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Um Spenden für Herbs GruppeGottes Liebe< zu sammeln, veran­staltete die>Kirche zum Heiligen Licht< in dem kleinen alten Bahn­hof einen Backwaren-Basar. Da die Kirchendamen sich mit ihrem Können Ruhm erworben hatten, herrschte großer Andrang.

Miranda Hogendobber hatte Zimtteilchen mit Orangenglasur sowie köstliche Brote gebacken.

Harry hielt im Postamt die Stellung. Sie und Miranda sprangen für­einander ein. Manchmal tat es gut, mit der Arbeit früher Schluß zu machen oder einen ausgiebigen Lunch einzunehmen.

Alle sahen, wie der Rettungswagen aus der Backsteingarage setzte, und sie sahen auch, wie er stadtauswärts vorbeifuhr.

Als tonangebende Bürgerin von Crozet wünschte Big Mim über je­den einzelnen Vorfall im Moment seines Geschehens informiert zu werden. Sie zog ihr winzig kleines Handy hervor und rief im Büro des Sheriffs an.

»Mutter.« Little Mim fand, ihre Mutter hätte wenigstens hinausge­hen sollen, um zu telefonieren, aber andererseits war es draußen kalt.

»Sag du mir nicht, was ich zu tun habe.« Sie tappte mit dem Fuß, der in einem erlesenen Krokodillederslipper steckte. »Ah, hallo. Ist der Sheriff da? Natalie, richten Sie ihm aus, er soll mich anrufen.« Mit gesenkter Stimme redete sie auf die Telefonistin ein. »Sie wissen nicht, wer da eben im Rettungswagen vorbeigefahren ist? Gut, sagen Sie ihm, er soll mich auf meinem Handy anrufen. Danke, tschüß.« Sie drückte auf>Ende<, klappte das Telefon zusammen und steckte es in ihre Handtasche.

»Manche Leute erleiden einen Herzinfarkt, ohne dich zu informie­ren.« Mit süßlichem Lächeln versetzte die Tochter ihr diesen leichten Stich.

»Das sollten sie nicht tun. Sie sollten gar nichts tun, ohne mich zu informieren.« Mim lächelte genauso süßlich zurück. »Ich werde wohl ein paar Brownies kaufen.«

»Die Zimt-Orangen-Teilchen sind schon alle weg.«

»Miranda sollte wirklich eine Bäckerei aufmachen. Sie hat großes Talent.« Mim sah den Streifenwagen mit Rick und Coop vor dem Postamt halten. »Hier.« Sie gab ihrer Tochter fünfzig Dollar. »Ich geh mal eben über die Straße.«

»Ohne mich?«

»Ach Marilyn. Kauf das Zeug und komm dann nach.« Mim war be­reits aus der Tür, ehe sie ihren Satz beendet hatte.

Rick und Cooper traten ins Postamt, doch bevor sie den Mund aufmachen konnten, kam Mim hereingestürmt. »Hat Natalie Sie an­gerufen?«

»Vor etwa einer Minute.« Rick atmete durch die Nase aus. »Ich wollte Sie anrufen, sobald ich hier fertig bin.«

Mim hob die Augenbrauen. Was konnte so wichtig sein, daß Harry zuerst verständigt werden mußte?

»Schlechte Nachrichten.« Pewter trabte von dem kleinen Tisch im rückwärtigen Bereich heran.

»Kommen Sie doch nach hinten.« Harry öffnete die Trennklappe. Mrs. Murphy reckte sich auf dem schmalen Sims hinter den Postfä­chern. Tucker, die hellwach war, beobachtete alles.

Es war Rick klar, daß er Mim irgend etwas sagen mußte, deshalb wollte er das zuerst hinter sich bringen. »Randy Sands hat Tussie Logan erschossen in ihrer Badewanne gefunden.«

»Was?« Mim schlug erstaunt die Hände zusammen.

»Wie hat er's gemerkt?« Harry stellte diese wesentliche Frage.

»Das Wasser lief und drang durch seine Decke. Randy kam von der Arbeit nach Hause, sah es und rannte nach oben. Er ist in einem schlimmen Zustand. Ich hab Reverend Jones angerufen, daß er zu ihm geht.«

»Erschossen.« Mim ließ sich schwer auf einen Holzstuhl am Tisch fallen.

»Für uns ist das keine Überraschung«, sagte Mrs. Murphy.

»Beteiligt sein und tot sein ist zweierlei«, bemerkte Tucker weise.

»Uff.« Pewter war der Gedanke an große tote Körper zuwider. Sie hatte nichts gegen Mäuse-, Maulwurfs- oder Vogelleichen, aber al­les, was größer war, drehte ihr den Magen um.

»Großer Gott. Könnte es Tussie gewesen sein, die mich angerufen hat?« Mim war fassungslos.

»Das sollte ihr Tod euch sagen.« Murphy lief auf dem schmalen Sims hin und her.

»Wenn Sie wüßten, was wir wissen, dann schon.« Tucker hatte mehr Geduld mit menschlichen Schwächen als die Katze.

»Wie lange ist sie schon tot?« Harry wollte ausrechnen, ob der Mörder sich nachts oder tags angeschlichen hatte.

