Kapitel 37

Der nächtliche Himmel war finster, Sturmwolken wirbelten über Moskau, kollidierten, versprachen Regen, Blitz und Donner. Die braune Limousine fuhr eilig die Landstraße hinunter, raste an überwucherten Feldern vorbei, während der Fahrer sich manisch ans Lenkrad krallte und gelegentlich zu seinem gefesselten Gefangenen hinübersah, einem jungen Mann, mit hervortretenden, entsetzten Augen, der an seinen drahtverschnürten Händen und Füßen riß und dessen mit einem Seil umwickeltes Gesicht ihm furchtbare Schmerzen bereitete.

Auf dem Rücksitz lagen die Leichen von General Grigorij Rodtschenko und dem Nowgorod-Ab solventen des KGB, der das Beschattungsteam des alten Soldaten geleitet hatte. Plötzlich, ohne den Wagen abzubremsen oder zuvor irgendeinen Hinweis auf sein Vorhaben zu geben, sah der Schakal, was er suchte, und bog mit einem Schwenk von der Straße ab. Reifen quietschten, die Limousine stürzte in ein Feld mit hohem Gras und kam Sekunden später zu einem ohrenbetäubend abrupten Halt, der die Toten im Fond gegen die Rückseiten der Vordersitze schlagen ließ. Carlos öffnete seine Tür und taumelte hinaus. Er zerrte die blutgetränkten Leichen aus ihrer gepolsterten Gruft und schleppte sie ins hohe Gras, wobei er den General teilweise auf dem Komitet-Offizier liegenließ und sich ihre Lebenssäfte mischten, bevor sie in den Boden sickerten.

Er ging zurück zum Wagen und zog den jungen KGB-Agenten mit einer Hand brutal vom Vordersitz, das Jagdmesser in der anderen.

«Wir haben eine Menge zu reden, du und ich«, sagte der Schakal auf russisch.»Und du wärst dumm, wenn du mir irgend etwas verschweigen würdest… Aber das wirst du auch nicht, du bist zu jung, zu weich. «Carlos stieß den Mann zu Boden, er zog seine Taschenlampe hervor und kniete neben seinem Gefangenen nieder, das Messer an den Augen des Agenten.

Die blutige, leblose Gestalt unter ihm hatte ihre letzten Worte gesprochen, und es waren Worte gewesen, die in den Ohren von Ilich Ramirez Sanchez wie Kesselpauken nachhallten. Jason Borowski war in Moskau! Es mußte Borowski sein, denn der entsetzte jugendliche KGB-Mann hatte die Information in einem überströmenden, panischen Wortschwall von Sätzen und Halbsätzen herausgestoßen, um alles zu sagen, was möglicherweise sein Leben hätte retten können:»Genosse Krupkin — zwei Amerikaner, einer groß, der andere hinkt! Wir haben sie zum Hotel gebracht, dann zur Sadowaja für eine Besprechung.«

Krupkin und der verhaßte Borowski hatten seine Leute in Paris umgedreht — in Paris, seinem zentralen Stützpunkt! — und hatten ihn nach Moskau verfolgt. Wie? Wer?… Doch das war egal. Jetzt zählte nur, daß das Chamäleon im Metropol war, die Verräter in Paris konnten warten. Im Metropol! Sein Feind aller Feinde war kaum eine Stunde weit entfernt in Moskau, verschlief zweifellos die Nacht, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß er, Carlos, der Schakal, wußte, daß er da war. Der Attentäter spürte die Heiterkeit des Triumphes über Leben und Tod. Die Ärzte sagten, er würde sterben, aber Ärzte irrten sich so oft, wie sie recht hatten, und in seinem Fall irrten sie! Der Tod von Jason Borowski würde sein Leben erneuern!

Allerdings mußte er sich noch in Geduld fassen. Drei Uhr morgens war keine Zeit, um die man gesehen werden durfte, wenn man auf der Suche nach einem Mordopfer durch die Straßen oder Hotels von Moskau streifte, einer Stadt, die auch im Schutz der Dunkelheit ständiger Überwachung unterlag. Es war allgemein bekannt, daß das Nachtpersonal auf den Gängen der großen Hotels bewaffnet und sowohl wegen seiner Schießkunst als auch aufgrund seines Geschicks beim Service eingestellt worden war. Das Tageslicht brachte eine

Erleichterung von den Sorgen der Nacht. Die geschäftige Aktivität der frühen Morgenstunden war die Zeit zuzuschlagen — und zuschlagen würde er.

