Am Ufer des Gilli-Sees und an den kleineren Seen der Umgebung saßen schon seit mehreren Stunden Junge Pioniere und beobachteten angespannt die Wasserfläche, ohne sich von dem Gebrüll des ,Wassermanns’ einschüchtern zu lassen.
Auch Aram Michailowitsch hatte sich beteiligt. Er saß am Ufer des Sees, in dessen Sumpf Kamo beinahe ertrunken wäre.
Erbarmungslos brannte die Sonne herab, und ebenso erbarmungslos stachen Mücken und Fliegen. Die Jungen Pioniere warteten geduldig. Sie wußten, es ging darum, ob sich auf dem Wasser Spuren von Petroleum zeigten. Daher wandten sie kein Auge von der Wasserfläche.
Ein paarmal ließen sich die Jungen durch ölige Flecken, die aufgetaucht waren, täuschen. Atschik, der besonders ungeduldig war, sprang jedesmal, wenn er einen solchen Fleck in der Sonne schimmern sah, aufgeregt von seinem Platz hoch und schrie:
»Aram Michailowitsch! Petroleum, Petroleum!«
Sein Freund Suren, der am gegenüberliegenden Ufer des kleinen Sees seinen Platz hatte, hörte diese Rufe. Er entdeckte ebenfalls ölige Flecke, schöpfte sie zusammen mit dem Wasser in die hohle Hand, kostete davon und spie es wieder aus.
»Was du dir einbildest!« schrie er dem Kameraden zu. »Das ist doch kein Petroleum!«
Aram Michailowitsch ließ sich durch solche Flecken nicht irreführen; er wußte, daß es sich um Absonderungen der verfaulenden Sumpfgewächse handelte.
Doch nun sah der Lehrer plötzlich in der Mitte des kleinen Sees lange Fettflecke, die sich wie bläulich schimmernde Bänder über das Wasser zogen. Es war so weit ab, daß er nicht fest-stellen konnte, wovon sie herrührten. Aber gleich darauf wurde von allen Seiten gerufen:
»Petroleum! Petroleum ist zu sehen!«
»Hier auch!«
»Und bei uns auch! «
Mit einem Male wurde es um den See herum lebendig. Jetzt erst konnte man sehen, wie viele Kinder im Schilf gesessen hatten.
Überall waren ihre Stimmen zu hören. Einer überschrie den anderen.
Da griff Aram Michailowitsch ein:
»Ruhe! Paßt auf... Füllt eure Gefäße mit dem Petroleumwasser! Ich komme es mir ansehen!«
Aram Michailowitsch kroch durch das Schilf, und überall wurde er mit ungeduldigen Fragen bestürmt.
Nur Gurgen Mirosjan hatte es wegen der Hitze und der Insektenplage nicht mehr ausgehalten und war ins Dorf zurückgekehrt. Er wußte nichts von dem Petroleum.
Zur gleichen Zeit mit ihm kamen die müden Wanderer vom Dali-Dagh schweißtriefend im Dorfe an. Es war schon spät, als sie endlich, erhitzt und erschöpft, auf den Steinen neben Setos Haus Rast machten.
Dort traf Gurgen, der vor den Mücken und der Hitze Reiß-aus genommen hatte, die jungen Leute.
Als Gurgen Armjon sah, blieb er unschlüssig stehen. Kamo rief ihn heran und fragte:
»Woher kommst du? Warst du am Gilli-See?«
»Ja... «
»Na und, was habt ihr gesehen?«
»Gänse und Enten. . .«, stotterte der Junge.
»Und das Wasser? Wie war das Wasser?«
Der Junge schwieg.
»Hat sich denn kein Petroleum auf dem Wasser gezeigt?« »Petroleum?... Habt ihr denn Petroleum hineingegossen?...«
»Was glaubst du denn, warum man dich ans Ufer gesetzt hat? Ist dir nichts aufgetragen worden?«
»Doch, auf das Wasser zu sehen... Das hab' ich auch gemacht.. . «
Die Kinder lachten. Nur Armjon war enttäuscht.
»Wir haben uns also geirrt. Es besteht wohl doch keine Verbindung zwischen den Seen... «
Seto wurde verlegen. Sicher glaubten die Freunde nun, er sei schuld, daß sich auf dem Gilli-See kein Petroleum gezeigt hatte:
»Ich hab' aber alles so gemacht, wie ihr's gesagt habt. Der Strudel hat das Petroleum mitgerissen, das weiß ich genau.«
»Du bist nicht schuld, Seto«, beruhigte ihn Kamo. »Du hast getan, was du konntest. Wir haben uns eben geirrt — auch die Geologen. Das Wasser muß zum Kasach oder sonstwohin abfließen.«
»Die Geologen brauchen sich nicht geirrt zu haben«, ent-gegnete Armjon. »Ihre Feststellung stimmt sicher: das Wasser aus dem See muß in der Richtung des Gilli-Sees fließen. Damit ist noch nicht gesagt, daß es unbedingt in den Gilli-See münden muß... Wichtig ist, daß es irgendwo unter unsern Feldern einen unterirdischen Abfluß hat.«
»Was nutzt uns das? Wenn wir das unterirdische Flußbett nicht finden, dann können wir auch nichts mit dem Wasser anfangen...«
Asmik und Grikor waren jetzt auch herangekommen, und gleich darauf kam auch Großvater Assatur.
»Was gibt's Neues?« fragte Asmik, und als sie von dem Mißerfolg hörte und die niedergeschlagenen Mienen der Jungen sah, wurde auch sie recht betrübt.
Sie hockten noch immer traurig und stumm da, als in der Ferne eine ganze Karawane von Kindern auftauchte. An der Spitze ging Aram Michailowitsch, die Jungen folgten ihm aufgeregt schwatzend.
Kamo lief ihnen entgegen.
Lächelnd zeigte der Lehrer auf die Becher, die die Jungen behutsam trugen, um nichts zu vergießen.
»Doch Petroleum!« rief Kamo aufgeregt.
Er packte einen der Becher, nahm einen winzigen Schluck, spuckte ihn sofort wieder aus und schrie vor Freude laut los:
»Petroleum! Petroleum! . . . Los, Handwerkszeug holen, Spitzhacken, Brecheisen... Schnell, kommt mit.«
Kamo griff nach einer Spitzhacke, die an der Hauswand lehnte, und stürmte den Pfad entlang, der zum Dali-Dagh hinaufführte.
Armjon, Grikor und Seto nahmen sich ebenfalls Spaten und Spitzhacke. Alle Müdigkeit war verflogen. Sie eilten hinter Kamo her, den Berg hinauf. Auch Asmik und der Großvater Assatur ließen sich nicht zurückhalten.
Als Sona die wilde Jagd die Schwarzen Felsen hinauf sah, schimpfte sie hinter den Kindern her:
»Den Kopf verdreht hat man den Kindern! ... Seto«, schrie sie, »du kommst sofort nach Hause! Nach Hause, sag' ich dir!«
Aber Seto war schon weit weg und hörte sie nicht mehr. Als Armjon sich umdrehte und Asmik erblickte, sagte er: »Weshalb kommst du mit, Asmik? Du bist doch müde - geh lieber nach Hause!«
Asmik sah den Freund strahlend an:
»Ich werde euch doch nicht im Stich lassen.. . Außerdem bin ich viel zu neugierig, was ihr jetzt machen werdet...«