Die dritte Nadja-Stunde

An diesem Tag saßen wir um elf Uhr abends wieder zu fünft in Hertas Zimmer zur «Nadja-Stunde». Nadja nahm gleich das Wort, und ich muß sagen: der dritte Abend wurde noch schöner als der erste und der zweite. Heute kam nämlich etwas Neues an die Reihe. Und das Neue ist eben immer frisch und meistens interessant.

1) Jeden Tag Kartoffelsuppe! 4

H e r t a: Ich denke, wir beginnen wie gewöhnlich. Wir sprechen über irgendeine Redewendung.

N a d j a: Wie gewöhnlich? Nein, heute wollen wir es anders anfangen. Jeden Tag Kartoffelsuppe — das hängt

1 Stein und Bein schwören — клясться всеми святыми

2 См. стр. 60, сноску 5. [sich (Dat.) im klaren sein über etwas (Akk.) — иметь ясное представление о чём-либо]

3 alle Hebel in Bewegung setzen — пустить в ход все средства, нажать на все кнопки, сделать всё возможное

4 Jeden Tag Kartoffelsuppe! — Каждый день одно и то же!

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einem bald zum Hals heraus 1! Wissen Sie was? Wir machen es so: Ich gebe das Stichwort 2, und wir bilden Sätze mit Redewendungen, und zwar über ein bestimmtes Thema, z. B. «Lebensmittel». Ein wichtiges Thema, nicht wahr? Das wichtigste eigentlich. Also los! Ich beginne: Kartoffeln!

K u r t: Kartoffelnase 3!

Nadja wird blaß, faßt sich am Kopf. Jetzt wird's gleich blitzen und donnern. Kein Mädchen wird zulassen, daß man ihre Nase kritisiert. Aber nein — Achtung! Noch wichtiger als ihre Nase ist für Nadja — was? Natürlich — Redewendungen!

N a d j a: Kartoffelnase — erstens ist das keine Redewendung! Zweitens ist eine Nase keine Eßware! Drittens — Hand aufs Herz, Herr Bruck, ist diese Bemerkung auf mich gemünzt 4?

K u r t: Durchaus nicht. 5 Keine Spur. 6 Nicht im geringsten. 7

N a d j a: Ach, Ihre ewige Ironie! Die hängt mir schon zum Hals heraus! Sie haben mir den Handschuh

1 zum Hals heraushängen (herauswachsen) — опротиветь, опостылеть, надоедать

2 das Stichwort geben — назвать центральное (стержневое, ключевое) слово

3 die Kartoffelnase — нос картошкой

4 das ist auf mich gemünzt — это камешек в мой огород

5 Durchaus nicht.

6 Keine Spur. — Ничуть! Никоим образом! Ничего подобного!

7 Nicht im geringsten.

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hingeworfen 1 — gut, ich hebe ihn auf 2. Ich fürchte mich nicht vor Ihrem Spott. Ich muß Ihnen sagen, Sie reden wirklich oft Käse 3! Sie reden wirklich oft Kohl!

Nadja sieht schrecklich aus. Sie ist aufgestanden, nein, aufgesprungen. Ihr Gesicht ist ganz rot, auch die Kartoffelnase. Die Augen werfen Flammen. Zuerst haben alle (außer Nadja natürlich) laut gelacht, nun herrscht Schweigen. Schließlich versucht Herta zu vermitteln.

H e r t a: Aber Nadja, Kurt macht doch nur Spaß 4!

N a d j a: Ja, ja, ja, er macht immer Spaß mit mir, der große Spaßmacher Kurt Bruck!

2) Da haben wir den Salat 5!

A u t o r: Nein, so geht's nicht weiter. Nadja, du mußt mehr Ruhe an den Tag legen. Laß dich nicht aus der Ruhe bringen 6! Weine doch nicht, Mädchen! Beruhige dich! Und noch etwas: In unserem Spiel mit Redewendungen muß Ordnung sein, muß ein System sein. Suppe, Kartoffeln, Käse, Kohl ... Was für ein schreckliches Durcheinander 7! Was für ein Kuddelmuddel 8!

N a d j a: Wie? Wie? Kuddelmuddel! Wunderbar!

A u t o r: So? Dann sage ich dir noch so ein «wunderbares» Wort, ein Synonym — Tohuwabohu 9. Ja, da machst du große Augen! Siehst du, Nadja, es gibt in der Sprache noch viel Interessantes außer den Redewendungen. Jetzt wollen wir aber systematisch arbeiten. Was kommt beim Mittagessen zuerst?