Die nächtliche Stunde bot ihm jedoch Gelegenheit für einen anderen Schlag, zumindest für das Vorspiel dazu. Die Zeit war gekommen, seine Jünger in der sowjetischen Regierung zusammenzurufen und sie wissen zu lassen, daß der Monseigneur angekommen war, daß ihr persönlicher Messias hier war, um sie zu befreien. Vor seiner Abreise in Paris hatte er ihre Dossiers studiert, und die Dossiers hinter diesen Dossiers, alles scheinbar fade Blätter leeren Papiers in Aktenordnern, bis sie Infrarotlicht ausgesetzt wurden und die Hitzewellen die maschinengeschriebene Schrift hervorbrachten. Er hatte einen kleinen, verlassenen Laden in der Wawilowa als Treffpunkt gewählt. Er würde jeden einzelnen seiner Leute anrufen und anweisen, um 5.30 Uhr dort zu sein. Gegen 6.30 Uhr würde seine Aufgabe beendet sein, jeder Jünger mit der Information ausgestattet, die ihn oder sie in die höchsten Kreise der Moskauer Elite bringen würde. Es war eine weitere unsichtbare Armee, viel kleiner als die in Paris, aber ebenso wirkungsvoll und Carlos zugetan, dem unsichtbaren Monseigneur, der seinen Konvertiten das Leben unendlich viel bequemer gestaltete. Und gegen 7.30 Uhr würde der mächtige Schakal dann im Metropol zur Stelle sein, bereit für die ersten Schritte der erwachenden Gäste, die Zeit der hastenden Tabletts und Tische der Zimmerkellner und das hektische Durcheinander einer Halle voller Geschnatter, voll von Ängsten und Bürokratie. Er würde bereit sein, bereit für Jason Borowski.

Einer nach dem anderen und äußerst vorsichtig trafen die fünf Männer und drei Frauen im frühen Morgenlicht am heruntergekommenen Eingang des verlassenen Ladens in der Wawilowa ein. Ihre Vorsicht war verständlich. Es war ein Bezirk, den man meiden sollte, wenn auch nicht unbedingt wegen der Gefährlichkeit der Bewohner, denn die Moskauer

Polizei war in solchen Gegenden gnadenlos streng, sondern wegen des Zustandes der Häuser, die gerade renoviert wurden — was allerdings mit dem Vorteil verbunden war, daß überall Elektrizität verfügbar war.

Carlos stand am gegenüberliegenden Ende des leeren Betonraumes, eine Lampe hinter sich auf dem Boden, die nur seine Umrisse zeigte, sein Gesicht aber im Schatten ließ. Er hatte sich außerdem mit dem hochgeschlagenen Kragen seines schwarzen Anzugs verhüllt. Rechts von ihm stand ein wackliger, niedriger Holztisch, auf dem Aktenordner ausgebreitet lagen, und zu seiner Linken lag hinter einem Stapel Zeitungen, für seine Jünger nicht zu sehen, ein abgesägtes AK-47-Sturmgewehr, Typ 56. Ein vierzigschüssiges Magazin war eingeschoben, ein zweites Magazin im Gürtel des Schakals. Der einzige Grund für diese Waffe lag in den normalen Gepflogenheiten seines Gewerbes. Er erwartete absolut keine Schwierigkeiten. Nur Bewunderung.

Er betrachtete sein Publikum und merkte, daß sich alle acht gegenseitig verstohlene Blicke zuwarfen. Niemand sprach. Die naßkalte Luft in dem schaurig beleuchteten, verlassenen Laden bebte vor bösen Ahnungen. Carlos wußte, daß er diese Furcht vertreiben mußte, so schnell wie möglich, was der Grund war, aus dem er acht angeschlagene Stühle aus den verschiedenen verlassenen Räumen im hinteren Teil des Ladens geholt hatte. Sitzen entspannt. Das war eine Binsenweisheit. Allerdings wurde keiner der Stühle benutzt.

«Danke, daß Sie heute morgen hierhergekommen sind«, sagte der Schakal auf Russisch.»Nehmen Sie sich bitte jeder einen Stuhl und setzen Sie sich. Unsere Unterhaltung wird nicht lange dauern, aber sie verlangt äußerste Aufmerksamkeit… Würde der Genosse neben dem Eingang die Tür bitte schließen. Wir sind vollständig.«

Die alte, schwere Tür wurde von einem steif gehenden Bürokraten mit einem Knarren geschlossen, während sich der

Rest Stühle nahm, wobei jeder seinen oder ihren auf Abstand zu den anderen brachte. Carlos wartete, bis die scharrenden Geräusche von Holz auf Zement verstummten und alle saßen. Nach einem Moment der Stille begrüßte er dann seine Zuhörerschaft noch einmal förmlich wie ein geübter Redner. Er sah jede einzelne Person mit seinen durchdringenden dunklen Augen an, um ihm oder ihr zu vermitteln, besonders wichtig zu sein. Es gab kurze Gesten, meist weiblicher Natur, wenn diejenigen, die er ansah, im Gegenzug ihre Kleider glätteten. Die Kleidung, die sie trugen, war charakteristisch für obere Regierungsbeamte — trist und konservativ, aber gut gebügelt und makellos.

