Kapitel 8

Routinenachforschungen in der Bundeshandelskommission bestätigten die Tatsache, daß ihr Vorsitzender Albert Armbruster sowohl Magengeschwüre als auch zu hohen Blutdruck hatte und auf Anraten des Arztes sein Büro verließ und nach Hause ging, wann immer es ihm nicht gutging. Aus diesem Grund rief Alex Conklin ihn nach einem ziemlich üppigen Dinner an — von dem er erfahren hatte —, um die Schlangenlady-Krise weiterzuschüren. Wie schon beim ersten Anruf erwischte er Armbruster unter der Dusche und sagte dem zitternden Vorsitzenden, daß jemand später am Tag mit ihm Verbindung aufnehmen werde — entweder im Büro oder zu Hause. Der Kontakt würde sich einfach als Cobra identifizieren. (»Benutze immer die banalsten Reizworte, die dir einfallen«, war auch ein Bibelwort des heiligen Alex.) In der Zwischenzeit sollte Armbruster mit niemandem sprechen.»Das ist ein Befehl von der Sechsten Flotte.«

«Oh! Großer Gott!«

Also ließ Armbruster seinen Wagen bestellen und fuhr leidend nach Hause. Auf den Vorsitzenden kam aber noch mehr Ungemach zu, denn Jason Borowski wartete schon auf ihn.

«Guten Tag, Mr. Armbruster«, sagte der Fremde freundlich, als sich der Vorsitzende aus der Limousine wand, nachdem der Chauffeur ihm den Wagenschlag aufgerissen hatte.

«Ja, was?«Die Antwort Armbrusters kam sofort und unsicher.

«Ich sagte nur >guten Tage. Mein Name ist Simon. Wir sind uns beim Empfang für den Generalstab im Weißen Haus vor einigen Jahren begegnet…«

«Ich war nicht dort«, unterbrach der Vorsitzende mit Nachdruck.»Oh?«Der Fremde hob seine Brauen. Seine Stimme war immer noch angenehm, aber offensichtlich fragend.

«Mr. Armbruster?«Der Chauffeur hatte die Autotür geschlossen und wandte sich jetzt höflich an den Vorsitzenden.»Brauchen Sie mich… «

«Nein, nein«, sagte Armbruster, abermals unterbrechend.»Sie sind frei. Ich brauche Sie nicht mehr heute… abend.«

«Zur selben Zeit morgen früh, Sir?«

«Ja, morgen, wenn Sie nichts anderes hören. Mir geht es nicht gut, fragen Sie im Büro nach.«

«Ja, Sir. «Der Chauffeur tippte an die Mütze und setzte sich wieder in den Wagen.

«Tut mit leid, das zu hören«, sagte der Fremde, immer noch an derselben Stelle, als die Limousine startete und langsam davonrollte.»Was? Ach, Sie. Ich war niemals im Weißen Haus auf diesem verdammten Empfang!«

«Vielleicht irre ich mich…«

«Ja, na ja, nett, Sie kennengelernt zu haben«, sagte Armbruster ängstlich, ungeduldig und ging eilends zu den Stufen, die zu seinem Georgetown-Haus hochführten.

«Nochmals, ich bin ganz sicher, daß Admiral Burton uns vorgestellt hat…«

«Was?«Der Vorsitzende drehte sich blitzschnell um.»Was sagten Sie da gerade?«

«Schluß mit der Zeitverschwendung«, fuhr Jason Borowski fort, wobei das Angenehme aus seiner Stimme und seinem Gesicht verschwand.»Ich bin Cobra.«

«Oh, Jesus! Mir geht es nicht gut. «Armbruster wiederholte diesen Satz mit heiserem Flüstern und richtete seinen Blick auf sein Haus, zu den Fenstern und der Tür.

«Ihnen wird es noch schlimmer gehen, wenn wir nicht miteinander sprechen«, fügte Jason hinzu und folgte Armbrusters Blick.»Soll es dort oben sein? In Ihrem Haus?«

«Nein!«schrie Armbruster.»Sie kläfft ununterbrochen herum und will alles über alle wissen und tratscht es dann in der ganzen Stadt herum, wobei sie alles übertreibt.«

«Ich nehme an, Sie sprechen von Ihrer Frau?«

«Sie und alle anderen. Sie wissen nicht, wann sie ihr Maul halten sollen.«

«Hört sich an, als fehlte ihnen Gesprächsstoff.«

«Was?«

«Egal. Ich habe weiter unten meinen Wagen stehen. Ist Ihnen eine Fahrt recht?«

«Ist wohl besser. Wir werden unten am Drugstore kurz halten. Dort haben Sie meine Medizin auf Vorrat… Wer, zum Teufel, sind Sie?«»Sagte ich doch«, antwortete Borowski.»Cobra. Eine Schlange.«

«Oh, Jesus!«flüsterte Albert Armbruster.

Der Apotheker bediente sie schnell, und Jason fuhr zu einer Bar in der Nähe, die er schon vor einer Stunde ausgesucht hatte. Sie war dunkel, die Sitzecken waren mit hohen Holzwänden voneinander getrennt, so daß Leute, die einander trafen, vor neugierigen Blicken geschützt waren. Das Ambiente war wichtig, denn es war notwendig, daß er dem Vorsitzenden in die Augen starren konnte mit seinem eiskalten, fordernden und drohenden Blick. Delta war wieder da, Cain war zurückgekehrt, David Webb vergessen.

