«Nichts anfassen«, befahl Borowski, als Flannagan und Rachel Swayne zögernd in das mit Fotografien geschmückte Arbeitszimmer vorausgingen. Zusammengesackt lag die Leiche des alten Soldaten im Sessel hinter dem Schreibtisch, den Revolver noch in der ausgestreckten Hand. Beim Anblick des zur Hälfte weggerissenen Schädels verfiel die Frau in Zuckungen und sank in die Knie, als wollte sie sich übergeben. Der Sergeant ergriff ihren Arm, damit sie nicht umfiel, den Blick verstört auf die verstümmelten Überreste von General Norman Swayne gerichtet.
«Verrückter Hurensohn«, flüsterte Flannagan mit angestrengter, kaum hörbarer Stimme. Er stand regungslos da. Seine Kiefernmuskeln arbeiteten, und dann schrie er los.»Du blöder verdammter Hurensohn! Warum hast du das gemacht? Warum? Was sollen wir jetzt machen?«
«Sie rufen die Polizei, Sergeant«, antwortete Jason.
«Was?«bellte der Adjutant und drehte sich um.
«Nein!«schrie Mrs. Swayne und schnellte hoch.»Das können wir nicht tun!«
«Ich glaube nicht, daß Sie eine andere Wahl haben. Sie haben ihn nicht umgebracht. Vielleicht haben Sie ihn dazu getrieben, sich zu töten, aber es ist kein Mord.«
«Wovon sprecht ihr, zum Teufel?«fragte Flannagan barsch.
«Besser eine einfache, beschissene, häusliche Tragödie als eine umfassende Untersuchung, meinen Sie nicht? Ich denke, es ist kein Geheimnis, daß ihr beide eine Beziehung miteinander habt.«
«Er hat sich einen Scheiß um unsere Beziehung gekümmert, und ein Geheimnis war es wirklich nicht.«
«Er ermutigte uns sogar bei jeder sich bietenden Gelegenheit«, fügte Rachel Swayne hinzu, strich zögernd und unbeholfen ihr Kleid glatt und gewann allmählich ihre Fassung wieder. Sie sprach zu Borowski, aber ihre Augen glitten zu ihrem Liebhaber.»Er trieb uns ständig einander in die Arme; es war eine Obsession von ihm… Müssen wir hier drinnen bleiben? Mein Gott, ich war mit diesem Mann sechsundzwanzig Jahre lang verheiratet! Ich bin sicher, daß Sie das verstehen… Es ist furchtbar für mich!«
«Wir müssen verschiedenes besprechen«, sagte Borowski.
«Nicht hier drinnen, bitte. Im Wohnzimmer, gegenüber. Wir sprechen dort. «Mrs. Swayne, die sich plötzlich wieder unter Kontrolle hatte, verließ das Arbeitszimmer, Flannagan warf noch einen Blick auf die blutüberströmte Leiche, zog eine Grimasse und folgte der Frau.
Jason beobachtete sie.»Bleiben Sie in der Diele stehen, damit ich Sie sehen kann, und bewegen Sie sich nicht!«rief er, ging zum Tisch, und seine Augen schössen von einem Gegenstand zum ändern, um zu erfassen, was Norman Swayne gesehen hatte, bevor er sich die Automatic in den Mund steckte. Irgend etwas stimmte nicht. Auf der rechten Seite der großen grünen Schreibtischunterlage lag Pentagon-Briefpapier, auf dem unter den Insignien der US-Armee Swaynes Rang und Name aufgedruckt waren. Links neben der Unterlage lag ein goldener Kugelschreiber, dessen Silberspitze hervorstand, als wäre er gerade benutzt worden und der Schreiber hätte vergessen, ihn zurückzuschrauben. Borowski beugte sich über den Tisch, wenige Zentimeter neben dem Toten, den scharfen Geruch der Patrone und des verbrannten Fleisches in der Nase, und studierte den Notizblock. Er war unbeschrieben, aber Jason trennte vorsichtig die oberen Blätter ab, faltete sie und steckte sie in seine Hosentasche. Er tat einen Schritt zurück, immer noch unsicher… Was war es nur? Er sah im Zimmer umher, und als er seine Augen über die Möbel streifen ließ, trat Sergeant Flannagan in die Tür.
«Was machen Sie?«fragte Flannagan.»Wir warten auf Sie.«
«Ihre Freundin kann es hier drinnen vielleicht nicht aushalten, ich schon. Es geht nicht anders.«
«Ich dachte, man sollte nichts anfassen.«
«Sich umsehen bedeutet nicht, etwas anzufassen, Sergeant. Außer man entfernt etwas, dann weiß niemand, ob es angefaßt wurde, weil es nicht mehr da ist. «Borowski lief plötzlich zu einem Tischchen aus gehämmertem Messing, wie man sie im Orient auf jedem Bazar findet. Es stand zwischen zwei Sesseln vor dem kleinen Kamin, darauf ein gläserner Aschenbecher, der zur Hälfte mit Kippen halb gerauchter Zigaretten gefüllt war. Jason nahm ihn in die Hand und drehte sich zu Flannagan um.