«Ich bin der Monseigneur aus Paris«, begann der Attentäter in der Priesterrobe.»Ich bin derjenige, der mehrere Jahre damit zugebracht hat, jeden einzelnen von Ihnen auszuwählen — mit Unterstützung von Genossen hier in Moskau und der Umgebung —, der Ihnen große Geldsummen geschickt und dafür darum gebeten hat, in aller Stille auf seine Ankunft zu warten und ihm die Loyalität zu erweisen, die er Ihnen gegenüber gezeigt hat… Auf Ihren Gesichtern sehe ich verschiedene Fragen, also lassen Sie mich einiges erläutern: Vor Jahren gehörte ich noch zur Elite von Nowgorod. «Es gab eine leise, dennoch hörbare Reaktion der ausgewählten acht. Der Mythos von Nowgorod war Realität, über die man zwar nur im Flüsterton sprach, die aber trotzdem ihre Wirkung nicht verfehlte. Mit mehrmaligem Kopfnicken quittierte Carlos die Reaktion auf seine Enthüllung und fuhr fort:»Die Jahre seitdem habe ich in vielen verschiedenen Ländern zugebracht und die Interessen der großartigen sowjetischen Revolution vertreten, ein Geheimkommissar mit wechselndem Geschäftsbereich, der zahlreiche Reisen zurück nach Moskau und ausgiebige Nachforschungen in den einzelnen Abteilungen nötig gemacht hat, in denen jeder einzelne von Ihnen eine verantwortliche Stellung einnimmt. «Wieder legte der Schakal eine Pause ein, dann wurde seine Stimme plötzlich scharf:»Verantwortliche Stellungen, aber ohne die Autorität, die Ihnen eigentlich zukäme. Ihre Fähigkeiten sind unterbewertet und unterbezahlt, denn über Ihnen gibt es fast nichts als nutzlosen Ballast.«

Die Reaktion der kleinen Gruppe war jetzt hörbarer und durchweg weniger verkrampft.

«Verglichen mit ähnlichen Abteilungen in den Regierungen unserer Gegner«, fuhr Carlos fort,»hinken wir hier in Moskau weit hinterher, wobei wir weit vorn sein sollten. Und das ist so, weil Ihre Talente von verwurzelten Amtsinhabern unterdrückt werden, die sich mehr um ihre Privilegien als um das Funktionieren ihrer Abteilungen kümmern!«

Die Reaktion war unmittelbar, beinah elektrisch, als die drei Frauen offen, wenn auch leise, applaudierten.

«Aus diesem Grunde habe ich Sie zusammen mit den mir verbundenen Genossen hier in Moskau ausgewählt und Ihnen Geldmittel zukommen lassen — vollkommen zu Ihrer freien Verfügung, denn das Geld, das Sie bekommen haben, ist der ungefähre Gegenwert der Privilegien, die Ihre Vorgesetzten genießen. Warum sollten Sie schlechter gestellt sein?«

Ein bejahendes Rumoren wogte durch die Zuhörer, die sich jetzt gegenseitig ansahen, die Blicke fest, die Köpfe entschlossen nickend. Dann begann der Schakal, die acht Ressorts seiner Jünger aufzuzählen, denen jeweils ein enthusiastisches Kopfnicken folgte.»Die Ministerien für Transport, Information, Finanzen, Import/Export, Justiz, militärische Versorgung, wissenschaftliche Forschung… und nicht zuletzt, Terminplanung… Das sind Ihre Domänen, aber man hat Sie von allen endgültigen Entscheidungen ausgeschlossen. Das ist nicht länger zu akzeptieren Veränderungen müssen her!«

Die Zuhörer erhoben sich beinahe wie ein Mann, nicht länger Fremde, sondern Gefährten, zu einem Ziel vereint. Der Mann nahe der Tür ergriff das Wort:»Sie scheinen unsere Situation gut zu kennen, aber was kann sie ändern?«

«Das hier«, verkündete Carlos und tat eine dramatische Geste zu den Aktenordnern, die auf dem niedrigen Tisch ausgebreitet lagen. Langsam setzte sich die kleine Gruppe wieder hin, einzeln und in Paaren, die einander ansahen, wenn sie nicht die Ordner anstarrten.»Auf diesem Tisch liegen die heimlich gesammelten, vertraulichen Dossiers Ihrer Vorgesetzten — aus jeder der hier vertretenen Abteilungen. Sie enthalten Informationen, die Ihnen sofortige Beförderungen garantieren und in mehreren Fällen Ihren Aufstieg in diese leitenden Büros. Ihre Vorgesetzten werden machtlos sein, denn diese Akten sind Messer an ihren Kehlen — eine Veröffentlichung würde zu Ungnade und Hinrichtung führen.«

«Monseigneur?«Eine Frau Ende Vierzig in einem ordentlichen blauen Kleid stand vorsichtig auf. Ihr graublondes Haar war zu einem festen Knoten gebunden. Sie berührte ihn kurz, befangen, als sie sprach.»Ich werte tagtäglich Personalakten aus… und entdecke regelmäßig Irrtümer… Wie können Sie sicher sein, daß diese Dossiers exakt sind? Durch fehlerhafte Angaben könnten wir in extrem gefährliche Situationen geraten, ist das nicht so?«

