»Deus Israel vos unit; et ipse sit vobiscum, qui, misertus est duobis unicisplenius benediscere...«
»Der Gott Israels vereint euch, und er sei mit euch, und der Herr gewähre euch die Gnade, ihn noch mehr zu preisen. Gesegnet sind die, die den Herrn lieben, die auf seinem Pfade wandeln. Rühmet.«
Ricardo sah von dem Geistlichen weg zu Graciela hinüber, die neben ihm stand. Ich hab ’ recht gehabt: sie ist die schönste Braut der Welt.
Graciela schwieg und hörte die Worte des Geistlichen durch die riesigen Gewölbe des Kirchenschiffs hallen. Wie friedvoll die Atmosphäre dieser Kirche war! Gracie-la hatte den Eindruck, als sei sie mit Geistern aus der Vergangenheit angefüllt - mit all den Zehntausenden von Menschen, die, Generation nach Generation, hierher gekommen waren, um Vergebung und Erfüllung und Freude zu erlangen. Alles erinnerte sie so sehr ans Kloster. Ich fühle mich, als sei ich wieder heimgekehrt, dachte Graciela. Als gehörte ich hierher.
»Exaudi nos, omnipotens et misericors deus; ut quod nostro ministratur officio tua benedictione potius implea-turper dominum.«
»Erhöre uns, allmächtiger und barmherziger Gott, auf dass, was kraft unseres Amtes getan wird, durch deinen Segen reiche Erfüllung findet.«
Er hat mich mehr gesegnet, als ich verdient habe. Lass mich seiner würdig sein.
»In te speravi, domine. Dixi: Tu es deus meus; in mani-bus tuis tempora mea...«
»Auf dich, o Herr, habe ich vertraut. Ich habe gesprochen: Du bist mein Gott; meine Zeit liegt in deinen Händen.«
Meine Zeit liegt in deinen Händen. Ich habe feierlich gelobt, den Rest meines Lebens ihm zu weihen.
»Suscipe quaesumus domine, pro sacra connubü lege munus oblatum...«
»Wir bitten dich, o Herr, empfange das Opfer, das wir dir um der heiligen Ehebande willen darbringen.«
Die Worte schienen in Gracielas Kopf widerzuhallen. Sie hatte das Gefühl, als stehe die Zeit still.
»Deus qui potestate virtutis tuae de nihilo cuneta fe-cisti...«
»O Herr, der du die Ehe als Vorbotin der Vereinigung Christi mit der Kirche geheiligt hast. blicke gnädig auf diese deine Magd herab, die im Begriff ist, die Ehe zu schließen, und Schutz und Stärke von dir erfleht.«
Aber wie kann er mir Gnade erweisen, wenn ich im Begriff bin, ihn zu verraten?
Graciela fiel plötzlich das Atmen schwer. Die Kirchenmauern schienen sie erdrücken zu wollen.
»Nihil in ea ex actibus suis illc auctor praevaricationis ursupet...«
»Lass den Urheber der Sünde keines seiner bösen Werke in ihr tun.«
In diesem Augenblick lag Gracielas zukünftiger Weg klar vor ihr. Und sie hatte das Gefühl, von einer schweren Last befreit worden zu sein. Jubelnde, unbeschreibliche Freude erfüllte sie.
»Möge sie den Frieden des himmlischen Königreichs erlangen«, betete der Geistliche. »Wir bitten dich, o Herr, diesen Ehebund zu segnen und.«
»Ich bin schon verheiratet«, sagte Graciela laut.
Danach herrschte schockiertes Schweigen. Ricardo, der Geistliche und die Trauzeugen starrten sie an. Ricardo war kreidebleich.
»Graciela, wie soll ich das.?«
Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Entschuldige, Ricardo.«
»Ich. ich. das verstehe ich nicht! Liebst du mich denn nicht mehr?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich mehr als mein Leben. Aber mein Leben gehört nicht mehr mir. Ich habe es schon vor vielen Jahren Gott geweiht.«
»Nein! Ich lasse nicht zu, dass du dich aufopferst, nur weil du.«
»Ricardo, Liebster - das ist kein Opfer, sondern ein Segen. Im Kloster habe ich erstmals in meinem Leben Frieden gefunden. Du bist ein Teil der Welt, die ich aufgegeben habe - der beste Teil. Aber ich habe ihr entsagt und muss in meine Welt zurückkehren.«
Der Geistliche und die Trauzeugen hörten schweigend zu.
»Bitte verzeih mir, dass ich dich so verletze, aber ich darf mein Gelöbnis nicht brechen. Damit würde ich alles verraten, woran ich glaube. Das weiß ich jetzt. Ich könnte dich niemals glücklich machen, weil ich niemals glücklich wäre. Das musst du bitte verstehen.«
Ricardo starrte sie erschüttert an. Er brachte kein Wort heraus. In seinem Inneren schien alles erstorben zu sein.
Graciela sah seine Trauermiene, und ihr Herz schlug für ihn. Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich liebe dich«, flüsterte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich werde für dich beten. Ich werde für uns beide beten.«