Kapitel 16

Die Nachmittagssonne hing unbeweglich am Himmel und versengte das Land. Obwohl mehrere Wasserflugzeuge landeten, um ein paar verschreckte Gäste auszufliegen, betrachteten die meisten das mörderische Ereignis der Nacht zuvor eher als ein abenteuerliches Intermezzo. Aufgeregt tuschelte man von einem Racheakt: Ein Mann war in eine Vendetta gegen alte Feinde verstrickt, ein Killer, der vor langer Zeit von der Insel geflohen war. Mit der Entfernung der häßlichen Särge und des gestrandeten Rennbootes kehrte der gewohnte Zustand wieder ein — nicht völlig natürlich, denn es gab einen trauernden Menschen unter ihnen, aber der war außer Sichtweite und würde, so sagte man, bald verschwinden. Nicht sie selbst. Das Leben mußte schließlich weitergehen. Die beruhigenden offiziellen Nachrichten des Inselradios und die diskreten bewaffneten Wachen taten ein übriges. Sieben Ehepaare blieben im Hotel.

«Mein Gott, wir bezahlen sechshundert Dollar am Tag…«

«Uns verfolgt niemand…«

«Scheiße, Mann, nächste Woche geht die Alltagsmühle sowieso wieder los…«

«Keine Aufregung, Shirley, es werden keine Namen genannt werden, das haben sie versprochen…«

Unter dem glühenden Feuerball der Nachmittagssonne kehrte auf dem kleinen Eiland inmitten des riesigen karibischen Meeres wieder Normalität ein. Mit jeder neuen Schicht Sonnenöl, mit jedem Glas Planters Punch geriet der Tod mehr und mehr in Vergessenheit. Kleine Wellen schlugen in vertrauter Weise auf den weißen Strand, und das blaugrüne Wasser umspülte die Badenden.

«Dort!«schrie der Held Frankreichs.

«Wo?«

«Die vier Priester. Die in einer Linie den Weg herunterkommen.«

«Aber es sind Schwarze!«

«Die Hautfarbe sagt gar nichts.«

«Er selbst war ein Priester, als ich ihn damals in Neuilly-sur-Seine gesehen habe«, gab Jason zu.

Fontaine senkte das Fernglas.»In der Kirche des Heiligen Sakraments?«fragte er leise.

«Ich entsinne mich nicht… Was meinen Sie: Welcher ist es?«

«Sie sahen ihn als Priester?«

«Und der Hurensohn sah mich. Er wußte, daß ich wußte, daß er es war. Welcher mag es sein?«

«Er ist nicht dabei, Monsieur«, sagte Jean Pierre und senkte langsam wieder das Fernglas.»Das ist ein weiteres Zeichen. Er ist ein Meister der Geometrie. Für ihn gibt es keine gerade Linie, nur endlos viele Verzweigungen und Ebenen.«

«Das hört sich verdammt orientalisch an.«

«Dann verstehen Sie. Er hat die Idee, daß Sie vielleicht doch nicht in der Villa sind, und er will Ihnen zeigen, daß er es weiß.«

«In Neuilly-sur-Seine… «

«Nein, hier ist es anders. Im Moment kann er noch nicht sicher sein. In der Kirche des Heiligen Sakraments war er sicher.«

«Wie geht das Spiel weiter?«

«Was meint das Chamäleon, wie es weitergehen müßte?«

«Das einfachste wäre, nichts zu tun«, antwortete Borowski, die Augen auf die Szene vor ihnen gerichtet.

«Ich glaube, Sie haben recht.«

Jason langte nach dem Funkgerät auf dem Fensterbrett.»Johnny?«

«Ja?«

«Die vier schwarzen Priester auf dem Weg, siehst du sie?«

«Ja.«

«Laß sie von einer Wache anhalten und in die Lobby führen. Laß ihnen ausrichten, der Besitzer wolle sie sprechen.«

«Mensch, die wollen nicht in die Villa, die gehen nur vorbei und lesen Gebete für die Toten. Der Vikar aus der Stadt hat mich angerufen, und ich hab sie reingelassen. Sie sind okay, David.«

«Zum Teufel«, sagte Borowski.»Tu bitte, was ich sage.«

Das Chamäleon drehte sich auf seinem Stuhl um und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Dann ging er zu einer Kommode mit Spiegelaufsatz, riß die Automatic aus seinem Gürtel, zerschlug das Glas, nahm eine Scherbe und brachte sie Fontaine.»Geben Sie mir damit von Zeit zu Zeit ein Zeichen, daß alles okay ist.«

«Was wollen Sie tun?«

«Genau was er jetzt auch macht. Ein Inseltourist sein, ein bummelnder Gast des Tranquility Inn. «Borowski nahm wieder das Funkgerät.»Geh bitte ins Herrengeschäft in der Lobby und kauf mir eine Guayabera-Jacke, ein Paar Sandalen, einen breitrandigen Strohhut und ein Paar Shorts. Und schick jemanden in den Seglerladen, um mir eine Leine zu besorgen, fünfzig Kilo Zugkraft, ein Schuppmesser — und zwei Seenotraketen. Ich treffe dich oben an der Treppe. Beeil dich bitte.«

«Sie wollen also nicht auf mich hören«, sagte Fontaine bedauernd und sah Jason an. »Monsieur le cameleon geht an die Arbeit.«

«Ja«, sagte Borowski und stellte das Funkgerät wieder aufs Fensterbord.