«Daß Sie sie überhaupt anzweifeln, ist ein Affront, Madame«, erwiderte der Schakal kalt.»Sie kennen meine Bedeutung. Ich bin über Ihre individuellen Situationen und die Unfähigkeit Ihrer Vorgesetzten aufs genaueste unterrichtet. Und vergessen Sie nicht die großen Ausgaben und Risiken für mich und meine Verbündeten hier in Moskau, die wir auf uns genommen haben, um Ihnen das Leben komfortabler zu gestalten.«

«Wenn ich für mich selbst sprechen darf«, unterbrach ein hagerer Mann mit Brille und einem braunen Straßenanzug.»Ich weiß das Geld zu würdigen — ich habe meine eigenen Mittel in unseren gemeinsamen Fonds einfließen lassen und erwarte dafür eine angemessene Gegenleistung —, aber hat das eine etwas mit dem anderen zu tun? Ich bin beim Finanzministerium und spreche mich frei von jeder Mittäterschaft.«

«Was auch immer das bedeuten mag, Buchhalter, Sie drücken sich in etwa so klar aus wie Ihr lahmgelegtes Ministerium«, unterbrach ein korpulenter Mann in schwarzem Anzug, der für seinen Umfang zu klein war.»Im übrigen lassen Sie Zweifel daran aufkommen, ob Sie überhaupt fähig sind, eine angemessene Gegenleistung zu erkennen! Ich bin in der militärischen Versorgung, und Sie hauen uns ständig übers Ohr.«

«Wie Sie es auch ständig mit der Forschung tun!«rief ein kleiner, verschrobener, professorenhafter Mann. Die Unregelmäßigkeiten seines gestutzten Bartes waren trotz der dicken Brillengläser auf seiner Nase — zweifellos auf seine schwache Augenkraft zurückzuführen.»Gegenleistungen, in Ordnung! Und wie wäre es mit vernünftigen Zuteilungen?«

«Mehr als genug für Ihre Grundschulwissenschaftler. Unser Geld bringt weit mehr, wenn wir uns damit im Westen versorgen!«

«Hören Sie auf!«rief der Schakal und hob seine Arme wie ein Messias.»Wir sind nicht hier, um derartige Konflikte zwischen den unterschiedlichen Bereichen auszutragen. Ihr Aufstieg zur neuen Elite wird diese Probleme zweifellos lösen. Gemeinsam werden wir eine neue, gereinigte Ordnung unserer Revolution aufbauen! Die Zeit der Selbstgefälligkeit ist vorbei.«

«Es ist ein aufregendes Konzept«, sagte eine zweite Frau, eine Dame Anfang Dreißig in einem teuren plissierten Rock, deren gedrungene Gesichtszüge offensichtlich von den anderen als die einer bekannten Nachrichtensprecherin aus dem Fernsehen erkannt wurden.»Könnten wir dennoch wieder auf die Exaktheit der Dossiers zurückkommen?«

«Das ist geklärt«, sagte der dunkeläugige Carlos und sah jeden einzelnen der Reihe nach durchdringend an.»Wie sonst auch sollte ich das alles über Sie wissen?«

«Ich zweifle nicht an Ihren Worten«, fuhr die Nachrichtensprecherin fort,»aber als Journalistin muß ich immer nach einer zweiten Verifikationsquelle suchen, es sei denn, das Ministerium gibt andere Anweisungen. Da Sie nun aber nicht im Informationsministerium sitzen und in dem Wissen, daß alles, was Sie uns sagen, vertraulich bleiben wird: Können Sie uns eine zweite Quelle nennen?«

«Muß ich mich von manipulierten Journalisten hetzen lassen, wenn ich die Wahrheit sage?«Carlos schnappte wutentbrannt nach Luft.»Was ich Ihnen gesagt habe, ist die Wahrheit, und Sie wissen es.«

«Das waren die Verbrechen Stalins auch, und für dreißig Jahre wurden sie zusammen mit zwanzig Millionen Leichen begraben.«

«Sie wollen Beweise, Frau Journalistin? Ich gebe Ihnen Beweise. Ich habe die Augen und Ohren der Führer des KGB — namentlich des Generals Grigorij Rodtschenko. Ich sehe mit seinen Augen und höre mit seinen Ohren, und wenn Sie daran interessiert sind, die rauhe Wahrheit zu kennen: Er ist mir verpflichtet! Genau wie Sie!«Ein Rascheln ging durch das Publikum, ein kollektives Zögern, eine Welle von leisem Räuspern. Wieder sprach die Nachrichtenjournalistin, diesmal sanft, die großen, braunen Augen waren auf den Mann in der Priesterrobe gerichtet.

