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Ein Wetterwechsel, wie er in den Bergen so häufig ist, bescherte an den folgenden Tagen Temperaturen um die dreizehn Grad. Das Ge­räusch von strömendem, tropfendem und platschendem Wasser drang den Menschen in die Ohren; Rinnsale liefen über Staatsstra­ßen, schmale Bäche kreuzten die niedrig gelegenen Weiden und er­gossen sich in kleine Flüsse; Ströme und Flüsse waren angestiegen und stiegen weiter.

Die Schluchten hielten den Schnee in ihren Spalten auf der Nord­seite fest, große Flächen mit frischem Schnee ohne Spuren, weil Tiere die tiefen Verwehungen mieden. Türkisblaue Eiszapfen hingen kaskadenartig über den Felsnasen auf der Nordseite.

Da sie in Kürze einen neuerlichen arktischen Luftstrom befürchte­ten, schrubbten und füllten die Farmer Wassertröge, breiteten die Vorstadtgärtner noch eine Schicht Mulch über die Frühlingsblumen­zwiebeln, wuschen die Autohändler ihre Bestände.

Harry, eine Frühaufsteherin, erledigte rasch ihre Farmarbeit, saß auf einem Pferd und trieb die anderen beiden, indem sie mal hinter, mal neben ihnen ritt, kletterte dann die Leiter hoch, um die Dachrin­nen von Stall und Haus zu reinigen.

Mrs. Murphy jagte auf dem Heuboden Mäuse, sorgsam darauf be­dacht, Simon, das schlafende Opossum, die schlummernde Kletter­natter oder die in der Kuppel dösende riesige Eule nicht zu stören. Die Beute war mager, weil die Eule sich alles schnappte, weswegen Simon Körner aus der Sattelkammer fraß. Allerdings konnte weder Murphy noch die Eule die Mäuse ausrotten, die in den Mauern zwi­schen der Sattelkammer und den Boxen lebten. Die Mäuse saßen in ihrem gemütlichen Heim und sangen, nur um die Katze zu quälen.

Pewter, die sich nicht gern die Pfoten naß machte, räkelte sich, auf dem Rücken liegend, auf dem Sofa im Haus. Tucker blieb Harry, die sie als ihre Menschenmutter betrachtete auf den Fersen, was bedeute­te, daß sie sich den Bauch schmutzig gemacht hatte, weil auch sie sich bemüßigt fühlte, Großes zu leisten. Sie las die kleinen herunter­gefallenen Zweige und Äste auf und brachte sie in den Geräteschup­pen. So klein die Corgihündin auch war, sie konnte das Vierfache ihres Gewichtes schleppen.

Sie packte das dicke Ende eines Astes, stemmte die Hinterbeine fest in den Boden, zerrte das schwere Ding ein bißchen hoch und legte dann den Rückwärtsgang ein. Ihre mühevolle Arbeit brachte Harry jedes Mal zum Lachen.

Gegen elf an diesem Samstag war Harry bereit, in die Stadt zu fah­ren. Die Fuchsjagd war abgesagt worden, weil die Gespanne und Wohnwagen im Schlamm stecken bleiben würden. Das Parken war an regnerischen oder matschigen Tagen immer ein Problem.

»Tucker, wir müssen dich in der Waschbox sauber machen. So kommst du mir nicht ins Auto.«

»Ich kann auf einer Stelle sitzen bleiben. Ich rühr mich auch nicht vom Fleck.« Sie ließ die Ohren hängen, weil sie von einem Bad jeg­licher Art, Fasson oder Form, nicht begeistert war. Andererseits lieb­te sie es, sich in eine Pfütze zu setzen, in einen Bach zu springen. Aber Seife in Verbindung mit Wasser, das beleidigte ihr Hundezart­gefühl.

»Komm.«

» Warum wäschst du nicht auch Mrs. Murphy die Pfoten?« Ein übermütig gehässiger Ton schlich sich in Tuckers Stimme, als sie in den Stall lief.

»Das hab ich gehört, du Dummbeutel.« Murphy lugte über die Sei­te des Heubodens.

»Was gefangen?«, rief Harry ihrer geliebten Katze zu.

»Nein«, brummte sie zurück.

»Bist nicht mehr die Schnellste, wie?« Tucker wollte ihre Freundin in Harnisch bringen. Was ihr auch gelang.