H e r t a: Bei euch Russen — der Salat. Das wissen wir jetzt schon. Im Deutschen sagt man, wenn man unangenehm überrascht ist: «Da haben wir den Salat!» oder auch «Da haben wir die Pastete! Da haben wir die Bescherung!»

1 jemandem den Handschuh hinwerfen — бросить перчатку кому-либо, бросить вызов в лицо кому-либо

2 den Handschuh aufheben — поднять перчатку, принять вызов

3 Käse (Kohl) reden — говорить глупости (вздор)

4 Spaß machen — шутить

5 См. стр. 36, сноску 5. [Da haben wir den Salat! — Вот тебе на! Ну и сюрприз! Извольте радоватся!]

6 sich nicht aus der Ruhe bringen lassen — сохранять спокойствие

7 das Durcheinander — беспорядок, неразбериха

8 der (das) Kuddelmuddel

9 das Tohuwabohu

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Wie sagt man in solchen Fällen im Russischen? Салат? Паштет? Подарок?

N a d j a: Nein, nichts von dem allem. Man sagt einfach: «Вот тебе и на! Вот тебе раз!»

K o r n e j e w: Halt! Es gibt im Russischen auch eine volkstümliche Redensart, die das Gleiche ausdrückt: «Вот так клюква!»

H e r t a: Клюква — was ist das?

N a d j a: Moosbeere.

H e r t a: Diese Beeren kennen wir nicht. Das ist also typisch russisch. Wie interessant!

N a d j a: Ja, und außerdem ist es etwas zum Essen und paßt zu unserem heutigen Thema.

3) Das Ei des Kolumbus 1

A u t o r: Zu einem guten Salat gehört auch ein Ei. Mit «Ei» gibt es viele Redewendungen, zum Beispiel «das Ei des Kolumbus». Weißt du, was das bedeutet, Nadja?

N a d j a: Ich glaube, ja. Man gebraucht diese Worte, wenn man aus einer schwierigen Lage einen leichten Ausweg findet. Richtig?

A u t o r: Ja. Es bedeutet eine einfache Lösung eines schwierigen Problems.

N a d j a: Und warum sagt man eigentlich so?

K o r n e j e w: Das kann ich dir erklären. Die Sache war so: Nachdem Kolumbus Amerika entdeckt hatte und nach Spanien zurückgekehrt war, veranstaltete man zu seinen Ehren...

N a d j a: Halt! Zu seinen Ehren — в честь его. (Sie notiert sich den Ausdruck.) Bitte, weiter!

K o r n e j e w: ... veranstaltete man also ein Fest. Eine große Gesellschaft war versammelt. Man aß, trank, plauderte. Plötzlich sagte der Kardinal Mendoza: «Es war kein Kunststück 2, Amerika zu entdecken! Das kann jeder.» Da stand Kolumbus auf, trat zu ihm hin, nahm ein Ei und fragte: «Können Sie dieses Ei so hinstellen, daß es stehen bleibt?» Der Kardinal versuchte das Ei hinzustellen, es ging aber nicht. «Unmöglich», sagte er. «So?» meinte Kolumbus.

1 das Ei des Kolumbus — Колумбово яйцо (означает смелый выход из трудного положения, остроумное решение вопроса)

2 Das ist (war) kein Kunststück! — Невелика премудрость! Подумаешь, какое дело!

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«Aber ich kann es.» Er drückte die Spitze des Eis ein, und das Ei stand. «Oh», sagte der Kardinal. «Das ist kein Kunststück! 1 So hätte ich es auch machen können 2.» — «Ja», meinte Kolumbus, «Sie hätten es tun können 2, ich aber habe es getan!»

N a d j a: Eine geistreiche Geschichte! Sie ist nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich interessant. Diese Gegenüberstellung: Sie hätten es tun können — ich habe es getan! Konjunktiv und Indikativ! Ist ja auch ein interessantes Gebiet, die Grammatik. Und doch kann sie der Wortkunde nicht das Wasser reichen 3.

A u t o r: Nein, Nadja, das ist nicht wahr. Die Grammatik kann ebenso interessant sein wie die Wortkunde.

N a d j a: Übrigens — woher kommt der Ausdruck «einem nicht das Wasser reichen»?