«Vielleicht werden Sie oder der Schakal oder Sie beide getötet, und vielleicht sterben auch noch andere…«

«Das ist nicht meine Schuld.«

«Spielt das eine Rolle? Spielt das eine Rolle für die Opfer und ihre Familien, wer tatsächlich verantwortlich ist?«

«Ich habe mir die Umstände nicht ausgesucht.«

«Sie könnten sie ändern.«

«Er auch.«

«Er hat kein Gewissen…«

«Ausgerechnet Sie kommen mir mit meinem Gewissen!«

«Da haben Sie recht. Aber ich habe etwas verloren, was mir sehr wichtig war. Vielleicht kann ich deshalb ein Gewissen in Ihnen wecken — in einem Teil von Ihnen.«

«Hören Sie endlich auf mit dem scheinheiligen Mist. «Jason ging zur Tür, wo die Militärjacke und die Offiziersmütze auf einem alten Kleiderständer hingen.»Sie langweilen mich!«

«Wollen Sie nicht beobachten, wie die Priester reagieren? Es wird sowieso noch etwas dauern, bis St. Jacques die Sachen besorgt hat.«

Borowski drehte sich um; kalt richtete er seinen Blick auf den Franzosen. Er wollte weg, weg von dem alten Mann, der zuviel redete, zuviel sagte! Aber Fontaine hatte recht. Es wäre dumm, nicht zu verfolgen, was da unten passierte. Eine unbeholfene, untypische Reaktion, ein abrupter, erschrockener Blick in eine unerwartete Richtung — es waren die kleinen, unfreiwilligen Dinge, die ungenauen kleinen Bewegungen, die so oft den verborgenen Faden verrieten, die Zündschnur, die zur Bombe führte. Schweigend ging Jason zurück zum Fenster, nahm das Fernglas und sah hindurch. Ein Polizeioffizier näherte sich etwas gehemmt der Prozession der vier Priester. Er nickte, als die vier stehenblieben, um ihn anzuhören, und machte eine höfliche Geste in Richtung der Glastür, die zur Lobby führte.

Borowskis Augen suchten das Bild, das sich ihm bot, genau ab, studierten die Züge jedes einzelnen der vier Priester.

«Sehen Sie, was ich sehe?«

«Der vierte, der ganz hinten«, antwortete Fontaine.»Er ist alarmiert, die anderen nicht. Er hat Angst.«

«Er wurde gekauft.«

«Dreißig Silberlinge«, stimmte der Franzose zu.»Gehen Sie hinunter und greifen Sie sich ihn.«

«Natürlich nicht«, korrigierte Jason.»Er ist genau da, wo ich ihn haben will. «Jason griff erneut nach dem Funkgerät.»Johnny?«

«Ja?… Ich bin noch im Laden. Ich komme gleich rauf.«

«Diese Priester, kennst du sie?«

«Nur einen von ihnen, den Vikar. Er kommt oft her, um Geld zu sammeln. Das sind keine richtigen Priester, David, es sind Prediger, sie gehören zu einem Orden hier von der Insel. Sehr religiös.«

«Welcher ist der Vikar?«

«Er geht immer vorweg.«

«Gut… Eine kleine Änderung der Pläne. Bring die Kleider in dein Büro und geh dann zu den Priestern. Sage ihnen, daß ein Regierungsbeamter sie sehen möchte, um ihnen für ihre Gebete einen Betrag zu überreichen.«

«Was?«

«Erklär ich dir später. Jetzt beeile dich. Ich treffe dich in der Lobby.«»Du meinst mein Büro, oder? Ich hab übrigens alles besorgt.«

«Das kommt später, wenn ich die Uniform wieder ausziehe. Hast du eine Kamera in deinem Büro?«

«Drei oder vier. Du glaubst nicht, was die Leute hier alles vergessen.«»Leg sie zu den Kleidern«, unterbrach Jason.»Mach schon!«

Borowski gab Fontaine das Funkgerät.»Hier, nehmen Sie. Ich besorge mir noch eins, und wir bleiben in Verbindung… Was passiert unten?«

«Sie gehen zur Glastür. Unser Mann sieht sich dauernd um. Er scheint wirklich Angst zu haben.«

«Wohin schaut er?«fragte Borowski und griff selbst wieder zum Fernglas.

