns den Durchsuchungsbefehl eben nachträglich. Das hab ich auch schon früher so gemacht.«

»Das würde ich aber nicht öffentlich wiederholen«, meint sie, lässt die Tüte mit den Zeitschriften auf dem staubigen Dielenboden stehen und geht zu einem kleinen Tisch links von der Couch. Wieder glaubt sie Zigarrenrauch zu riechen.

»Es gibt vieles, was ich öffentlich nicht wiederholen sollte«, antwortet er und tippt eine Nummer in sein Mobiltelefon ein.

»Außerdem ist das hier nicht dein Zuständigkeitsbereich. Du würdest gar keinen Durchsuchungsbefehl kriegen.«

»Keine Sorge. Browning und ich sind dicke Kumpel.« Er starrt ins Leere und wartet, und sie erkennt an seinem Tonfall, dass die Mailbox dran ist, als er beginnt: »Hey, Jim. Marino hier. Mich würde nur interessieren, wer zuletzt hier gewohnt hat. Sagt Ihnen der Name Edith Arnette etwas? Bitte rufen Sie mich so schnell wie möglich zurück.« Er hinterlässt seine Nummer. »Hmm«, meint er dann zu Scarpetta. »Der gute alte Jim hatte keine Lust, sich hier mit uns zu treffen. Kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Was für eine Bruchbude!«

»Da hast du Recht«, erwidert Scarpetta und zieht die Schublade des Tischchens links vom Sofa auf. Sie ist voller Münzen. »Aber ich bin nicht sicher, ob er aus diesem Grund nicht gekommen ist … Also sind du und Detective Browning dicke Kumpel. Letztens hattest du doch noch Angst, er könnte dich festnehmen.«

»Das war letztens.« Marino tritt in den dunklen Flur. »Er ist in Ordnung. Keine Sorge – wenn ich einen Durchsuchungsbefehl brauche, kriege ich einen. Viel Spaß bei der Hollywood-Lektüre. Wo sind denn hier die Lichtschalter, verdammt?«

»Das müssen fünfzig Dollar in Fünfundzwanzig-Cent-Münzen sein.« Die Münzen klimpern, als Scarpetta darin herumwühlt. »Nur Vierteldollars, keine Pennys und keine Fünf- oder Zehn-Cent-Stücke. Wozu braucht man hier Vierteldollars? Für den Zeitungsautomaten?«

»Der Times-Dispatch, dieses Schmierblatt, kostet fünfzig Cent. Als ich mir gestern einen aus dem Automaten vor dem Hotel geholt habe, musste ich zwei Vierteldollars einwerfen, doppelt so viel wie für die Washington Post

»Es ist ungewöhnlich, Geld in einem unbewohnten Haus aufzubewahren«, stellt Scarpetta fest und schließt die Schublade.

Durch den dunklen Flur folgt sie Marino in die Küche, wo ihr sofort auffällt, dass sich das schmutzige Geschirr in der Spüle türmt. Das Spülwasser ist ekelhaft; geronnenes Fett und Schimmel schwimmen darin. Als sie den Kühlschrank öffnet, wächst ihre Gewissheit, dass jemand in diesem Haus gewohnt hat, und zwar vor nicht allzu langer Zeit. Die Regale sind voller Orangensaft- und Sojamilchpackungen mit Verfallsdaten gegen Ende dieses Monats. Die Daten auf den Fleischpäckchen im Gefrierfach weisen darauf hin, dass sie vor etwa drei Wochen gekauft wurden. Je mehr Lebensmittel sie in den Schränken und in der Speisekammer entdeckt, desto größer wird ihre Anspannung, und ihre Intuition ist schneller als ihr Verstand. Als sie durch den Flur zum Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses geht und wieder Zigarren riecht, ist sie ihrer Sache sicher, und das Herz klopft ihr bis zum Halse.

Auf dem Doppelbett liegt eine billige dunkelblaue Überdecke. Als sie diese zurückschlägt, ist die Bettwäsche darunter zerknittert und schmutzig und mit kurzen Haaren bedeckt, von denen einige rot und vermutlich Kopfhaare sind. Bei den anderen dunkleren lockigeren handelt es sich wahrscheinlich um Schamhaare. Sie bemerkt steif angetrocknete Flecken und weiß genau, was sie vor sich hat. Vom Bett hat man Blick auf ein Fenster, durch das sie über den Holzzaun sehen kann. Sie erkennt das dunkle Fenster, das einmal Gillys war. Auf dem Tisch am Bett befindet sich ein schwarzgelber Cohiba-Aschenbecher aus Keramik, der verhältnismäßig sauber ist. Auf den Möbeln ist mehr Staub als in diesem Aschenbecher.

