Morris Panov saß teilnahmslos in einem Stuhl an einem Fenster, das auf die Weide einer Farm hinausging, die, wie er annahm, in Maryland lag. Er befand sich in einem kleinen Schlafzimmer im zweiten Stock, in ein Krankenhausnachthemd gekleidet, und sein nackter rechter Arm bestätigte die Story, die er nur zu gut kannte. Er war wiederholt unter Drogen gesetzt worden, hatte unkontrolliert in einer Sprache gesprochen, wie sie normalerweise von denen benutzt wird, die solche Narkotika verabreichen. Er war geistig vergewaltigt worden, man war in sein Hirn eingedrungen, seine Innersten Gedanken und Geheimnisse waren chemisch an die Oberfläche geholt und entwickelt worden.
Der Schaden, den er angerichtet hatte, war nicht abzusehen, das begriff er. Was er aber nicht begriff, war, warum er noch lebte. Und was noch verwirrender war, warum er so rücksichtsvoll behandelt wurde. Warum war sein Wächter mit der schwarzen Gesichtsmaske so höflich, die Nahrung so ausreichend und anständig? Es war, als wollte man ihn wieder zu Kräften kommen lassen und es ihm unter den außerordentlich schwierigen Umständen so angenehm wie möglich machen. Warum? Die Tür ging auf, und sein maskierter Wächter kam herein, ein kleiner, untersetzter Mann mit einer rauhen Stimme, die Panov irgendwo im Nordosten ansiedelte, möglicherweise Chicago. In einer anderen Situation wäre er komisch erschienen mit seinem großen Kopf, aber so, wie die Dinge standen, wirkte selbst seine Unterwürfigkeit schon bedrohlich. Über seinem linken Arm trug er die Kleider des Psychiaters.
«Okay, Doktor. Ziehen Sie sich an. Ich habe dafür gesorgt, daß alles gereinigt und gebügelt ist, sogar die Unterhosen.«
«Sie meinen, daß Sie hier eine eigene Wäscherei und Reinigung haben?«
«Quatsch, wir bringen sie rüber nach… Oh, nein, so bekommen Sie mich nicht dran, Doktor!«Der Wächter grinste und bleckte dabei seine leicht gelben Zähne.»Ganz clever, wie? Sie denken, ich sage Ihnen, wo wir sind, wie?«
«Ich war nur neugierig.«
«Ja, klar. Wie mein Neffe, das Kind meiner Schwester, das immer neugierig ist und mir Fragen stellt, die ich nicht beantworten möchte. He, Onkel, wie hast du mich nur durch die Uni gebracht? Ja! Er ist ein Doktor wie Sie. Wie gefällt Ihnen das?«
«Ich würde sagen, der Bruder seiner Mutter ist eine sehr großzügige Person.«
«Ja, na ja, was soll man denn machen? Kommen Sie schon, ziehen Sie die Klamotten an, Doktor, wir machen eine kleine Reise.«
«Ich nehme an, es wäre dumm zu fragen, wohin«, sagte Panov. Er stand vom Stuhl auf, zog sein Krankenhaushemd aus und stieg in die Unterhose.
«Sehr dumm.«
«Ich denke aber, nicht so dumm wie Ihr Neffe, der Ihnen nichts über ein Symptom sagt, daß ich, wäre ich Sie, beunruhigend finden würde. «Mo zog lässig die Hosen hoch.
«Wovon reden Sie?«
«Vielleicht nichts«, antwortete Panov, streifte sein Hemd über und setzte sich, um sich die Socken anzuziehen.»Wann haben Sie Ihren Neffen zuletzt gesehen?«
«Vor ein paar Wochen. Ich habe ihm ein bißchen Kohle gebracht, damit er seine Versicherung bezahlen kann. Mann, diese Mütter sind Blutegel…! Was meinen Sie damit, wann ich ihn gesehen habe?«
«Ich fragte mich nur, ob er Ihnen etwas gesagt hat.«
«Worüber?«
«Über Ihren Mund. «Mo schnürte seine Schuhe und schüttelte den Kopf.»Dort über der Kommode hängt ein Spiegel, sehen Sie mal rein.«
«Wieso?«
«Lächeln Sie.«
«Warum?«
«Lächeln Sie… Sehen Sie das Gelbe auf Ihren Zähnen, das blasse Rot Ihres Zahnfleisches und wie es immer höher dringt?«
«So? Das ist schon immer so…«
«Vielleicht ist es nichts, aber er hätte es sehen müssen.«
«Was sehen, um Himmels willen?«
«Orale Arneloblastomie. Wahrscheinlich.«
«Was ist das? Ich putze mir nicht gut die Zähne, und ich mag keine Zahnärzte. Das sind Metzger.«
«Sie wollen also sagen, daß Sie ziemlich lange keinen Zahnarzt oder Hals-Nasen-Ohrenarzt aufgesucht haben?«
«Und?«Der Capo bleckte wieder die Zähne vor dem Spiegel.
«Das könnte erklären, weshalb Ihr Neffe nichts sagt.«
«Warum?«
«Er denkt sicher, daß Sie regelmäßig zum Zahnarzt gehen, und will dem die Sache überlassen. «Panov stand auf.