«Das hilft nichts. In alle Richtungen.«

«Verdammt!«

«Jetzt sind sie am Eingang.«

«Ich mach mich fertig…«

«Ich helfe Ihnen. «Der alte Franzose stand auf und ging zum Kleiderständer.»Zeigen Sie ihnen nur nicht Ihren Rücken. Der Adjutant des Gouverneurs ist dicker als Sie, wir müssen die Jacke hinten etwas zusammenstecken.«

«Mit so was haben Sie wohl Erfahrung, wie?«fragte Jason und streckte die Arme aus, um sich in die Jacke helfen zu lassen.

«Die deutschen Soldaten waren immer viel fetter als wir, besonders die Unteroffiziere und die Feldwebel — das ganze Pack, Sie wissen schon. Da hatten wir unsere Tricks. «Plötzlich, als hätte er einen Herzschlag, schnappte Fontaine nach Luft und begann zu taumeln. »Mon Dieu!.. C'est terrible! Der Gouverneur…«

«Was?«

«Der Gouverneur der Krone!«

«Was ist mit ihm?«

«Am Flughafen, es ging alles so überstürzt, so schnell!«schrie der alte Franzose.»Und alles, was geschah — meine Frau, das Töten… nein, das ist unverzeihlich von mir!«

«Wovon reden Sie?«»Der Mann in der Villa, der Offizier, dessen Uniform Sie anhaben. Er ist sein Adjutant!«

«Das wissen wir.«

«Aber was Sie nicht wissen, Monsieur, ist, daß ich meine ersten Instruktionen vom Gouverneur erhielt.«

«Instruktionen?«

«Vom Schakal! Er ist der Kontakt.«

«Oh, mein Gott«, flüsterte Borowski und lief zum Funkgerät. Er holte tief Luft, als er danach griff, seine Gedanken rasten, Kontrolle war geboten.

«Johnny?«

«Um Gottes willen, ich habe alle Hände voll zu tun, ich bin auf dem Weg ins Büro, und diese gottverdammten Mönche warten in der Lobby! Was ist nun schon wieder?«

«Immer mit der Ruhe und hör mir genau zu. Wie gut kennst du Henry?«

«Sykes? Den Mann des Gouverneurs?«

«Ja. Ich hab ihn zwar selbst ein paarmal getroffen, aber ich kenne ihn nicht wirklich, Johnny.«

«Ich kenne ihn sehr gut. Du hättest kein Haus hier und ich nicht Tranquility Inn, wenn es ihn nicht gäbe.«

«Steht er mit dem Gouverneur in Verbindung? Ich meine, jetzt. Hält er den Gouverneur auf dem laufenden über das, was hier passiert? Denk nach, Johnny. Es ist wichtig. Es gibt doch ein Telefon in der Villa. Er könnte mit ihm in Kontakt stehen, nicht wahr?«

«Du meinst mit dem Gouverneur persönlich?«

«Oder mit irgend jemand anderem dort drüben.«

«Glaube ich nicht. Alles wird so geheim behandelt, daß nicht einmal die Polizei weiß, was los ist. Und was den Gouverneur angeht, so haben wir ihn nur vage informiert; keine Namen, nichts. Er ist mit seinem Boot rausgefahren und will von der verdammten Sache nichts hören, bis alles vorüber ist… Das waren seine Befehle.«

«Darauf wette ich!«

«Was?«

«Erklär ich dir später. Beeil dich!«

«Kannst du mal aufhören, mir zu sagen, daß ich mich beeilen soll?«

Jason stellte das Funkgerät hin und drehte sich zu Fontaine um.»Alles klar. Der Gouverneur gehört nicht zur Armee der alten Männer. Er ist eine andere Sorte Rekrut. Wahrscheinlich ähnlich wie Gates in Boston — gekauft oder eingeschüchtert, aber nicht mit der Seele dabei.«

«Sind Sie sicher? Ist Ihr Schwager sicher?«

«Der Mann ist mit seinem Boot draußen. Er will von der Sache nichts hören, bevor nicht alles vorbei ist.«

Der Franzose seufzte.»Schade, daß mein Verstand schon so eingetrocknet ist. Wenn es mir früher eingefallen wäre, hätten wir ihn benutzen können. Kommen Sie, die Jacke.«

«Wie hätten wir ihn benutzen können?«fragte Borowski.

«Er hat sich selbst zu den gradins gesellt — wie sagt man?«

«Den Zuschauern. Er ist aus dem Spiel, nur ein Beobachter.«

«Hab viele wie ihn gekannt. Sie wollen, daß Carlos verliert. Er will, daß Carlos verliert. Das ist der einzige Ausweg, aber selbst hat er viel zuviel Angst, deshalb unternimmt er nichts.«

«Wie könnten wir ihn denn umdrehen?«Jason knöpfte die Jacke zu, während Fontaine sich an seinem Rücken zu schaffen machte.

«Le cameleon stellt solch eine Frage?«

«Ich bin aus der Übung.«

«Ach so«, sagte der Franzose und zog den Gürtel stramm,»jetzt spricht David Webb aus Ihnen…«

«Halten Sie die Klappe… Wie also?«

«Tres simple, monsieur. Wir sagen ihm, der Schakal glaube, daß er jetzt auf unserer Seite stehe.«

«Nicht schlecht. «Borowski zog den Bauch ein, als Fontaine ihn herumdrehte, um die Rockaufschläge und Litzen zurechtzurücken.