«Zum Beispiel dieser Aschenbecher, Sergeant. Ich habe ihn berührt, meine Fingerabdrücke sind darauf, aber niemand wird es wissen, weil ich ihn nämlich mitnehme.«
«Wozu?«
«Weil ich etwas gerochen habe — ich meine, wirklich gerochen, mit meiner Nase.«
«Wovon reden Sie, verflucht?«
«Zigarettenrauch, davon spreche ich. Er bleibt viel länger in der Luft hängen, als Sie annehmen. Fragen Sie jemanden, der schon öfter versucht hat, das Rauchen aufzugeben.«
«Und?«
«Und jetzt sprechen wir mit der Frau des Generals. Sprechen wir alle miteinander. Los, Flannagan, jetzt geht's ans Erzählen.«
«Die Waffe macht Sie verdammt mutig, wie?«
«Bewegung, Sergeant!«
Rachel Swayne schwenkte ihren Kopf nach links und warf ihr langes, schwarzes, glattes Haar nach hinten über die Schultern, Ihre Haltung im Stuhl wurde ganz steif.
«Das ist über die Maßen beleidigend«, sagte sie nachdrücklich und starrte Borowski mit weit aufgerissenen Augen an.
«Das ist es gewiß«, stimmt Jason zu und nickte.»Zufälligerweise ist es aber auch wahr. Es liegen fünf Kippen im Aschenbecher, jede mit Lippenstift. «Borowski setzte sich ihr gegenüber und stellte den Aschenbecher auf einen kleinen Tisch neben ihrem Stuhl.»Sie waren dabei, als er es tat, als er sich den Revolver in den Mund steckte und den Hahn abzog. Vielleicht dachten Sie nicht, daß er es wirklich tun würde, vielleicht dachten Sie, daß es nur wieder eine seiner üblichen hysterischen Drohungen wäre — wie auch immer, Sie haben ihn nicht daran gehindert. Warum sollten Sie auch? Für Sie und Eddie ist es eine logische und vernünftige Lösung.«
«Lächerlich!«
«Wissen Sie, Mrs. Swayne, offen gesagt, ist das kein Wort, das Sie in den Mund nehmen sollten. Das trägt nicht, genausowenig, wie dieses >über die Maßen beleidigendem Das paßt nicht zu Ihnen, Rachel. Sie machen andere Leute nach — wahrscheinlich reiche, gelangweilte Kunden, von denen die junge Friseuse, die Sie vor vielen Jahren in Honolulu waren, das eine oder andere aufgeschnappt hat.«
«Wie können Sie es wagen…?«
«Ach, kommen Sie, Rachel. Versuchen Sie nicht das >Wie können Sie es wagen<-Stück, das funktioniert nicht. Wollen Sie mit Ihrem näselnden Akzent vielleicht auf königlichen Befehl meinen Kopf abhacken lassen?«
«Lassen Sie sie in Ruhe!«schrie Flannagan, der neben Mrs. Swayne stand.»Sie haben zwar das Eisen, aber das ist nicht notwendig… Sie ist eine gute Frau, eine verdammt gute Frau, und sie wurde von jedem miesen Spieler in dieser Stadt angemacht.«
«Wieso denn das? Sie war die Frau des Generals, die Herrin dieses Landgutes, oder nicht? Ist es nicht so?«
«Sie wurde benutzt…«
«Benutzt — und ausgelacht. Ich wurde immer ausgelacht, Mr. Delta!«weinte Rachel Swayne und griff nach den Stuhllehnen.»Wenn sie mich nicht angeilten oder freche Sprüche machten! Wie würde es Ihnen gefallen, besonderen Gästen, sehr besonderen Gästen, wie ein Stück Fleisch zum Dessert gereicht zu werden, wenn das Dinner vorbei ist?«
«Ich glaube nicht, daß mir das gefiele. Ich würde mich weigern.«
«Ich konnte nicht! Er zwang mich dazu!«
«Niemand kann irgend jemanden zu so etwas zwingen.«
«Natürlich kann man, Mr. Delta«, sagte die Frau des Generals und beugte sich vor, und ihre großen Brüste sprengten fast ihre dünne Bluse. Ihr langes Haar verdunkelte teilweise die weichen Züge ihres alternden, aber immer noch sinnlichen Gesichts.»Man kann alles machen mit einem Gör ohne Schulabschluß aus dem Kohlenrevier von West-Virginia, wo eine Mine nach der anderen dichtgemacht wurde und niemand mehr was zu fressen hatte — Entschuldigung, zu essen, meine ich. Du schnappst deine Sachen und haust ab, und genau das habe ich getan. Ich vögelte mich von Aliquippa bis Hawaii durch, aber wenigstens kam ich an. Und ich lernte einen Beruf. Dort traf ich dann Big Boy, und ich heiratete ihn, aber vom ersten Tag an wußte ich, daß ich mir keine Illusionen zu machen brauchte. Besonders, als er aus Vietnam zurückkam, verstehen Sie, was ich meine?«
«Ich bin mir nicht sicher, Rachel.«
«Du mußt ihm überhaupt nichts erklären, Kind!«brüllte Flannagan.