«Wir müssen uns bedeckt halten«, sagte Cobra ruhig, nachdem ihnen die Drinks gebracht worden waren.»In bezug auf die Schadenskontrolle. Was bedeutet, wir müssen wissen, wieviel Schaden jeder von uns unter Amytal anrichten kann.«

«Was, zum Teufel, bedeutet das?«fragte Armbruster und kippte den größten Teil seines Gin-Tonic hinunter, während er ächzte und sich den Bauch hielt.»Drogen, Chemikalien, Wahrheitsserum.«»Was?«

«Dies ist kein normales Ballspiel«, sagte Borowski und dachte an Conklins Worte.»Wir müssen alle unsere Ausgangsbasen bedeckt halten, weil es in dieser Angelegenheit keine konstitutionellen Rechte gibt.«

«Wer sind Sie?«Der Vorsitzende der Bundeshandelskommission rülpste und brachte mit zittriger Hand sein Glas kurz an die Lippen.»Eine Art Ein-Mann-Stoßtrupp? Johnny Soundso weiß etwas, also wird er in einer Gasse erschossen?«

«Seien Sie nicht albern. Dergleichen Dinge wären total kontraproduktiv. Das wäre nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, die versuchen, uns zu finden, würde Spuren hinterlassen… «

«Worüber sprechen Sie eigentlich?«

«Unser Leben zu retten, einschließlich unseres Rufs und unseres Lebensstils.«

«Sie sind gut. Und wie sollen wir das erreichen?«

«Nehmen wir mal Ihren Fall… Sie sind gesundheitlich nicht auf der Höhe, wie Sie selbst sagen. Sie könnten auf Anraten eines Arztes zurücktreten, und wir sorgen für Sie — Medusa sorgt für Sie. «Jason ließ seine Phantasie spielen, verknüpfte Wirkliches und Unwirkliches und suchte nach den Worten, die dem Katechismus des heiligen Alex entsprechen würden.»Sie sind als vermögender Mann bekannt, also könnte in Ihrem Namen eine Villa gekauft werden oder vielleicht eine Insel in der Karibik, wo Sie vollständig sicher wären. Niemand könnte Sie erreichen, niemand könnte mit Ihnen sprechen, wenn Sie es nicht wollten, was hieße, nur abgesprochene Interviews, harmlose oder sogar günstige Ergebnisse garantiert. So etwas wäre nicht undenkbar.«

«Ganz schön sterile Existenz meiner Meinung nach«, sagte Armbruster.»Ich und der Kläffer ganz allein? Ich würde sie umbringen.«

«Keineswegs«, fuhr Cobra fort.»Es gäbe Abwechslungen. Gäste Ihrer Wahl könnten eingeflogen werden, wo immer Sie sich aufhalten. Auch andere Frauen — entweder von Ihnen ausgewählt oder von Leuten, die Ihren Geschmack kennen. Das Leben geht wie zuvor weiter, abgesehen von geringen Unbequemlichkeiten und Überraschungen. Das Wichtige wäre, daß Sie geschützt sind, unerreichbar. Und deshalb wären auch wir geschützt, alle übrigen… Aber, wie ich sagte, diese Option ist beim gegenwärtigen Stand bloß hypothetisch. In meinem Fall ist es, offen gesagt, bereits notwendig, weil es wenig gibt, was ich nicht weiß. Ich muß in wenigen Tagen gehen. Bis dahin entscheide ich, wer sonst noch gehen muß und wer bleibt… Wieviel wissen Sie, Mr. Armbruster?«

«Mit den täglichen Operationen habe ich nichts zu tun, natürlich. Ich beschäftige mich mit der Planung. Genau wie alle anderen bekomme ich monatlich ein kodiertes Telex von den Banken in Zürich, das die Bankkonten auflistet und die Firmen, die wir kontrollieren — das ist alles.«

«Bis jetzt bekommen Sie noch keine Villa.«

«Verdammt, wenn ich eine will, dann kaufe ich mir eine. Ich habe annähernd einhundert Millionen Dollar in Zürich.«

Borowski kontrollierte sein Erstaunen und starrte einfach den Vorsitzenden an.»Das würde ich nicht wiederholen«, sagte er.

«Wem sollte ich es denn erzählen? Dem Kläffer?«

«Wie viele von den anderen kennen Sie persönlich?«fragte Cobra.»Praktisch niemanden von der Spitze, aber sie kennen mich auch nicht. Zum Teufel, sie kennen niemanden… Nehmen wir Sie zum Beispiel. Ich habe niemals von Ihnen gehört. Ich denke, daß Sie für den Vorstand arbeiten. Mir wurde gesagt, daß ich Sie erwarten soll, aber ich kenne Sie nicht.«

«Ich wurde auf einer ganz besonderen Grundlage angeheuert. Meine Spezialität sind ultrageheime Deckoperationen.«

«Wie ich sagte. Ich dachte mir…«

«Wie steht’s mit der Sechsten Flotte?«unterbrach Borowski, weil er von sich ablenken wollte.