Scarpetta macht sich an die Arbeit und bemerkt kaum, wie die Zeit vergeht, die Schatten sich verändern und der Regen aufs Dach prasselt. Sie durchsucht den Wandschrank und sämtliche Kommodenschubladen im Raum und findet eine welke Rose, noch in Plastikfolie gewickelt. Herrenmäntel, -jacken und -anzüge, alle altmodisch, streng und hochgeschlossen, hängen ordentlich aufgereiht auf Kleiderbügeln aus Draht. Dazu stapelweise akkurat gefaltete Herrenhosen und hemden in gedeckten Farben, Herrenunterwäsche und Socken, alles alt und billig, und Dutzende schäbiger weißer Taschentücher, zu formvollendeten Vierecken zusammengelegt.

Dann setzt sie sich auf den Boden und zieht Pappkartons unter dem Bett hervor. Sie macht sie auf und blättert stapelweise alte Fachzeitschriften für die Bestattungsbranche durch. Es sind verschiedene Monatszeitschriften mit Abbildungen von Särgen, Leichenwäsche, Urnen und Gerätschaften zum Einbalsamieren. Die Zeitschriften sind mindestens acht Jahre alt. Der Adressaufkleber wurde bei allen, die sie bis jetzt in den Händen hatte, abgelöst, sodass nur ein paar Buchstaben hier und der Teil einer Postleitzahl da sichtbar sind, was im Moment nicht genügt, um ihre Fragen zu beantworten.

In der Hoffnung auf einen vollständigen Adressaufkleber durchsucht sie einen Karton nach dem anderen und betrachtet jede Zeitschrift. Schließlich entdeckt sie ein paar Exemplare ganz unten in einem Karton. Nachdem sie den Aufkleber gelesen hat, bleibt sie auf dem Boden sitzen, starrt auf die Zeitschriften und fragt sich, ob sie nicht mehr ganz richtig im Kopf ist oder ob es eine logische Erklärung dafür gibt. Dann ruft sie laut nach Marino. Sie schreit seinen Namen, während sie aufspringt und auf eine Zeitschrift blickt, deren Titelbild einen Sarg in Form eines Rennwagens zeigt.

»Marino! Wo bist du?« Sie tritt auf den Flur, sieht sich um und lauscht. Ihr Atem geht stoßweise, und das Herz klopft ihr bis zum Hals. »Verdammt!«, murmelt sie und eilt den Flur entlang. »Wo zum Teufel steckst du, Marino?«

Er steht auf der Veranda und telefoniert. Als ihre Blicke sich treffen, erkennt sie, dass auch er neue Informationen hat. Sie hält ihm die Zeitschrift dicht unter die Nase. »Ja, wir sind da«, sagt er ins Telefon. »Ich habe das Gefühl, dass wir die ganze Nacht hier verbringen werden.«

Er beendet das Gespräch. In seinen Augen malt sich der undurchdringliche Ausdruck, den sie schon früher bei ihm gesehen hat, wenn er seine Beute wittert und die Jagd beginnt. Dann kann ihn nichts und niemand mehr aufhalten. Er nimmt ihr die Zeitschrift aus der Hand und mustert sie schweigend. »Browning ist unterwegs hierher«, verkündet er. »Im Moment besorgt er sich bei Gericht einen Durchsuchungsbefehl.« Er dreht die Zeitschrift um und liest den Adressaufkleber auf der Rückseite. »Scheiße!«, stößt er hervor. »Dein altes Büro. Gütiger Himmel.«

»Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat«, sagt sie, während ein kalter Nieselregen auf das alte Schieferdach fällt. »Außer es war einer meiner früheren Mitarbeiter.«

»Oder jemand, der einen deiner früheren Mitarbeiter kannte. Das ist die Adresse des Büros des Chefpathologen.« Er schaut noch einmal hin. »Ja, eindeutig. Nicht die der Labors. Juni 1996. Also während deiner Amtszeit. Das bedeutet, dass dein Büro diese Zeitschrift abonniert hatte.« Er kehrt zurück ins Wohnzimmer und blättert sie im Schein der Tischlampe durch. »Dann musst du doch wissen, wer sie bestellt hatte.«

»Ich habe niemals ein solches Abonnement genehmigt«, erwidert sie. »Eine Zeitschrift für Bestattungsunternehmer. Auf gar keinen Fall. Entweder hat der Betreffende es ohne meine Erlaubnis getan, oder er hat das Abonnement aus eigener Tasche bezahlt.«

»Hast du einen Verdacht?« Marino legt die Zeitschrift neben die Lampe auf den staubigen Tisch.

Ihr fällt plötzlich der ruhige junge Mann aus der Anatomie ein. Der schüchterne Bursche mit dem roten Haar, der in Frührente gegangen ist. Seit seinem Abschied hat sie kein einziges Mal mehr an ihn gedacht. Es gab ja auch keinen Grund dazu.

»Mir ist da jemand eingefallen«, sagt sie bedrückt. »Er heißt Edgar Allan Pogue.«

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