«Sie mögen sein, was Sie sagen«, begann sie.»Aber Sie scheinen kein Radio zu hören. Vor etwa einer Stunde meldete Radio Moskau, daß General Rodtschenko heute morgen von ausländischen Kriminellen erschossen wurde… Es wurde außerdem gemeldet, daß alle hohen Offiziere des Komitet zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen werden, um die

Umstände des Mordes am General näher zu besprechen. Die Einschätzungen gehen dahin, daß es außergewöhnliche Gründe dafür gegeben haben muß, daß ein Mann wie General Rodtschenko von ausländischen Kriminellen in eine Falle gelockt wurde.«

«Sie werden seine Akten zerfetzen«, fügte der vorsichtige Bürokrat hinzu und hob sich steif auf die Füße.»Sie werden alles unter das KGB-Mikroskop legen und nach diesen außergewöhnlichen Gründen< suchen. «Der Beamte sah den Killer im Priestergewand an.»Vielleicht wird man auch Sie finden. Und Ihre Dossiers.«

«Nein«, sagte der Schakal, dem der Schweiß auf die Stirn getreten war.»Nein! Das ist unmöglich, ich habe die einzigen Kopien dieser Dossiers — es gibt keine anderen!«

«Wenn Sie das glauben, Priester«, sagte der korpulente Mann vom Ministerium für militärische Versorgung,»dann kennen Sie das Komitet nicht.«

«Es kennen?«rief Carlos, ein Zittern in der linken Hand.

«Ich besitze seine Seele! Vor mir gibt es keine Geheimnisse, denn ich bin der Verwalter seiner Geheimnisse! Ich besitze Bände über die Regierungen überall, über die Führer, ihre Generäle, ihre höchsten Beamten — ich habe Quellen auf der ganzen Welt!«

«Rodtschenko haben Sie nicht mehr«, fuhr der schwarzgekleidete Mann von der militärischen Versorgung fort, und auch er erhob sich von seinem Stuhl,»und wenn ich genauer darüber nachdenke… Es hat Sie im Grunde gar nicht überrascht.«

«Was?«

«Für die meisten von uns ist das Anstellen des Radios das erste, was wir am Morgen tun. Es ist immer das gleiche, doch ich nehme an, gerade darin liegt ein Trost. Die meisten von uns wußten von Rodtschenkos Tod… Nur Sie nicht, und als unsere verehrte Dame vom Fernsehen es Ihnen gesagt hat, da waren Sie weder erstaunt noch schockiert — nein. Sie waren nicht einmal überrascht.«

«Natürlich war ich das!«rief der Schakal.»Was Sie nicht verstehen, ist meine Selbstkontrolle. Deshalb vertraut man mir, brauchen mich die Führer des Weltmarxismus!«

«Das klingt leicht abgestanden«, murmelte die graublonde Frau mittleren Alters, deren Sachgebiet die persönlichen Akten waren. Auch sie stand auf.

«Was sagen Sie da?«Carlos' Stimme war jetzt ein scharfes, mißbilligendes Flüstern, das schnell an Intensität und Lautstärke zunahm.»Ich bin der Monseigneur von Paris. Ich habe Ihnen das Leben weit über Ihre trostlosen Erwartungen hinaus bequemer gestaltet, und jetzt stellen Sie mich in Frage? Wie sollte ich die Dinge wissen, die ich weiß? Wie hätte ich meine Energie und meine Mittel in Sie investieren können, wenn ich nicht einer der Meistprivilegierten in Moskau wäre? Denken Sie daran, wer ich bin!«

«Aber genau das ist es: Wir wissen nicht, wer Sie sind«, sagte ein anderer Mann. Auch sein Anzug war ordentlich, dunkel und gut gebügelt, nur daß er besser geschnitten war, als würde sein Besitzer seinem Äußeren einige Aufmerksamkeit widmen. Auch sein Gesicht war anders. Er war blasser, seine Augen waren durchdringender, irgendwie aufmerksamer, und sie vermittelten den Eindruck, daß er seine Worte mit großer Sorgfalt abwägte.

«Abgesehen von dem klerikalen Titel, den Sie sich angeeignet haben, haben wir keinerlei Information zu Ihrer Identität, und Sie haben ganz offensichtlich nicht die Absicht, diese weiter zu enthüllen. Was das betrifft, was Sie wissen: Sie haben die offenkundigen Schwächen und die daraus folgenden Ungerechtigkeiten unseres Systems angesprochen, aber das ist überall das gleiche. Sie hätten ebensogut von völlig anderen

Bereichen sprechen können — die Klagen wären die gleichen gewesen. Nichts Neues… «

«Wie können Sie es wagen?«schrie Carlos, der Schakal, mit hervortretenden Venen an seinem Hals.»Wer sind Sie, daß Sie mir solche Dinge sagen dürfen? Ich bin der Monseigneur von Paris, ein wahrer Sohn der Revolution!«