«Ich sehe ihn ab und zu, aber ich glaube nicht, daß wir mehr als ein Dutzend Worte miteinander gewechselt haben. Er ist ein Militär, und ich bin Zivilist — sehr zivil.«

«Aber früher nicht. Als alles anfing.«

«Zum Teufel, nein! Eine Uniform macht noch keinen Soldaten, und bei mir schon gar nicht.«

«Was ist mit den verschiedenen Generälen, dem in Brüssel und dem anderen im Pentagon?«»Sie waren Karrieristen, sie blieben dabei. Ich nicht.«»Wir müssen uns auf Lecks, auf Gerüchte gefaßt machen«, sagte Borowski beinahe beiläufig, wobei er seine Blicke wandern ließ.»Aber wir dürfen nicht den geringsten Verdacht einer militärischen Verbindung aufkommen lassen.«

«Sie meinen im Stil einer Junta?«»Niemals«, entgegnete Borowski und starrte Armbruster wieder an.»Derlei Dinge rufen Wirbelstürme hervor…«

«Vergessen Sie's!«unterbrach ihn der Vorsitzende der Bundeshandelskommission ärgerlich im Flüsterton.»Die Sechste Flotte, wie Sie ihn nennen, kontaktiert die hohen Tiere nur hier; weil es bequem ist. Er ist durch und durch Admiral mit einer hohen Abschußliste und einer Menge Vorlagen, wie wir sie brauchen. Aber nur in Washington und sonst nirgendwo.«

«Ich weiß das, und Sie wissen es«, sagte Jason mit Betonung, wobei die Betonung seine Verwirrung verdecken sollte,»aber da ist jemand, der hat fünfzehn Jahre lang an einem

Sicherungsprogramm gearbeitet. Der hat sein eigenes Szenario zusammengestellt, und das kommt aus Saigon — Kommando Saigon.«

«Vielleicht ist es aus Saigon gekommen, aber es ist, zum Teufel, nicht dort geblieben. Die Kommißköppe konnten damit nicht umgehen — das wissen wir alle… Aber ich verstehe, was Sie meinen. Man wirft Pentagon-Generäle mit Leuten wie uns in einen Topf, und schon sind die Freaks auf den Straßen, und im Kongreß gehen herzergreifende Märchen um. Und plötzlich werden ein Dutzend Untersuchungskomitees eingesetzt.«

«Was wir nicht zulassen dürfen«, fügte Borowski hinzu.

«Klar«, sagte Armbruster.»Weiß man schon Näheres, welcher Bastard das Szenario aufgestellt hat?«

«In etwa, aber nicht genau genug. Er hat Kontakt mit Langley gehabt, aber wir wissen nicht, auf welcher Ebene.«

«Langley? Um Himmels willen. Wir haben doch dort jemanden. Er kann es unterdrücken und herausfinden, wer der Hurensohn war.«

«DeSole?«bot Borowski schlicht an.

«Genau. «Armbruster beugte sich vor.»Es gibt tatsächlich wenig, was Sie nicht wissen. Was sagt DeSole?«

«Nichts, wir können an ihn nicht ran«, antwortete Jason. Von plötzlicher Panik befallen, suchte er nach einer glaubwürdigen Antwort. Er war zu lange David Webb gewesen! Conklin hatte recht, er dachte nicht schnell genug. Dann kamen die Worte… ein Teil der Wahrheit, ein gefährlicher Teil, aber glaubhaft, und die Glaubhaftigkeit durfte er nicht verlieren.»Er glaubt, daß er überwacht wird, und wir sollen ihm fernbleiben. Keinerlei Kontakte, bis er uns Gegenteiliges wissen läßt.«

«Was ist passiert?«Der Vorsitzende griff nach dem Glas, wobei seine Augen kalt hervortraten.

«Jemand im Keller hat festgestellt, daß Teagarten in Brüssel einen direkten Fax-Kode zu DeSole hat, womit er den routinemäßigen streng vertraulichen Verkehr umgehen kann.«

«Diese dämlichen gottverdammten Kommißköppe!«fauchte Armbruster.»Du brauchst ihnen nur ein paar goldene Litzen zu geben, und schon stolzieren sie herum wie Debütanten und wollen jedes neue Spielzeug in der Stadt haben! Fax, Zugriff, Kode! Ach du liebe Scheiße, wahrscheinlich hat er die falschen Nummern gedrückt und ist direkt beim NAACP gelandet.«

«DeSole sagt, er baut eine neue Deckung auf und daß er es in den Griff bekommt, aber daß er nicht herumlaufen und Fragen stellen kann, vor allem nicht in diesem Bereich. Er wird in Ruhe alles durchchecken, und wenn er etwas erfährt, dann kontaktiert er uns, aber wir sollen ihn nicht kontaktieren.«

«Hätten Sie gedacht, daß es ein lausiger Kommißkopp sein würde, der uns in eine so gefährliche Lage bringt? Wäre nicht dieses Rindvieh mit seinem Zugriffkode gewesen, hätte es keine Probleme gegeben. Alles wäre auf die Reihe gekommen.«

«Aber er existiert, und das Problem — die Krise — verschwindet nicht einfach«, sagte Borowski kühl.»Ich wiederhole, wir müssen in Deckung gehen. Einige von uns müssen das Land verlassen… «

Der Vorsitzende der Bundeshandelskommission lehnte sich zurück, wobei sein Gesicht nachdenklich Widerspruch ausdrückte.»Tja, lassen Sie mich Ihnen etwas sagen, Simon oder wie immer Sie heißen. Sie nehmen die falschen Leute unter die Lupe. Wir sind Geschäftsleute, einige von uns reich genug oder egoistisch genug oder aus sonstigen Gründen bereit, für die Regierung zu arbeiten, aber in erster Linie sind wir Geschäftsleute, die investieren. Auch werden wir ernannt und nicht gewählt, und das heißt, daß niemand eine volle finanzielle Offenlegung erwarten kann. Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?«

«Ich bin mir nicht sicher«, sagte Jason, sofort besorgt, daß er die Kontrolle verlieren und die Bedrohung nachlassen könnte. Ich war zu lange weg vom Fenster… und Albert Armbruster war kein Dummkopf. Er geriet erst einmal in Panik, aber dann wurde er kühl und sehr viel analytischer.»Worauf wollen Sie hinaus?«

«Uns unserer Kommißköppe entledigen. Kauft ihnen Villen oder ein paar Inseln in der Karibik und zieht sie aus dem Verkehr. Gebt ihnen ihre kleine Hofgesellschaft und laßt sie König spielen. Das ist alles, was sie wollen.«

«Ohne sie operieren?«fragte Borowski und versuchte, sein Erstaunen zu verbergen.

