Kapitel 33

Bryce Ogilvie, geschäftsführender Teilhaber von Ogilvie, Spofford, Crawford & Cohen, war stolz auf seine Selbstdisziplin. Damit meinte er nicht nur seine äußere Gelassenheit, sondern vor allem die kühle Ruhe, die er seinen tiefsten Ängsten in Krisenzeiten aufzuzwingen wußte. Als er jedoch vor kaum fünfzehn Minuten in sein Büro gekommen war und sein verstecktes Privattelefon geläutet hatte, hatte er den Stich einer bösen Vorahnung gespürt. Als er dann den schweren Akzent des sowjetischen Generalkonsuls von New York hörte, der umgehend eine Zusammenkunft verlangte, mußte er sich das plötzliche leere Gefühl in seiner Brust eingestehen… und als der Russe ihn anwies — ihm befahl in einer Stunde im Carlyle Hotel, Suite Vier-C, zu sein, und nicht an ihrem üblichen Treffpunkt Ecke 32. Straße und Madison Avenue, spürte Bryce einen siedend heißen Schmerz, der diesen Leerraum in seiner Brust erfüllte. Und als er der Plötzlichkeit der bevorstehenden, außerplanmäßigen Besprechung vorsichtig widersprochen hatte, war der Schmerz in seiner Brust zu einem Feuer ausgebrochen, dessen Flammen bei der Erwiderung des Russen seine Kehle hinaufwanderten:»Was ich Ihnen zu zeigen habe, wird Sie inbrünstig wünschen lassen, daß wir uns niemals kennengelernt hätten, geschweige denn einen Grund hätten, uns heute morgen zu treffen. Seien Sie da!«

Ogilvie lehnte sich in seiner Limousine zurück, so weit, wie die Polster sich zusammendrücken ließen, die Beine ausgestreckt, fest auf dem Teppichboden. Abstrakte, herumwirbelnde Gedanken an persönlichen Reichtum, Macht und Einfluß durchkreisten seinen Kopf. Er mußte sich in den Griff bekommen! Schließlich war er Bryce Ogilvie, der Bryce Ogilvie, und auf der Überholspur der Körperschafts- und

Antitrustgesetze wahrscheinlich nur noch von Randolph Gates in Boston übertroffen.

Gates! Der bloße Gedanke an diesen Scheißkerl war eine willkommene Ablenkung. Medusa hatte den gefeierten Gates um einen kleinen Gefallen gebeten, einen irrelevanten, absolut akzeptablen Termin bei einer ad hoc einberufenen, regierungsorientierten Kommission, und er hatte ihre Anrufe nicht einmal beantwortet! Anrufe, die von einer weiteren, absolut akzeptablen Quelle weitergegeben wurden, dem angeblich untadeligen, unbefangenen Chef des PentagonNachschubs, einem Arschloch namens General Norman Swayne, der nur die besten Informationen verlangte. Nun, vielleicht mehr als Informationen, aber davon konnte Gates nichts wissen… Gates? Am Morgen zuvor hatte in der Times etwas darüber gestanden, daß er sich aus einem aggressiven feindlichen Übernahmeverfahren zurückgezogen hatte. Worum mochte es sich dabei wieder handeln?

Die Limousine hielt vor dem Carlyle Hotel, früher einmal die bevorzugte Adresse der Familie Kennedy, jetzt die Lieblingszuflucht der Sowjets. Ogilvie wartete, bis der uniformierte Portier die linke hintere Tür des Wagens öffnete, bevor er auf den Gehsteig hinaustrat. Normalerweise hätte er nicht darauf gewartet, da er der Meinung war, daß diese Verzögerung eine unnötige Affektiertheit war, aber heute morgen tat er es. Er mußte sich in den Griff bekommen! Er mußte der eiskalte Ogilvie sein, den seine Gegenspieler fürchteten. Die Fahrt des Fahrstuhls in den vierten Stock ging schnell, der Weg über den blauen Teppich des Korridors zur Suite Vier-C weitaus langsamer. Der Bryce Ogilvie atmete tief und ruhig durch und stand aufrecht, als er auf die Klingel drückte. Achtundzwanzig Sekunden später, nachdem er bis zum Überdruß leise» eintausend, zweitausend «gezählt hatte, wurde die Tür vom sowjetischen Generalkonsul geöffnet, einem schlanken, mittelgroßen Mann, dessen Adlergesicht straffe, weiße Haut und große, braune Augen hatte.