»Ich konnte dich jederzeit platt machen, Dickerchen. Schwanzloses Wunder. Blöder Hund.«

»Haha!« Tucker vermied es, nach oben zu gucken, was die ge­schmeidige, leicht egoistische Katze noch mehr in Rage brachte.

»Na schön. Wenn du nicht aufstehen willst, nehme ich dich an die Kandare«, warnte Harry den kleinen Hund.

Sie drehte das warme Wasser auf und richtete den Schlauch auf Tuckers Bauch, dessen schöne weiße Färbung nun wieder zum Vor­schein kam.

Mrs. Murphy, gierig, sich am Unbehagen ihrer Freundin zu weiden, sprang vom Heuboden und setzte sich auf die Satteltruhe im Gang.

»Reinlichkeit kommt gleich hinter Göttlichkeit.«

»Du hältst dich wohl für sehr schlau.«

»Katzen sind schlauer als Hunde.«

»Das sagst du, stimmt aber nicht. Katzen retten keine schiffbrüchi­gen Menschen. Das tun Neufundländer. Katzen retten keine Men­schen aus Lawinen. Das tun Bernhardiner. Katzen hüten nicht mal Kühe oder geben im Einsatz ihr Bestes. Das tun Corgis. Ätsch­-bätsch.«

»Stimmt. Ich hab dir ja gesagt, Katzen sind schlauer als Hunde. Noch ein Beweis: Man kriegt acht Katzen nicht dazu, einen Schlitten im Schnee zu ziehen.« Sie putzte sich hastig die Pfoten, weil sie nicht wollte, daß Harry auf die Idee kam, sie gründlich zu waschen.

»Ihr zwei seid vielleicht geschwätzig.« Harry hatte Tucker fertig gewaschen, drehte das Wasser ab, dann rieb sie die Hündin mit ei­nem Handtuch trocken.

Als sparsamer Mensch, der sie war, hob Harry alles auf. In einem Hängekorb im Gang vor der Waschbox lag ein Stapel alter Handtü­cher. Sie verwahrte außerdem alte Handtücher in der Sattelkammer und sie holte sogar ausrangierte Handtücher vom Country Club ab, die man ihr für ein paar Dollar überließ. Zum einen brauchte sie sie, zum anderen hielt Harry Verschwendung für eine Sünde.

»Schönes Dusseltier.« Murphy lächelte Tucker durchtrieben an.

»Danke. Ich dachte schon, du würdest es nie merken. Wenn sie mich sauber macht, heißt das, wir gehn weg. Wohin wohl?«

»Hm. Augusta Coop, Futter kaufen, steht immer ganz oben auf Moms Liste. Wal-Mart. A and N, Jeans kaufen, falls sie welche braucht. Oh, Auto-Zone nicht zu vergessen. Da holt sie eine Dose Motoröl, Scheibenwischerflüssigkeit und Ölfilter für den Traktor. Du kennst sie. Zum Juwelier geht sie bestimmt nicht. Sie ist die einzige Frau, die ich kenne, die sich zum Valentinstag einen neuen Satz Schraubenschlüssel wünschen würde statt Ohrringe oder Blumen.«

Tucker lachte.»Sie mag aber Blumen.«

»Sie wird Fair Blumen schicken.« Murphy lachte, weil Harry in den meisten Dingen leicht zu durchschauen war, aber Katzen kann­ten die Menschen ja auch besser als umgekehrt.

»Laß dich anschauen.« Harry ging zu Mrs. Murphy, die gar nicht erst versuchte wegzulaufen. Würde sie es nämlich tun und Harry erzürnen, dann dürfte sie nicht im Transporter mitfahren, und Murphy fuhr furchtbar gern damit, hoch über niedrigeren Autos thro­nend.

»Pieksauber.«

Harry begutachtete die vier Pfoten, die genauso dunkel waren wie Murphys Tigerstreifen. »Picobello, Miezekatze.«

»Hab ich dir doch gesagt.«

Harry nahm ein Tier unter jeden Arm, ging hinaus und setzte sie in den Transporter. Sie duldete keine schmutzigen Pfotenabdrücke auf ihren Bezügen. Für ihren Pferdeanhänger hatte sie vor einem Jahr einen neuen Pick-up gekauft, einen Eintonner mit Doppelbereifung auf der Hinterachse zur Verstärkung der Kippsicherheit. Sie hatte Jahre mit diesem Entschluß gerungen, ihr hatte vor der finanziellen Belastung gebangt. Aber es hatte geklappt, weil Fair ihr ein bißchen unter die Arme gegriffen hatte und weil sie jeden Penny zweimal umdrehte. Doch für die alltäglichen Fahrten benutzte sie den unver­wüstlichen alten 1978er Ford Halbtonner mit Vierradantrieb. Sie hatte kuschelige Schaffellbezüge für die Sitzbank gekauft, weil die alten abgenutzt gewesen waren.

