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Irgendwo fehlte ein Bindeglied, ein Hinweis auf die Vergangenheit, und Alan Tucker war entschlossen, ihn aufzuspüren. Im Zeitungsarchiv hatte sich kein Hinweis auf ein ausgesetztes Kleinkind gefunden, aber das Datum, an dem die Kleine ins Waisenhaus gekommen war, musste sich leicht feststellen lassen. Falls es mit dem des Flugzeugabsturzes übereinstimmte, würde es Ellen Scott schwer fallen, eine glaubhafte Erklärung für diesen Zufall vorzubringen.

So dumm kann sie nicht gewesen sein, dachte Tucker. Einfach vorzugeben, die Erbin des Vermögens der Scotts sei tot, und sie vor der Tür eines spanischen Bauern auszusetzen... Riskant, sehr riskant! Andererseits hat ein hoher Preis gelockt: die Firma Scott Industries. Ja, sie kann ’s geschafft haben. Falls das ihre Leiche im Keller ist, lebt sie noch - und wird sie ‘ne Stange Geld kosten.

Tucker wusste, dass er sehr vorsichtig sein musste. Er machte sich keine Illusionen darüber, mit wem er es zu tun hatte. Ellen Scott hatte die Macht, ihn zu vernichten. Er war sich im klaren darüber, dass er sämtliche Beweise in der Hand haben musste, bevor er seine Forderungen stellte.

Als erstes suchte er wieder Pater Berrendo auf.

»Pater, ich möchte mit dem Bauern und seiner Frau sprechen, die Patricia. Megan damals aufgefunden haben.«

Der alte Geistliche lächelte. »Hoffentlich dauert es noch recht lange, bis Sie dieses Gespräch führen können.«

Tucker starrte ihn an. »Was soll das heißen?«

»Die beiden sind seit vielen Jahren tot.«

Verdammter Mist. Aber es musste weitere Informationsmöglichkeiten geben. »Sie haben gesagt, die Kleine sei mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden?«

»Ja.«

Dort muss es Krankenakten geben. »In welches Krankenhaus, Pater?«

»Es ist 1961 bis auf die Grundmauer niedergebrannt. Seither haben wir ein neues Krankenhaus.« Er sah die Enttäuschung auf dem Gesicht seines Besuchers. »Sie müssen bedenken, Senor, dass die Vorgänge, für die Sie sich interessieren, achtundzwanzig Jahre zurückliegen. Seit dieser Zeit hat sich vieles verändert.«

Mich hält nichts auf! dachte Alan Tucker. Nicht so kurz vor dem Ziel. Irgendwo muss es Unterlagen über sie gehen.

In einer Einrichtung hatte er noch nicht nachgefragt: im Waisenhaus.

Ellen Scott ließ sich jetzt täglich von ihm Bericht erstatten.

»Halten Sie mich über alles auf dem laufenden. Ich will benachrichtigt werden, sobald sie gefunden ist!«

Und Alan Tucker fragte sich, was ihr drängender Tonfall zu bedeuten haben mochte.

Sie scheint’s verdammt eilig zu haben, obwohl das alles schon fast drei Jahrzehnte zurückliegt. Weshalb? Na ja, das hat Zeit bis später. Erst muss ich den Beweis finden, den ich suche.

An diesem Vormittag besuchte Alan Tucker das Waisenhaus. Er sah sich in dem kahlen Gemeinschaftsraum um, in dem lärmende Kinder spielten, und dachte: Hier ist also die Erbin der Scott-Dynastie aufgewachsen, während diese Hexe in New York alles Geld und alle Macht für sich behalten hat. Aber in Zukunft muss sie beides mit mir teilen! Ja, Sir, Ellen Scott und ich werden ein großartiges Team abgeben.

Eine junge Frau kam auf ihn zu und fragte: »Sie wünschen, Senor?«

Der Besucher lächelte. Wenn du wüsstest! Ich wünsche ungefähr eine Milliarde Dollar. »Ich möchte mit der Heimleitung sprechen.«

»Das wäre Senora Angeles.«

»Ist sie da?«

»Si, Senor. Ich bringe Sie zu ihr.«

Er folgte der jungen Frau den Korridor entlang zu einem kleinen Büro auf der Rückseite des Gebäudes.