«Ich bin ein Überlebenskünstler, weder besser noch schlechter als andere. Aber gemeinsam mit meiner Frau war ich besser als die meisten.«

«Sie haben sie sehr geliebt, stimmt’s?«

«Liebe? Ja, ich denke, man könnte es so nennen. Vielleicht auch nur das Gefühl, vertraut miteinander zu sein, gar nicht mal unbedingt die große Leidenschaft. Man versteht sich ohne viele Worte, man tauscht einen Blick und muß lächeln… Das kommt mit den Jahren, nehme ich an.«

Jason stand einen Augenblick bewegungslos da und betrachtete den Franzosen.»Ich beneide Sie um diese Jahre. Wirklich. Die Jahre, die ich mit meiner… Frau… bisher verbracht habe, waren voller Wunden. Wunden, die nicht heilen wollen, nicht heilen können, bevor sich nicht etwas geändert hat… in mir oder gereinigt wurde oder von selbst verschwindet. So ist es nun mal.«

«Dann sind Sie zu stark oder zu halsstarrig! Sehen Sie mich nicht so an. Ich sagte Ihnen, daß ich keine Angst mehr vor Ihnen habe oder vor sonst jemandem. Aber wenn es so ist, wie Sie sagen, dann schlage ich vor, Sie schieben vorübergehend alle Gedanken an Liebe und dergleichen beiseite und konzentrieren sich auf den Haß. Da ich mit David Webb nicht diskutieren kann, muß ich Jason Borowski anstacheln. Ein Schakal voller Haß muß sterben, und nur Borowski kann ihn töten… Hier sind Ihre Mütze und die Sonnenbrille. Stellen Sie sich vor eine

Wand, von hinten sehen Sie aus wie ein Pfau, der den khakifarbenen Schwanz aufstellt.«

Ohne ein Wort setzte Borowski Mütze und Sonnenbrille auf und ging hinaus. Als er die Holztreppe hinunterstieg, stieß er beinahe mit einem schwarzen Kellner zusammen, der mit einem Tablett aus einem Zimmer im zweiten Stock kam. Er nickte dem jungen Mann zu, der einen Schritt zurücktrat, um Jason den Vortritt zu lassen, als Borowski ein leises, pfeifendes Geräusch hörte. Blitzschnell drehte er sich um. Der Kellner zog gerade einen elektronischen Pieper aus der Tasche! Jason riß dem Jungen das Gerät aus der Hand. Das Tablett fiel krachend auf den Treppenabsatz. Rittlings auf dem Kellner sitzend, mit der einen Hand an seiner Kehle, in der anderen den Pieper, fragte er atemlos.»Wer hat dir das befohlen? Sag schon!«

«He, Mann, ich hau dich zu Klump!«schrie der junge Mann, wand sich, befreite seine rechte Hand und schlug sie Borowski ins Gesicht.»Ich schmeiß dich raus, Mann. Ich bring dich zu meinen Boß, Mann, und der macht dich fertig! Mir machst du keine Angst!«Der Kellner rammte sein Knie in Jasons Rippen.

«Du kleiner Hurensohn!«zischte das Chamäleon, schlug dem Kerl rechts und links ins Gesicht und packte ihm zwischen die Beine.»Ich bin sein Freund, sein Bruder! Hör auf!.. Johnny St. Jacques ist mein Bruder! Mein Schwager, wenn das einen Unterschied macht.«

«Oh?«sagte der Kellner, und Bedauern trat in seine großen, braunen Augen.»Sie sind der Mann von der Schwester vom Boß?«

«Ja. Und wer, zum Teufel, bist du?«

«Ich bin der Oberkellner vom zweiten Stock, Sir! Bald werde ich's vom ersten Stock, weil ich gut bin. Ich kann auch gut kämpfen — hat mir mein Vater beigebracht, obwohl er bestimmt so alt ist wie Sie. Wie war's mit einem kleinen Trainingskampf?

Ich glaube, ich kann Sie schlagen! Sie haben ja schon graue Haare…«

«Halt's Maul!.. Wozu der Pieper?«fragte Jason und studierte das kleine, braune Plastikgerät. Er stand auf.

«Das weiß ich nicht, Mann — Sir! Schlimme Dinge sind passiert. Uns wurde gesagt, wenn wir Leute im Treppenhaus sehen, sollten wir den Knopf drücken.«

«Warum?«

«Die Fahrstühle, Sir. Unsere schnellen Fahrstühle. Warum sollten die Gäste die Treppen benutzen?«

«Wie heißt du?«fragte Borowski und setzte Mütze und Sonnenbrille wieder auf.