«Ich verstehe nicht.«
«Na ja, er ist dankbar für alles, was Sie für ihn getan haben, er schätzt Ihre Großzügigkeit. Ich kann verstehen, daß er Hemmungen hat, es Ihnen zu sagen.«
«Was zu sagen?«Der Wächter kam vom Spiegel zurück.»Vielleicht habe ich unrecht, aber Sie sollten wirklich mal zu
einem Periodontisten gehen. «Mo zog die Jacke an.»Ich bin fertig«, sagte er.»Was soll ich jetzt tun?«
Der capo subordinato, dem die Augen hervortraten und dessen Stirn sich unter Argwohn und Unwissenheit zerfurchte, griff in die Tasche und holte ein großes, schwarzes Taschentuch hervor.»Tut mir leid, Doktor, ich muß Ihnen die Augen verbinden.«
«Damit ihr mir eine Kugel in den Kopf jagen könnt und ich gnädigerweise nichts davon merke?«
«Nein, Doktor. Sie sind zu wertvoll.«
«Wertvoll?«fragte der capo supremo rhetorisch in seinem üppigen Wohnzimmer in Brooklyn Heights.»Er ist eine Goldmine, die einfach aus dem Boden geschossen und in deiner minestrone gelandet ist. Dieser Knabe hat die Köpfe einiger der größten Wichser in Washington bearbeitet. Seine Akten sind mehr wert als ganz Detroit.«
«Aber unerreichbar, Louis«, sagte der Mann mittleren Alters in einem teuren Kammgarnanzug, der seinem Gastgeber gegenübersaß.»Die sind versiegelt und außerhalb deiner Reichweite.«
«Na ja, wir arbeiten daran, Mr. Park Avenue. Sagen wir mal — nur so zum Spaß —, wir bekämen sie. Was sind sie Ihnen wert?«Der Gast erlaubte sich ein dünnes, aristokratisches Lächeln.»Detroit?«antwortete er.
«Va bene! Ich mag Sie, Sie haben Sinn für Humor. «Abrupt wurde der Mafioso ernst — seine im Grunde häßlichen Gesichtszüge traten nun klar zutage.»Die fünf Millionen für den Borowski-Webb-Typen stehen doch noch, oder?«
«Unter einer Bedingung.«
«Ich mag keine Bedingungen, Herr Rechtsgelehrter. Mag ich überhaupt nicht.«
«Wir können uns auch an jemand anderen wenden. Sie sind hier in der Stadt nicht allein im Spiel.«
«Lassen Sie mich Ihnen etwas erklären, signor avvocato. In vielerlei Hinsicht, sind wir — wir alle — das einzige Spiel in der Stadt. Es gibt keine Streitereien mehr zwischen den Familien. Unser Rat hat beschlossen, daß das nur böses Blut macht.«
«Wollen Sie sich die Bedingung anhören? Ich glaube nicht, daß Sie beleidigt sein werden.«
«Schießen Sie los.«
«Wäre mir lieb, wenn Sie ein anderes Wort benutzten.«
«Legen Sie los.«
«Es wird einen Zwei-Millionen-Dollar-Bonus geben, weil wir wollen, daß Sie Webbs Frau und seinen Regierungsfreund Conklin mit auf die Liste setzen.«
«Gemacht, Mr. Park Avenue.«
«Gut. Und nun zum Rest unseres Geschäftes.«
«Ich möchte über unseren Psychiater sprechen.«
«Wir kommen noch auf ihn…«
«Jetzt.«
«Geben Sie mir bitte keine Befehle«, sagte der Anwalt einer der angesehensten Firmen in der Wall Street.»Sie sind wirklich nicht in der Position, das zu tun, Itaker.«
«He, farabutto! So redet niemand mit mir.«
«Ich rede so mit Ihnen, wie es mir gefällt… Äußerlich und in Ihren Verhandlungen sind Sie ein sehr maskuliner Bursche, ein typischer Macho. «Der Anwalt kreuzte ruhig seine Beine.»Aber in Ihnen drin sieht es ganz anders aus, nicht wahr? Sie haben ein weiches Herz, oder sollte ich sagen, harte Lenden für hübsche, junge Männer?«
«Silenzio!« Der Italiener schoß von seinem Sofa hoch.»Ich habe nicht die Absicht, diese Information auszunutzen.
Andererseits glaube ich nicht, daß die Schwul enrechte bei der Cosa Nostra hoch im Kurs stehen, stimmt's?«
«Du Hurensohn!«
«Als ich ein junger Anwalt der Armee in Saigon war, verteidigte ich einen Karriereleutnant, der in flagrante mit einem vietnamesischen Jungen, einem männlichen Prostituierten offenbar, erwischt worden war. Durch rechtliche Manöver, indem ich doppeldeutige Sätze aus dem Militärkode betreffs Zivilisten benutzte, konnte ich ihn vor unehrenhafter Entlassung bewahren, aber es war klar, daß er seinen Dienst quittieren mußte. Unglücklicherweise ist er nie ins normale Leben zurückgekehrt. Zwei Stunden nach dem Urteil hat er sich erschossen. Verstehen Sie, er war zum Paria geworden, zu einer Schande für seine Vorgesetzten, und damit wurde er nicht fertig.«
«Kommen Sie zum Geschäft«, sagte der Capo namens Louis mit leiser, tonloser Stimme, die voller Haß war.