A u t o r: Das war so: Früher aß man ohne Gabeln, mit den Händen. Die Hände wurden dabei natürlich schmutzig, und man mußte sie nach dem Essen waschen. Diener reichten das Wasser. Das galt als eine niedrige Arbeit. Und wer nicht einmal diese Arbeit tun durfte...

K o r n e j e w: Man reichte das Wasser nicht nur, um den Gästen die Hände zu waschen, sondern auch die Füße. Dabei mußte man knien.

K u r t: Heureka 4! In Goethes «Faust» sagt Valentin von seiner Schwester Grete:

«Aber ist eine im ganzen Land,

Die meiner trauten Gretel gleicht,

Die meiner Schwester das Wasser reicht?»

4) Frische Fische — gute Fische 5

N a d j a: Über den Salat und die Kartoffelsuppe haben wir bereits gesprochen, auch über das Wasser. Jetzt kommt der Hauptgang, Fisch oder Fleisch, oder auch beides. Zuerst reicht man den Fisch. Wer weiß etwas mit «Fisch»?

1 См. стр. 82, сноску 2. [Das ist (war) kein Kunststück! — Невелика премудрость! Подумаешь, какое дело!]

2 hätte ... machen können (Konjunktiv) — мог бы сделать

hätten ... tun können (Konjunktiv) — могли бы сделать

3 er kann ihm nicht das Wasser reichen — он ему в подмётки не годится

4 Heureka! — Эврика! (греч. Нашёл! Вспомнил!)

5 Frische Fische gute Fische. (Пословица.) — Ценно то, что свежо и ново.

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H e r t a: Es gibt ein Sprichwort: Frische Fische — gute Fische. Es bedeutet ungefähr dasselbe wie «Schiebe nichts auf die lange Bank!»

N a d j a: Не откладывай дела в долгий ящик! Herr Bruck, warum sind Sie so still geworden? Was ist los? Sind Sie noch böse auf mich 1 wegen des «Käses» und des «Kohls»? Sagen Sie doch auch etwas zum Thema «Fisch»!

K u r t: Ich gehe in meiner freien Zeit gern fischen. Diese Beschäftigung wirkt beruhigend aufs Nervensystem. Außerdem esse ich gern Fische. Aber das alles interessiert Sie nicht. Ich weiß, Sie wollen nur Redewendungen hören. Gut. Wissen Sie, was «kleine Fische 2» sind?

N a d j a: Wohl kleine, unwichtige Dinge?

K u r t: Ja. Z. B. «Ach, deine Sorgen, das sind ja nur kleine Fische!» Und was sind «faule Fische 3»?

H e r t a: Lügen, Ausreden, Betrügereien, denen man auf den Grund kommen 4 muß.

K u r t: Ja, und wenn ein Mensch durch sein hartnäckiges Schweigen auffällt, kann man sagen: «Er ist stumm wie ein Fisch 5».

H e r t a: Und wenn sich jemand irgendwo sehr wohl fühlt, so sagt man ...

N a d j a: Er fühlt sich hier wie ein Fisch im Wasser. Russisch kann man auch sagen: Он чувствует себя здесь как рыба в воде. Aber wie sagt man auf deutsch «ни рыба ни мясо»?

K u r t: Weder Fisch noch Fleisch. 6 Ja, das kam mir heute in den Sinn, als ich eine Theaterkritik in der «Berliner Zeitung» las. Sie war weder positiv noch negativ, weder für noch gegen. Der Kritiker lavierte hin und her, er wollte es mit niemandem verderben, seine Kritik war weder Fisch noch Fleisch.

H e r t a: Hört auf! Ich habe schon Halluzinationen. Ich sehe schon überall Fische ...

1 böse sein auf jemanden (или jemandem) — сердиться на кого-либо

2 kleine Fische — пустяки, мелочи, незначительные дела

3 faule Fische — пустые отговорки, вздор, обман

4 einer Sache (Dat.) auf den Grund kommen (gehen) — вникнуть в суть дела; выяснить суть дела; основательно исследовать что-либо

5 stumm wie ein Fisch — нем как рыба

6 weder Fisch noch Fleisch — ни рыба ни мясо; ни то ни сё; ни два ни полтора

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5) Schneiden Sie sich nicht ins eigene Fleisch 1!

