Oberst Fal Sostelo war bei der zehnten Zigarette. Es lässt sich nicht länger aufschieben, überlegte er sich. Schlechte Nachrichten wird man am besten schnell los.
Um sich zu beruhigen, holte er mehrmals tief Luft und wählte dann eine Telefonnummer. Als er Ramon Acoca am Apparat hatte, sagte er: »Oberst, wir haben letzte Nacht ein Terroristenlager angegriffen, in dem Jaime Miro sich aufhalten sollte, und ich dachte, Sie sollten davon erfahren.«
Am anderen Ende herrschte gefährliches Schweigen.
»Haben Sie ihn gefasst?«
»Nein.«
»Sie haben sich zu dieser Aktion entschlossen, ohne mich zu konsultieren?«
»Die Zeit ist zu knapp gewesen, um.«
»Aber sie hat ausgereicht, um Miro entwischen zu las-senk unterbrach Acoca ihn wütend. »Was hat Sie zu diesem großartig organisierten Unternehmen veranlasst?«
Oberst Sostelo schluckte trocken. »Wir haben eine der Nonnen aus dem Kloster Avila gefangen genommen. Sie hat uns zu Miro und seinen Leuten geführt. Bei unserem Überfall haben wir einen von ihnen erschossen.«
»Aber alle übrigen sind entkommen?«
»Ja, Oberst.«
»Wo ist diese Nonne jetzt? Oder haben Sie auch ihr die Flucht ermöglicht?« Sein Tonfall war beißend scharf.
»Nein, Oberst«, antwortete Sostelo rasch. »Sie ist hier in unserem Lager. Wir haben sie verhört, aber.«
»Lassen Sie das! Ich vernehme sie selbst. Ich bin in einer Stunde bei Ihnen. Vielleicht gelingt’s Ihnen, sie bis zu meinem Eintreffen festzuhalten.« Er knallte den Hörer auf die Gabel.
Genau eine Stunde später traf Oberst Ramon Acoca mit einem Dutzend seiner GOE-Leute in dem Militärlager ein, in dem Schwester Teresa festgehalten wurde.
»Bringen Sie die Nonne zu mir«, befahl Acoca.
Schwester Teresa wurde ins Stabszelt gebracht, in dem der Oberst auf sie wartete. Als sie hereinkam, stand er höflich auf und lächelte.
»Ich bin Oberst Acoca.«
Endlich! »Ich habe gewusst, dass Sie kommen würden. Gott hat’s mir gesagt.«
Er nickte freundlich. »Tatsächlich? Ausgezeichnet! Nehmen Sie bitte Platz, Schwester.«
Schwester Teresa war jedoch zu nervös, um sitzen zu können. »Sie müssen mir helfen.«
»Wir werden uns gegenseitig helfen«, versicherte Oberst Acoca ihr. »Sie sind aus dem Kloster der Zister-zienserinnen in Avila geflüchtet, stimmt’s?«
»Ja. Der Überfall ist schrecklich gewesen. All diese Männer! Sie haben gottlose Dinge getan und.«
Und sind dumm genug gewesen, dich und die anderen entkommen zu lassen. »Wie sind Sie hierher gekommen, Schwester?«
»Gott hat mich hergeführt. Er stellt mich auf die Probe, wie er einst.«
»Sind Sie außer von Gott auch von einigen Männern hergeführt worden, Schwester?« fragte der Oberst geduldig.