«Danke Ihnen… Erstens habe ich einen Umschlag auf dem Tisch im Foyer hinterlassen. Er enthält die Zahlungen für Armbrusters tragisches Ende in Georgetown und Teagartens ebenso tragische Ermordung in Brüssel.«
«Nach dem, was der Hirndoktor sagt«, unterbrach der Mafioso,»gibt es noch zwei, von denen sie wissen. Einen Botschafter in London und den Admiral im Vereinigten Generalstab. Wollen Sie noch einen Bonus austeilen?«
«Vielleicht später, nicht jetzt. Die beiden wissen nicht viel und schon gar nichts über die finanziellen Operationen. Burton meint, daß wir im wesentlichen ein ultrakonservativer Verein einer Veteranenlobby sind, der aus Vietnam entstanden ist. Das ist alles, und außerdem hat er starke patriotische Gefühle. Atkinson ist ein reicher Dilettant. Er tut, was man ihm sagt, aber er weiß nicht, warum. Er würde alles tun, um am Hof von St. James bleiben zu können. Seine einzige Verbindung war
Teagarten… Conklin hat bei Swayne und Armbruster, Teagarten und natürlich DeSole ins Schwarze getroffen, aber die beiden anderen sind nur Dekoration, wenn auch ganz anständige Dekoration. Ich frage mich, wie das passieren konnte.«
«Wenn ich es herausfinde, und ich werde es herausfinden, werde ich es Sie wissen lassen. Gratis.«
«Oh?«Der Anwalt hob die Augenbrauen.»Wie?«
«Wir kommen da ran. Was haben Sie sonst noch?«
«Zweierlei, beides sehr wichtig, und das erste bekommen Sie gratis. Schaffen Sie sich Ihren gegenwärtigen Freund vom Hals. Er geht an Orte, an die er nicht gehen sollte, und wirft mit Geld um sich wie ein billiger Zuhälter. Uns wurde gesagt, daß er sich seiner Beziehungen rühmt. Wir wissen nicht, was er sonst noch redet oder was er weiß oder sich zusammengereimt hat, aber er paßt uns nicht. Und ich glaube, Ihnen auch nicht.«
«Ilprostituto!« brüllte Louis und schlug mit der Faust auf die Lehne des Sofas. »II pinguinol Er ist schon tot.«
«Ich akzeptiere Ihren Dank. Die zweite Sache ist weit wichtiger, auf jeden Fall für uns: Swaynes Haus in Manassas. Ein Buch ist weggekommen, ein Geschäftsbuch, welches Swaynes Anwalt in Manassas — unser Anwalt in Manassas — nicht finden konnte. Es stand in einem Bücherregal, der Einband identisch mit dem aller anderen Bücher in der Reihe. Irgendjemand muß genau gewußt haben, daß es da stand.«
«Was wollen Sie also von mir?«
«Der Gärtner war euer Mann. Er wurde eingestellt, um seinen Job zu machen, und er bekam die einzige Nummer, von der wir wußten, daß sie absolut sicher war, nämlich die von DeSole.«
«Und?«
«Um den Selbstmord authentisch zu inszenieren, mußte er jede Bewegung Swaynes studieren. Sie selbst haben es mir ad nauseam erklärt, als Sie Ihr ungeheures Honorar verlangten. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie er durch das Fenster von Swaynes Arbeitszimmer äugt, des Orts, wo Swayne sich das Leben nehmen soll. Allmählich merkt Ihr Mann, daß der General ein bestimmtes Buch aus dem Regal nimmt, etwas hineinschreibt und es wieder an seinen Platz zurückstellt. Das muß ihn interessieren. Dieses bestimmte Buch muß wertvoll sein. Warum sollte er es nicht mitnehmen? Ich würde es tun. Sie würden es tun. Wo ist es also?«
Der Mafioso stand langsam, drohend auf.»Hören Sie mir zu, avvocato, Sie haben eine Menge hübsche Worte gebraucht, die wie logische Schlüsse aussehen sollen, aber wir haben kein solches Buch, und ich sage Ihnen, wie ich es beweisen kann! Wenn ich irgend etwas Geschriebenes hätte, womit ich Ihnen Feuer unterm Arsch machen könnte, würde ich es Ihnen in die Fresse hauen, und zwar hier und in genau diesem Moment, capisce?«
«Das entbehrt nicht der Logik«, sagte der Anwalt und wechselte die gekreuzte Beinstellung, während der wütende Capo finster zu seiner Couch zurückging.»Flannagan«, fügte der Anwalt der Wall Street hinzu.»Natürlich… klar, Flannagan. Er und seine Friseusennutte brauchten eine Versicherung… Aber sie würden sich damit bloßstellen. Ich bin wirklich erleichtert. Nehmen Sie meine Entschuldigung entgegen, Louis.«
«Sind Sie am Ende mit Ihren Geschäften?«
«Doch, glaube ich.«
«Damit also zu unserem Idiotendoktor.«
«Was ist mit ihm?«
«Wie ich sagte, eine Goldmine.«
«Ohne die Akten seiner Patienten keine zwanzig Karat, denke ich.«
«Dann denken Sie falsch«, konterte Louis.»Wie ich es Armbruster schon erzählt habe, bevor er für euch zum Risikofaktor wurde: Auch wir haben Ärzte. Spezialisten für alle möglichen medizinischen Dinge — motorische Aufnahmen und diesen mentalen Abruf im Zustand äußerer Kontrolle. Daran speziell kann ich mich erinnern. Das ist etwas ganz anderes als eine Knarre am Kopf, geht ganz ohne Blutvergießen.«