N a d j a: Jetzt gehen wir zum Fleisch über. Da will ich Ihnen etwas aus meinem Leben erzählen. Sie wissen ja, daß ich mich schon immer für die deutsche Sprache interessiert habe. Es stand fest, daß 2 ich Deutschlehrerin werde. Ich bereitete mich schon zu diesem Beruf vor. Da lernte ich eines Tages ein Mädchen kennen, das mich überreden wollte, ich solle die Schule verlassen und mit ihr zusammen Friseuse lernen 3. Ich erzählte meinem Deutschlehrer von diesen Plänen. Er sagte: «Auf keinen Fall! Jetzt, wo du schon gute Leistungen erzielt hast, willst du alles aufstecken? Du darfst dich doch nicht ins eigene Fleisch schneiden!» Ich sah ein, daß mein Lehrer recht hatte, und beschloß, die Schule zu beenden und gut Deutsch zu lernen. Dazu muß man aber Sitzfleisch haben 4, und das hatte ich nicht. Da sagte ich mir: «Ohne Fleiß kein Preis 5», und «Fleiß bricht Eis 6». Und es ging! Ich bekam Sitzfleisch! — Aber warum lachen Sie so? Habe ich etwas Dummes gesagt?

H e r t a: Nadja, Sie sprechen so komisch! Sitzfleisch kann man nicht «bekommen», Sitzfleisch kann man nur «haben» oder «nicht haben».

N a d j a: Das will ich mir merken. Ach, es ist noch ein weiter Weg, bis ich die deutsche Sprache so beherrsche wie mein Lehrer! Ihm sind all diese Redewendungen in Fleisch und Blut übergegangen 7...

6) Das ist mir Wurst! 8

N a d j a: Vom Fleisch können wir zur Wurst übergehen. Wurst macht man aus Fleisch. Ich habe schon öfters den Ausdruck gehört: das ist mir Wurst. Was heißt das eigentlich?

1 sich ins eigene Fleisch schneiden — просчитаться; подрубать сук, на котором сидишь

2 es stand fest, d — было решено, что; здесь: я твёрдо решила, что

3 Friseuse (lies: [fri'zø:z∂]) lernen — учиться на парикмахера

4 Sitzfleisch haben — быть усидчивым; kein Sitzfleisch haben — быть непоседой

5 Ohne Fleiß kein Preis. (Пословица.) — Без труда не вытянешь и рыбки из пруда.

6 Fleiß bricht Eis. (Пословица.) — Терпение и труд всё перетрут.

7 das ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen — это вошло ему в плоть и кровь

8 Das ist mir Wurst! — Мне всё равно! Мне безразлично!

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H e r t a: Es ist ein Synonym für «gleich», «gleichgültig», «einerlei».

N a d j a: Und ist es einerlei, ob ich sage, «Das ist mir gleichgültig» oder «Das ist mir Wurst»?

K u r t: Nein, das ist nicht einerlei. Es besteht ein stilistischer Unterschied. «Das ist mir Wurst» ist Umgangssprache und klingt etwas grob.

N a d j a: Aber was hat eigentlich eine Wurst mit «gleichgültig» zu tun? Das finde ich sonderbar.

K o r n e j e w: Die Wurst hat zwei Enden. Ist es Ihnen nicht gleich, an welchem Ende Sie zu essen beginnen?

N a d j a: Doch. Ach so, darum. Jetzt ist mir ein Licht aufgegangen 1.

7) Wenn etwas weder Salz noch Schmalz hat 2...

N a d j a: Nun sagen Sie mir ehrlich, Herr Bruck: nicht wahr, eine Sprache ohne volkstümliche Redewendungen hat weder Salz noch Schmalz. Habe ich recht? Warum haben künstliche Sprachen keinen Erfolg? Weil sie keine Redewendungen enthalten, also weder Salz noch Schmalz haben. Ist das richtig?

K u r t: Sie haben nicht unrecht. Aber — immer das gleiche «Aber» — was nützen Redewendungen, wenn man sie nicht richtig gebrauchen kann?

N a d j a: Ich sehe, Sie wollen schon wieder Salz auf meine Wunde streuen 3 ... Und ich dachte, daß wir gute Freunde sind.

K u r t: Das sind wir.

N a d j a: Wir haben doch schon einen Scheffel Salz zusammen gegessen 4. So kann man doch sagen, nicht wahr?