Wladimir Sulikow war ein drahtiger, dreiundsiebzigjähriger Mann voller nervöser Energie, ein Gelehrter und ehemaliger Geschichtsprofessor an der Moskauer Universität, ein überzeugter Marxist und dennoch — seltsam genug, wenn man seine Stellung bedachte — kein Mitglied der Kommunistischen Partei. Er zog die passive Rolle des unorthodoxen Individuums innerhalb eines kollektivistischen Systems vor. Dies und sein einzigartig scharfer Verstand hatten ihm gute Dienste erwiesen. Man gab ihm Posten, auf denen konformistischere Männer nicht halb so effektiv gewesen wären. Die Kombination dieser Eigenschaften — zusammen mit seiner Hingabe an körperliches Training — ließ Sulikow zehn bis fünfzehn Jahre jünger aussehen, als er war. Für jeden, der mit ihm verhandelte, war er auf beunruhigende Weise präsent, denn irgendwie strahlte er die Weisheit aus, die er sich über die Jahre angeeignet hatte, und ebenso die jugendliche Lebenskraft, sie zur Wirkung zu bringen.

Die Begrüßung war knapp. Sulikow bot nur einen steifen, kalten Händedruck und einen hartgepolsterten Lehnsessel an. Er stand vor der schmalen Kamineinfassung aus weißem Marmor, als wäre sie die Tafel eines Klassenzimmers, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ein erregter Professor, der im nächsten Augenblick einen lästigen, streitsüchtigen Studenten gleichzeitig befragen und belehren wollte.

«Zur Sache«, sagte der Russe kurz angebunden.»Sie kennen Admiral Peter Holland?«

«Hab von ihm gehört. Er ist der Direktor der Central Intelligence Agency. Warum fragen Sie?«

«Ist er einer von Ihnen?«

«Nein.«

«Sind Sie ganz sicher?«

«Natürlich bin ich das.«

«Ist es möglich, daß er ohne Ihr Wissen einer von Ihnen wurde?«

«Mit Sicherheit nicht, ich kenne den Mann gar nicht. Und wenn das hier eine Art Amateurverhör sowjetischer Art sein soll, dann üben Sie sich an jemand anderem.«

«Ohhh, der feine, teure amerikanische Anwalt hat Einwände, einfache Fragen zu beantworten?«

«Ich verwehre mich dagegen, beleidigt zu werden. Sie haben mir am Telefon eine erstaunliche Mitteilung gemacht, die ich erklärt haben möchte, also kommen Sie bitte zur Sache.«

«Ich werde zur Sache kommen, Herr Rechtsanwalt, glauben Sie mir, aber auf meine eigene Weise. Wir Russen verteidigen unsere Flanken. Es ist eine Lektion, die wir aus der Tragödie und dem Triumph von Stalingrad gelernt haben — eine Erfahrung, die ihr Amerikaner niemals machen mußtet.«

«Ich war in einem anderen Krieg, wie Sie sehr wohl wissen«, sagte Ogilvie kühl,»aber wenn Ihre Geschichtsbücher stimmen, dann mußte Ihnen Ihr russischer Winter aus der Patsche helfen.«

«Das kann man Tausenden und Abertausenden russischer Leichen schwer erklären.«

«Zugegeben, und ihnen gehört mein Mitgefühl, aber das ist nicht die Erklärung, die ich haben wollte.«

«Wie man so sagt, junger Mann, es sind die schmerzlichen Lektionen der unerlebten Geschichte, die wir wiederholen werden… Sehen Sie, wir schützen unsere Hanken, und wenn wir den Verdacht haben, man hätte uns auf internationaler Ebene in Verlegenheit gebracht, dann stärken wir sie noch. Das sollte eine einfache Lektion sein für jemanden, der so gelehrt ist wie Sie, Herr Rechtsanwalt.«

«Und so offensichtlich wie trivial. Was ist mit Admiral Holland?«

«Einen Moment noch… Lassen Sie mich Sie erst nach einem Mann namens Alexander Conklin fragen.«

Bryce Ogilvie schoß verblüfft in seinem Sessel vor.»Woher haben Sie diesen Namen?«fragte er kaum hörbar.

