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»Coop, bleibst du über Nacht?«, fragte Harry arglos. »Ja.« Cynthia sah auf ihre Armbanduhr; sie ging nach. »Sieben«, antwortete Harry, ohne gefragt zu sein. »Mir wäre lieber, das dumme Ding würde vor­gehen statt nach. Aber sie hat ja nur vierzig Dollar gekostet, da könn­te ich mir wohl mal eine neue leisten. Es ist sinnlos, in meinem Job eine teure Uhr zu tragen.« Sie stellte ihre Uhr nach Harrys: sieben Uhr.

»Die Navy-Seals-Uhren sind super. Sie leuchten im Dunkeln.«

»Genau wie Menschen, die in der Nähe von Kernreaktoren woh­nen«, witzelte Coop.

»Haha.« Harry streckte die Zunge raus. »Wäre es nicht prima, wenn du das Zifferblatt im Dunkeln sehen könntest? Wenn du hinter einem Verdächtigen herschleichst oder im Dunkeln die Zeit verglei­chen und abstimmen mußt?«

»Deine blühende Fantasie geht mit dir durch.«

»Du müßtest hier leben.« Pewter gähnte.

»Coop, wir sind zu zweit. Ich habe eine achtunddreißiger Pistole. Du deinen Dienstrevolver.«

»Harry, wo soll das hinfuhren?«

»Ins Crozet Hospital.«

»Was?!«

»Jetzt hör mir mal zu. Drei Menschen sind tot. Meine Stiche jucken immer noch. Joe hat Sam, Bruce und Jordan geködert, stimmt's?«

»Stimmt.«

»Das, wonach wir suchen, muß im Keller sein. Es muß.«

»Rick Shaw und ich haben den Keller gründlichst unter die Lupe genommen. Wir haben die Blaupausen genau studiert, haben die Mauern abgeklopft, um zu sehen, ob welche hohl sind. Ich wüßte nicht, wie uns etwas entgangen sein sollte.«

»Der Boden!« Murphy kreischte es förmlich, so frustriert war sie.

»Miezekatze, hast du Bauchschmerzen?« Harry wollte aufstehen, aber Murphy sprang auf ihren Schoß, um ihr den Gang zum Sessel zu ersparen.

»»Mir fehlt nichts. Mir geht's bestens. Was ihr wollt, ist unter euren Füßen.«

»Jawohl!«, fiel Pewter ein.

»Es ist so nahe liegend, wenn man's erst weiß«, bellte Tucker.

»Wollt ihr wohl still sein.« Harry hielt sich die Ohren zu und die Tiere verstummten.

»Etwas hat sie provoziert.«

»Menschliche Dummheit«, murrte Murphy.

»Vielleicht brauchst du ein paar Magentropfen.«

»Bloß nicht.« Mrs. Murphy schoß so schnell von Harrys Schoß, daß sie winzige Krallenspuren auf ihrem Oberschenkel hinterließ.

»Autsch. Murphy, benimm dich.«

»Du solltest auf uns hören.« Tucker sah ihre Mutter an, ihre feuch­ten braunen Augen blickten schmachtend.

»Ich hab mir das so gedacht. Wir nehmen unsere Waffen und eine gute Taschenlampe mit und gehen zusammen da unten rein. Ich den­ke, Mrs. Murphy, Pewter und Tucker sollten wir auch mitnehmen. Sie können Dinge spüren und riechen, die wir nicht wahrnehmen. Coop, du weißt, daß Rick mich oder die Tiere nicht da unten reinlas­sen wird, aber was wir suchen, das ist dort. Es muß dort sein.«

»Du wiederholst dich.«

»Das ist unsere einzige Chance. Es ist Abend. Da ist nicht so viel Betrieb. Die Laderampe ist geschlossen. Wir haben es bloß mit dem Nachtwächter zu tun, sofern wir ihm begegnen. Komm schon. Du bist eine ausgebildete Polizistin, wirst mit jeder Situation fertig.«

Der Appell an Coopers Eitelkeit war es, der ihren Widerstand brach. »Wenn ich mein Leben aufs Spiel setze, ist das eine Sache, aber es ist was anderes, wenn ich deins aufs Spiel setze.«

»Und was ist mit meinem?«, heulte Pewter gekränkt.

»Gott Pewter, du kannst nicht schon wieder Hunger haben.« An Cynthia Cooper gewandt, fuhr Harry fort: »Du setzt es jeden Tag aufs Spiel, an dem du deinen Fuß aus dem Bett steckst. Das Leben ist ein Hasardspiel. Ich will den schnappen, der Larry Johnson auf dem Gewissen hat. Ich kann nicht behaupten, daß Hanks oder Tussies Tod mich motiviert. Nicht, daß ich sie tot sehen wollte, aber Larry war mein Arzt, mein Freund und ein guter Mensch. Ich tu's für ihn.«

Cooper überlegte lange. »Wenn ich mit dir hingehe, hältst du dann den Mund? Kein Sterbenswörtchen zu Rick?«

»Pfadfinder-Ehrenwort.«

Wieder eine lange Pause. »Na gut.«

»Mann oh Mann.« Tucker hielt sich mit den Pfoten die Augen zu.

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