«Ich nehme an, da könnte was dran sein.«
«Da können Sie Ihren Country Club gegen verwetten. Wir bringen den Mann jetzt an einen Ort in Pennsylvania, eine Art Pflegeheim, wo die Reichsten der Reichen hingehen, um sich trockenlegen zu lassen oder geradegebogen zu werden, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
«Ich glaube schon. Fortgeschrittene medizinische Ausrüstung, erstklassiges Personal — gutbewachtes Gelände.«
«Jaja, genau. Eine Menge Ihrer Leute gehen da durch…«
«Weiter«, unterbrach der Anwalt und sah auf seine goldene Rolex.»Ich habe nicht viel Zeit.«
«Nehmen Sie sich die Zeit. Laut meinem Spezialisten und ich habe absichtlich das Wort mein benutzt, wenn Sie verstehen — wird der neue Patient nach einem genau festgelegten Schema jeden vierten oder fünften Tag zum Mond geschossen — den Ausdruck benutzt er, nicht ich. In den Zwischenzeiten wird er richtig gut behandelt. Er wird mit den richtigen Neuterminen, oder wie das heißt, gefüttert, kann ausreichend Gymnastik machen und schlafen und all den Scheiß… Wir alle sollten unsere Körper pflegen, nicht wahr, avvocato?«
«Manche spielen halt jeden zweiten Tag Squash.«
«Verzeihen Sie mir, Mr. Park Avenue, aber Squash sind für mich Zucchini, und die esse ich.«
«Linguistische und kulturelle Unterschiede zeigen sich, nicht wahr?«
«Ja, das kann ich Ihnen nicht zum Vorwurf machen, consigliere.«
«Kaum. Und mein Titel ist Anwalt.«
«Mit etwas Geduld bringen Sie es auch noch zum consigliere.«
«Unser Leben ist zu kurz, Louis. Machen Sie jetzt weiter, oder soll ich gehen?«
«Ich mache weiter, Mr. Anwalt… Jedesmal also, wenn unser Schrumpfkopf zum Mond geschossen wird, ist er in guter Verfassung, klar?«
«Ich verstehe, daß er periodisch normal ist, aber im übrigen bin ich kein Arzt.«
«Und ich verstehe nicht, wovon Sie reden, jedenfalls bin ich auch kein Arzt, deswegen beziehe ich mich auf die Worte meines Spezialisten. Jedesmal, wenn der dottore zum Mond geschossen wird, dann ist sein Verstand vollkommen klar, und dann wird ihm ein Name nach dem anderen eingegeben. Viele, vielleicht die meisten, sind willkürlich, aber ab und zu hat einer was zu bedeuten und dann noch einer und noch einer. Und immer beginnen sie mit dem, was sie eine Periode nennen. Sie versuchen Teile und Teilchen von Informationen herauszufinden, genug, um sich eine Vorstellung von der fraglichen Person machen zu können — genug, um sie sich in die Hose scheißen zu lassen, die Leute von Bedeutung. Denken Sie daran, wir leben in schwierigen Zeiten, und dieser Schrumpeldoktor behandelt einige der fettesten Brocken in Washington, inner- und außerhalb der Regierung. Wie schmeckt Ihnen das, Mr. Anwalt?«
«Sicher einmalig«, antwortete der Gast langsam und studierte den capo supremo.»Seine Akten wären natürlich noch unendlich viel wertvoller.«
«Ja, gut, wie ich sage, wir arbeiten daran, doch es wird Zeit brauchen. Aber das hier gibt es schon jetzt, immediato. In wenigen Stunden wird er in Pennsylvania sein. Wollen wir einen Deal machen? Sie und ich?«
«Worüber? Über etwas, was Sie nicht haben und vielleicht nie bekommen?«
«He, für was halten Sie mich eigentlich?«
«Ich bin sicher, daß Sie das nicht hören wollen…«
«Lassen Sie den Unsinn. Sagen wir, in ein oder zwei Tagen, vielleicht einer Woche, treffen wir uns, und ich gebe Ihnen eine Liste mit Namen, von denen ich denke, daß sie Sie interessieren. Leute, von denen wir Informationen haben — sagen wir, Informationen, die nicht leicht zugänglich sind. Sie suchen sich einen oder zwei oder gar keinen heraus, was können Sie verlieren? Es ist alles offen, und es wäre ein Deal nur zwischen uns beiden. Niemand sonst ist da mit drin, außer meinem Spezialisten und seinem Assistenten, die Sie aber nicht kennen und die Sie nicht kennen.«
«Eine Art Nebenarrangement?«
«Je nach der Information werde ich den Preis machen. Vielleicht sind es nur tausend Dollar oder zwei oder vielleicht auch zwanzig, oder auch gratis, wer weiß? Ich werde fair sein, weil ich Sie brauche, capisce?«
«Das ist sehr interessant.«
«Wissen Sie, was mein Spezialist sagt? Er meint, wir könnten damit einen neuen Geschäftszweig aufbauen, in Heimarbeit, wie er es nennt. Man schnappt sich ein Dutzend von diesen Schrumpfköpfen, alle mit besten Beziehungen zur Regierung, zum Senat oder selbst zum Weißen Haus…«
«Ich verstehe vollkommen«, unterbrach der Anwalt und stand auf,»aber ich muß jetzt weg… Bringen Sie mir eine Liste, Louis. «Der Gast ging in das kleine Marmorfoyer.
