Das weiße Lämpchen flackerte: ein Anruf auf Rhys’ Geheimleitung. Kaum ein halbes Dutzend Leute kannte die Nummer. Er nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Guten Morgen, Darling.« Kein Zweifel, wem die tiefe, rauhe Frauenstimme gehörte.
»Du solltest mich hier nicht anrufen.«
Sie lachte. »Das hat dir doch früher nichts ausgemacht. Soll das etwa heißen, Elizabeth hat dich schon gezähmt?«
»Was willst du?« fragte Rhys.
»Dich sehen. Heute nachmittag.«
»Ganz und gar unmöglich.«
»Mach mich nicht ärgerlich, Rhys. Soll ich nach Zürich kommen, oder -«
»Nein. Nicht nach Zürich.« Er zögerte. »Ich komme rüber.«
»Na, also. Am üblichen Treffpunkt, cheri.«
Helene Roffe-Martel legte auf.
Rhys saß lange still da und dachte nach. Aus seiner Sicht hatte er eine kurze, rein physische Affäre mit einer ausnehmend schönen Frau gehabt, ein Intermezzo, das längst vorbei war. Aber Helene war keine Frau, die man so leicht los wurde. Charles langweilte sie zu Tode, und sie wollte Rhys. »Du und ich, wir beide wären das perfekte Team«, hatte sie gesagt, und Helene Roffe-Martel konnte äußerst zielstrebig sein. Und höchst gefährlich. Rhys entschied, der Abstecher nach Paris war notwendig. Er musste ihr ein für allemal deutlich machen, dass sich zwischen ihnen nichts mehr abspielte.
Wenige Augenblicke später betrat er Elizabeths Büro. Ihre Augen leuchteten auf. Sie legte ihm die Arme um den Hals und flüsterte: »Eben hab’ ich an dich gedacht. Komm, lass uns nach Hause gehen. Heute nachmittag schwänzen wir.«
Er grinste. »Du entwickelst dich ja zu einer SexWütigen.«
Sie hielt ihn fest umschlungen. »Ich weiß. Ist das nicht toll?«
»Leider kann ich aber jetzt nicht zu Diensten sein. Ich muss heute nachmittag nach Paris fliegen, Liz.«
Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Soll ich mitkommen?«
»Das lohnt sich nicht. Nur eine kurze geschäftliche Angelegenheit. Ich fliege heute abend noch zurück.«
Als Rhys in das wohlbekannte kleine Hotel am linken Seine-Ufer kam, saß Helene schon im Restaurant und wartete auf ihn. Sie war noch nie zu spät gekommen. Sie war pünktlich, tüchtig, ausnehmend schön, hochintelligent, eine hervorragende Liebhaberin, und trotzdem fehlte ihr etwas. Helene war eine Frau ohne Mitgefühl. Sie strahlte Skrupellosigkeit aus, hatte die Instinkte eines Killers. Rhys hatte einige ihrer Opfer gekannt und spürte keinerlei Neigung, sich in diese Sammlung einreihen zu lassen. Er setzte sich zu ihr an den Tisch.
»Du siehst großartig aus, Darling«, empfing sie ihn. »Die Ehe scheint dir zu bekommen. Sollte Elizabeth Qualitäten im Bett haben?«
Er lächelte, um der Antwort den Stachel zu nehmen. »Das geht dich nichts an.«
Helene lehnte sich vor, nahm seine Hand. »Aber ja, cheri, das geht uns beide an.«
Sie streichelte seine Hand, und er erinnerte sich an die Stunden mit ihr im Bett. Eine Tigerin, wild, perfekt und unersättlich. Er zog die Hand zurück.
Helenes Blick vereiste. »Sag mal, Rhys«, schnurrte sie, »wie fühlt man sich denn als Präsident von Roffe und Söhne?«
Im Lauf der Zeit hatte er fast ihren Ehrgeiz vergessen, ein inneres Feuer, das nie verlosch. Ehrgeiz und Habgier waren bei ihr eins. Jetzt erinnerte er sich wieder an die langen Gespräche von damals. Sie wurde verzehrt von dem Gedanken, einmal die Herrschaft über den Konzern an sich zu reißen. »Du und ich, Rhys. Wenn nur Sam aus dem Weg wäre, dann hätten wir freie Bahn.«
Sogar beim Liebesakt hatte sie geflüstert: »Das ist mein Unternehmen, Darling. Samuel Roffes Blut fließt in meinen Adern. Die Firma gehört mir. Ich will sie haben!«
Macht war für Helene ein Aphrodisiakum. Ebenso wie Gefahr. »Warum wolltest du mich sehen?« fragte Rhys.
»Ich glaube, für uns beide wäre es an der Zeit, Pläne zu machen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
Sie gab boshaft zurück: »Dafür kenne ich dich zu gut, Darling. Du bist genauso ehrgeizig wie ich. Warum hast du denn all die Jahre als Sams Schatten gedient, wo du doch jede Menge Angebote hattest, andere Unternehmen zu leiten? Weil du wusstest, eines Tages würdest du Chef von Roffe und Söhne werden.«
»Ich bin geblieben, weil ich Sam mochte. Ihm zuliebe.«
»Ich weiß, cheri.« Sie grinste. »Selbstverständlich. Und jetzt hast du seine reizende kleine Tochter geheiratet.« Sie nahm einen dünnen schwarzen Zigarillo aus dem Etui und zündete ihn mit einem Platinfeuerzeug an. »Charles sagt, Elizabeth behält die Anteilsmehrheit. Und sie weigert sich, die Aktien zum Verkauf freizugeben.«
»Das stimmt, Helene.«
»Natürlich hast du daran gedacht, was passiert, wenn sie einen Unfall hat. Dann bist du ihr Erbe.«
Rhys starrte sie ungläubig an.