«Ich habe noch mehr… Jemand namens Panov, Mortimer oder Moishe Panov, ein jüdischer Arzt, glaube ich. Und schließlich, Herr Rechtsanwalt, ein Mann und eine Frau, von denen wir annehmen, daß es sich dabei um den ermordeten Jason Borowski und seine Frau handelt.«

«Mein Gott!«rief Ogilvie aus, den Körper gekrümmt und angespannt, die Augen weit aufgerissen.»Was haben diese Leute mit uns zu tun?«

«Das ist es, was wir herausfinden müssen«, antwortete Sulikow und starrte den Anwalt an.»Offensichtlich kennen Sie jeden einzelnen von ihnen, nicht wahr?«

«Jaja. Aber nein!« protestierte Ogilvie mit gerötetem Gesicht, und die Worte sprudelten aus ihm hervor.»Das ist eine vollkommen andere Situation. Das hat mit unserem Geschäft nichts zu tun — einem Geschäft, in das wir Millionen gesteckt haben, das wir seit zwanzig Jahren aufgebaut haben.«

«Und das im Gegenzug Millionen eingebracht hat, Mr. Rechtsanwalt, wenn es mir gestattet ist, Sie daran zu erinnern?«

«Risikokapital auf den internationalen Märkten!«rief der Anwalt.»Das ist in diesem Land kein Verbrechen. Das Geld fließt per Computer über die Ozeane. Das ist kein Verbrechen!«

«Wirklich?«Der sowjetische Generalkonsul wölbte seine Augenbrauen.»Ich dachte, Sie wären ein besserer Anwalt, als es diese Aussage nahelegt. Sie haben in ganz Europa über Fusionen und Erwerb unter Verwendung von stellvertretenden, irreführenden und Briefkasten-Gesellschaften Firmen aufgekauft. Die Firmen, die Sie gekauft haben, bilden ein geheimes Kartell, und Sie bestimmen die Preise zwischen ehemaligen Konkurrenten. Ich glaube, das nennt man Absprache und Einschränkung des freien Wettbewerbs, Rechtsbegriffe, mit denen wir bei uns keine Probleme haben.«

«Es gibt absolut keine Beweise, die solche Anschuldigungen stützen könnten!«verkündete Ogilvie.

«Natürlich nicht, solange es Lügner gibt und skrupellose Anwälte, die diese Lügner bestechen. Es ist ein labyrinthisches Unternehmen, brillant ausgeführt, und wir haben beide davon profitiert. Sie haben uns jahrelang alles verkauft, was wir wollten und brauchten, jeden größeren Posten unserer geheimen Regierungslisten, unter so vielen Namen, daß unsere Computer abgestürzt sind, als wir versuchten, den Überblick zu behalten.«

«Keine Beweise!«beharrte der Wall-Street-Anwalt eindringlich.

«Ich bin an solchen Beweisen nicht interessiert, Mr. Rechtsanwalt. Ich bin nur an den Namen interessiert, die ich Ihnen genannt habe. Der Reihe nach sind es Admiral Holland, Alexander Conklin, Dr. Panov, Jason Borowski und seine Frau. Erzählen Sie mir von ihnen.«

«Warum?«flehte Ogilvie.»Ich habe doch gerade erklärt, daß sie mit Ihnen und mir nichts zu tun haben, nichts mit unseren Abmachungen zu tun haben!«

«Wir glauben aber, das könnten sie sehr wohl. Warum fangen Sie also nicht mit Admiral Holland an?«

«Um Himmels willen…!«Der aufgebrachte Anwalt schüttelte seinen Kopf vor und zurück, stotterte mehrmals und ließ dann die Worte heraussprudeln.»Holland… also gut, Sie werden sehen… Wir haben einen Mann bei der CIA rekrutiert, einen Analytiker namens DeSole, der in Panik geraten ist und seine Beziehungen zu uns lösen wollte. Natürlich konnten wir das nicht zulassen, also ließen wir ihn eliminieren. Wie wir es schon mit einigen anderen tun mußten, die wir für gefährlich instabil hielten. Holland mag einen Verdacht gehabt haben, aber er

konnte nicht viel mehr tun als spekulieren — unsere Männer haben keine Spuren hinterlassen, das tun sie nie. Es sind Profis.«