H e r t a: In vier Tagen kann man auch zu dritt keinen Scheffel Salz essen! Wenn wir einmal mehrere Jahre miteinander bekannt sein werden, ja, dann können Sie so sagen. Mit dem Salz muß man immer vorsichtig sein. Man darf

1 Mir (ihm) ist ein Licht aufgegangen. — Меня (его) осенило. (Я наконец понял.)

2 weder Salz noch Schmalz haben — быть лишённым самого главного

3 jemandem Salz auf eine Wunde streuen — сыпать кому-либо соль на рану; задеть кого-либо за живое

4 einen Scheffel Salz zusammen gegessen haben — съесть с кем-либо пуд соли; быть давным-давно знакомым

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nicht zu viel davon in die Speisen hineintun. Wissen Sie übrigens, was das heißt: «jemandem die Suppe versalzen»?

N a d j a: Ja, das weiß ich. Russisch sagt man auch: насолить кому-нибудь, das heißt: испортить всё дело, напакостить...

H e r t a: So, jetzt wird mir aber schon schlecht von dem vielen Salz. Vielleicht gehen wir zu etwas Süßem über? Zum Beispiel, zu einem Apfel? Hier stehen ja gerade Äpfel. Bitte, bedienen Sie sich 1!

8) Von Äpfeln, Kirschen und Nüssen

K o r n e j e w: Wer weiß, ob sie alle süß sind? Vielleicht ist ein saurer dabei? Nadja, wissen Sie, was das heißt, «in den sauren Apfel beißen 2»?

1 Bedienen Sie sich! — Пожалуйста, возьмите!

2 in den sauren Apfel beißen — покориться (неприятной) необходимости; повиноваться поневоле

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N a d j a: Ja. Etwas tun, was man nicht gern tut, gegen den eigenen Willen. Süße Äpfel hat jeder gern, saure aber niemand. In grüne, unreife, saure Äpfel will niemand hineinbeißen. — Übrigens sehe ich gerade, daß Sie auch Kirschen hier haben, liebe Herta. Darf ich mir nehmen? Und darf ich den anderen anbieten? Nur Ihnen biete ich keine an, Herr Bruck, denn mit Ihnen ist nicht gut Kirschen essen 1.

K u r t: Oho, den Ausdruck kennen Sie auch? Aber warum ist mit mir nicht gut Kirschen essen? Ich habe doch einen ganz friedlichen Charakter?

N a d j a: Vielleicht für andere. Aber ich muß immer auf der Hut sein 2, damit ich keine Fehler mache, sonst spotten Sie. Na, warten Sie, wenn wir uns einmal wiedersehen, werden Sie anderer Meinung sein. Hier heißt es «abwarten und Tee trinken 3». Die deutsche Sprache ist zwar für mich eine harte Nuß, aber ich werde diese Nuß schon knacken 4! Aber zurück zu den Kirschen! Warum sagt man eigentlich so: mit ihm ist nicht gut Kirschen essen?

K u r t: In einer alten Chronik steht geschrieben: «Wer mit großen Herren Kirschen ißt, dem werfen sie die Steine ins Gesicht.»

K o r n e j e w: Ja, die großen Herren waren zu allen Zeiten Feinde des Volkes.

9) Kann Kurt wie Milch und Blut aussehen 5?

A u t o r: Es ist spät geworden. Höchste Zeit, daß wir uns verabschieden.

N a d j a: Bitte, noch einen Augenblick! Wir haben ja das Wichtigste vergessen: die Milch! Wer weiß etwas mit «Milch»?

K u r t: Das ist nicht schwer. Sie sehen aus wie Milch und Blut, Nadja.

1 mit ihm (ihr) ist nicht gut Kirschen essen — с ним (с ней) опасно иметь дело; ему (ей) пальца в рот не клади

2 auf der Hut sein — быть начеку, настороже

3 Abwarten und Tee trinken! — Поживём, увидим!

4 eine harte Nknacken — раскусить твёрдый орех; решить трудную задачу

5 wie Milch und Blut aussehen — иметь цветущий вид; кровь с молоком

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N a d j a: Heißt das, ich habe ein blühendes Aussehen? Das kann man von Ihnen auch sagen, Herr Bruck. Sie sehen auch aus wie Milch und Blut.

K u r t: Jetzt haben Sie aber einen Bock geschossen 1, Nadja. Zu mir paßt das nicht. Dieser Vergleich wird fast nur auf junge Mädchen und Frauen oder auf Kinder angewendet. Also nochmals — Vorsicht mit den Redewendungen! Sie, Nadja, haben diese Vorsicht nötig wie das liebe Brot 2.

1 einen Bock schießen — дать маху

2 etwas nötig haben wie das liebe Brot — нуждаться в чём-либо как в хлебе насущном

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