«Ich will aber, Eddie! Ich hab's satt, die ganze Scheiße, klar?«
«Nimm dich in acht.«
«Es ist ja so, daß ich nichts weiß, Mr. Delta. Aber ich kann mir was zusammenreimen, verstehen Sie?«
«Hör auf, Rachel!«schrie Flannagan.
«Leck mich, Eddie! So toll bist du nun auch wieder nicht. Dieser Mr. Delta könnte der Ausweg sein… Also, wo war ich stehengeblieben? Die Insel, richtig?«
«Ganz richtig, Mrs. Swayne.«
«Sie wissen, was das hier ist?«
«Schnauze!«bellte Flannagan und stürzte unbeholfen vor. Doch ein ohrenbetäubendes Krachen aus Borowskis Revolver hielt ihn auf. Die Kugel ging in den Boden, zwischen die Füße des Sergeanten.
Die Frau schrie. Als sie wieder aufgehört hatte, fuhr Jason fort:»Also, was ist das hier, Mrs. Swayne?«
«Sei still«, unterbrach der Sergeant, diesmal aber eher flehend. Er sah die Frau an und dann wieder Jason.»Hören Sie, Borowski, oder Delta oder wer immer Sie sind, Rachel hat recht. Sie könnten unser Ausweg sein — uns bleibt hier nichts mehr — was haben Sie also zu bieten?«
«Wofür?«
«Sagen wir mal, für ein paar Informationen über diesen Ort. Ich erzähl, was ich weiß… auch, wo es noch mehr zu erfahren gibt. Dafür helfen Sie uns, hier rauszukommen, auf irgendeine Insel im Pazifik, ohne daß wir uns rumschlagen müssen, mit unseren Namen und Fotos in allen Zeitungen.«
«Das ist eine dicke Bestellung, Sergeant.«
«Verdammt, sie hat ihn nicht getötet — wir haben ihn nicht getötet, Sie haben es selbst gesagt!«»Richtig, aber es ist mir auch egal, ob Sie es gemacht haben, ob Sie verantwortlich sind oder nicht. Ich habe andere Prioritäten.«
«Etwa >mit alten Kameraden ein Wörtchen zu reden<, oder was das war?«
«Das stimmt, das ist meine Aufgabe.«
«Ich kann Sie immer noch nicht einordnen…«
«Müssen Sie auch nicht.«
«Sie waren tot!«brach es aus Flannagan wieder hervor.»Delta one von den Illegalen war Borowski, und Borowski war tot, und Langley hat es uns bewiesen! Aber Sie sind nicht tot…«
«Ich wurde benutzt, Sergeant! Das ist alles, was Sie wissen müssen — das und die Tatsache, daß ich allein arbeite. Ich habe ein paar Außenstände, die ich einfordern will, aber ich bin allein. Ich brauche Informationen, und ich brauche sie schnell!«
Flannagan schüttelte verwirrt den Kopf.»Gut… vielleicht kann ich da helfen«, sagte er ruhig, zögernd,»besser vielleicht als jemand anders. Ich hatte einen Spezialauftrag, wodurch ich einiges erfahren habe, Dinge, die jemand wie ich normalerweise nicht erfährt.«
«Das hört sich an wie die Eröffnung zu einem Schwindelmärchen, Sergeant. Was war Ihr Spezialauftrag?«
«Krankenschwester. Vor zwei Jahren fing Norman an abzubauen. Ich kontrollierte ihn, und bei zu großen Schwierigkeiten sollte ich eine Nummer in New York anrufen.«
«Die besagte Nummer ist Teil der Hilfe, die Sie mir geben können.«
«Und dann habe ich da noch ein paar Nummernschilder aufgeschrieben für den Fall, daß…«
«… daß eines Tages entschieden würde, daß Ihre Dienste als Krankenschwester nicht mehr gefragt wären«, ergänzte Borowski.
«In der Art. Diese Typen mochten uns nie — Norman merkte es nicht, aber ich schon.«
«Wer ist >wir Sie, Rachel und Swayne?«
«Wir, die in einer Uniform stecken. Die reichen Zivilistennasen sehen auf uns herab, als wären wir nichts als ein notwendiges Übel, und mit dem >notwendig< haben sie Recht. Sie brauchten Norman. Innerlich bespuckten sie ihn, aber sie brauchten ihn.«
Die Kommißköppe kommen damit nicht klar. Albert Armbruster, Vorsitzender der Bundeshandelskommission. Medusa — die zivilen Erben.