«Sie haben es gesagt, und ich pflichte bei. Jede Verbindung mit einem hohen Militär bringt uns in größte Schwierigkeiten. Dann läuft es unter der Bezeichnung >militärisch-industrieller Komplexe, was frei übersetzt militärisch-industrielle Verschmelzung bedeutet. «Wieder beugte sich Armbruster über den Tisch.»Wir brauchen sie nicht mehr! Entledigt euch ihrer!«

«Es könnte sehr laute Einwände geben…«

«Macht nichts. Wir haben sie am Sack!«

«Darüber werde ich nachdenken.«

«Da gibt es nichts nachzudenken. In sechs Monaten haben wir in Europa jede nur wünschenswerte Kontrolle.«

Jason Borowski starrte den Vorsitzenden der Bundeshandelskommission an. Welche Kontrolle? dachte er bei sich. Aus welchem Grund? Wozu?

«Ich fahre Sie nach Hause«, sagte er.

«Ich habe mit Marie gesprochen«, sagte Conklin vom CIAAppartement in Virginia aus.»Sie ist im Hotel, nicht mehr in deinem Haus.«

«Warum?«fragte Jason an einer Tankstelle mit einem Münzfernsprecher in der Nähe von Manassas.

«Sie war nicht sehr deutlich… Ich glaube, es war Essens- oder Schlafenszeit, einer der Zeitpunkte, zu denen Mütter niemals deutlich sind. Ich konnte deine Kinder im Hintergrund hören.«

«Was hat sie gesagt, Alex?«

«Es scheint, daß dein Schwager es so wollte. Sie hat das nicht näher erläutert, und abgesehen davon, daß sie ziemlich nach gestreßter Mutter klang, hörte sie sich ganz nach der normalen Marie an, die ich kenne und liebe — was bedeutet, daß sie nur über dich etwas hören wollte.«

«Was heißt, daß du ihr gesagt hast, daß es mir ausgezeichnet geht, oder?«

«Himmel, ja. Ich habe ihr gesagt, daß du unter ständiger Bewachung stehst und wahre Berge von Computerausdrucken durchgehst. Eine Abwandlung der Wahrheit.«

«Johnny hat wohl mit ihr gesprochen. Sie hat ihm gesagt, was passiert ist, weshalb er sie alle in seinem exklusiven Bunker untergebracht hat.«

«Sein was?«

«Hast du Tranquility Inn niemals gesehen? Ich kann mich echt nicht entsinnen, ob du es gesehen hast oder nicht.«

«Panov und ich haben nur die Pläne und das Grundstück gesehen. Das ist vor vier Jahren gewesen. Seither waren wir nicht mehr dort, zumindest ich nicht. Niemand hat mich eingeladen.«

«Das will ich überhört haben. Schließlich hast du eine Dauereinladung; seit wir das Haus dort haben… Egal, es liegt am Strand, und die einzige Möglichkeit, dorthin zu gelangen, außer übers Wasser, ist über eine Schlammstraße, so voller Steine, daß es kein normaler Wagen schafft. Alles wird per Flugzeug eingeflogen oder mit dem Schiff gebracht. Beinahe nichts aus der Stadt.«

«Und der Strand steht unter Bewachung«, unterbrach Conklin.

«Johnny geht kein Risiko ein.«

«Deswegen habe ich sie dorthin geschickt. Ich werde sie später anrufen.«

«Was ist mit Armbruster?«

«Sagen wir mal so«, antwortete Borowski, wobei seine Augen über die weiße Plastikwand der Telefonzelle irrten,»was bedeutet es, wenn ein Mann, der einhundert Millionen Dollar in Zürich liegen hat, mir sagt, daß Medusa Ort der Entstehung Kommando Saigon, mit der Betonung auf Kommando, schwerlich eine zivile Einrichtung — sich der Militärs entledigen sollte, weil die Schlangenlady sie nicht länger benötige?«

«Das glaube ich nicht«, sagte der CIA-Agent a. D. mit ruhiger, zweifelnder Stimme.»Das hat er nicht gesagt.«

«Oh, ja, hat er. Er hat sie ständig nur Kommißköppe genannt und sie keineswegs gerühmt. Er hat die Admiräle und Generäle so ungefähr als Schmierenkomödianten bezeichnet, die am liebsten jedes neue Spielzeug in der Stadt haben möchten.«

«Manche Senatoren im Komitee der Bewaffneten Streitkräfte würden mit dieser Feststellung übereinstimmen«, pflichtete Alex bei.