«Gut«, sagte Sulikow, blieb am Kaminsims stehen und blickte auf den nervösen Ogilvie hinunter.»Der nächste, Alexander Conklin.«

«Er ist ein ehemaliger CIA-Standortchef und steht in Verbindung mit Panov, einem Psychiater. Sie wiederum haben beide Kontakt zu dem Mann, den sie Jason Borowski nennen, und auch zu dessen Frau. Sie kennen sich seit Jahren, aus Saigon, um die Wahrheit zu sagen. Sehen Sie, jemand war bei uns eingedrungen, mehrere unserer Leute waren angesprochen und bedroht worden, und DeSole kam zu dem Schluß, daß dieser Borowski mit Conklins Hilfe für dieses Eindringen verantwortlich war.«»Wie konnte er das?«

«Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß er eliminiert werden muß, und unsere Profis haben den Auftrag angenommen — die Aufträge. Die müssen alle weg.«»Sie haben Saigon erwähnt.«

«Borowski war Teil der alten Medusa«, gab Ogilvie leise zu.»Und wie die meisten dieser Truppe draußen ein Außenseiter… Es könnte also sein, daß er jemanden von vor zwanzig Jahren wiedererkannt hat. Die Geschichte, die DeSole gehört hat, war, daß dieser Misthaufen Borowski das ist übrigens nicht sein richtiger Name — von der Agentur ausgebildet wurde, um als internationaler Attentäter aufzutreten, um einen Killer auszuschalten, den man den Schakal nennt. Am Ende ist die Strategie fehlgeschlagen, und Borowski wurde in Pension geschickt — den goldenen Ruhestand. Aber damit war er offenbar nicht zufrieden, und also hat er sich über uns hergemacht… Können Sie es jetzt verstehen, ja? Die beiden Vorgänge sind vollkommen voneinander getrennt. Es gibt keine Verbindung. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«

Der Russe löste seine Hände und trat einen Schritt vor den Kamin. Sein Gesichtsausdruck war eher besorgt als alarmiert.

«Können Sie wirklich so blind sein, oder ist Ihr Blickfeld so eingeschränkt, daß Sie nichts anderes als Ihre Unternehmen sehen?«

«Ich weise Ihre Beleidigung als unangemessen zurück. Wovon reden Sie?«

«Die Verbindung ist da, weil sie eingefädelt wurde, nur aus einem einzigen Grund. Sie waren nur ein Nebenprodukt, ein Nebenaspekt, der für die Behörden plötzlich immens wichtig wurde.«

«Ich… verstehe nicht«, flüsterte Ogilvie und wurde blaß.

«Sie sagten gerade:… ein Killer, den sie den Schakal nennen, und vorher bezogen Sie sich auf Borowski als einen relativ unbedeutenden, schurkischen Agenten, der als Attentäter auftrat, eine Strategie, die fehlschlug, so daß man ihn in Pension schickte — goldener Ruhestand, sagten Sie.«

«So lauten meine Informationen.«

«Und was hat man Ihnen sonst über Carlos, den Schakal, gesagt? Was wissen Sie über die beiden?«

«Ehrlich gesagt, sehr wenig. Zwei alternde Killer, die sich seit Jahren gegenseitig jagen. Und wiederum ehrlich gesagt: Wen kümmert es? Meine einzige Sorge ist die gesicherte Vertraulichkeit unserer Organisation, die Sie in Frage stellen.«

«Sie sehen es immer noch nicht, was?«

«Was denn sehen, Herr des Himmels?«

«Borowski könnte vielleicht gar nicht der unwichtige Schurke sein, für den Sie ihn halten, nicht, wenn man an seine Begleiter denkt.«

«Drücken Sie sich bitte klarer aus«, sagte Ogilvie.