«Wenn Sie sagen, daß Sie die Nummernschilder aufgeschrieben haben, nehme ich an, daß Sie an den Meetings, die hier in regelmäßigen Abständen stattfanden, nicht teilgenommen haben. Sie haben nicht dazugehört.«
«Sind Sie verrückt?«kreischte Kachel Swayne dazwischen.»Wann immer es ein richtiges Meeting gab und nicht ein lumpiges Sauf- und Freßgelage, sagte Norm zu mir, ich solle nach oben gehen. Oder wenn ich wollte, könnte ich ja zu Eddie rüber. Eddie durfte die Hütte nicht verlassen. Wir waren nicht gut genug für seine sauberen Freunde, diese Ärsche! So war es jahrelang… Wie ich gesagt habe, er trieb uns zusammen.«
«Ich beginne zu verstehen — glaub ich zumindest. Aber Sie haben die Nummernschilder, Sergeant. Wie haben Sie das gemacht? Ich denke, Sie mußten in Ihren Zimmern bleiben?«
«Ich hab sie von den Wächtern. Ich nannte es eine vertrauliche Geheimdienstsache. Keiner hat gemeckert.«
«Ich kapiere. Sie sagten, Swayne hätte vor ein paar Jahren angefangen abzubauen. Wie? In welcher Weise?«
«Wie heute nacht. Wann immer irgend etwas außer der Reihe passierte, war er wie gelähmt, wollte er keine Entscheidungen mehr treffen. Wenn es nur nach Schlangenlady roch, wollte er am liebsten den Kopf in den Sand stecken und warten, bis alles vorüber war.«
«Und was war heute abend? Ich habe gesehen, daß Sie gestritten haben. Es sah aus, als ob der Sergeant seinem General die Marschorder gab.«
«Da haben Sie verdammt recht. Norman war in Panik wegen Ihnen, wegen dem Mann, den sie Cobra nennen, der diese üble Sache aus Saigon wieder hochbringt. Er wollte, daß ich bei ihm bliebe, wenn Sie auftauchten. Und ich sagte ihm, das käme nicht in Frage. Ich sagte, ich sei doch nicht blöde.«
«Warum? Warum wäre es blöde für einen Adjutanten, bei seinem Vorgesetzten zu sein?«
«Aus demselben Grund, weshalb Unteroffiziere nicht dabei sind, wenn die hohen Tiere ihre Strategien planen. Das sind verschiedene Ebenen, ganz einfach.«
«Was mit anderen Worten heißt, daß es Grenzen gab. Daß Sie bestimmte Sachen wissen durften und andere nicht.«
«Genau so ist es.«
«Aber damals, vor zwanzig Jahren, waren Sie in Saigon doch auch dabei, gehörten auch zur Schlangenlady, zum Teufel, Sergeant, Sie waren Medusa, Sie sind Medusa.«
«Dafür kann ich mir was kaufen, Delta! Ich wische den Dreck auf, und sie sorgen für mich, aber ich bin nur ein Handlanger in Uniform. Wenn meine Zeit gekommen ist, die Uniform abzulegen, gehe ich schön ruhig und weit weg in Pension und halt mein Maul — oder ein Sarg steht für mich bereit. Alles ganz klar. Ich bin entbehrlich.«
Borowski studierte den Sergeanten genau, als er sprach, wobei er dessen kurze Blicke zur Frau des Generals bemerkte, als ob er ihre Zustimmung erwartete oder, im Gegenteil, einen Wink zu schweigen. Entweder erzählte der dicke Kerl die
Wahrheit, oder aber er war ein wirklich überzeugender Schauspieler.
«Da fällt mir ein«, sagte Jason schließlich,»daß jetzt kein schlechter Zeitpunkt wäre, in Pension zu gehen. Ich kann das arrangieren, Sergeant. Sie können in Ruhe verschwinden, ohne den Mund aufzumachen, und mit allen Auszeichnungen, die Sie für das Aufwischen bekommen haben. Es erscheint doch logisch, daß sich der ergebene Adjutant eines Generals mit über dreißig Dienstjahren zurückziehen möchte, wenn sein Freund und Vorgesetzter so tragisch ums Leben gekommen ist. Niemand wird Fragen stellen… Das ist mein Angebot.«
Flannagan blickte wieder zu Rachel; sie nickte entschieden und sah Borowski an.»Dann können wir packen und verschwinden?«fragte sie.
«Wenn es sonst nichts mehr wegen Sergeant Flannagans Entlassung und seiner Pension zu erledigen gibt…«
«Ich hab Norman die Papiere schon vor achtzehn Monaten unterschreiben lassen«, unterbrach der Adjutant.»Ich war für sein Büro im Pentagon eingeteilt und an seinem Wohnort einquartiert. Ich muß nur noch das Datum eintragen, unterschreiben und eine Adresse für die Überweisungen angeben, die Rachel und ich uns schon ausgedacht haben.«
«Das ist alles?«
«Vielleicht noch drei oder vier Anrufe. Normans Anwalt, der hier alles abwickelt, jemanden wegen der Hundezwinger, den Fahrdienstleiter für die Pentagon-Fahrzeuge — und zuletzt ein Anruf nach New York. Dann der Flughafen.«
«Daran müssen Sie schon jahrelang gedacht haben…«
«Nur an das, Mr. Delta«, bestätigte die Frau des Generals.»Wie gesagt, wir haben dafür bezahlt.«»Aber bevor ich diese Papiere unterschreiben oder die Anrufe erledigen kann«, warf Flannagan ein,»muß ich wissen, daß wir quitt sind — jetzt.«
«Das heißt, keine Polizei, keine Zeitungen, keine Verwicklungen wegen heute nacht… Sie waren einfach nicht hier.«
«Sie haben vorhin gesagt, das sei eine dicke Bestellung. Wie groß sind die Schulden, die Sie dafür eintreiben können?«
«Sie waren einfach nicht hier«, wiederholte Borowski bedächtig und sah auf den Aschenbecher mit den lippenstiftrot gefärbten Kippen. Dann richtete er den Blick wieder auf den Adjutanten.