«Ishmael, Sir.«

«Wie in Moby Dick?«

«Den Typ kenn ich nicht, Sir.«

«Vielleicht lernst du ihn noch kennen.«

«Warum?«

«Ich bin nicht sicher. Du kämpfst sehr gut.«

«Ich sehe da keinen Zusammenhang, Mann — Sir.«

«Ich auch nicht. Ich möchte, daß du mir hilfst, Ishmael. Willst du?«

«Nur, wenn es Ihr Bruder erlaubt.«

«Wird er.«

«Das muß ich von ihm selbst hören, Sir.«

«Sehr gut. Du traust mir nicht.«

«Nein, Sir«, sagte Ishmael, kniete nieder und sammelte das zerbrochene Geschirr auf.»Würden Sie einem Mann trauen, der graue Haare hat, die Treppen runtergerannt kommt und Sie angreift und Dinge behauptet, die jeder behaupten kann?… Wie steht’s mit unserm kleinen Fight?«

«Nein, ich will nicht. Und besser, du bestehst nicht drauf. Ich bin nicht so alt und du nicht so gut, wie du denkst, junger Mann. Laß das Tablett hier und komm mit. Ich werde es St. Jacques erklären.«

«Was soll ich denn tun, Sir?«fragte der Kellner. Er stand auf und folgte Jason.

«Hör zu«, sagte Borowski.»Geh vor mir her in die Lobby, zum Vordereingang. Leer die Aschenbecher aus oder tu sonstwas, aber sieh dich um. Ich komme in ein paar Minuten nach und geh zu St. Jacques, der da unten mit vier Priestern spricht…«

«Priester?«unterbrach der erstaunte Ishmael.»Gleich vier? Was wollen die denn hier, Monsieur? Werden noch mehr schlimme Dinge passieren? Der Obeah?«

«Sie sind hier, um zu beten, damit die schlimmen Dinge aufhören — nicht noch mehr Obeah. Aber für mich ist wichtig, daß ich mit einem von ihnen allein sprechen kann. Wenn sie die Lobby verlassen, wird der, den ich sprechen muß, versuchen, sich von den anderen zu trennen, um allein zu sein… oder auch nach jemand Ausschau zu halten. Glaubst du, daß du ihm folgen kannst, ohne daß er dich sieht?«

«Findet mein Boß das richtig?«

«Ich werde ihm sagen, er soll zu dir rüberschauen und dir zunicken.«

«Dann kann ich es machen. Ich bin schneller als die Mondgans und kenne jeden Pfad auf der Insel. Er geht den einen Weg, und ich weiß schon, wohin er will, und werde lange vor ihm dasein… Aber wie weiß ich denn, welcher Priester es ist? Vielleicht ist er nicht der einzige, der allein weggeht.«

«Ich werde mit jedem von ihnen sprechen. Mit ihm zuletzt.«

«Dann weiß ich Bescheid.«

«Du bist ganz schön fix«, sagte Borowski.

«Ich kann denken, Monsieur. Ich bin der Fünftbeste in meiner Klasse, in der Technical Academy von Montserrat. Die vier vor mir sind Mädchen, die müssen aber auch nicht nebenher arbeiten. In fünf oder sechs Jahren hab ich das Geld zusammen, dann geh ich auf die Universität von Barbados!«

«Vielleicht schon früher. Mach jetzt. Geh runter in die Lobby und bleib in der Nähe der Tür. Und du verfolgst ihn. Später komme ich dann auch raus und sehe nach dir, allerdings nicht mehr in Uniform. Wenn ich dich nicht finden kann, treffen wir uns in einer Stunde. Nur wo? Kennst du einen ruhigen Ort?«

«Die Kapelle, Sir. Oben im Wald, östlich der Bucht. Niemand geht jemals da hin, nicht mal an Sonntagen.«

«Gute Idee.«

«Da ist noch eine Sache, Sir…«

«Hier sind fünfzig Dollar, amerikanische.«

«Danke, Sir!«

Jason wartete etwa neunzig Sekunden an der Tür zur Lobby und öffnete sie dann einen Spalt. Ishmael war an seinem Platz, und er konnte Johnny rechts neben dem Empfang mit den vier Priestern reden sehen. Borowski zupfte an seiner Jacke, nahm eine militärische Haltung an und ging auf die Priester und seinen Schwager zu.»Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen«, sagte er zu den Predigern. John schien etwas überrascht und betrachtete ihn neugierig.»Ich bin neu hier auf der Insel, und ich muß sagen, daß ich beeindruckt bin. Die Regierung ist außerordentlich zufrieden, daß Sie dazu beitragen, die beunruhigten Gemüter zu besänftigen«, fuhr Jason fort, seine Hände fest hinter dem Rücken verschränkt.»Für Ihr Bemühen hat der Gouverneur den verehrten Mr. St. Jacques beauftragt, einen Scheck in Höhe von hundert Pfund für Ihre Kirche auszuschreiben — der natürlich von uns erstattet wird.«

«Das ist eine sehr großzügige Geste, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, meinte der Vikar aufrichtig und mit hoher Stimme.