«Haben Sie keinen hübschen Diplomatenkoffer, signor awocato?« sagte der Capo und erhob sich vom Sofa.
«Damit ich den nicht sehr delikaten Mechanismus vor Ihrer Tür in Aufruhr bringe?«»Tja, die Welt draußen ist so gewalttätig.«
«Darüber möchte ich gar nichts wissen. «Der Anwalt der Wall Street verließ das Haus, und beim Klang der sich schließenden Tür rannte Louis quer durch den Raum zu dem Queen-Anne-Schreibtisch und griff nach dem französischen Elfenbeintelefon. Wie immer warf er das große, schmale Instrument erst zweimal um, bevor er mit einer Hand die Gabel festhielt und mit der anderen wählte.»Verdammter Wirrkopf!«murmelte er.»Gottverdammter Dekorateur!.. Mario?«
«Hallo, Lou«, sagte eine angenehme Stimme in New Rochelle.»Ich wette, du rufst an, um Anthony zum Geburtstag zu gratulieren, he?«
«Was?«
«Mein Sohn, Anthony. Er wird heute fünfzehn, hast du das vergessen? Die ganze Familie sitzt draußen im Garten, und wir vermissen dich, Cousin. Und Lou, der Garten dieses Jahr! Ich bin ein wirklicher Künstler.«
«Vielleicht bist du noch was anderes.«
«Was?«
«Kauf Anthony ein Geschenk und schick mir die Rechnung. Vielleicht auch 'ne Braut. Reif dafür war er.«
«Lou, du bist unmöglich. Es gibt da noch ein paar Dinge…«
«Jetzt gibt es nur ein Ding, Mario, und ich will von dir die Wahrheit wissen, oder ich laß dir die Zunge rausreißen!«
Es gab eine kurze Pause in New Rochelle, bevor der angenehm klingende Henker wieder sprach.»Ich verdiene es nicht, daß man so mit mir spricht, cugino.«
«Vielleicht nicht… Aus der Wohnung des Generals in Manassas wurde ein Buch geklaut, ein sehr wertvolles Buch.«
«Haben sie herausgefunden, daß es fehlt, wie?«
«Heilige Scheiße, hast du es?«
«Ich hatte es, Lou. Es sollte ein Geschenk für dich werden, aber ich habe es verloren.«
«Du hast es verloren? Was, zum Teufel, hast du gemacht, es in einem Taxi liegenlassen?«
«Nein. Ich rannte um mein Leben, als dieser Verrückte mit den Leuchtraketen, wie heißt er, Webb, in der Auffahrt auf mich schoß. Er erwischte mich, ich fiel hin, und das lausige Buch fiel mir aus der Hand — gerade als der Polizeiwagen ankam. Er hob's auf, und ich bin wie der Teufel zum Zaun gerannt.«
«Webb hat es also.«
«Nehme ich an.«
«Christus auf dem Trampolin…!«
«Sonst noch was, Lou? Wir sind gerade dabei, die Kerzen auf der Torte anzuzünden.«
«Ja, Mario, ich brauche dich möglicherweise in Washington…«
«Nee, einen Moment mal, cugino, du kennst meine Regeln. Immer etwas Pause zwischen den Geschäftsreisen. Wie lange dauerte Manassas? Sechs Wochen? Und im vergangenen Mai in Key West, drei, beinahe vier Wochen. Ich kann nicht anrufen, keine Postkarte schreiben — nein, Lou, ich habe Verantwortung Angie und den Kindern gegenüber. Ich will keine Schlüsselkinder großziehen. Sie sollen ein Vorbild haben, verstehst du, was ich meine?«
«Was habe ich nur für einen verdammten Cousin!«Louis warf den Hörer hin und griff sofort wieder danach, als er über die Tischplatte flog und sich im Elfenbein ein Riß zeigte.»Der beste Killer auf dem Markt und gleichzeitig eine Flasche«, murmelte der capo supremo, während er wie besessen wählte. Als abgenommen wurde, verschwand der Zorn aus seiner
Stimme, das heißt, er war nicht mehr zu hören:»Hallo, Frankie-Boy, wie geht es meinem besten Freund?«
«Oh, hi, Lou«, kam zögernd eine schmachtende Stimme aus einem teuren Appartement in Greenwich Village.»Kann ich dich in zwei Minuten zurückrufen? Ich bringe gerade meine Mutter in ein Taxi, mit dem sie zurück nach Jersey will. Okay?«
«Sicher, mein Kind. Zwei Minuten. «Mutter? Verdammter Hurensohn! Il pinguino! Louis ging zu seiner Spiegelmarmorbar, wo rosa Engel über den Whiskyflaschen schwebten. Er schenkte sich einen Drink ein und nahm ein paar beruhigende Schlucke. Das Bartelefon klingelte.