«Sie haben da drin nichts angefaßt, da gibt es nichts, was Sie mit dem Selbstmord in Verbindung bringen könnte… Sind Sie wirklich bereit abzuhauen? Sagen wir, in ein paar Stunden?«
«Sagen wir, in dreißig Minuten, Mr. Delta«, antwortete Kachel.
«Mein Gott, Sie haben hier ein Leben gehabt, beide…«
«Wir wollen nichts von diesem Leben mitnehmen, nichts, was uns nicht gehört«, sagte Flannagan entschlossen.
«Der Besitz hier gehört Ihnen, Mrs. Swayne…«
«Von wegen. Er hat alles einer Stiftung überschrieben, fragen Sie den Anwalt. Was ich bekomme, wenn ich es bekomme, wird er mir schicken. Ich will nur raus hier wir wollen raus.«
Jason betrachtete nachdenklich dieses seltsame Paar, das sich unter so seltsamen Umständen zusammengetan hatte.»Dann gibt es nichts, was Sie halten kann?«
«Wie können wir das wissen?«preßte Flannagan hervor und machte einen Schritt vorwärts.
«Sie werden ein gewisses Maß an Vertrauen haben müssen, aber, glauben Sie mir, ich kann alles arrangieren. Andererseits, was wäre die Alternative? Angenommen, Sie bleiben. Egal, was
Sie mit ihm machen, er wird morgen nicht in Arlington auftauchen, übermorgen auch nicht und nicht in drei Tagen. Früher oder später wird jemand kommen, um nach ihm zu sehen. Es wird Fragen geben, eine Untersuchung, und so sicher wie das Amen in der Kirche werden die Medien mit jeder erdenklichen Spekulation aufwarten. Binnen kurzem wird Ihre Beziehung ans Licht kommen — sogar die Wachen haben davon gesprochen. Die Zeitungen, die Magazine und das Fernsehen werden ein gefundenes Fressen vermuten… Wollen Sie das? Sie hätten vermutlich gute Chancen, bald schon in die Kiste zu springen, wie Sie vorhin so richtig gesagt haben…«
Die beiden starrten einander an.»Er hat recht«, sagte die Frau.»Mit ihm haben wir eine Chance, ohne ihn nicht.«
«Es hört sich zu einfach an«, sagte Flannagan. Sein Atem ging schneller, als er zur Tür hinübersah.»Wie wollen Sie das alles hier in den Griff kriegen?«
«Das ist meine Angelegenheit«, antwortete Borowski.»Geben Sie mir die Telefonnummern, alle, und dann brauchen Sie nur noch New York anzurufen. Und wenn ich Sie wäre, dann würde ich das von irgendeiner Pazifikinsel aus machen.«
«Sie sind verrückt! In dem Augenblick, wo das rauskommt, hat mich Medusa im Visier — und Rachel auch! Dann wollen die wissen, was passiert ist.«
«Sagen Sie die Wahrheit, vielleicht mit einer kleinen Variation, und ich glaube, Sie bekommen sogar einen Bonus.«
«Sie sind ein verdammter Witzbold!«
«Ich war in Vietnam kein Witzbold, Sergeant. Nicht in Hongkong und bin es ganz gewiß auch jetzt nicht… Sie und Rachel, Sie sind nach Hause gekommen, haben gesehen, was passiert ist, haben gepackt und sind abgehauen — weil Sie keine Fragen wollten, und Tote können nicht reden und sich auch nicht verplappern. Datieren Sie die Papiere einen Tag vor, geben Sie sie auf, und überlassen Sie den Rest mir.«
«Ich werde…«
«Sie haben keine andere Wahl, Sergeant!«gab Jason zurück und erhob sich vom Stuhl.»Und ich will nicht noch mehr Zeit verlieren! Wenn Sie wollen, daß ich gehe, gehe ich — sehen Sie zu, wie Sie alleine klarkommen. «Borowski ging verärgert auf die Tür zu.