»Sie können einfach hineingehen.«

Alan Tucker klopfte an und betrat den Raum. Die Greisin hinter dem Schreibtisch war mindestens achtzig. Sie musste früher ziemlich groß gewesen sein, aber jetzt war ihr Rücken so gebeugt, dass sie klein und zusammengeschrumpft wirkte. Ihr schütteres Haar war schlohweiß, aber ihre Augen waren hell und klar.

»Guten Morgen, Senor. Was kann ich für Sie tun? Sind Sie gekommen, um eines unserer Kinder zu adoptieren? Wir haben so viele liebe Kinder, die zur Wahl stehen.«

»Nein, Senora. Ich bin hier, um mich nach einem Kind zu erkundigen, das vor vielen Jahren in dieses Haus gekommen ist.«

Mercedes Angeles runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht, fürchte ich.«

»Es handelt sich um ein kleines Mädchen, das.« Tu-cker gab vor, in seinem Notizbuch nachzuschlagen. ». im Oktober 1947 hierher gebracht worden ist.«

»Das ist schon sehr lange her. Sie wäre längst nicht mehr bei uns. Wissen Sie, Senor, wir haben eine Regel, dass unsere Kinder mit fünfzehn.«

»Oh, ich weiß, dass sie nicht mehr hier ist, Senora«, unterbrach Tucker sie. »Mich interessiert das genaue Datum, an dem sie ins Waisenhaus gekommen ist.«

»Da werde ich Ihnen leider nicht helfen können, Se-nor.«

Sein Herz sank.

»Wir nehmen jedes Jahr so viele Kinder auf. Sie müssten wenigstens ihren Namen kennen.«

Patricia Scott, dachte er. »Megan«, sagte er laut. »Sie heißt Megan.«

Mercedes Angeles lächelte. »Wie könnte man dieses Kind vergessen! Sie ist ein kleiner Teufel gewesen, aber wir haben sie alle geliebt. Stellen Sie sich vor, eines Tages hat sie.«

Aber Tucker hatte keine Zeit für Anekdoten. Sein Instinkt sagte ihm, wie dicht davor er war, sich einen Anteil am Familienvermögen der Scotts zu sichern. Und diese alte Schwätzerin konnte ihm dazu verhelfen. Ich muss Geduld mit ihr haben. »Senora Angeles, ich hab’s leider sehr eilig. Könnten Sie das Datum in Ihren Unterlagen finden?«

»Selbstverständlich, Senor. Wir sind vorn Staat gehalten, sehr genaue Aufzeichnungen zu führen.«

Tucker hätte am liebsten aufgejubelt. Ich hätte eine Kamera mitbringen sollen, um die Akte zu fotografieren, überlegte er. Macht nichts, ich lasse mir eine Fotokopie geben. »Dürfte ich diese Akte sehen, Senora?«

Die Heimleiterin zögerte. »Hmm, ich weiß nicht recht. Unsere Unterlagen sind vertraulich und.« »Natürlich«, sagte Tucker rasch, »und das respektiere ich selbstverständlich. Aber Sie haben gesagt, die kleine Megan sei Ihr Liebling gewesen, und ich weiß, dass Sie alles tun würden, was ihr nützen könnte. Genau deshalb bin ich hier. Ich habe eine erfreuliche Nachricht für sie.«

»Und dafür brauchen Sie das Datum, an dem sie zu uns gebracht worden ist?«

»Nur um einen Beweis dafür zu haben, dass sie tatsächlich die ist, für die ich sie halte«, antwortete er geistesgegenwärtig. »Ihr Vater ist gestorben und hat ihr eine kleine Erbschaft hinterlassen, und ich soll dafür sorgen, dass Megan sie bekommt.«

Mercedes Angeles nickte. »Ja, ich verstehe.«

Tucker holte mehrere Geldscheine aus der Hosentasche. »Und um mich für Ihre Mühe erkenntlich zu zeigen, möchte ich hundert Dollar für Ihr Waisenhaus spenden.«

Ihr Gesichtsausdruck blieb unsicher, während sie das dicke Bündel Geldscheine betrachtete.