«Aber es geht noch weiter. Als ich ihn daran erinnerte, daß die Schlangenlady aus Saigon kam — Kommando Saigon —, wurde er sehr deutlich. Er sagte, das mag so sein, aber es sei so sicher wie das Amen in der Kirche dort nicht geblieben, weil, und das ist ein Zitat, >die Kommißköppe damit nicht umgehen konnten<.«

«Das ist eine provozierende Feststellung. Hat er gesagt, warum sie damit nicht umgehen konnten?«

«Nein, und ich habe nicht gefragt. Er schien zu glauben, daß ich die Antwort wüßte.«

«Ich wünschte, es wäre so. Ich mag immer weniger, was ich da höre. Es ist zu scheußlich… Wie ist er auf die hundert Millionen zu sprechen gekommen?«

«Ich habe ihm erzählt, daß Medusa ihm eine Villa irgendwo außerhalb des Landes besorgen könnte, wo er unerreichbar wäre, wenn wir es für nötig hielten. Er war daran nicht sehr interessiert und sagte, wenn er eine wolle, würde er sie sich selbst kaufen. Er habe hundert Millionen in Zürich, eine Tatsache, von der er wohl annahm, daß ich sie auch kannte.«

«Das war alles? Nur ein paar lumpige hundert Millionen?«

«Nicht ganz. Er sagte mir, daß er, wie die anderen auch, monatlich ein Telex, kodiert, von den Züricher Banken bekomme. Mit den Kontoständen — die sicherlich wachsen.«

«Scheußlich und wachsend«, fügte Alex hinzu.»Sonst noch was? Nicht, daß ich es besonders gern hören möchte.«

«Noch zwei Punkte: Armbruster sagte, daß er zusammen mit der Liste der Konten eine Liste mit Firmen bekomme, die sie kontrollieren.«

«Welche Firmen? Wovon hat er gesprochen?… Gütiger Gott!«

«Wenn ich gefragt hätte, könnten meine Frau und meine Kinder eine private Gedächtnisfeier veranstalten, ohne Sarg, denn ich wäre verschwunden.«»Du hast noch mehr zu erzählen. Sag schon.«»Unser famoser Vorsitzende der Bundeshandelskommission sagte, daß das allgegenwärtige >wir< sich der Militärs entledigen könne, weil innerhalb von sechs Monaten >wir< in Europa all die Kontrolle hätten, die wir brauchen… Alex, welche Kontrolle? Womit haben wir es da zu tun?«

Es herrschte Stille. Jason Borowski störte sie nicht. David Webb wollte vor Abscheu und Verwirrung schreien, aber das war sinnlos, er war eine Nichtperson. Endlich sprach Conklin wieder.

«Ich glaube, wir haben es mit etwas zu tun, was wir nicht bewältigen. «Seine Worte waren kaum hörbar.»Das muß auf höherer Ebene behandelt werden. Wir können das selbst nicht machen.«

«Gott verdammt, du sprichst nicht zu David. «Borowskis Ton genügte, um zu zeigen, wie zornig er war.»Dies geht nirgendwohin, bevor ich es nicht sage, und vielleicht sage ich es nie. Verstehst du mich, ich schulde niemandem das Geringste, und schon gar nicht den Geschäftemachern in dieser Stadt. Sie haben meine Frau und mich genug herumgestoßen wegen jeder Konzession, als unser Leben oder das Leben unserer Kinder auf dem Spiel stand! Ich beabsichtige, alles, was ich erfahre, für ein Ziel zu nutzen, und nur ein Ziel, und das ist, den Schakal hervorzulocken und ihn zu töten, damit wir aus unserer persönlichen Hölle herauskommen und normal leben können… Ich weiß jetzt, daß dies der Weg ist, es zu schaffen. Armbruster hat barsch geredet, und wahrscheinlich ist er barsch, aber darunter ist er voller Furcht. Sie sind alle voller Furcht — voller Panik, wie du gesagt hast. Präsentiere ihnen den Schakal, und er wird die Lösung sein, an der sie nicht vorbeikommen. Präsentiere Carlos einen Kunden, der so reich und so mächtig wie unser Medusa-Mann hier ist, und er wird für ihn unwiderstehlich sein — er hat dann endlich die Anerkennung der international großen Männer, nicht nur den des Abschaums der Welt, der Fanatiker von links und rechts… Stell dich mir bitte nicht in den Weg!«

«Das ist eine Drohung, nicht wahr?«»Hör auf, Alex. Ich will nicht so sprechen.«»Hast du aber. Es ist die Umkehrung von Paris von vor dreizehn Jahren, nicht wahr? Nur jetzt wirst du mich töten, weil ich derjenige bin, der keine Erinnerung hat, die Erinnerung an das, was wir dir und Marie angetan haben.«

«Das ist meine Familie da draußen!«schrie David Webb mit gepreßter Stimme. Schweißperlen bildeten sich an seinem Haaransatz, und seine Augen füllten sich mit Tränen.»Sie sind tausend Kilometer von mir entfernt und müssen sich verstecken. Es gibt keinen anderen Weg, weil ich kein Risiko eingehen will… weil sie sonst getötet werden, Alex, denn das ist es, was der Schakal tut, wenn er sie findet. Diese Woche sind sie auf der Insel, wo werden sie nächste Woche sein? Wie viele tausend Kilometer noch? Und danach? Wo werden sie hingehen, wohin? Jetzt, wo wir wissen, was wir wissen, können wir nicht einfach aufhören. Er ist hinter mir her. Dieser gottverdammte lausige Psychopath ist hinter mir her, und alles, was wir über ihn gelernt haben, ist, daß er einen maximalen Kill will. Sein Ego verlangt es, und dieser Kill meint meine Familie! Nein, mein Lieber, belaste mich nicht mit Dingen, die mich nicht interessieren, nicht, wenn sie mit Marie und den Kindern kollidieren — soviel bist du mir schuldig.«