«Nein, Eddie, halt ihn auf! Wir müssen tun, was er sagt, wir müssen die Chance nutzen! Sonst sind wir so gut wie tot…«
«Okay, okay!.. Also gut, Delta. Wir tun, was Sie sagen.«
Jason hielt inne. »Alles, was ich sage, Sergeant, bis zum letzten Buchstaben.«
«In Ordnung.«
«Zuerst gehen wir zwei hinüber zu Ihrer Hütte. Sie übergeben mir alles, was Sie haben — Telefon- und Autonummern, jeden Namen, an den Sie sich erinnern können, alles. Einverstanden?«
«Ja.«
«Gehen wir. Und, Mrs. Swayne, ich verstehe, daß es wahrscheinlich eine ganze Menge kleiner Dinge gibt, die Sie gern mitnehmen würden, aber…«
«Keine Sorge, Mr. Delta. Erinnerungsstücke habe ich nicht. Die Sachen, die mir wichtig sind, habe ich seit langem aus dieser Hölle weggeschafft. Das liegt alles in einem Lager zehntausend Kilometer weit weg.«
«Nun, Sie waren ja gut vorbereitet.«
«Allerdings. Sehen Sie, es mußte irgendwann so kommen, auf die eine oder andere Weise, wenn Sie wissen, was ich meine. «Rachel ging schnell an den beiden Männern vorbei in die Diele. Sie machte noch einmal halt und kam zurück zu Sergeant Flannagan. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Mit leuchtenden Augen legte sie ihre Hand an seine Wange.»He, Eddie«, sagte sie leise.»Es wird Wirklichkeit. Wir werden leben können, Eddie. Weißt du, was ich meine?«
«Ja, Baby, ich weiß.«
Als sie in die Dunkelheit hinaustraten und in Richtung Hütte gingen, sagte Borowski:»Ich meinte es ernst, als ich vorhin sagte, es gibt keine Zeit zu verlieren. Fangen Sie an. Was können Sie mir über Swaynes Besitz sagen?«»Sind Sie bereit?«
«Was soll das heißen? Natürlich bin ich bereit. «War er aber nicht. Bei Rannagans ersten Worten blieb er abrupt stehen:»Zur Einleitung: Das hier ist ein Friedhof.«
Alex Conklin lehnte sich mit gerunzelter Stirn in seinen Sessel zurück, den Telefonhörer in der Hand. Er war verblüfft, unfähig, eine vernünftige Antwort auf Jasons erstaunliche Information zu geben. Alles, was er sagen konnte, war:»Ich glaube es nicht!«
«Was denn?«
«Ich weiß nicht. Alles. Ich meine… das mit dem Friedhof. Aber ich muß es wohl glauben, oder?«
«Du wolltest auch das mit London und Brüssel nicht glauben oder das mit dem Befehlshaber der Sechsten Flotte oder die Sache, daß in Langley jemand außer uns zu bestimmten Geheimsachen Zugang hat. Ich liste nur auf… Der Punkt ist, wenn man erst einmal herausfindet, wer alles dazugehört, kann man agieren.«
«Du mußt noch einmal von vorn anfangen. In meinem Kopf geht' s noch drunter und drüber… Die Telefonnummer in New York, die Autonummern… «
«Die Leiche, Alex! Flannagan und die Frau des Generals! Sie sind auf dem Weg. Das war die Abmachung, und du mußt sie decken.«
«Einfach so? Swayne tötet sich, und den einzigen beiden Leuten, denen wir Fragen stellen könnten, sagen wir ciao und lassen sie verschwinden? Das ist fast noch verrückter als alles, was du mir erzählt hast!«
«Wir haben keine Zeit für solche Spielchen — und außerdem, Flannagan kann keine weiteren Fragen beantworten. Die gehörten einfach nicht derselben Ebene an.«
«Oh, Junge, das ist schon klar.«
«Mach es. Laß sie laufen. Wir brauchen sie vielleicht noch, aber erst später.«
Conklin seufzte; er konnte sich offenbar nicht entscheiden.»Bist du sicher? Es ist sehr kompliziert.«
«Mach es, um Himmels willen, Alex. Ich scheiß auf sämtliche Komplikationen oder Übertretungen oder Manipulationen, die du dir vorstellen kannst! Ich will Carlos! Wir bauen ein Netz auf, und wir können ihn darin fangen — ich kann ihn fangen!«
«Schon gut, schon gut. Es gibt einen Doktor in Falls Church, den wir schon früher für besondere Zwecke benutzt haben. Ich werde ihn anrufen, und er weiß, was zu tun ist.«
«Gut«, sagte Borowski. Sein Hirn arbeitete fieberhaft.