Als sie die Tür zumachte, fiel ihr Pewter ein. Dann beschloß sie, die Katze schlafen zu lassen. Sicher, Pewter würde grantig sein, wenn sie zurückkämen, aber Harry wollte los. War eine Arbeit erle­digt, wollte sie sofort die nächste in Angriff nehmen.

Ihre Großmutter hatte einmal gesagt, Harry seiunduldsam gegen­über Muße<. Eine treffende Beschreibung.

Sobald sie auf der Straße waren, fuhren sie in Richtung Crozet an­statt zur Route 64, Richtung Waynesboro, wo Harry einkaufen ging. Charlottesville mied sie meistens, weil es so teuer war.

»Nix Augusta Coop.« Murphy betrachtete die durchnäßte Land­schaft.

Die zwei Tiere waren überrascht, als Harry in die lange, von Bäu­men gesäumte Zufahrt zur Dalmally Farm einbog. Sie fuhr an dem einfachen, dennoch imposanten Haupthaus vorbei und weiter bis zu einem hübschen Häuschen unweit der Stallungen, die so schön wa­ren, daß die meisten Menschen begeistert wären, darin zu wohnen.

»Little Mim?« Tucker war baff.

Little Mim, in Harrys Alter, war keine besonders enge Freundin von Harry. Little Mim hatte eine teure Privatschule besucht, woge­gen Harry, Susan Tucker, Boom Boom, Fair und die ganze Truppe zur Crozet Highschool gegangen waren. Zudem hatte Little Mim einen Komplex, den Harry gewöhnlich ignorierte. Man hätte sie kei­nesfalls als enge Freundinnen bezeichnen können. Mit den Jahren hatten sie dennoch gelernt, sich gegenseitig zu tolerieren, stets höf­lich im Umgang, wie es sich für Virginier gehörte.

»Geht nicht runter vom Bürgersteig, sonst läßt sie euch nicht ins Haus, ist das klar?«, befahl Harry.

»Alles klar.«

Kein Tier wollte verpassen, warum Harry die junge Marilyn San­burne aufsuchte.

Little Mim öffnete die Tür, begrüßte sie alle, ließ Harry am Kamin Platz nehmen. Ihr bretonischer Spaniel küßte Tucker, die es sich gefallen ließ, aber fand, der entfaltete Enthusiasmus mußte gebändigt werden. Murphy setzte sich an den Kamin.

»Ich komme gleich zur Sache.« Little Mim schob Harry eine Scha­le mit Konfekt hin. »Ich will bei den Bürgermeisterwahlen kandidie­ren und ich brauche deine Hilfe.«

»Ich wußte gar nicht, daß dein Vater zurücktreten will«, meinte Harry arglos; denn Jim Sanburne war seit fast dreißig Jahren Bür­germeister von Crozet. Jim verstand es, Menschen zusammenzubrin­gen. Alle hatten gesagt, Mim hätte unter ihrem Stand geheiratet, als sie Jim aus ihren vielen Verehrern auswählte. Das stimmte, was Geld und Gesellschaftsklasse anbelangte. Aber Jim war ein richtiger Mann, nicht so ein Fatzke, der einen Haufen Geld geerbt, aber weder Grips noch Mumm hatte. Er arbeitete schwer, vergnügte sich mäch­tig und tat der Stadt gut. Seine Achillesferse waren die Frauen; aber es ist nun mal so, daß Männer wie Jim mehr Frauen anziehen, als ihnen zustehen. Mim hatte ihn gehaßt, doch mit der Zeit hatten sie sich zusammengerauft. Und sie mußte zugeben, sie hatte Jim aus Enttäuschung geheiratet nach einer leidenschaftlichen Affäre, die sie in den fünfziger Jahren mit Doktor Larry Johnson gehabt hatte. Vor ein paar Jahren war sie wegen Brustkrebs in Panik geraten, und mehr als alles andere hatte dies Jim Sanburne zur Besinnung gebracht.

»Will er auch gar nicht«, antwortete Little Mim unbekümmert und lehnte sich auf dem Sofa zurück.