»Ja. Sie haben mich verschleppt. Ich habe vor ihnen fliehen müssen.«
»Und Sie haben Oberst Sostelo gesagt, wo diese Männer zu finden waren?« »Ja, die Bösen. Raoul steckt hinter allem, wissen Sie. Er hat mir in einem Brief geschrieben, dass.«
»Schwester, der Mann, nach dem wir vor allem fahnden, ist Jaime Miro. Haben Sie ihn gesehen?«
Sie fuhr zusammen. »O ja! Er.«
Der Oberst beugte sich nach vorn. »Ausgezeichnet! Jetzt müssen Sie mir sagen, wo er zu finden ist.«
»Er und die anderen sind nach Eze unterwegs.«
Acoca runzelte die Stirn. »Nach Eze? Nach Frankreich?«
Ihr Tonfall war zu einem wilden Gebrabbel geworden. »Ja, denn Monique hat Raoul verlassen, und er hat diese Männer losgeschickt, um mich wegen des Babys entführen zu lassen, deshalb.«
Acoca bemühte sich, seine wachsende Ungeduld zu verbergen. »Miro und seine Leute sind nach Norden unterwegs. Eze liegt östlich von hier.«
».dürfen Sie nicht zulassen, dass sie mich zu Raoul zurückbringen. Ich will ihn niemals wieder sehen! Das verstehen Sie bestimmt. Ich könnte es nicht ertragen, ihn wiederzusehen und.«
»Dieser Raoul ist mir scheißegal!« unterbrach der Oberst sie grob. »Ich will wissen, wo Jaime Miro zu finden ist.«
»Das habe ich Ihnen doch gesagt! Er wartet in Eze auf mich. Er will, dass ich.«
»Sie lügen, Schwester. Ich glaube, dass Sie Miro zu decken versuchen. Ich will Ihnen nichts tun, deshalb frage ich Sie nochmals: Wo ist Jaime Miro?«
Schwester Teresa starrte Acoca hilflos an. »Das weiß ich nicht«, flüsterte sie. Sie sah sich wild um. »Ich weiß es wirklich nicht!«
»Vorhin haben Sie noch behauptet, er sei in Eze.« Seine Stimme klang wie ein Peitschenknall.
»Ja. Das hat Gott mir gesagt.«
Oberst Acoca hatte genug. Diese Frau war geistig verwirrt oder eine ausgezeichnete Schauspielerin. Jedenfalls hatte er ihr Geschwätz von Gott gründlich satt.
Er wandte sich an Leutnant Patricio Arrieta. »Dem Gedächtnis der Schwester muss nachgeholfen werden. Nehmen Sie sie ins Sanitätszelt mit. Vielleicht können Sie und Ihre Männer ihr helfen, sich daran zu erinnern, wo Jaime Miro ist.«
»Wird gemacht, Oberst.«
Arrieta und seine Leute hatten zu der Abteilung gehört, die das Kloster Avila überfallen hatte. Sie fühlten sich für die Flucht der vier Nonnen verantwortlich. Aber jetzt können wir diese Scharte auswetzen, dachte Arrieta.
Er wandte sich an Teresa. »Kommen Sie bitte mit, Schwester.«
»Gern.« Herr Jesus, ich danke dir! Sie brabbelte weiter: »Bringen Sie mich jetzt fort? Sie lassen nicht zu, dass ich nach Eze verschleppt werde, nicht wahr?«
»Nein, nein«, versicherte Arrieta ihr. »Sie müssen nicht nach Eze.«
Der Oberst hat recht, dachte er. Sie versucht, ihr Spielchen mit uns zu treiben. Aber wir werden ihr ein paar neue zeigen. Ob sie sich kreischend wehren oder einfach stilliegen wird?
»Schwester, ich gebe Ihnen eine letzte Chance«, sagte Arrieta, als sie das Sanitätszelt erreichten. »Wo ist Jaime Miro?«
Haben sie mich das nicht schon einmal gefragt? Oder ist das jemand anders gewesen? Hier oder... alles ist so verwirrend! »Er hat mich in Raouls Auftrag verschleppt, weil Monique ihn verlassen hat, so dass er mich.« »Bueno, wenn Sie nicht anders wollen«, unterbrach Arrieta sie. »Vielleicht können wir Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.«
»Ja, bitte. Alles ist so verwirrend.«
Ein halbes Dutzend von Acocas Männern sowie mehrere Soldaten Sostelos waren nach ihnen ins Zelt gekommen.
Schwester Teresa sah auf. Sie blinzelte verwirrt. »Bringen diese Männer mich jetzt ins Kloster zurück?«
»Sie tun was viel Besseres«, antwortete Patricio Arrieta grinsend. »Sie zeigen Ihnen den Weg zum Himmel, Schwester.«
Die Männer drängten näher heran, umringten sie.
»Du hast aber hübsche Sachen an«, sagte einer der Soldaten. »Weißt du bestimmt, dass du ‘ne Nonne bist, Liebling?«
»O ja!« beteuerte sie. Raoul hatte sie Liebling genannt. War dieser Mann Raoul? »Die habe ich nur an, weil wir uns auf der Flucht vor den Soldaten haben verkleiden müssen.« Aber diese Männer waren doch Soldaten! Alles war so verwirrend.