«Jetzt nimm alles auf. Ich sage dir, was Flannagan mir erzählt hat. Mach schnell, ich hab reichlich zu tun.«»Aufnahme läuft, Delta one.«
Jason las von der Liste ab, die er in Flannagans Hütte angefertigt hatte. Er sprach schnell, aber deutlich, damit auf dem Band keine Zweifel entstanden. Da waren die Namen von sieben Gästen, die häufig auf den Dinner-Parties des Generals gewesen waren, wobei es noch keine Gewißheit hinsichtlich der Schreibweise ihrer Namen gab, dafür grobe Personenbeschreibungen. Dann kamen die Autonummern von den Wagen, die zu den sehr viel ernsteren zweimonatigen Meetings angerollt waren. Außerdem die Telefonnummer des Rechtsanwalts, die der Wachleute und der Hundezüchter, auch die der Firma für die Pentagon-Spezialfahrzeuge. Und schließlich gab es noch ein Telefon in New York ohne Namen, das in keinem Telefonbuch auftauchte und das lediglich Botschaften entgegennahm.»Das hier ist das Wichtigste, Alex.«
«Wir knacken es«, sagte Conklin, ebenfalls auf Band.»Ich rufe die Hundezüchter an und werde pentagonesisch sprechen — der General ist zu einer supergeheimen Mission geflogen, und wir zahlen doppelt, wenn die Tiere morgen als erstes wegkommen. Lassen Sie die Tore zufällig offen… Die Autonummern sind kein Problem. Ich lasse sie Casset hinter dem Rücken von DeSole in den Computer eingeben.«
«Was ist mit Swayne? Wir müssen den Selbstmord für eine Weile vertuschen.«
«Wie lange?«
«Wie kann ich das wissen?«antwortete Jason gereizt.»Zumindest, bis wir herausgefunden haben, wer sich hinter den Nummern verbirgt, und ich sie erreicht habe — oder du — und wir gemeinsam die Panikmache begonnen haben. Und dann bieten wir die Carlos-Lösung an.«
«Das sind schöne Worte«, sagte Conklin, nicht gerade in schmeichelhaftem Ton.»An was denkst du — ein, zwei Tage, eine Woche, oder noch länger?«
«Was weiß ich!?«
«Dann würden wir besser Peter Holland einweihen, verdammt noch mal.«
«Nein, noch nicht. Wir wissen nicht, wie er reagiert, und ich will ihm nicht die Chance geben, sich mir in den Weg zu stellen.«
«Du mußt außer mir noch jemandem Vertrauen schenken, Jason. Ich kann Holland vielleicht vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden lang an der Nase herumführen — vielleicht —, aber ich bezweifle, daß es noch länger geht. Er wird eine Bestätigung von oben haben wollen. Und vergiß nicht, daß Casset mir wegen DeSole die Hölle heiß macht…«
«Gib mir zwei Tage, verschaff mir zwei Tage!«
«Während ich all diesen Informationen nachgehen und Charlie hinhalten muß, während ich Peter Lügenmärchen erzähle, daß wir Fortschritte machen bei der Verfolgung der Kuriere des Schakals aus dem Mayflower Hotel — denken wir nach… Natürlich machen wir diese Fortschritte nicht, weil wir uns bis an den Kragen in irgendeine geheimnisvolle, zwanzig Jahre alte Saigon-Verschwörung reingewühlt haben… Verdammt, wir wissen überhaupt nichts darüber, außer daß die Namen, die dahinterstecken, außerordentlich beeindruckend sind. Ohne daß wir bis jetzt überhaupt wissen, was gespielt wird, bringen wir raus, daß sie ihren eigenen, privaten Friedhof auf dem Grundstück des Generalquartiermeisters des Pentagon haben, der sich mal eben den Kopf weggeschossen hat, ein kleineres Problem, mit dem wir zu tun haben… Herrgott, Delta, stop it! Die Raketen kollidieren!«
Obwohl er vor Swaynes Schreibtisch stand, mit der Leiche des Generals neben sich, mußte Borowski lächeln.»Aber damit rechnen wir doch, oder? Das ist ein Szenario, wie es von unserem geliebten heiligen Alex geschrieben sein könnte.«
«Ich bin nur Beifahrer, nicht der Steuermann…«
«Was ist mit dem Doktor?«unterbrach Jason.»Du warst schon fünf Jahre lang nicht mehr aktiv. Woher weißt du, daß er noch im Geschäft ist?«
«Ab und zu treffe ich ihn. Wir gehen beide gern in Ausstellungen. Vor ein paar Monaten traf ich ihn in der Corcoran-Galerie, und da beschwerte er sich, daß man ihm nicht genügend zu tun gäbe.«
«Das kannst du heute nacht ändern.«
«Ich versuche es. Was wirst du tun?«
«Vorsichtig alles hier auseinandernehmen.«
«Handschuhe?«
«Operationshandschuhe natürlich.«
«Faß die Leiche nicht an.«
«Nur die Taschen — ganz vorsichtig… Swaynes Frau kommt die Treppe herunter. Ich ruf dich wieder an, wenn sie gegangen sind. Krieg den Doktor zu fassen!«
Ivan Jax, Doktordiplom der Yale-Universität, chirurgischer Facharzt am Allgemeinen Krankenhaus von Massachusetts, Lehramt an der Medizinischen Fakultät, gebürtiger Jamaikaner und vormaliger Berater der CIA dank eines schwarzen Bekannten mit dem unwahrscheinlichen Namen Kaktus, fuhr durch das Tor von General Swaynes Anwesen in Manassas, Virginia. Es gab Zeiten, dachte Ivan, da wünschte er, niemals den alten Kaktus getroffen zu haben. Heute abend war wieder so ein Moment, obwohl er es ansonsten überhaupt nicht bedauerte, Kaktus' Bekanntschaft gemacht zu haben. Dank der» magischen Papiere «des alten Mannes hatte Jax seinen Bruder und seine Schwester aus Jamaika herausholen können, damals, während der Diktatur Manleys, als es Fachkräften verboten war zu emigrieren, und schon gar nicht, wenn sie persönliche Gelder mitnehmen wollten.