«Und ich bin Gerichtsrat am Justizministerium, Genosse Monseigneur, und ein sehr viel jüngeres Produkt dieser Revolution. Vielleicht kenne ich die Obersten des KGB nicht, von denen Sie behaupten, es wären Ihre Lakaien, aber ich kenne die Strafen dafür, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und unseren Vorgesetzten persönlich unter vier Augen — gegenüberzutreten, anstatt etwaige Unregelmäßigkeiten direkt dem entsprechenden Büro zu melden. Es sind Strafen, denen ich mich lieber nicht gegenüb ersehen möchte, ohne weit gründlicheres Beweismaterial als obskure Dossiers aus unbekannten Quellen, möglicherweise erfunden von unzufriedenen Beamten noch unterhalb unseres Ranges… Ehrlich gesagt, möchte ich sie gar nicht sehen, um so einer möglichen Kompromittierung aus dem Wege zu gehen, die meiner Stellung schaden könnte.«

«Sie sind nichts als ein unbedeutender Anwalt!«brüllte Carlos und ballte wiederholt seine Hände zu Fäusten, die Augen blutunterlaufen.»Sie sind allesamt Rechtsverdreher! Sie sind eingeschworene Verbündete im herrschenden Wind der Bequemlichkeit!«

«Hübsch gesagt«, antwortete der Anwalt vom Justizministerium lächelnd,»nur, daß dieser Satz ursprünglich von einem Engländer namens Blackstone stammt, Genosse.«

«Ich werde Ihre unerträgliche Anmaßung nicht weiter hinnehmen!«

«Das müssen Sie auch nicht, Genosse Priester, denn ich habe die Absicht zu gehen, und mein juristischer Rat an alle hier im Raum ist, das gleiche zu tun.«

«Sie wagen es?«

«Mit Sicherheit«, entgegnete der sowjetische Anwalt und gönnte sich einen amüsierten Augenblick, indem er in die Runde sah und lächelte.»Sonst würde ich mich vielleicht selbst anklagen müssen, und ich bin viel zu gut in meinem Job.«

«Das Geld!«kreischte der Schakal.»Ich habe Ihnen allen Tausende geschickt!«

«Wo ist das festgehalten?«fragte der Anwalt mit unschuldiger Miene.»Sie selbst haben sichergestellt, daß es nicht nachzuvollziehen ist. Papiertüten in Briefschlitzen oder Büroschubladen mit der Anweisung, sie zu verbrennen. Wer von unseren Bürgern würde zugeben, sie dort zurückgelassen zu haben? Da winkt einem Lubjanka… Auf Wiedersehen, Genosse Monseigneur«, sagte der Anwalt des Justizministeriums, schob seinen Stuhl zurück und ging zur Tür.

Einer nach dem anderen der versammelten Gruppe folgte dem Anwalt, so wie sie gekommen waren, und jeder einzelne drehte sich zu dem seltsamen Mann um, der ihr langweiliges Leben für kurze Zeit auf so bizarre Weise unterbrochen hatte, und jeder wußte instinktiv, daß er auf seinem Weg nichts als Ungnade und Gewalt finden würde. Den Tod.

Dennoch war keiner von ihnen vorbereitet auf das, was nun folgen sollte. Der Schakal drehte plötzlich durch. Innere Blitze elektrifizierten seinen Wahn. In seinen dunklen Augen brannte ein wildes Feuer das nur durch befreiende Gewalt gelöscht werden konnte — schonungslose, brutale, wütende Rache für all die Ungerechtigkeiten, die seinen reinen Absichten, die Ungläubigen zu töten, da angetan wurden! Der Schakal wischte die Dossiers vom Tisch und taumelte zum Stapel mit den

Zeitungen. Er riß die tödliche Waffe hinter dem Papier hervor und brüllte:»Stop! Alle!«

Niemand kam seiner Aufforderung nach, und die psychopathische Energie des Killers bestimmte den Augenblick. Carlos drückte wiederholt den Abzug, und die Männer und Frauen starben. Inmitten der Schreie zerschmetterter Opfer rannte der Attentäter nach draußen, sprang über die Leichen, sein Sturmgewehr auf Dauerfeuer, mähte die Gestalten auf der Straße um, stieß Flüche aus, verdammte die Ungläubigen in eine Hölle, die nur er sich vorstellen konnte.

«Verräter! Dreck! Abfall!«schrie der Wahnsinnige und rannte zu dem Wagen, den er sich vom Komitet und seiner unfähigen Beschattungseinheit angeeignet hatte. Der Morgen hatte begonnen.

Das Telefon des Metropol klingelte nicht, es brach aus. Verwirrt öffnete Alex Conklin die Augen, schüttelte sofort den Schlaf aus seinem Kopf und griff nach dem schrillen Gerät auf seinem Nachttisch.

«Ja?«verkündete er und fragte sich kurz, ob er den Hörer auch richtigherum hielt.