Rick erwiderte: »Schwer zu sagen. Tom Yancy wird es ermitteln.«

»Kampfspuren?« Harry war noch schwindelig von der Nachricht von Tussies Ermordung und daß sie die Kettenbriefe geschrieben haben sollte.

»Nein«, erklärte Coop knapp.

»Wer immer es war, sie mag ihn gekannt haben. Aber wenn einer einfach ins Badezimmer marschiert kommt, das sollte bei einer Da­me doch wohl eine Reaktion hervorrufen.« Mim sah ihre Tochter mit Backwaren beladen aus dem Bahnhof kommen und die Ausbeute in ihrem Auto verstauen.

»Ich weiß nicht, aber es dürfte nicht sehr schwer sein, ins Bade­zimmer zu gehen und den Abzug zu drücken. Sie wird keine Zeit gehabt haben, sich zu wehren. Ging ganz schnell.« Rick zog eine Zigarette aus dem Päckchen. »Haben die Damen was dagegen?«

»Nein. Ich dachte, Sie hätten aufgehört.« Mim war es egal, ob je­mand rauchte oder nicht.

»Ich hab's schon oft aufgegeben.« Er zündete die Zigarette an.

»Warum tun Menschen das?« Pewter konnte den Geruch nicht aus­stehen.

»Um ihre Nerven zu beruhigen«, sagte Murphy.

»Es macht ihre Lungen kaputt.« Tucker konnte den Geruch auch nicht ausstehen.

»Katzen sieht man nicht rauchen«, sagte Pewter selbstgefällig in der Überzeugung, daß dies wieder einmal die Überlegenheit der Kat­zen bewies.

Murphy ging immer noch hin und her.»Rick ist nicht bloß hier, um die Neuigkeit zu überbringen. Dafür würde er nicht zuerst zu Mom gehn.«

»Ja, das ist wahr«, stimmte Tucker zu.

»Harry, ich meine, wir sollten den Cramers lieber absagen, morgen an der Jagd teilzunehmen. Es ist zu gefährlich. Und ich lasse Coop die ganze Nacht bei Ihnen, bis. « Er sah Little Mim zum Postamt gehen.

»Cramers?« Mim hob die Stimme. »Kenne ich die Cramers?«

»Nein«, sagte Harry schnell; denn auch sie sah Little Mim. »Sie gehen mit den Clubs von Middleburg und Orange auf die Jagd.«

»Dann müssen sie gut sein.« Mim wollte stets wissen, was vorging.

»Mrs. Sanburne.« Rick beugte sich vor. »Wir sind ganz nahe dran an unserem Mörder. Ich weiß, Sie wünschen über alles informiert zu sein, aber momentan würde ich Sie damit in Gefahr bringen, in ern­ste Gefahr. Der Grund, weswegen ich hier bei Harry bin, ist der, daß man sie im Krankenhaus auf den Kopf geschlagen hat.«

Mim zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts, weil Miranda sie zu Stillschweigen verpflichtet hatte, als es ihr rausgerutscht war; aber Mim war ohnehin dahinter gekommen. Rick fuhr fort: »Ich kann kein Risiko eingehen. Der oder die Mörder denken vielleicht, sie weiß mehr, als sie tatsächlich weiß.«

»Dabei weiß ich gar nichts.« Harry zuckte mit den Achseln. »Ich wollte, ich wüßte was.«

»Was haben die Cramers mit Harry zu tun?«

»Hm, äh, wir wollten morgen zusammen auf die Jagd gehen. Sie machen Geschäfte mit Krankenhäusern und.«

»Mrs. Sanburne, ich verspreche Ihnen, ich werde Sie informieren, sobald wir - « er hielt inne, suchte nach den richtigen Worten - »über den Berg sind. Darf ich Sie jetzt wohl bitten, Ihre Tochter ab­zufangen, bevor sie hereinkommt? Geben Sie mir zwei Minuten mit Harry.«

Ein wenig versöhnt stand Mim auf, ging nach vorne, öffnete die Trennklappe und erwischte Marilyn gerade, als sie die Hand am Tür­knauf hatte. Sie führte sie über die Straße zurück zum Auto.

»Rick. Lassen Sie die Cramers auf die Jagd gehen. Es wird der Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt. Wir haben Gra­ham, wir haben Dennis. Sie sind militärisch ausgebildet, sind gute Reiter. Sie wissen, was sie tun, sie können die Cramers schützen. Dennis fährt mit ihnen in ihrem Kombi hin und auch wieder zurück. Ich glaube fest, daß wir unseren Täter morgen aus der Reserve lok­ken können.«

»Es ist eine Mordschance.« Rick fuhr sich mit den Fingern durch das sich lichtende Haar. Harrys Standpunkt hatte etwas für sich, aber es widerstrebte ihm, Zivilisten, wie er sie in Gedanken nannte, zu gefährden.

»Coop, ich weiß, daß wir es können. Ich würde die Cramers nicht als Köder benutzen, wenn ich nicht glaubte, daß es den Mörder auf­scheuchen wird«, argumentierte Harry. »Ja, Harry, ich weiß, aber ich hab eben Tussie Logan gesehen.« Rick und Coop starrten sich an.

Rick zog an seiner Zigarette, dann nahm er sie aus dem Mund. »Okay.«

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