«Er benutzt Medusa, um den Schakal zu jagen.«

«Seine Medusa wurde vor Jahren in Saigon zerstört!«

«Offensichtlich glaubt er etwas anderes. Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihr maßgeschneidertes Jackett auszuziehen, den Ärmel aufzukrempeln und mir die kleine Tätowierung auf Ihrem Unterarm zu zeigen?«

«Das ist unerheblich! Ein Ehrenzeichen aus einem Krieg, den niemand unterstützt hat, aber wir mußten kämpfen!«

«Oh, kommen Sie schon, Mr. Rechtsanwalt. Von den Piers und Versorgungsdepots in Saigon aus? Indem Sie Ihre Truppen bestahlen und Kuriere zu den Banken in der Schweiz schickten? Für solche Heldentaten werden keine Orden ausgegeben.«

«Reine Spekulation ohne jede Grundlage!«rief Ogilvie aus.

«Erzählen Sie das Jason Borowski, einem Absolventen der ursprünglichen Schlangenlady… Oh, ja, Herr Rechtsanwalt, er hat Sie gesucht und gefunden, und er benutzt Sie, um dem Schakal zu folgen.«

«Um Gottes willen, wie denn bloß?«

«Ich weiß es ehrlich nicht, aber Sie sollten das hier besser lesen. «Der Generalkonsul ging eilig zum Schreibtisch hinüber, hob einen Stapel maschinengeschriebener Blätter auf und gab sie Ogilvie.»Das hier sind dekodierte Telefongespräche, die vor vier Stunden aus unserer Botschaft in Paris geführt wurden. Die Identitäten sind bestätigt, ebenso die Zielorte. Lesen Sie sie sorgfältig, Mr. Rechtsanwalt, und dann geben Sie mir Ihre Einschätzung.«

Der berühmte Anwalt, der eiskalte Ogilvie, packte die Papiere und begann mit schnellen, geübten Augen zu lesen. Während er von einer Seite zur anderen blätterte, wich ihm das Blut aus dem Gesicht, bis es die Blässe des Todes hatte.»Mein Gott, sie wissen alles. Meine Büros werden abgehört! Wie? Es ist verrückt! Wir sind undurchdringbar!«

«Ich schlage wiederum vor, daß Sie das Jason Borowski und seinem alten Freund und Stützpunkt-Chef aus Saigon, Alexander Conklin, sagen. Die haben Sie gefunden.«

«Das konnten sie nicht!«brüllte Ogilvie.»Wir haben alle, die von der Schlangenlady wußten, ausgezahlt und eliminiert. Himmel, es gab nicht so viele und nur gottverdammt wenige da draußen im Feld! Ich habe es Ihnen gesagt, sie waren der Abschaum, und wir wußten es besser — sie waren die Diebe der Welt und wurden für Verbrechen in ganz Australien und dem Fernen Osten gesucht. Und wir haben sie alle erreicht.«

«Ein paar davon haben Sie aber offensichtlich ausgelassen«, bemerkte Sulikow.

Der Anwalt gab ihm die getippten Seiten zurück, Schweißperlen liefen ihm die Schläfen hinunter.»Gott im Himmel, ich bin ruiniert«, flüsterte er erstickt.

«Der Gedanke ist mir auch gekommen«, sagte der sowjetische Generalkonsul von New York,»aber andererseits gibt es immer noch Alternativen, oder?… Natürlich gibt es nur einen Weg, den wir gehen können. Wie der Großteil dieses Kontinents sind wir von gewissenlosen Privatiers reingelegt worden. Lämmer, die zum Schlachten auf die Altäre der Raffgier geführt wurden, als dieses amerikanische Kartell von Finanzplünderern die Märkte aufgekauft, minderwertige Waren und Dienstleistungen zu inflationierten Preisen angeboten und dabei mit gefälschten Dokumenten behauptet hat, Washingtons Zustimmung dafür zu haben, Tausende von untersagten Artikeln an uns und unsere Satelliten zu liefern.«

«Sie Schwein!«explodierte Ogilvie.»Sie, Sie alle haben bei jedem Schritt kooperiert. Sie haben für uns Millionen aus den Blockstaaten vermittelt, umgeleitete, umbenannte — Himmel, umgemalte — Schiffe im ganzen Mittelmeerraum, der Ägäis, den Bosporus hinauf und ins Marmarameer bewegt, ganz zu schweigen von den Ostseehäfen!«

«Beweisen Sie es, Mr. Rechtsanwalt«, sagte Sulikow und lachte leise.»Wenn Sie es wünschen, kann ich aus Ihrem

Überlaufen einen lobenswerten Fall machen. Moskau wird Ihre Sachkenntnis willkommen heißen.«

«Was?«rief der Anwalt, und auf seinem Gesicht machte sich Panik breit.