«Ja?«sagte er, als er vorsichtig das zerbrechliche Kristallinstrument aufnahm.
«Ich bin es, Lou. Frankie. Ich habe Mama auf Wiedersehen gesagt.«
«Ein guter Junge, Frankie. Man soll nie die Mama vergessen.«
«Hast du mir beigebracht, Lou. Du hast mir erzählt, daß du deiner Mutter die größte Beerdigung ausgerichtet hast, die man je in East Hartford gesehen hat.«
«Ja, ich hab die ganze verdammte Kirche gekauft, Junge.«
«Wie schön, sehr schön.«
«Nun laß uns zu was anderem Schönen kommen, ja? Es ist mal wieder einer dieser Tage gewesen, Frankie, viel Ärger, du weißt, was ich meine.«
«Gewiß, Lou.«
«Ich brauche etwas Erleichterung. Komm her, Frankie.«
«So schnell, wie es mit einem Taxi geht, Lou.«Prostituto! Es würde sein letzter Job sein. Frankie, das Großmaul.
Der gutgekleidete Anwalt lief zwei Blöcke in Richtung Süden und einen Block in Richtung Osten zu seinem wartenden Wagen unter dem Baldachin eines imposanten Wohngebäudes, immer
noch in Brooklyn Heights. Sein untersetzter Chauffeur unterhielt sich mit dem uniformierten Portier, dem er ein großzügiges Trinkgeld gegeben hatte. Als er seinen Chef sah, ging er rasch zur rückwärtigen Tür und hielt sie auf. Wenige Minuten später steckten sie mitten im Verkehr in Richtung Brücke.
In der Stille des Fonds öffnete der Anwalt seinen Gürtel aus Krokodilleder, drückte auf die Schnalle, und eine kleine Hülse fiel zwischen seine Beine. Er hob sie auf und legte den Gürtel wieder an. Er hielt die Hülse gegen das gedämpfte Licht am Fenster und besah sich das Miniaturaufnahmegerät, das durch Stimmen aktiviert wird. Es war ein außerordentliches Gerät, winzig und mit einem Acryl-Mechanismus, der es erlaubte, es auch durch die ausgeklügeltsten Sicherheitsschleusen zu bringen. Der Anwalt beugte sich in seinem Sitz vor und sagte zu dem Fahrer:»William?«
«Ja, Sir. «Der Chauffeur sah in den Rückspiegel und sah die ausgestreckte Hand seines Chefs. Er griff danach.
«Bring das ins Haus und überspiele es bitte auf eine Kassette, ja?«
«Jawohl, Major.«
Der Manhattan-Anwalt lehnte sich im Sitz zurück und lächelte vor sich hin. Von jetzt an würde ihm Louis alles liefern, was er wollte. Ein Capo durfte keine Nebenabsprachen treffen, wenn es um die Familie ging. Ganz zu schweigen vom Eingeständnis gewisser sexueller Präferenzen.
Morris Panov saß mit einer Augenbinde neben seinem Wächter auf dem Vordersitz des Wagens. Seine Hände waren locker, beinahe höflich gebunden, als sei der Capo der Meinung, er würde überflüssige Befehle befolgen. Sie waren etwa dreißig Minuten schweigend gefahren. Dann sagte der Wächter.
«Was ist ein Perio-oh-Zahnarzt?«fragte er.
«Ein Kieferorthopäde, ein Arzt, der auf Kieferoperationen spezialisiert ist, bei Problemen, die mit den Zähnen oder dem Zahnfleisch zusammenhängende
Schweigen.
Sieben Minuten später:»Welche Art von Problemen?«
«Beliebig. Von Infektionen und dem Ausschaben der Wurzeln bis hin zu komplizierteren Maßnahmen, gewöhnlich zusammen mit einem Onkologisten.«
Schweigen.
Vier Minuten später:»Was war das zuletzt? Dieser Onkel-
was?«
«Mundkrebs. Wenn es rechtzeitig gemacht wird, brauchen nur kleinere Knochenteile herausgenommen zu werden… Wenn nicht, dann muß der ganze Kiefer entfernt werden. «Panov spürte, wie der Wagen ins Schlingern geriet, als der Fahrer für einen Moment die Kontrolle verlor.
Schweigen.