«Ich höre dir zu«, sagte Conklin.»Ich weiß nicht, ob ich David Webb oder Jason Borowski höre, aber ich höre dir zu. Also gut, es ist nicht wie in Paris, aber wir müssen schnell handeln, und jetzt spreche ich zu Borowski. Was als nächstes? Wo bist du?«

«Ich schätze, neun oder zehn Kilometer von General Swaynes Haus entfernt«, entgegnete Jason und atmete tief durch. Er unterdrückte die momentane Angst, und die Coolness kehrte zurück.»Hast du den Anruf erledigt?«

«Vor zwei Stunden.«

«Bin ich noch Cobra?«

«Warum nicht? Es ist eine Schlange.«

«Das habe ich Armbruster auch gesagt. Er war nicht glücklich.«

«Swayne wird es noch weniger sein, aber ich rieche etwas, ohne daß ich es richtig erklären könnte.«

«Was meinst du?«

«Ich bin nicht sicher, aber ich habe das Gefühl, daß er noch jemand anderem untersteht.«

«Im Pentagon? Burton?«

«Ich nehme es an, aber ich weiß es nicht. In seiner ersten Überraschung reagierte er wie gelähmt, beinahe wie ein Zuschauer, jemand, der zwar beteiligt ist, aber nicht mitten im Spiel steht. Er verplapperte sich ein paarmal und sagte Dinge wie: >Darüber müssen wir nachdenken<, oder: >Das müssen wir noch bereden.< Bereden mit wem? Seine Antwort war ein lahmes majestätisches >wir<, was wohl soviel bedeuten sollte, daß der berühmte General mit sich selbst konferiere. Aber das nehme ich ihm nicht ab.«

«Ich auch nicht«, stimmte Jason zu.»Ich werde die Kleider wechseln. Sie sind im Wagen.«

«Was?«

Borowski drehte sich in seiner Plastiktelefonzelle zur Seite und sah zur Herrentoilette an der Seite der Tankstelle hinüber.»Du hast gesagt, daß Swayne auf einer Farm westlich von Manassas lebt…«

«Korrektur«, unterbrach Alex.»Er nennt es eine Farm. Seine Nachbarn und das Grundsteuerbuch bezeichnen es als einen zwölf Hektar großen Landsitz. Nicht schlecht für einen Karrieresoldaten aus der unteren Mittelklasse aus Nebraska, der vor dreißig Jahren auf Hawaii eine Friseuse geheiratet hat. Es heißt, er habe das Gut vor zehn Jahren mit einer beträchtlichen Erbschaft erstanden, die ihm ein unauffindbarer Wohltäter vermacht habe, ein obskurer reicher Onkel. Ich konnte ihn jedenfalls nicht finden. Das hat mich neugierig gemacht. Swayne war unter anderem Chef des Quartiermeister-Korps in Saigon und hat Medusa beliefert… Aber was hat sein Wohnort damit zu tun, daß du die Kleidung wechseln willst?«

«Ich will mich ein wenig umsehen, solange noch Licht ist. Später dann werde ich ihm einen Überraschungsbesuch abstatten.«

«Das wird effektiv sein, aber wonach willst du vorher Ausschau halten?«

«Ich habe Farmen gern. Sie sind so weit und groß, und ich verstehe nicht, warum ein Berufssoldat, der weiß, daß er von einer Minute zur anderen in irgendeinen Teil der Welt versetzt werden kann, sich mit so einer großen Investition belastet.«

«Sei vorsichtig. Vielleicht hat er Alarmanlagen oder Hunde — Dinge in der Art.«

«Ich bin vorbereitet«, sagte Borowski.»Ich habe ein paar Einkäufe gemacht, bevor ich Georgetown verlassen habe.«

Die Sommersonne stand bereits niedrig am Himmel, er verlangsamte die Fahrt des Leihwagens und klappte die Sonnenblende herunter, um nicht von dem gelben Feuerball geblendet zu werden, der schon bald hinter den Shenandoah-Bergen verschwinden und damit Zwielicht hereinbrechen lassen würde, das Vorspiel der Dunkelheit. Und die war es, die Jason erwartete. Sie war sein Freund und Verbündeter, die Schwärze, in der er sich schnell und sicheren Fußes bewegte, mit wachen Händen und Armen. Früher hatten ihn die Dschungelwälder willkommen geheißen, die nur den Eindringling respektieren, der auch sie respektiert und sich als Teil von ihnen betrachtet. Er fürchtete den Urwald nicht, er umarmte ihn, denn er wurde von ihm beschützt, und so konnte er erreichen, was immer sein Ziel war. Auch den Besitz von General Norman Swayne umgab ein dichtes Stück Wald.

Das Hauptgebäude war mindestens zwei Fußballfelder von der Landstraße zurückversetzt. Ein Palisadenzaun trennte die Einfahrt rechts von der Ausfahrt links, die beide mit Eisentoren versehen waren. Die Auffahrt hatte die Form eines verlängerten U. Direkt an die Tore grenzend, befand sich ein dichter

Bewuchs von Bäumen und Sträuchern, die praktisch den Palisadenzaun rechts und links verstärkten. Es fehlten nur noch die Wachtürme an der Ein- und Ausfahrt.