»Aha. Marilyn, was ist los?«

»Crozet braucht einen Wechsel.«

»Ich finde, dein Daddy leistet hervorragende Arbeit.«

»Hat er auch, bis jetzt.« Sie schlug die Beine übereinander. »Aber Dad will mehr Betriebe herholen, und ich denke, das wird der Stadt schaden. Es geht uns gut. Wir brauchen Diamond Mails hier nicht.«

»Was ist Diamond Mails?«

»Dad bemüht sich, diesen großen Buchversandclub aus Hanover, Pennsylvania, hierher zu locken. Du kennst diese Buchclubs. Es gibt sie in allen Sparten: Geschichte, Gartengestaltung, Geldanlagen, Bestseller-Clubs. Er will eine riesige Lagerhalle bauen lassen, da draußen gleich hinter der Highschool, wo der aufgegebene Apfelver­packungsschuppen ist, an der Whitehall Road. Die Bäume sind noch dort - bei der tückischen Kurve.«

»Ja, ja. Jedes Kind weiß, wo das ist.«

»Also, er möchte, daß die dahin umsiedeln. Er sagt, er wird die Kurve begradigen. Das würde der Staat übernehmen. Keine Chance, sage ich. Aber Dad hat Freunde in Richmond. Stell dir das mal vor. So ein häßliches Monstrum von Lagerhalle. Fünfzig bis sechzig Ar­beitsplätze, das bedeutet sechzig Häuser irgendwo. Und schlimmer noch, denk an die Post. Ich meine, bist du nicht ohnehin schon über­lastet?«

»Die werden ihren eigenen Postversand haben.«

»Sicher, aber die Arbeiter, die landen bei dir. Privatpost.«

»Hm, das ist wahr.« Harry hatte eben erst bergeweise Valentinskar­ten geschaufelt. In ihrer Fantasie dräute eine Zukunft mit noch mehr Leinensäcken voller Post.

»Es wird Zeit, daß unsere Generation zum Zuge kommt. Du kennst alle Welt. Die Leute mögen dich. Ich hätte gern deine Unterstüt­zung.«

»Das ist sehr schmeichelhaft.« Harrys Gedanken rasten. Sie wollte Little Mim nicht kränken und schon gar nicht Mims Vater, den sie gern hatte. »Da gibt es eine Menge zu bedenken. Ich brauche etwas Zeit. Und ich drücke mich nicht, laß mich drüber nachdenken. Weiß dein Vater, daß du vorhast, bei der Wahl im Herbst gegen ihn anzu­treten?«

»Ja. Er hat mich ausgelacht und gesagt:Zwischen Glas und Lippe gibt es manche Klippe.<« Ihre Miene verfinsterte sich. »Und ich hab gesagt, mein Entschluß steht fest. Und wer weiß, was bis November noch alles passiert.«

»Was sagt deine Mutter dazu?«

»Oh.« Marilyns Miene hellte sich auf. »Sie sagt, sie ist neutral. Sie will nicht dazwischen geraten. Das war richtig lieb von ihr, damit hatte ich nicht gerechnet.«

»Ja.« Harry fand, daß Big Mim das einzig Vernünftige tat.

»Hinzu kommt, daß Dad und Sam Mahanes planen, das Geld für den Anbau eines neuen Flügels am Krankenhaus zu beschaffen. Da­gegen hab ich nichts, aber ich will sichergehen daß nichts unter den Tisch rutscht, du verstehst schon, keine heimliche Anleiheemission. Wenn sie einen neuen Flügel wollen, können sie das Geld privat aufbringen. Larry Johnson hat sich bereit erklärt, sich an die Spitze der Kampagne zu stellen. Dad hat ihn dazu überredet.«

»Du weißt nicht zufällig, was Sam und Bruce Buxton entzweit hat?«

»Budget«, antwortete sie kurz und bündig.

»Du meinst das Krankenhaus?«

»Bruce will alles nigelnagelneu haben. Und Sam predigt finanzielle Verantwortung. Sagt Dad.«

»Tja, immer kriegen die Menschen sich wegen Geldern in die Wol­le.« Harry hatte dergleichen zur Genüge gesehen.