Anderthalb Minuten später:»Den ganzen verdammten
Kiefer?«
«Nur so ist der Patient noch zu retten. «Dreißig Sekunden später:»Sie glauben, daß ich so was haben könnte?«
«Ich bin Arzt und will niemanden beunruhigen. Mir ist lediglich ein Symptom aufgefallen, ich habe keine Diagnose gestellt.«
«Scheiße auch! Dann machen Sie doch eine Diagnose!«
«Dazu bin ich nicht qualifiziert.«
«Verdammt! Sie sind doch Doktor oder nicht? Ich meine, ein richtiger Doktor, kein fasullo, der nur so tut, aber nicht mal ein Schild hat.«
«Doktor bin ich.«
«Dann sehen Sie mich an!«
«Ich kann nicht. Ich habe eine Binde vor den Augen. «Panov fühlte plötzlich die dicke, starke Hand des Wächters an seinem Kopf, wie er das Tuch herunterriß. Das dunklere Innere des Wagens beantwortete Mos Frage: Wie konnte man mit einem Passagier, dem die Augen verbunden waren, so mir nichts, dir nichts durch die Gegend fahren? In diesem Wagen war es kein Problem. Außer der Windschutzscheibe waren die Fenster nicht nur gefärbt, sondern beinahe undurchsichtig.»Machen Sie schon, sehn Sie her!«Der Capo, den Blick auf die Straße gerichtet, verdrehte seinen Kopf grotesk in Richtung Panov. Seine dicken Lippen waren hochgezogen und seine Zähne gebleckt wie bei einem Kind, das vor einem Spiegel Monster spielt.
«Sagen Sie mir, was Sie sehen.«
«Es ist zu dunkel hier drinnen«, erwiderte Mo. Aber das Wichtigste, was er sehen wollte, konnte er durch die Windschutzscheibe erkennen. Sie befanden sich auf einer Landstraße, so schmal und so ländlich, daß es schon einen Schritt daneben nichts als Schlamm gab. Wohin immer er gefahren wurde, es geschah auf extremen Umwegen.
«Öffnen Sie das verdammte Fenster!«bellte der Wächter, den Kopf immer noch verdreht, wobei sein offenstehender Mund einer Karikatur von Orca glich, einem Wal, der sich übergeben wollte.»Verheimlichen Sie mir nichts. Ich werde diesem Sack jeden Finger brechen! Er kann dann seine verdammten Operationen mit den Ellbogen machen! Ich habe meiner Schwester gesagt, daß er nicht gut ist, dieser Windhund. Liest immer Bücher, keine action, wenn Sie wissen, was ich meine?«
«Wenn Sie mal für ein paar Sekunden zu schreien aufhören, dann kann ich mehr erkennen«, sagte Panov, nachdem er das Fenster auf seiner Seite runtergedreht hatte und nichts als Bäume sah und gewöhnliches Gebüsch auf einer entschieden abgelegenen Straße, die bestimmt nicht auf vielen Karten eingezeichnet war.»Da haben wir es«, fuhr Mo fort und hob seine locker gebundenen Hände zu dem Mund des Capo, ohne jedoch die Straße aus dem Auge zu lassen.»Oh, mein Gott!«schrie Panov.
«Was?«schrie der Wächter.
«Eiter. Eitertaschen überall. Oben und unten. Das schlimmste Anzeichen.«
«Oh, Jesses!«Der Wagen schlingerte wie wild, aber damit nicht genug — ein großer Baum, direkt vor ihnen, auf der linken Seite der verlassenen Straße! Morris Panov ließ seine Arme auf das Steuer fallen und schob sich aus seinem Sitz hoch, als er es nach links drehte. Dann, in letzter Sekunde, bevor der Wagen den Baum traf, warf er sich nach rechts in eine fötale Position, um sich zu schützen.
Der Aufprall war enorm. Zerbrochenes Glas und zerschmettertes Metall, begleitet vom lauten Zischen — überall Dampf, Qualm aus zerbrochenen Zylindern und unter dem Wagen Flammen, die sich im ausgelaufenen Öl ausbreiteten und bald den Tank erreichen würden. Der Wächter stöhnte, halb bei Bewußtsein, mit blutendem Gesicht. Panov zog ihn aus dem Wrack und so weit weg, wie er konnte, bevor die Erschöpfung ihn übermannte. Und dann explodierte der Wagen. Im feuchten Gras ging sein Atem allmählich wieder ruhiger, aber seine Angst war immer noch da. Er entledigte sich der lose gebundenen Fesseln und entfernte die Glassplitter aus dem Gesicht des Chauffeurs, sah nach gebrochenen Knochen, ja, der rechte Arm und das linke Bein, und auf Briefpapier von einem Hotel, von dem Panov nie gehört hatte, das er in der Tasche des Capos gefunden hatte, schrieb er seine Diagnose auf. Unter den Dingen, die er mitnahm, war auch eine Pistole — welche Marke, das wußte er nicht —, aber sie war schwer und zu groß für seine Tasche, weshalb er sie in den Gürtel steckte.
