Constable Thomas Hiller von der Wasserpolizei fühlte sich in miserabler Verfassung. Er war müde, scharf auf Weiber, hungrig und pudelnass, und er konnte sich nicht entscheiden, welche der vier Heimsuchungen ihm am meisten zu schaffen machte.
Müde war er, weil seine Verlobte, Flo, ihm die ganze Nacht lang die Hölle heiß gemacht hatte, eine einzige Keiferei. Und als ihr endlich die Luft ausgegangen war, hatte er keine Zeit mehr gehabt, vorm Dienst auch nur einen Bissen zwischen die Zähne zu bekommen. Flo hatte auch Schuld an seiner Begierde; denn in einer derartigen Verfassung war sie nicht gewillt, ihn an sich heranzulassen. Nur für die Nässe konnte sie nichts. Die kam daher, dass die Erbauer des zehn Meter langen Polizeibootes, mit dem er die Themse abklapperte, mehr an Zweckmäßigkeit denn an Komfort gedacht hatten. Jedenfalls trieb der Wind den Regen in das kleine Ruderhaus, wo Hiller Ausguck hielt. Doch an solchen Tagen gab es verdammt wenig zu sehen und noch weniger zu tun. Hillers Abteilung bestrich rund neunzig Flusskilometer, vom Dartford Creek bis zur Staines Bridge. Gewöhnlich mochte der Constable die Tour, Patrouillefahrten lagen ihm - aber keinesfalls in dieser Verfassung. Der Teufel sollte alle Weiber holen! Er dachte an Flo, im Bett, nackt wie eine Kropftaube. Ihr Busen wogte, als sie ihn anfauchte und sich bis zur Raserei steigerte. Er sah auf die Armbanduhr. Noch eine halbe Stunde, und die miese Streife war vorbei. Das Boot hatte gewendet und tuckerte zurück zum Waterloo-Pier. Für Hiller gab es jetzt nur noch ein Problem. Er musste sich entscheiden, was Vorrang hatte: schlafen, essen oder mit Flo ins Bett gehen. Am besten alles auf einmal, überlegte er. Er versuchte, sich die Müdigkeit aus den Augen zu reiben, und richtete den Blick tapfer auf die schlammigen Fluten, auf die der Regen trommelte und Blasen schlug.
Das Ding kam aus dem Nichts, ragt’, plötzlich aus dem trüben Wasser, wie ein großer Fisch, der mit dem weißen Bauch nach oben trieb. Constable Hillers erster Gedanke war: Wenn wir den an Bord hieven, stinkt der ganze Kahn. Der Fisch, oder was immer es wir, lag ungefähr zehn Meter entfernt, steuerbord, und das Boot ließ ihn achtern liegen. Wenn er jetzt den Mund aufmachte, dachte Hiller, würde der verdammte Fisch ihm den pünktlichen Dienstschluss vermasseln. Dann mussten sie anhalten und die Haken ausbringen, das Biest entweder an Bord holen oder ins Schlepptau nehmen. Wie auch immer, sein Wiedersehen mit Flo musste verschoben werden. Quatsch, er brauchte es ja nicht zu melden. Wer wollte ihm beweisen, dass er etwas gesehen hatte? Wenn er -. Sie entfernten sich immer mehr.
Constable Hiller rief mit Tenorstimme: »Sergeant, da treibt ein großer Fisch, zwanzig Meter steuerbord, achteraus. Sieht wie ein Hai aus.«
Die Hundert-PS-Dieselmaschine wechselte plötzlich den Rhythmus; das Boot verlor an Fahrt.
Sergeant Gaskins erschien. »Wo denn?« fragte er.
Der verschwommene Umriss war hinter den Regenschleiern nicht mehr zu sehen. »Da drüben war er eben noch.«
Sergeant Gaskins zögerte. Auch er wollte nach Hause. Musste das mit dem blöden Fisch jetzt noch sein?
»War er groß genug, um die Schiff-Fahrt zu gefährden?« erkundigte er sich.
Constable Hiller lag im Kampf mit sich selbst. Er verlor.
»Ja«, raunzte er.
Also wendete das Patrouillenboot und pirschte sich langsam zurück in die Gegend, wo das Objekt gesichtet worden war. Und ganz unerwartet trieb das Ding plötzlich wieder vor ihnen, fast unter dem Bug. Die beiden Männer standen an Deck und starrten nach unten. Im Themsewasser schwamm die Leiche einer jungen Blondine.
Sie war nackt. Nur um den unnatürlich geschwollenen Hals trug sie ein rotes Band.