Seine Gedanken gingen zurück nach China, nach Peking und in einen Vogelpark, wo er einen Killer gestellt hatte, der als Jason Borowski auftrat. In jenem Wald hatte es ein Wachgebäude und mehrere bewaffnete Patrouillen gegeben… und einen Verrückten, einen Schlächter, der eine Armee von Killern kontrollierte: Der wichtigste unter ihnen war einer, der unter dem falschen Namen Jason Borowski agierte. Er war in jenes gefährliche Gehege eingedrungen, hatte eine kleine Flotte von Lastwagen und Pkws fahruntüchtig gemacht, indem er mit dem Messer die Reifen aufgeschlitzt hatte, war dann darangegangen, jede einzelne Patrouille im Jing-Shan-Wald auszuschalten, bis er die von Taschenlampen beleuchtete Lichtung fand, wo sich der großmäulige Verrückte und seine Brigade von Fanatikern aufhielten. Könnte er das heute wieder tun? fragte sich Borowski, als er zum dritten Mal langsam an Swaynes Besitz vorbeifuhr, wobei seine Augen jedes Detail registrierten. Fünf Jahre danach, dreizehn Jahre nach Paris? Er war nicht mehr der junge Mann, der er in Paris gewesen war, noch der etwas reifere Mann, der er in Hongkong, Macao oder Peking gewesen war. Er war fünfzig Jahre alt, und er spürte es, jedes einzelne Jahr. Aber genug davon, es gab zu viele andere Dinge, an die er jetzt denken mußte, und die zwölf Hektar von General Norman Swayne waren nicht der Wald des Jing-Shan-Geheges.

Er fuhr, genau wie er es in den Vororten von Peking gemacht hatte, den Wagen von der Straße hinunter tief zwischen Gras und Gebüsch. Dann stieg er aus und bedeckte das Auto mit abgebrochenen Zweigen. Die schnell hereinfallende Dunkelheit würde das Versteck perfekt machen, und er konnte mit der Arbeit beginnen. Die Kleider hatte er schon auf der Herrentoilette der Tankstelle gewechselt: schwarze Hosen und einen langärmeligen, hautengen schwarzen Pullover, schwarze Schuhe mit dicker Gummisohle — seine Arbeitskluft. In Georgetown hatte er sich darüber hinaus ein paar andere notwendige Dinge besorgt. Dazu gehörte ein Jagdmesser, das er in seinen Gürtel steckte, eine CO2-Pistole mit zwei Kammern, die in einem Nylonhalfter steckte, mit der man geräuschlos lähmende Pfeile zum Beispiel auf angreifende Bluthunde schießen konnte, zwei Leuchtsignale, ein Zeiss-Ikon-8x10-Fernglas, das mit einem Klettband an seiner Hose befestigt war, eine Stablampe, Rohlederschnüre und eine kleine Drahtschere, falls er auf einen Zaun stoßen sollte. Die Automatic, die zur Ausrüstung jedes CIA-Agenten gehörte, war an seinem Gürtel befestigt. Die Dunkelheit kam, und Jason Borowski drang in das Gehölz ein.

Ein weißes Tuch aus Meeresschaum lag über dem Korallenriff, im Hintergrund schwebte das dunkelblaue Wasser der Karibischen See. Es war jene Stunde am frühen Abend kurz vor Sonnenuntergang, zu der Tranquility Island in heiße tropische Farben getaucht wurde, mit lang wachsenden Schatten beim Abtauchen der orangefarbenen Sonne. Der Erholungsbereich des Tranquility Inn war offenbar aus drei nahe beieinanderliegenden, mit Felsen bestreuten Hügeln herausgeschnitten worden, oberhalb einer langgezogenen Bucht, die von riesigen, natürlichen Quais aus Korallen eingefaßt wurde. Zwei Reihen rosa Villen mit Balkons und hellroten Ziegeldächern erstreckten sich rechts und links des zentralen Gebäudes der Anlage, einem großen Rundbau aus Naturstein und Glas. Alle Gebäude hatten Blick auf das Wasser und waren untereinander durch Zementwege verbunden, die von niedrigen Hecken gerahmt und von Lampen gesäumt wurden. Kellner in gelben Jacketts schoben Speisewägelchen hin und her, brachten Flaschen, Eis und Häppchen zu den Gästen, von denen die meisten auf ihren Balkons saßen und das Ende des karibischen Tages genossen. Und als die Schatten bis zum Horizont reichten, erschienen unauffällig andere Leute am Strand und auf der langen Mole, die ins Meer hinausragte. Diese Leute waren weder Gäste, noch gehörten sie zum Hotelpersonal, es waren bewaffnete Wachen, in dunkelbraune Umformen gekleidet und — ganz unauffällig — mit einer MAC-10-MP im Gürtel. Auf der anderen Seite jeder Jacke waren Feldstecher befestigt, mit denen sie immer wieder die Dunkelheit absuchten. Der Besitzer des Tranquility Inn war fest entschlossen, dem Namen des Hotels gerecht zu werden.

Auf dem großen, kreisrunden Balkon der Villa, die dem Hauptgebäude und dem angebauten gläsernen Speisesaal am nächsten lag, saß eine ältere, kranke Dame in einem Rollstuhl und süffelte ein Glas Chäteau Carbonnieux, Jahrgang '78, während sie die Großartigkeit des Sonnenuntergangs genoß. Geistesabwesend berührte sie die Locken ihrer unvollständig rot gefärbten Haare und horchte hinter sich. Sie lauschte der Stimme ihres Mannes, der drinnen mit der Krankenschwester sprach, dann seinen Schritten, als er zu ihr heraustrat.

