3. Episode: WAS MACHT EINEN TIEFEN EINDRUCK?

Noch etwas macht auf Kurt Bruck einen tiefen Eindruck, diesmal im Ernst 3: der Lesehunger der Moskauer und die vielen Bücher!

Zusammen mit Herta und Nadja hat Kurt den Kreml verlassen. Sie gehen langsam zum Swerdlowplatz. Und da sehen sie an einigen Stellen im Freien 4 Verkaufsstände mit Büchern. Viele Passanten bleiben vor den Auslagen stehen, blättern in den Büchern und kaufen dies oder jenes. Das ist etwas für Kurt! Er filmt.

1 an Stelle von — вместо

2 Eindruck machen auf jemanden — производить впечатление на кого-либо

3 im Ernst — всерьёз

4 im Freien = unter freiem Himmel — под открытым небом

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Dann gehen die drei zu den Anlagen vor dem Großen Theater.

N a d j a: Nehmen wir auf dieser Bank Platz!

K u r t: Ich möchte mich einfach setzen. (Setzt sich.)

N a d j a: Gibt es einen Unterschied zwischen «Platz nehmen» und «sich setzen»? (Setzt sich.)

H e r t a: Ja, einen stilistischen. Übrigens sagt jetzt Kurt absichtlich alles anders, als Sie es tun, Nadja. Einfacher.

N a d j a: Das habe ich bereits bemerkt. Warten Sie nur, Herr Bruck, Sie werden bald so viele Redewendungen von mir hören, daß Ihnen Hören und Sehen vergeht 1. Ich werde die Redewendungen geradezu aus dem Ärmel schütteln 2.

K u r t (ironisch): Solch eine Sprache macht auf mich den tiefsten Eindruck.

H e r t a: Und auf mich macht den tiefsten Eindruck, daß man hier in Moskau so viel liest. Kurt, vielleicht filmen wir eine Episode «Moskau liest» oder «In Moskau liest man auf jeder Anlagenbank»?

N a d j a: Oder «In Moskau lesen alle durch die Bank 3». Überall dort, wo sich Gelegenheit bietet 4.

K u r t: Herta, du wirst gleich noch ein paar Dutzend Redewendungen mit «Gelegenheit» zu hören bekommen. Nadja, los!

N a d j a: Ein paar Dutzend — das ist wohl zu viel. Soviel gibt's gar nicht. Aber einige — bitte! Ich möchte die Gelegenheit beim Schopfe fassen 5. Ich habe nicht oft Gelegenheit, mit waschechten Deutschen 6 zu sprechen.

H e r t a: Nun aber genug, Nadja. Schauen Sie lieber auf diese herrlichen Blumenbeete, auf die blühenden Bäume und auf das Große Theater!

N a d j a: Es hat 2155 Plätze. Hier gibt es erstklassige Sänger und Ballettänzer. Ich persönlich mache mir nicht viel aus der Oper 7, ich gehe lieber ins Kleine Theater und sehe mir ein Schauspiel an. Ich wollte sogar selbst einmal

1 es verging ihm Hören und Sehen — у него голова кругом пошла; он опешил; он света (белого) не взвидел

2 aus dem Ärmel schütteln — сыпать как из рога изобилия

3 См. стр. 11, сноску l. [alle durch die Bank — все без исключения]

4 eine Gelegenheit bietet sich — представляется случай

5 die Gelegenheit beim Schopfe fassen — воспользоваться благоприятным случаем (моментом)

6 ein waschechter Deutscher — настоящий немец

7 sich (Dat.) nicht viel aus etwas machen — не интересоваться чем-либо; быть равнодушным к чему-либо

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zur Bühne 1. Da hat mir aber meine Freundin Valja den Kopf gewaschen 2! «Mach keine Dummheiten, Nadja», hat sie gesagt. «Du hast zu wenig Talent.» Da habe ich davon Abstand genommen 3.

H e r t a: Den Ausdruck «Abstand nehmen» haben Sie aber nicht richtig gebraucht, Nadja. Das ist zu offiziell und paßt hier gar nicht.

N a d j a: Aber wie kann man denn deutsch sagen: «Я от этого отказалась»?

H e r t a: «Ich habe es mir anders überlegt 4» oder «Ich habe den Gedanken aufgegeben 5».

N a d j a (notiert): Danke bestens — für zwei neue Redewendungen.

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