Genug. Hippokrates hatte seine Grenzen. Panov durchsuchte die Kleider des Wächters, erstaunt, wieviel Geld er fand — an die sechstausend Dollar —, und über die verschiedenen Führerscheine — fünf aus fünf verschiedenen Staaten. Er nahm das Geld und die Führerscheine, um sie Alex Conklin zu übergeben, doch ansonsten ließ er die Taschen des Capo unberührt. Es gab Fotos von seiner Familie und seinen Kindern, Großenkeln und verschiedenen Verwandten und darunter auch das Foto eines jungen Chirurgen, den er auf die Uni geschickt hatte. Ciao, amico, dachte Mo, als er sich aufrappelte, seine Kleidung glattstrich, zur Straße hinüberging und versuchte, so respektierlich wie möglich auszusehen.
Als er auf dem hatten Asphalt stand, sagte ihm sein gesunder Menschenverstand, daß er Richtung Norden gehen müsse, in die Richtung, in die der Wagen gefahren war, weil nach Süden zu gehen nicht nur witzlos, sondern vielleicht sogar gefährlich sein konnte. Plötzlich brach es über ihn herein.
Gütiger Gott! Habe ich getan, was ich gerade tat?
Er begann zu zittern, und seine psychiatrisch geschulte Hälfte sagte ihm, daß es sich um einen posttraumatischen Streß handelte.
Scheiße, du warst es nicht!
Er begann zu laufen, und er lief immer weiter und lief und lief. Die Straße war nicht nur abgelegen, sie schien durchs Nirgendwo zu verlaufen. Es gab keine Anzeichen von Zivilisation, nicht einen Wagen, nicht ein Haus — nicht einmal die Ruinen eines alten Bauernhauses oder eines primitiven Steinwalls, der zumindest darauf hingedeutet hätte, daß irgendwann mal menschliche Wesen in der Gegend gewesen waren. Kilometer um Kilometer brachte er hinter sich, und Mo hatte gegen den Effekt der durch die Drogen bewirkten Erschöpfung zu kämpfen. Wie lange ist es schon her? Er hatte keine Ahnung, weder von der Stunde noch von der Zeit, die seit seiner Gefangennahme vor dem Walter-Reed-Krankenhaus vergangen war. Er mußte ein Telefon finden. Er mußte Alex Conklin erreichen! Irgend etwas mußte passieren. Bald.
Tat es auch.
Er hörte das Herannahen eines Motors und drehte sich um. Ein roter Wagen kam von Süden herangerast — der Fahrer mußte einen Bleifuß haben. Er begann wild mit den Armen zu winken, Gesten der Hilflosigkeit und des Appells. Nutzlos. Der Wagen donnerte an ihm vorbei, nur undeutlich zu erkennen… Dann war zu seiner freudigen Überraschung die Luft von quietschenden Bremsen und Staub erfüllt. Der Wagen hielt! Er lief los, als der Wagen mit aufheulenden Reifen zurücksetzte. Komischerweise erinnerte er sich in diesem Moment an die Worte, die ihm seine Mutter unablässig wiederholt hatte, als er noch ein Junge in der Bronx gewesen war:»Sage immer die Wahrheit, Morris. Es ist der Schild, den Gott uns gab, um uns auf dem rechten Weg zu halten.«
Panov hielt sich nicht immer an diese Ermahnung, aber zu Zeiten hatte er das Gefühl, daß sie einen sozial interaktiven Wert hatte. Außer Atem kam er an dem geöffneten Fenster des roten Wagens an. Er sah die weibliche Fahrerin, eine Platinblonde Mitte dreißig mit stark geschminktem Gesicht und großen Brüsten, die ein Dekollete sehen ließ, das mehr zu einem drittklassigen Film als zu einer abgelegenen Landstraße in Maryland paßte. Die Worte seiner Mutter im Ohr, sagte er:»Ich bin mir darüber im klaren, daß ich ziemlich schäbig aussehe, Madame, aber ich versichere Ihnen, daß es nur der äußerliche Eindruck ist. Ich bin Arzt und hatte einen Unfall.«
«Steigen Sie ein, um Himmels willen!«
«Ich danke Ihnen sehr. «Mo hatte kaum die Wagentür geschlossen, als die Frau schon den Gang einlegte und die Maschine aufs äußerste hochjagte.»Sie sind offenbar sehr in Eile«, begann Panov.
«Das wären Sie auch, mein Freund, wenn Sie an meiner Stelle wären. Ich habe dort hinten einen Mann, der versucht, seine Karre in Gang zu bringen, und hinter meinem Arsch her ist!«
«Wirklich?«
«So ein verdammter Kerl! Drei Wochen im Monat fährt er über Land und vögelt, was ihm unterkommt, und macht dann einen Zirkus, wenn er herausfindet, daß auch ich ein bißchen Spaß hatte.«
«Tut mir leid.«
«Es wird Ihnen noch viel mehr leid tun, wenn er uns einholt.«
«Wie bitte?«
«Sind Sie wirklich Arzt?«
«Ja, bin ich.«
«Vielleicht können wir ein Geschäft miteinander machen.«
«Wie meinen Sie?«
«Können Sie eine Abtreibung machen?«
Morris Panov schloß die Augen.