«Sagen Sie mir doch, wer diese glänzende Idee hatte«, fuhr das Chamäleon fort.»Rührend, wirklich rührend.«

«Oh, das ist nicht mein Verdienst, Sir«, antwortete der Vikar und deutete auf den vierten Mann.»Es war Samuels Idee. Ein guter, anständiger Hirte seiner Herde.«

«Perfekt, Samuel. «Borowski sah den vierten Mann kurz und durchdringend an.»Aber ich möchte jedem von Ihnen einzeln danken und Ihre Namen erfahren. «Jason ging die Reihe entlang, schüttelte Hände und tauschte Höflichkeiten aus. Er kam zum letzten der Prediger, der seinem Blick auswich.

«Natürlich, ich weiß schon Ihren Namen, Samuel«, sagte er mit leiser, kaum hörbarer Stimme.»Und ich wüßte gern, wessen Idee es war, bevor Sie die Ehre hatten.«

«Ich verstehe nicht«, flüsterte Samuel.

«Sicher verstehen Sie — so ein guter und anständiger Mensch —, Sie müssen schon eine andere, auch sehr großzügige Spende erhalten haben.«

«Sie müssen mich verwechseln, Sir«, murmelte der Priester, und in seinen dunklen Augen flackerte die Angst.

«Ich mache keine Fehler, Ihr Freund weiß das. Ich kriege Sie, Samuel. Vielleicht nicht heute, aber sicher morgen oder übermorgen. «Borowski hob seine Stimme, als er die Hand des Priesters losließ.»Nochmals, herzlichen Dank. Die Regierung ist Ihnen sehr verbunden. Und jetzt muß ich gehen. Einige dringende Telefonate… Ihr Büro, St. Jacques?«

«Ja, natürlich, General.«

Im Büro riß sich Jason die Uniform herunter, holte die Automatic heraus und griff zu den Kleidern, die Maries Bruder für ihn gekauft hatte. Graue Bermudashorts, ein rot-weißgestreiftes Guayabera-Hemd und einen Strohhut mit breitem Rand. Er zog Socken und Schuhe aus, schlüpfte in die Sandalen, stand auf und fluchte.»Verdammt!«Er schleuderte die Sandalen fort und zog sich wieder seine Schuhe mit den Gummisohlen an. Er untersuchte die verschiedenen Kameras und ihr Zubehör, wählte die leichteste, aber komplizierteste und hängte sie sich vor die Brust. John St. Jacques kam ins Zimmer. Er trug ein kleines Funkgerät.

«Wo kommst du her, aus Miami Beach?«

«Etwas weiter nördlich, sagen wir Pompano. Ganz so geschmacklos bin ich nicht. Das würde ich nicht aushalten.«

«Da hast du recht. Man könnte schwören, daß du ein verkalkter Daddy aus Key West bist. Hier ist das Funkgerät.«

«Danke. «Jason steckte das kleine Gerät in die Brusttasche.

«Wohin jetzt?«

«Hinter Ishmael her. Der Junge, dem du zugenickt hast.«

«Ishmael? Ich habe Ishmael nicht zugenickt, du hast nur gesagt, ich solle in Richtung Eingang nicken.«

«Ist dasselbe. «Borowski steckte sich die Automatic unters Hemd in den Gürtel und schaute sich die Sachen aus dem Seglerladen an. Die Schnur und das Schuppmesser steckte er ein, öffnete dann eine leere Kameratasche und verstaute darin zwei Notsignalraketen. Er hätte noch ein paar andere Dinge gebrauchen können, aber was er hatte, war nicht schlecht. Vor dreizehn Jahren… und selbst damals war er schon nicht mehr ganz jung gewesen. Sein Verstand mußte besser und schneller sein als sein Körper…

«Dieser Ishmael ist ein guter Junge«, sagte Maries Bruder.»Er ist intelligent — und stark wie ein preisgekrönter Stier aus Saskatschewan. Ich denke, ich könnte ihn in etwa einem Jahr zum Wächter machen. Mit besserem Lohn.«

«Schick ihn lieber nach Harvard oder Princeton, wenn er seinen Job heute nachmittag gut macht.«

«Hallo, das ist ein guter Tip. Sein Vater war übrigens Preisringer.«

«Ich muß los«, sagte Jason und stürzte zur Tür.»Du bist auch nicht mehr gerade achtzehn«, fügte er noch hinzu, bevor er die Tür öffnete.

«Hab ich nicht behauptet. Was hast du für Probleme?«

«Vielleicht die Sandbank, die du nie bemerkt hast, Mr. Security.«

Borowski ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen.

«Empfindlich, empfindlich. «St. Jacques schüttelte langsam den Kopf und betrachtete seine Faust. Die Faust eines Fünfunddreißigjährigen.