«Aleksej, bleib, wo du bist! Laß niemanden ins Zimmer und halt deine Waffen bereit!«

«Krupkin?… Wovon redest du?«

«In Moskau ist ein tollwütiger Hund los.«

«Carlos?«

«Er ist vollkommen verrückt geworden. Er hat Rodtschenko getötet und auch die beiden Männer abgeschlachtet, die ihm gefolgt sind. Ein Bauer hat ihre Leichen gegen vier Uhr heute morgen gefunden… Anscheinend haben ihn seine bellenden Hunde geweckt, der Wind hat den Blutgeruch zu ihnen hinübergeweht, nehme ich an.«

«Mein Gott, er ist durchgedreht… Aber warum glaubst du…?«

«Einer unserer Agenten wurde gefoltert, bevor Carlos ihn getötet hat«, unterbrach der KGB-Offizier, der die Frage erwartet hatte.»Er war unser Fahrer vom Flughafen, einer meiner Proteges und der Sohn eines Kameraden, mit dem ich mir auf der Universität ein Zimmer geteilt habe. Ein netter, junger Kerl aus einer klugen Familie, aber nicht für das ausgebildet, was er durchmachen mußte.«

«Du willst sagen, daß du glaubst, er könnte Carlos von uns erzählt haben. Richtig?«

«Ja… Aber es gibt noch mehr. Vor ungefähr einer Stunde wurden an der Wawilowa acht Leute von einer Maschinenpistole niedergemäht. Abgeschlachtet. Es war ein Massaker. Eine der Sterbenden, eine Frau aus dem Informationsministerium, eine Direktorin zweiter Klasse und Fernsehjournalistin, war aber nicht gleich tot und sagte, der Killer sei ein Priester aus Paris, der sich selbst >Monseigneur< nenne.«

«Mein Gott!«explodierte Conklin, warf seine Beine über die Bettkante und starrte abwesend auf den fleischigen Stumpf, an dem einmal ein Fuß gewesen war.»Das war sein Kader.«

«So sagt man, Vergangenheitsform«, sagte Krupkin.»Wie du dich erinnerst, habe ich dir gesagt, solche Rekruten lassen ihn beim ersten Anzeichen von Gefahr im Stich.«

«Ich werde Jason holen…«

«Aleksej, hör mir zu!«

«Was?«Conklin klemmte sich das Telefon unters Kinn, als er nach dem ausgehöhlten Prothesenstiefel griff.

«Wir haben eine taktische Angriffseinheit gebildet, Männer und Frauen in Zivilkleidung — sie bekommen gerade ihre Anweisungen und werden in Kürze bei euch sein.«»Sehr gut.«

«Wir haben das Hotelpersonal oder die Polizei nicht alarmiert.«

«Ihr wärt Idioten, wenn ihr das tun würdet«, ging Alex dazwischen.»Wir stellen uns darauf ein, den Scheißkerl hier zu schnappen! Was unmöglich wäre, wenn herum streunende Uniformen oder hysterische Angestellte zu sehen wären. Der Schakal hat seine Augen überall.«

«Tut, was ich sage«, befahl der Russe.»Laßt niemanden rein, bleibt von den Fenstern weg und trefft alle

Sicherheitsvorkehrungen.«

«Natürlich… Was meinst du damit, die Fenster? Er wird Zeit brauchen rauszufinden, wo wir sind… um die Zimmermädchen und die Kellner auszufragen.«

«Vergib mir, alter Freund«, unterbrach Krupkin,»aber ein engelsgleicher Priester, der sich an der Rezeption nach zwei Amerikanern erkundigt, einem mit einem auffällig lahmen Bein, im frühmorgendlichen Durcheinander in der Halle?«

«Guter Gedanke, auch wenn du paranoid bist.«

«Ihr wohnt in einem der oberen Stockwerke, und direkt gegenüber ist das Dach eines Bürogebäudes.«

«Du denkst außerdem ziemlich schnell.«

«Mit Sicherheit schneller als dieser Dummkopf vom Dserschinskij. Ich hätte dich schon längst angerufen, aber mein Kommissar Kartoschki da drüben hat mich erst vor zwei Minuten angerufen.«

«Ich werde Borowski wecken.«

«Seid vorsichtig!«

Conklin hörte die abschließende Warnung des Russen bereits nicht mehr. Er legte den Hörer auf und zog seinen Stiefel an, wobei er sich die Velcro-Riemen lose um seinen Unterschenkel legte. Dann öffnete er die Schublade des Nachtschränkchens und nahm die Graz-Burj a-Automatic heraus, eine speziell entwickelte KGB-Waffe mit drei Munitionsmagazinen. Die Graz war, wie allgemein bekannt, insofern einzigartig, als sie die einzige automatische Waffe war, auf die ein Schalldämpfer paßte. Das zylindrische Gerät war nach vorn in die Schublade gerollt. Er nahm es heraus und drehte es auf den kurzen Lauf. Schwankend stieg er in seine Hosen, schob sich die Waffe in den Gürtel und ging zur Tür hinüber. Er öffnete sie, hinkte hinaus und fand Jason vollständig angezogen am Fenster des verzierten Viktorianischen Wohnzimmers vor.

«Das muß Krupkin gewesen sein«, sagte Borowski.