«Mein Gott«, sagte sie auf französisch.»Ich kann es immer noch nicht fassen.«

«Ich selbst kann es kaum glauben«, sagte der Kurier des Schakals.

«Willst du mir immer noch nicht sagen, warum Monseigneur dich — uns — hierhergeschickt hat?«

«Ich hab's dir gesagt. Ich bin nur ein Bote.«

«Und ich glaube dir nicht.«

«Es ist wichtig für ihn und ohne Konsequenz für uns. Genieße es, mein Liebling.«

«So nennst du mich immer, wenn du nichts erklären willst.«

«Dann solltest du aus der Erfahrung lernen und nicht weiter nachfragen, oder?«

«Nein, mein Lieber. Ich werde sterben…«

«Davon wollen wir nicht mehr sprechen!«

«Trotzdem ist es wahr. Das kannst du nicht vor mir verheimlichen. Ich mache mir keine Sorgen um mich selbst, sondern um dich, Michel… nein, nein, du bist Jean Pierre. Ich darf das nicht vergessen… Dennoch muß ich mir Sorgen machen. Dieser Ort, dieses wunderbare Hotel, diese Aufmerksamkeit. Ich glaube, du wirst einen furchtbaren Preis dafür bezahlen müssen, mein Lieber.«

«Warum sagst du das?«

«Es ist alles so großartig. Zu großartig. Irgend etwas stimmt nicht.«

«Du machst dir zu viele Sorgen.«

«Nein, nein, du betrügst dich selbst. Mein Bruder Claude hat immer gesagt, daß du zuviel von Monseigneur annimmst. Eines Tages wird er dir die Rechnung präsentieren.«

«Dein Bruder Claude ist ein lieber alter Mann mit Flausen im Kopf. Und deshalb gibt ihm der Monseigneur auch nur die unbedeutenden Aufträge. Schick ihn zum Montparnasse, um ein Papier zu holen, und er landet in Marseille, ohne zu wissen, wie er dahingekommen ist. «Das Telefon klingelte und unterbrach das Gespräch der beiden. Der alte Mann drehte sich um.»Unsere neue Freundin nimmt schon ab«, sagte er.

«Sie ist merkwürdig«, sagte seine Frau.»Ich traue ihr nicht.«

«Sie arbeitet für Monseigneur.«

«Wirklich?«

«Ich hatte noch keine Zeit, es dir zu sagen. Sie gibt Instruktionen an mich weiter.«

Die uniformierte Schwester, das hellbraune Haar streng nach hinten zu einem Knoten gebunden, erschien in der Tür.»Monsieur, es ist Paris«, sagte sie, wobei ihre großen grauen Augen die Dringlichkeit ausstrahlten, die ihre Stimme vermissen ließ.

«Danke. «Der Kurier des Schakals ging hinein.

«Gesegnet seist du, Kind Gottes«, sagte die Stimme mehrere Tausend Kilometer entfernt.»Geht alles nach Wunsch?«

«Unbeschreiblich«, antwortete der alte Mann.»Es ist… so großartig, mehr als wir verdienen.«

«Du wirst es verdienen.«

«Wie könnte ich das?«

«Du wirst es, indem du die Befehle, die dir die Schwester gibt, befolgst. Und zwar genau, ohne jede Abweichung, hast du verstanden?«

«Gewiß.«

«Gesegnet seist du. «Es gab ein Klicken in der Leitung, und die Stimme war weg.

Fontaine drehte sich zur Schwester um, die am anderen Ende des Zimmers stand, wo sie das Schubfach eines Tisches aufgeschlossen hatte. Er ging zu ihr hinüber, und seine Blicke wurden vom Inhalt der Schublade angezogen. Nebeneinander lagen ein Paar Operationshandschuhe, eine Pistole mit einem zylindrischen, bereits aufgeschraubten Schalldämpfer und ein Rasiermesser, dessen Klinge eingeklappt war.

«Ihre Instrumente«, sagte die Frau und überreichte ihm den Schlüssel, wobei sie ihre ausdruckslosen grauen Augen in seine bohrte.»Die Zielpersonen wohnen in der letzten Villa auf dieser Seite. Machen Sie sich mit der Gegend vertraut, machen Sie Spaziergänge, wie es alte Männer für den Kreislauf gerne tun. Sie müssen sie töten. Wenn Sie es tun, ziehen Sie vorher die Handschuhe an und feuern je eine Kugel in jeden Kopf. Es muß der Kopf sein. Dann müssen Sie die Kehlen durchschneiden…«

«Gütige Mutter Gottes, auch die der Kinder?«

«So lautet der Befehl.«

«Das ist barbarisch!«

«Möchten Sie, daß ich das weitergebe?«

Fontaine sah zur Balkontür hinüber, zu seiner Frau im Rollstuhl.»Nein, nein, natürlich nicht.«

«Dachte ich mir… Es gibt noch eine weitere Anweisung. Mit dem Blut eines der Toten müssen Sie Jason Borowski, Bruder des Schakals< an die Wand schreiben.

«Oh, mein Gott… Sie werden mich fassen, natürlich.«

«Das hängt von Ihnen ab. Koordinieren Sie die Exekution mit mir, und ich werde schwören, daß der große Krieger Frankreichs zur fraglichen Zeit hier in dieser Villa war.«

«Wann muß es getan werden?«

«Innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden.«

«Und dann was?«

«Dann können Sie hierbleiben, bis Ihre Frau stirbt.«

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