Er legte einen weiteren Hunderter auf ihren Schreibtisch. »Zweihundert.«

Sie runzelte die Stirn.

»Gut, fünfhundert!«

Mercedes Angeles lächelte strahlend. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Senor. Ich hole gleich die Akte.«

Ich hab ’s geschafft! dachte er jubilierend. Großer Gott, ich hab ’s geschafft! Sie hat Scott Industries für sich selbst gestohlen. Wäre ich nicht gewesen, wäre sie damit durchgekommen.

Wenn er Ellen Scott mit den Beweisen konfrontierte, würde sie nicht mehr leugnen können. Das Flugzeug war am 1. Oktober abgestürzt. Megan hatte etwa zehn Tage im Krankenhaus gelegen. Folglich musste sie um den 15.

Oktober herum ins Waisenhaus gebracht worden sein.

Wenig später kam Mercedes Angeles mit einem Schnellhefter in der Hand zurück. »Ich hab’ die Akte gefunden!« sagte sie triumphierend.

Tucker musste sich beherrschen, um sie ihr nicht aus der Hand zu reißen. »Darf ich einen Blick hineinwerfen?« bat er höflich.

»Gewiss. Sie sind so großzügig gewesen.« Sie runzelte die Stirn. »Ich kann mich doch darauf verlassen, dass niemand davon erfährt? Das dürfte ich nämlich gar nicht.«

»Das bleibt unser Geheimnis, Seniora.«

Sie gab ihm die Akte.

Er holte tief Luft und schlug den Schnellhefter auf. Auf dem ersten Blatt standen Name, Geschlecht und Alter: MEGAN, weibl. Eltern unbekannt, etwa zwölf Monate. Und dann kam das Aufnahmedatum. Aber hier stimmte irgendwas nicht!

»Hier steht, Megan sei am 14. Juni 1947 aufgenommen worden«, stellte Tucker fest.

»Si, Senor.«

»Das ist unmöglich!« Er kreischte beinahe. Das Flugzeugunglück hat sich am 1. Oktober ereignet.

Mercedes Angeles zog fragend die Augenbrauen hoch. »Unmöglich, Senor? Das verstehe ich nicht.«

»Wer. wer führt diese Unterlagen?«

»Ich, Senor. Wenn uns ein Kind anvertraut wird, notiere ich das Datum und etwaige weitere Informationen.«

Sein Traum drohte sich in nichts aufzulösen. »Können Sie sich nicht geirrt haben? Was das Datum betrifft, meine ich - könnte es nicht der zehnte Oktober gewesen sein?«

»Senor«, erklärte sie ihm indigniert, »ich kenne den Unterschied zwischen dem vierzehnten Juni und dem zehnten Oktober!«

Damit war alles aus. Er hatte sein Traumgebäude auf zu schwankenden Fundamenten errichtet. Patricia Scott war also tatsächlich bei dem Flugzeugabsturz umgekommen. Und dass Ellen Scott ein etwa zur selben Zeit ausgesetztes Mädchen suchen ließ, war wirklich nur ein Zufall.

Alan Tucker stand schwerfällig auf. »Danke, Senora«, murmelte er.

»Denada, Senor.«

Sie sah ihm nach, als er ging. Ein wirklich netter Mann. Und so großzügig! Seine fünfhundert Dollar würden für viele wichtige Anschaffungen fürs Waisenhaus reichen. Das galt natürlich erst recht für den Scheck über hunderttausend Dollar, den die nette Dame, die aus New York angerufen hatte, geschickt hatte. Der 10. Oktober ist wirklich ein Glückstag für unser Haus gewesen, Herr, ich danke dir!

Alan Tucker erstattete Bericht.

»Noch immer keine gesicherten Erkenntnisse, Mrs. Scott. Angeblich sind sie nach Norden unterwegs. Soviel ich weiß, ist ihr bisher nichts zugestoßen.«

Seine Stimme klingt plötzlich ganz anders, dachte Ellen Scott. Nicht mehr so drohend wie in letzter Zeit. Er ist also im Waisenhaus gewesen. Jetzt ist er wieder mein Angestellter. Aber sobald er Patricia gefunden hat, wird sich auch das ändern.

»Melden Sie sich morgen wieder.«

»Ja, Mrs. Scott.«

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