Kaktus jedoch hatte mit Hilfe von vollständigen Falsifikaten amtlicher Erlaubnisbescheinigungen beide jungen Leute aus dem Land bekommen, zusammen mit Banküberweisungen, die in Lissabon eingelöst wurden. Alles, was der alte Fälscher dazu benötigt hatte, waren gestohlene leere Formulare aus verschiedenen Ämtern, einschließlich Papieren für den Import/Export, sowie den Pässen der beiden jungen Leute, ferner einzelnen Fotos und Kopien verschiedener Unterschriften von gewissen Leuten in Amt und Würden, welche man leicht kopieren konnte aus den zahllosen bürokratischen Verordnungen, die in der von der Regierung kontrollierten Presse abgedruckt wurden. Ivans Bruder war jetzt ein wohlhabender Rechtsanwalt in London und seine Schwester Wissenschaftlerin in Cambridge.
Ja, er war Kaktus Dank schuldig, dachte Dr. Jax, als er seinen Wagen in die Kurve zur Auffahrt lenkte. Und als der alte Mann ihn vor sieben Jahren gebeten hatte, mit ein paar» Freunden drüben in Langley «zu» beratschlagen«, hatte er zugesagt. Ein bißchen Beratung! Aber Ivans heimliche Verbindung zur CIA hatte noch weitere gute Seiten. Als seine Inselheimat Diktator Manley hinauswarf und Seaga an die Macht kam, war eins der ersten enteigneten Besitztümer, die ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben wurden, das der Familie Jax in Montego Bay und Port Antonio. Das war Alex Conklin zu verdanken, und ohne Kaktus hätte es keinen Conklin gegeben, nicht im Kreis von Ivans Freunden… Aber warum mußte Alex heute nacht anrufen? Heute war sein zwölfter Hochzeitstag, und er hatte die Kinder zum Schlafen zu Nachbarn geschickt, damit er und seine Frau allein sein konnten, allein mit gegrillten Jamaika-Rippchen im Patio — zubereitet von dem einzigen Menschen, der das konnte, nämlich Küchenchef Ivan —, mit viel dunklem Overton-Rum und mit erotischen Wasserspielchen im Pool. Verfluchter Alex! Doppelt verflucht dieser Hurensohn von einem Junggesellen, der auf das Ereignis eines Hochzeitstages nur reagieren konnte, indem er sagte:»Was, zum Teufel? Du hast das ganze Jahr, was zählt da ein Tag? Morgen könnt ihr euren Spaß haben. Ich brauche dich heute!«
Also hatte er seine Frau, die frühere Oberschwester im Allgemeinen Krankenhaus von Massachusetts, angelogen. Er hatte ihr gesagt, daß das Leben eines Patienten in Gefahr sei — war es ja auch gewesen, nur daß er jetzt schon tot war. Sie hatte geantwortet, daß ihr nächster Mann sich vielleicht mehr um ihr Leben kümmern werde, aber ihr trauriges Lächeln und ihr verständnisvoller Blick sagten ihm, daß es okay war. Sie kannte den Tod. Mach schnell, Liebling!
Jax stellte den Motor ab, griff nach seinem Arztkoffer und sprang aus dem Wagen. Er ging um den Kühler herum, als sich auch schon die Eingangstür öffnete und die Silhouette eines
großen Mannes in einem hautengen Anzug im Türrahmen erschien.»Ich bin Ihr Doktor«, sagte Ivan und ging die Stufen hoch.»Unser gemeinsamer Freund hat mir nicht Ihren Namen verraten, aber ich glaube, ich sollte ihn auch gar nicht wissen.«
«Das glaube ich auch«, stimmte Borowski zu und streckte Jax eine Hand entgegen, die in einem Operationshandschuh steckte.
«Wir haben wohl beide recht«, sagte Jax und schüttelte die Hand des Fremden.»Was Sie da anhaben, ist mir jedenfalls sehr vertraut.«
«Unser gemeinsamer Freund hat mir nicht gesagt, daß Sie schwarz sind.«
«Ist das ein Problem für Sie?«
«Lieber Gott, nein. Mir gefällt mein Freund nur noch mehr. Er ist wohl gar nicht darauf gekommen, es zu erwähnen.«
«Ich denke, wir werden miteinander auskommen. Gehen wir, No-Name.«
Borowski stand drei Meter rechts neben dem Tisch, als Jax die Leiche schnell und fachgerecht behandelte und den Kopf gnädig in Gaze wickelte. Ohne Erklärung hatte er Teile der Kleidung des Generals weggeschnitten und den darunterliegenden Körper untersucht. Schließlich rollte er den Toten mit dem Kapuzenverband vorsichtig vom Stuhl auf den Boden.»Sind Sie hier drinnen fertig?«fragte er und sah Jason an.
«Saubergemacht ist, wenn Sie das meinen.«
«Normalerweise schon… Ich möchte diesen Raum versiegelt haben. Niemand darf ihn nach unserem Verlassen betreten, bevor unser gemeinsamer Freund es zuläßt.«
«Das kann ich gewiß nicht garantieren«, sagte Borowski.
«Dann wird er es müssen.«
«Warum?«
«Ihr General hat nicht Selbstmord begangen, No-Name. Er ist ermordet worden.«