»Es ist auch zum Streit gekommen, weil die anderen Ärzte Bruce unterstützen, aber die Schwestern unterstützen Sam. Sie sagen, sie können die älteren Geräte bedienen, alte IVAC-Pumpen und so wei­ter. Und sie wollen keine Geräte, die technisch so fortschrittlich sind, daß sie wieder zur Schule gehen müssen, um sie bedienen zu kön­nen.«

»Larry Johnson wird sie beruhigen.« Harry wußte, daß Larry und Big Mim eine Affäre gehabt hatten, aber weil das lange vor ihrer Geburt gewesen war, kümmerte es sie kaum. Er war aus dem Krieg zurückgekehrt und hatte eine Praxis eröffnet. Er sah gut aus, aber Mims Mutter hatte gefunden, er habe nicht genug Geld oder Klasse für ihre Tochter. Mim brach die Beziehung ab und sie hat sich ihre Feigheit nie verziehen. Sie hätte sich gegen ihre Mutter auflehnen sollen. Die Eheschließung mit Jim war ganz sicher ein Akt der Auf­lehnung gewesen, aber das hatte Larry nichts genützt, der später ein Mädchen aus seiner Gesellschaftsschicht heiratete. Wie sich zeigte, hatte Jim Sanburne eine Begabung, mit Häuserbau Geld zu verdie­nen, was Mrs. Urquhart, Mims Mutter, mit der Zeit etwas besänftig­te. Und mit der Zeit waren Jim und Larry Freunde geworden.

»Das wird er sicher«, stimmte Little Mim zu.

»Danke, daß du mich hergebeten hast. Ich muß noch Besorgungen machen. Der Futterlieferant konnte letzte Woche mit seinem Wagen nicht auf die Farm kommen, und Donnerstag ist Liefertag. Drum sehe ich zu, daß ich alles erledigt kriege, bevor wir wieder im Schlamm versinken. Der Februar ist ein vertrackter Monat.«

»Machst du was am Valentinstag?«

»Nein. Du?«

»Blair ist zu Fotoaufnahmen in Argentinien. Also nein.« Sie hielt inne. »Weißt du, ob Bruce Buxton eine Freundin hat?«

Harry sagte klugerweise nichts zu dem, was Marilyn als eine Ro­manze betrachtete und was Blair für eine gedeihende Freundschaft hielt. Zumindest glaubte sie, daß ihr vagabundierender Nachbar seine Beziehung zu Little Mim so sah. »Ich weiß nicht viel über Bruce, außer daß er seine Post abholt. Er ist ein bißchen launisch - aber ich sehe ihn nie mit einer Frau. Zu viel zu tun, nehme ich an.«

Little Marilyn stand auf, Harry auch. »Du kannst über meine Kan­didatur sprechen mit wem du willst. Es ist kein Geheimnis und ich werde es am ersten März offiziell bekannt geben.«

»Okay.« Harry ging zur Tür, Mrs. Murphy und Tucker hinterher, dann blieb sie stehen und drehte sich um. »Sag mal, hast du letzte Woche einen Kettenbrief bekommen?«

»Kann schon sein, aber so was werfe ich in den Papierkorb, wenn ich die erste Zeile gelesen habe. Warum?«

»Deine Mutter hat einen bekommen und sie hat sich darüber aufge­regt.«

»Wieso?«

»Alles bloß Mistpost, aber du kennst das ja, da werden harte Kon­sequenzen angedroht, wenn man kein Geld verschickt und die Briefe nicht weiterleitet.«

»Eine Flutwelle wird Ihr Heim in Tempe, Arizona, verschlingen.« Ein Anflug von Humor erhellte Little Mims hübsches Gesicht.

»Genau, solche Sachen. Mach's gut, bis bald.« Harry öffnete die Tür und Katze und Hund hüpften zum Transporter.

Zwar war keine Flutwelle im Begriff, Tempe, Arizona, zu ver­schlingen, aber die Bäche in Crozet stiegen rasch an.

Als Harry auf die Route 64 zusteuerte, sah sie die Polizistin Cyn­thia Cooper auf der Route 250 mit heulender Sirene und Blaulicht in der Gegenrichtung rasen. Harry fuhr von der zweispurigen Straße ab.

»Bestimmt wieder ein Unfall«, sagte Harry zu ihren Passagieren.

»Muß ziemlich schlimm sein.« Der scharfsichtigen Mrs. Murphy war aufgefallen, wie grimmig Coop dreingeschaut hatte.

Plötzlich kam Harry in den Sinn, wie ihr meistens etwas in den Sinn kam - es sprang ihr regelrecht in den Kopf -, daß sie keine Ahnung hatte, was eine IVAC-Pumpe ist.

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