Einer der Uniformierten stieß Teresa auf ein Feldbett, »‘ne Schönheit bist du nicht gerade - aber wir wollen mal sehen, wie du unter all dem Zeug aussiehst.«
»Aufhören! Lassen Sie mich in Ruhe!«
Während er sie mit einer Hand festhielt und ihr mit der anderen die Bluse aufriss, war ein zweiter Mann dabei, ihr den Rock vom Leib zu reißen.
»Keine schlechte Figur für ‘ne alte Dame, stimmt’s, Kameraden?«
Teresa schrie laut auf. Sie starrte die Männer an, von denen sie jetzt umringt war. Gott wird sie alle tot niederstrecken. Er wird nicht zulassen, dass sie mir etwas antun, denn ich bin sein Gefäß. Ich bin eins mit dem Herrn und trinke aus seinem Brunnen der Keuschheit.
Einer von Arrietas Männern löste seinen Gürtel. Sekunden später fühlte Teresa, wie ihre Beine gewaltsam geöffnet wurden. Als der Mann sich auf sie warf, spürte sie, wie seine harte Männlichkeit in sie eindrang, und schrie erneut auf.
»Jetzt, Herr! Züchtige sie jetzt!«
Sie wartete auf den von einem gewaltigen Donnerschlag begleiteten Blitzstrahl, der herabzucken und sie alle niederstrecken würde.
Aber nichts geschah.
Ein weiterer Mann warf sich auf Teresa, deren Blick rot verschleiert war. Sie lag kraftlos da, wartete darauf, dass Gott die Sünder züchtigen würde, und nahm die Vergewaltiger kaum wahr. Sie empfand keine Schmerzen mehr.
Leutnant Arrieta stand neben dem Feldbett. »Haben Sie genug, Schwester?« fragte er jedes Mal, wenn wieder ein Mann von ihr abließ. »Sie haben’s in der Hand, wann wir aufhören. Sie brauchen mir nur zu sagen, wo Jaime Miro ist.«
Schwester Teresa hörte ihn nicht. Eine Stimme in ihrem Inneren kreischte: Strecke sie mit deiner Macht nieder, o Herr! Zerschmettere sie, wie du die anderen Sünder in Sodom und Gomorrha zerschmettert hast!
Unglaublicherweise gab er jedoch keine Antwort. Das war nicht möglich, denn Gott war allgegenwärtig. Und dann erkannte sie plötzlich die Wahrheit. Mit dem sechsten Mann, der in sie eindrang, kam die Erleuchtung.
Gott hörte sie nicht, weil es keinen Gott gab. Sie hatte sich all diese Jahre dazu verleiten lassen, an einen Allmächtigen zu glauben, ihn anzubeten und ihm treu zu dienen. Aber es gab keinen Allmächtigen! Gäbe es Gott, hätte er mich errettet.
Der rote Schleier hob sich von Teresas Augen, und sie nahm ihre Umgebung erstmals deutlich wahr. In dem Zelt warteten noch mindestens ein Dutzend Soldaten darauf, ihr Gewalt anzutun. Leutnant Arrieta stand neben dem Feldbett und beobachtete sie dabei. Die Schlange stehenden Soldaten trugen Uniform. Sie machten sich nicht erst die Mühe, sich auszuziehen.
Während ein Soldat von Teresa abließ, öffnete der nächste seine Hose und holte sein Glied heraus. Er stieg über Teresa und drang im nächsten Augenblick in sie ein.
Es gibt keinen Gott, aber einen Satan - und dies sind seine Helfer, dachte Teresa. Und sie müssen sterben. Sie müssen alle sterben!
Während der Uniformierte in sie hineinstieß, riss Teresa ihm die Pistole aus dem Halfter. Bevor jemand reagieren konnte, richtete sie die Waffe auf Arrieta und drückte ab. Der Leutnant brach mit durchschossenem Hals zusammen. Teresa zielte nacheinander auf weitere Soldaten und traf jedes Mal mit traumwandlerischer Sicherheit. Vier der Getroffenen waren tot, bevor die anderen sich von ihrem Schock erholten und das Feuer zu erwidern begannen. Wegen des auf ihr liegenden Uniformierten war es schwierig, richtig zu zielen.
Schwester Teresa und ihr letzter Vergewaltiger starben gemeinsam.