«War er. Geh vom Fenster weg.«

«Carlos?«Borowski trat sofort zurück und drehte sich zu Alex um.»Er weiß, daß wir in Moskau sind?«fragte er, um noch hinzuzufügen:»Er weiß, wo wir sind?«

«Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Antwort auf beide Fragen >ja< lautet. «In knappen Statements gab Conklin Krupkins Informationen weiter.»Sagt dir das alles was?«fragte Alex, als er fertig war.

«Er ist hochgegangen«, antwortete Jason leise.»Es mußte passieren. Die Zeitbombe in seinem Kopf ist schließlich losgegangen.«

«Das glaube ich auch. Sein Moskauer Kader hat sich als leere Hoffnung erwiesen. Wahrscheinlich hat man ihm gesagt, er solle in den Wind schießen, und er ist explodiert.«

«Eine schreckliche Geschichte«, sagte Borowski.»Ihm ist genau das passiert, was er mir immer gewünscht hat der Sprung ist weit aufgerissen.«

«Kruppie hat es bereits gesagt«, fügte Conklin hinzu.»Er hat einen psychopathischen Todesdrang, und wenn er jetzt weiß, daß du hier bist — und wir gehen davon aus, daß er es weiß —, wird sich seine Besessenheit noch steigern, dein Tod ersetzt

seinen — verspricht ihm vielleicht eine Art symbolischen Triumph.«

«Du hast zuviel mit Panov geredet… Ich frage mich, wie es Mo geht.«

«Ich habe heute morgen um drei das Krankenhaus angerufen — fünf Uhr Pariser Zeit. Er wird möglicherweise seinen linken Arm nicht mehr bewegen können und eine teilweise Lähmung seines linken Beins davontragen, aber sie glauben jetzt, daß er durchkommt.«

«Arme und Beine! Was ist mit seinem Kopf?«

«Der ist offensichtlich intakt. Die Stationsschwester hat gesagt, daß er ein furchtbarer Patient ist.«

«Gott sei Dank!«Borowski bemerkte die Waffe in Alex' Gürtel.»Das ist ein bißchen offensichtlich, oder?«

«Für wen?«

«Den Zimmerservice«, erwiderte Jason.»Ich hab was von dem Haferschleim bestellt und eine große Kanne Kaffee.«

«Keine Chance. Krupkin sagt, wir lassen niemanden rein, und ich habe ihm mein Wort gegeben.«

«Das ist blinde Paranoia…«

«Beinahe meine eigenen Worte, aber das hier ist sein Revier, nicht unseres. Genau wie die Fenster.«

«Einen Moment!«rief Borowski aus.»Angenommen, er hat recht?«

«Unwahrscheinlich, aber möglich, es sei denn, daß…«Conklin konnte seine Aussage nicht zu Ende bringen. Jason langte unter den rechten, hinteren Schlag seiner Jacke, riß seine Graz Burja hervor und ging zur Flurtür der Suite.

«Was soll das?«

«Wahrscheinlich schenke ich deinem Freund Kruppie mehr Vertrauen, als er verdient, aber es ist einen Versuch wert… Geh

da rüber«, befahl Borowski und deutete auf die gegenüberliegende, linke Ecke des Raumes.»Ich laß die Tür offen, und wenn der Kellner kommt, sag ihm, er soll reinkommen — auf russisch.«

«Und du?«

«Am Ende vom Gang ist eine Eismaschine. Sie funktioniert nicht und steht zusammen mit einem Pepsi-Automaten in einer Nische, der ebenfalls außer Betrieb ist. Ich werde mich da irgendwie mit reinzwängen.«

«Gott segne die Kapitalisten, egal, wie fehlgeleitet. Mach schon!«

Der Mann von Medusa, der früher einmal als Delta one bekannt gewesen war, entriegelte die Tür, öffnete sie, warf einen Blick in den Korridor und lief eilig hinaus. Er eilte den Gang hinunter zu dem ausgeschnittenen Alkoven, der die beiden Automaten beherbergte und hockte sich neben die rechte innere Wand. Er wartete, Schmerzen in den Knien und Beinen — Schmerzen spürte er überhaupt erst seit wenigen Jahren —, und dann hörte er das Geräusch heranrollender Räder. Es wurde lauter und lauter, als der mit einem Tischtuch bedeckte Karren vorüber und weiter zur Tür ihrer Suite fuhr. Er betrachtete den Kellner. Es war ein junger Mann in den Zwanzigern, blond, von kurzer Statur und mit der Haltung eines unterwürfigen Dieners. Vorsichtig klopfte er an die Tür. Kein Carlos, dachte Borowski und erhob sich. Er konnte Conklins gedämpfte Stimme hören, die den Kellner hereinrief, und als der junge Mann die Tür öffnete und den Tisch hineinrollte, schob Jason seine Waffe ruhig in den Gürtel. Er beugte sich vor und massierte seinen rechten Unterschenkel.

Es geschah mit der Wucht einer einzelnen, heftigen Welle gegen eine Felswand. Eine schwarze Gestalt glitt aus einer unsichtbaren Nische im Korridor und rannte an den Maschinen vorbei. Borowski wirbelte herum. Es war Carlos, der Schakal!

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