Beinahe zwei Stunden waren bereits vergangen, und Ishmael war noch nicht wieder aufgetaucht. Mit steifem Bein, als wäre er ein Krüppel, humpelte Jason überzeugend von einem Ende vom Tranquility Inn zum anderen, sah durch die Spiegellinse seiner Kamera, sah alles, aber keine Spur vom jungen Ishmael. Zweimal war er den Weg in den Wald hinauf zu der einsamen, grasgedeckten und mit bunten Glasfenstern geschmückten Kapelle gegangen. Das Sanktuarium des Ferienortes schien weniger als Ort der Meditation, denn wegen seiner verrückten Bauweise berühmt zu sein. Doch wie Ishmael gesagt hatte, wurde die Kapelle kaum besucht, auch wenn sie in allen Broschüren von Tranquility abgebildet war.

Die karibische Sonne färbte sich orangerot und näherte sich langsam dem Wasserspiegel am Horizont. Bald würden die Schatten der Dämmerung Montserrat und die äußeren Inseln erreichen. Und kurz darauf würde es völlig dunkel sein. Der Schakal schätzte die Nacht — wie das Chamäleon.

«Gibt es irgend etwas?«fragte Borowski über Funk.

«Rien, monsieur.«

«Johnny?«

«Ich bin oben auf dem Dach mit sechs Scouts an allen Ecken… Nichts.«

«Was ist mit dem Dinner, der Party heute abend?«

«Unser Meteorologe ist vor zehn Minuten mit dem Schiff von Plymouth angekommen. Er hat Angst vorm Fliegen… Und Angus hat einen Scheck über zehntausend Dollar ans Schwarze Brett genagelt, auf dein nur noch Name und Unterschrift fehlen. Scotty hatte recht, alle sieben Pärchen werden dasein. Nach der gebotenen Schweigeminute wird niemand mehr an das Geschehene denken.«»Ich gehe noch mal rauf zur Kapelle. Ende.«»Schön zu hören… Ein Reiseunternehmen aus New York hat mal gesagt, die Kapelle sei eine Sehenswürdigkeit. Hab dann aber nie mehr was von ihnen gehört. Melde dich, David.«»Tu ich, Johnny.«

Der Pfad durch den Wald wurde immer dunkler, die hohen Palmen und das dichte Gebüsch unterstützten die hereinbrechende Nacht. Jason wollte gerade schon umdrehen, um sich noch eine Taschenlampe zu besorgen, als plötzlich, wohl photoelektrisch ausgelöst, blaue und rote Lichtkegel vom Boden aus die Palmen beleuchteten. Borowski stand wie in einem hellen Tunnel, in Technicolor-Farben aus dem Dschungel geschnitten. Für einen Moment war er völlig perplex — ein bewegliches, beleuchtetes Ziel. Schnell flüchtete er ins Unterholz am Rande des Flutlichts. Die Stacheln der wilden Büsche malträtierten seine nackten Beine. Dennoch drang er noch tiefer ins Gebüsch ein und nahm dann die Richtung zur Kapelle wieder auf. Er kam nur mühsam voran, aber sein Instinkt sagte ihm, daß er das Licht meiden müsse.

Da! Ein dumpfes Geräusch! Wie ein Aufprall. Das gehörte nicht zu den gewohnten Geräuschen des Waldes. Dann ein Stöhnen, das lauter wurde, dann wieder aufhörte. Abgewürgt…unterdrückt? Jason kroch weiter durch das hinderliche Buschwerk, Meter um Meter, bis er die dicke Holztür der Kapelle sehen konnte. Sie stand einen Spalt offen. Er sah weiches, flackerndes Licht elektrischer Kerzen und etwas weiter weg die blauen und roten Flutlichter.

Nachdenken. Sich erinnern! Nur einmal war er schon früher in der Kapelle gewesen. Er hatte John im Spaß beschimpft, daß er Geld für eine so nutzlose Sache ausgegeben hatte.

«Zumindest ist es kurios«, hatte St. Jacques gesagt.

«Ist es nicht, Bruder«, hatte Marie geantwortet.»Paßt nicht her. Du hast doch kein Kloster hier.«

«Nimm an, jemand bekommt schlechte Nachrichten…«

«Dann gib ihm besser einen Drink«, hatte David vorgeschlagen.

«Kommt herein. Die bunten Glasfenster zeigen die Symbole von fünf verschiedenen Religionen, einschließlich Shinto.«

«Verrate deiner Schwester lieber nicht, was das gekostet hat«, hatte Webb geflüstert.

Hatte die Kapelle einen zweiten Ausgang?… Nein. Es gab nur fünf oder sechs Bankreihen, ein Geländer vor einer Art Kanzel und naive, von einheimischen Künstlern gefertigte Fenster.

Jemand war dort drin! Ishmael? Ein Hotelgast? Jason griff in seine Brusttasche nach dem Miniaturfunkgerät, hielt es an die Lippen und sprach leise.