«Nun, Sie können sicher nicht länger als absolut nötig hierbleiben. Sie haben es gelesen, Mr. Ogilvie. Sie sind im letzten Stadium elektronischer Überwachung, bevor die Behörden Sie hochnehmen.«

«Oh, mein Gott…«

«Sie könnten vielleicht versuchen, von Hongkong oder Macao aus zu operieren — die würden sich über Ihr Geld freuen, aber bei den Problemen, die sie in letzter Zeit mit dem Festlandsmarkt und dem Chinesisch-Britischen Vertrag haben, würden sie die Anklage gegen Sie sicher mit einiger Skepsis betrachten. Die Schweiz ist wohl ausgeschlossen. Die Auslieferungsgesetze sind zu eng gefaßt, wie Vesco feststellen mußte. Ahh, Vesco. Sie sollten ihn auf Kuba besuchen.«

«Hören Sie auf!«schrie Ogilvie.

«Sie könnten sich auch der Beweislast entgegenstemmen, es gibt soviel aufzudecken. Vielleicht würden Ihnen sogar, sagen wir, zehn Ihrer dreißig Jahre erspart bleiben.«

«Gottverflucht, ich werde Sie umbringen!«

Plötzlich öffnete sich die Schlafzimmertür, und eine Konsulatswache erschien, eine Hand drohend unter der Jacke. Der Anwalt war taumelnd auf die Beine gekommen, hilflos zitternd fiel er wieder in den Sessel zurück und beugte sich nach vorn, den Kopf in den Händen.

«Ein solches Verhalten würde man keineswegs gutheißen«, sagte Sulikow.»Kommen Sie, Mr. Rechtsanwalt, es ist Zeit für kühle Köpfe, nicht für emotionale Ausbrüche.«»Wie können Sie das sagen?«fragte Ogilvie mit stockender Stimme, den Tränen nahe.»Ich bin fertig.«

«Das ist ein hartes Urteil für einen einfallsreichen Mann wie Sie. Ich meine es ernst. Es stimmt, daß Sie hier nicht bleiben können, aber dennoch sind Ihre Mittel immens. Handeln Sie aus einer Position der Stärke heraus. Erzwingen Sie Konzessionen, das ist die Kunst des Überlebens. Am Ende werden die Behörden den Wert Ihres Beitrags erkennen, wie sie es bei Boesky, Levine und mehreren Dutzend anderer getan haben, die ihre Minimalstrafen verbüßen, indem sie Tennis und Backgammon spielen und dabei immer noch ganze Vermögen besitzen. Versuchen Sie es.«

«Wie?«sagte der Anwalt und sah zu dem Russen auf, flehend.»Zuerst kommt das Wo«, erklärte Sulikow.»Finden Sie ein neutrales Land, das keinen Auslieferungsvertrag mit Washington hat, eins, wo es Beamte gibt, die man dazu überreden kann, Ihnen eine vorläufige Zuflucht zu sichern, damit Sie Ihren geschäftlichen Aktivitäten nachgehen können — der Ausdruck vorläufig ist natürlich extrem dehnbar. Bahrain, die Emirate, Marokko, die Türkei, Griechenland — es besteht kein Mangel an attraktiven Möglichkeiten. Alle mit reichen, englischsprachigen Niederlassungen… Wir könnten Ihnen vielleicht sogar helfen, in aller Stille.«

«Warum sollten Sie?«

«Ihre Blindheit kehrt zurück, Mr. Ogilvie. Für einen gewissen Preis natürlich… Sie haben in Europa ein außergewöhnliches Unternehmen. Es steht und funktioniert, und unter unserer Kontrolle könnten wir beträchtlichen Nutzen daraus ziehen.«

«Oh… mein… Gott«, sagte der Chef von Medusa, und seine Stimme erstarb, als er den Generalkonsul anstarrte.

«Haben Sie wirklich eine Wahl, Herr Rechtsanwalt? Kommen Sie, wir müssen uns beeilen. Wir müssen Vorkehrungen treffen. Glücklicherweise ist es noch früh am Tag.«

Es war 3.35 Uhr nachmittags, als Charles Casset in Peter Hollands Büro kam.»Der Durchbruch«, sagte der stellvertretende Direktor, dann fügte er weniger enthusiastisch hinzu:»Fast.«

«Ogilvie und Co.?«fragte der DCI.

«Völlig unerwartet«, erwiderte Casset, nickte und legte mehrere Aktenfotos auf Hollands Schreibtisch.»Die sind vor einer Stunde vom Kennedy Airport rübergefaxt worden. Glauben Sie mir, es waren schwere sechzig Minuten.«

«Vom Kennedy?«Fragend betrachtete Peter die faksimilierten Duplikate. Sie umfaßten eine Reihe von Fotos, die eine Menge Menschen zeigten, die durch die Metalldetektoren an einem der internationalen Flughafenterminals drängten. Der Kopf eines einzelnen Mannes war auf jedem Foto rot eingekreist.»Was ist das? Wer ist das?«

«Das sind Passagiere auf dem Weg zur Aeroflot-Lounge, auf dem Weg nach Moskau. Der Sicherheitsdienst fotografiert US-Bürger, die diese Flüge nehmen, routinemäßig.«

«So? Und wer ist dieser Mann?«

«Ogilvie selbst.«

«Was?«

«Er ist auf dem 14-Uhr-Nonstopflug nach Moskau… Nur soll er da gar nicht sein.«

«Bitte?«

«Drei verschiedene Anrufe in seinem Büro haben dieselbe Information ergeben. Er sei außer Landes, in London, im Dorchester, aber wir wissen, daß er es nicht ist. Allerdings hat die Rezeption im Dorchester bestätigt, daß er dort vorgemerkt ist, aber nicht eingetroffen… Nachrichten können hinterlassen werden.«

«Ich verstehe nicht, Charlie.«

«Es ist ein Tarnmanöver, und zwar ziemlich hastig aufgebaut. Erstens, warum sollte sich jemand, der so reich ist wie Ogilvie' mit der Aeroflot begnügen, wenn er an Bord der Concorde nach

Paris und dann mit Air France weiter nach Moskau kommen könnte? Außerdem, warum sollte sein Büro freiwillig zum besten geben, daß er entweder in oder auf dem Weg nach London ist, wenn er doch nach Moskau fliegt?«

«Der Flug mit Aeroflot leuchtet ein«, sagte Holland.»Es ist die staatliche Fluglinie, und er steht unter sowjetischem Schutz. Die Sache mit London und dem Dorchester ist auch nicht so schwer. Sie ist da, um etwaige Verfolger abzuhängen… um uns abzuhängen!«

«Weiter so, Meister. Also hat Valentine ein bißchen mit diesen phantastischen Gerätschaften in den Kellern rumgespielt, und was sagen Sie dazu?… Mrs. Ogilvie und ihre beiden Kinder sind auf einem Flug der Royal Air Maroc nach Casablanca, mit Anschluß nach Marrakesch.«

«Marrakesch?…Air Maroc… Marokko, Marrakesch? Warten Sie mal. In den Auswertungen, die wir für Conklin über das Mayflower Hotel angestellt haben, gab es eine Frau, eine von drei Personen, die er mit Medusa in Verbindung gebracht hat, die in Marrakesch gewesen war.«

«Ich bewundere Ihr Erinnerungsvermögen, Peter. Diese Frau und Mrs. Ogilvie waren Anfang der Siebziger Zimmergenossinnen in Bennington. Gute, alte Familien. Ihre Ahnentafeln bieten Gewähr für ein großes Maß an Zusammengehörigkeit.«

«Charlie, was geht da vor sich?«

«Die Ogilvies haben einen Tip bekommen und sind ausgestiegen. Außerdem würden wir, falls ich mich nicht täusche und falls wir mehrere hundert Konten sichten könnten, feststellen, daß von New York aus Millionen nach wer weiß wohin jenseits unserer Küste überwiesen worden sind.«

«Medusa sitzt jetzt in Moskau, Herr Direktor.«

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