«Johnny?«

«Hier auf dem Dach.«

«Ich bin bei der Kapelle. Ich gehe jetzt rein.«

«Ist Ishmael dort?«

«Ich weiß nicht. Irgend jemand scheint aber drin zu sein.«

«Stimmt was nicht, Dave? Du klingst…«

«Alles in Ordnung«, unterbrach Borowski.»Ich wollte nur eine Kontrolle… Was ist hinter der Kapelle? Östlich davon.«

«Nur Wald.«

«Irgendein Pfad?«

«Es gab einen, vor ein paar Jahren. Er ist völlig überwuchert. Die Bauarbeiter haben ihn benutzt, um zum Wasser zu kommen… Warte noch, ich werde ein paar Wachen rüberschicken.«

«Nein! Wenn ich dich brauche, ruf ich dich. Ende. «Jason steckte das Gerät wieder ein, kroch näher an die Kapelle heran und beobachtete den Eingang.

Stille. Kein Geräusch, keine Bewegung, nichts als das flackernde Kerzenlicht. Borowski kroch noch näher, legte die Kamera und den Strohhut beiseite und öffnete die Tasche mit den Leuchtraketen. Er nahm eine heraus, steckte sie in den Gürtel und nahm die Automatic zur Hand. Aus der linken Brusttasche seines Guayabera-Hemdes holte er das Feuerzeug. Dann stand er auf und huschte zur Ecke des merkwürdigen Bauwerks. Leuchtraketen hatte er schon früher, lange vor Manassas benutzt. Er erinnerte sich, als er sich zentimeterweise um die Ecke in Richtung Eingang vorschob. Schon in Paris… vor dreizehn Jahren, auf dem Friedhof Rambouillet. Und Carlos… Er erreichte die angelehnte Tür und sah langsam, vorsichtig hinein.

Er schnappte nach Luft, sein Herz setzte aus. Das war nicht möglich! Es war zu scheußlich! Dann stieg Wut in ihm auf. Über einem Pult vor den Stuhlreihen hing kopfüber der junge Ishmael. Sein dunkles Gesicht blutig zerfetzt. Ein Schuldgefühl überwältigte Jason, plötzlich und niederschmetternd. Die Worte des alten Franzosen dröhnten in seinen Ohren: Andere werden sterben, unschuldige Menschen werden abgeschlachtet werden.

Abgeschlachtet! Ein Kind ist abgeschlachtet worden! Ein vielversprechendes Leben wurde einfach ausgelöscht! Oh, Gott, was habe ich getan?… Was kann ich tun?

Schweiß strömte über sein Gesicht, er konnte kaum noch etwas sehen. Borowski riß die Leuchtrakete aus der Tasche, griff nach dem Feuerzeug und hielt es zitternd an den roten Faden. Ein weißer Feuerstrahl zischte heraus, wie hundert Schlangen. Jason warf die Rakete weit in die Kapelle, sprang hinterher, drehte sich einmal um die eigene Achse und donnerte die Tür hinter sich zu. Er hechtete hinter die letzte Stuhlreihe, duckte sich, zog das Funkgerät aus der Tasche und drückte auf den Knopf.

«Johnny, die Kapelle. Laß sie umstellen!«Die Automatic in der Hand, kroch er auf die andere Seite, während die zischende Rakete immer noch Lichtbündel zu den farbigen Fenstern hochschoß. Borowskis Augen suchten fieberhaft alles ab. Nur einen Teil konnte er nicht einsehen. Da war das Pult mit dem Körper des Jungen, den er in den Tod geschickt hatte… Es stand auf einer erhöhten Plattform, rechts und links der Plattform waren schmale, verhängte Bogengänge, wie kleine Bühneneingänge, die in die winzigen Hügel der Kapelle führten. Trotz seiner Angst spürte Jason Borowski, wie ein tiefes Gefühl der Befriedigung in ihm aufstieg, eine beinahe todessüchtige lustvolle Erregung. Er würde das tödliche Spiel gewinnen. Carlos hatte eine ausgeklügelte Falle gestellt, und das Chamäleon, Medusas Delta, hatte sie umgedreht. In einem dieser verhängten Bogengänge lauerte der Schakal.

Borowski kam auf die Füße. Den Rücken an die Wand gepreßt, hob er die Waffe. Er feuerte zweimal in den linken Bogengang. Der Vorhang flatterte bei jedem Schuß. Dann sprang er wieder hinter die letzte Stuhlreihe und kroch auf die andere Seite. Er kniete und feuerte zweimal auch in den rechten Bogengang.

Ein Mensch stürzte durch den Vorhang und hielt sich im Fallen daran fest. Der dunkelrote Stoff riß ab und wickelte sich um seine Schultern.

Borowski stürzte nach vorne, schrie» Carlos!«, feuerte wieder und wieder, bis das Magazin seiner Automatic leer war. Plötzlich zerriß eine gräßliche Detonation die Luft, und eines der farbigen Fenster zerbarst. Die bunten Glasscherben fielen splitternd zu Boden, und ein Mann stand im Zentrum der Öffnung über dem zischenden, blendenden Licht.

«Du hast keine Kugel mehr«, sagte Carlos zu dem vor Entsetzen gelähmten Mann unter ihm.»Dreizehn Jahre, Delta, dreizehn widerliche Jahre. Aber jetzt werden sie wissen, wer gewonnen hat.«

Der Schakal hob die Waffe und feuerte.

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