17


»Er muss gestürzt sein, als er nach dem Raub der Kasse der Bastaixos zu flüchten versuchte«, urteilte einer der königlichen Soldaten, der neben dem immer noch bewusstlosen Arnau stand.

Pater Albert schüttelte den Kopf. Wie konnte Arnau eine solch schreckliche Tat begangen haben? Die Kasse der Bastaixos, in der Sakramentskapelle, vor den Augen seiner Jungfrau! Die Soldaten hatten ihn einige Stunden vor Morgengrauen hergerufen.

»Das kann nicht sein«, murmelte er vor sich hin.

»Doch, Pater«, beteuerte der Beamte. »Der Junge trug diese Börse bei sich.« Er zeigte die Börse mit Graus Geld für die Gefangenen vor. »Was macht ein Junge mit so viel Geld?«

»Und sein Gesicht«, wandte ein anderer Soldat ein. »Wozu sollte sich jemand das Gesicht mit Lehm beschmieren, außer um auf Raubzug zu gehen?«

Pater Albert schüttelte erneut den Kopf, den Blick auf die Börse gerichtet, die der Soldat hochhielt. Was hatte Arnau zu dieser Nachtstunde dort verloren? Woher hatte er diese Börse?

»Was habt ihr jetzt vor?«, fragte er die Soldaten, als er sah, dass sie Arnau zum Aufstehen nötigten.

»Wir bringen ihn ins Gefängnis.«

»Auf gar keinen Fall«, hörte er sich selbst sagen.

Vielleicht gab es für das alles eine Erklärung. Es konnte nicht sein, dass Arnau versucht hatte, die Kasse der Bastaixos zu stehlen. Nicht Arnau.

»Er ist ein Dieb, Pater.«

»Das wird ein Gericht zu entscheiden haben.«

»So ist es«, bestätigte der Soldat, während seine Männer Arnau unter den Achseln packten, »aber er wird den Prozess im Gefängnis abwarten.«

»Wenn er in ein Gefängnis kommt, dann in das des Bischofs«, sagte der Priester. »Das Verbrechen wurde an einem geheiligten Ort begangen. Folglich fällt es unter die Zuständigkeit der Kirche, nicht des Stadtrichters.«

Der Soldat sah seine Männer an und dann Arnau. Dann befahl er ihnen mit einer Geste, den Jungen wieder loszulassen. Dieser Aufgabe kamen sie nach, indem sie ihn einfach fallen ließen. Ein höhnisches Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er sah, wie das Gesicht des Jungen hart auf den Fußboden aufschlug.

Pater Albert sah sie wütend an.

»Bringt ihn zur Besinnung«, forderte Pater Albert, während er die Schlüssel zur Kapelle hervorzog, das Gitter öffnete und hineinging. »Ich will hören, was der Junge zu sagen hat.«

Er ging zur Kasse der Bastaixos, deren drei Schlösser aufgebrochen worden waren, und vergewisserte sich, dass sie leer war. Sonst fehlte nichts in der Kapelle, es war auch nichts zerstört worden.

»Was ist geschehen?«, hielt er stumme Zwiesprache mit der Jungfrau. »Wie konntest du zulassen, dass Arnau dieses Verbrechen begeht?« Er hörte, wie die Soldaten dem Jungen Wasser ins Gesicht schütteten. Als er aus der Kapelle kam, betraten gerade mehrere Bastaixos, die man über den Raub ihrer Kasse in Kenntnis gesetzt hatte, die Kirche.

Als Arnau das eiskalte Wasser spürte, kam er zu sich und sah, dass er von Soldaten umringt war. Er hörte erneut das Geräusch der Lanze, die in der Calle Bòria an seinem Ohr vorbeigezischt war. Er war vor ihnen davongerannt. Wie hatten sie ihn erwischen können? War er gestolpert? Die Gesichter der Soldaten beugten sich über ihn. Sein Vater! Er brannte! Er musste fliehen! Arnau rappelte sich auf und versuchte einen der Soldaten zur Seite zu stoßen, doch die Männer hielten ihn mühelos fest.

Niedergeschlagen sah Pater Albert zu, wie der Junge darum kämpfte, sich von den Soldaten loszureißen.

»Wollt Ihr noch mehr hören, Pater?«, warf ihm der Soldat spöttisch vor. »Oder ist Euch das Geständnis genug?« Dabei blickte er auf den verzweifelt sich wehrenden Arnau.

Pater Albert barg das Gesicht in den Händen und seufzte. Dann trat er zu den Soldaten, die Arnau festhielten.

»Warum hast du das getan?«, fragte er den Jungen, als er vor ihm stand. »Du weißt, dass diese Kasse deinen Freunden, den Bastaixos, gehört. Dass sie damit für die Witwen und Waisen ihrer Zunftbrüder sorgen, ihre Toten begraben, mildtätige Werke tun, deine Mutter, die Jungfrau, schmücken und dafür sorgen, dass stets Kerzen vor ihr brennen. Warum hast du es getan, Arnau?«

Die Gegenwart des Priesters beruhigte Arnau. Aber was machte er hier? Die Kasse der Bastaixos! Der Dieb! Er hatte ihm einen Schlag versetzt, doch was war dann geschehen? Mit weit aufgerissenen Augen blickte er um sich. Hinter den Soldaten erkannte er unzählige bekannte Gesichter, die ihn beobachteten und auf seine Antwort warteten. Er erkannte Ramon und den kleinen Ramon, Pere, Jaume, Joan, der sich auf Zehenspitzen stellte, um etwas zu sehen, Sebastià und seinen Sohn Bastianet und viele andere, denen er zu trinken gegeben und mit denen er unvergessliche Momente auf dem Marsch des Bürgerheers nach Creixell erlebt hatte. Sie beschuldigten ihn! Das war es!

»Ich war's nicht …«, stotterte er.

Der Beamte hielt ihm Graus Geldbörse vors Gesicht. Arnau fasste an die Stelle, wo sie hätte sein sollen. Er hatte sie nicht unter der Matratze zurücklassen wollen, falls die Baronin sie anzeigte und man Joan beschuldigte, und nun … Dieser verfluchte Grau! Diese verfluchte Börse!

»Suchst du das?«, warf ihm der Beamte entgegen.

Ein Raunen ging durch die Bastaixos.

»Ich war's nicht, Pater«, verteidigte sich Arnau.

Der Soldat lachte schallend und seine Männer stimmten mit ein.

»Ramon, ich war es nicht. Ich schwöre es euch«, wiederholte Arnau und sah dem Bastaix in die Augen.

»Was hast du dann in der Nacht hier zu suchen? Woher hast du diese Börse? Weshalb hast du versucht zu fliehen? Weshalb hast du dein Gesicht mit Lehm beschmiert?«

Arnau betastete sein Gesicht. Der Lehm war getrocknet.

Die Börse! Der Soldat ließ sie vor seinen Augen hin und her baumeln. Inzwischen trafen immer mehr Bastaixos ein. Leise erzählte einer dem anderen, was vorgefallen war. Arnau starrte auf die baumelnde Börse. Diese verfluchte Börse! Dann wandte er sich an den Pater.

»Da war ein Mann«, sagte er. »Ich habe versucht, ihn aufzuhalten, aber es ging nicht. Er war sehr stark.«

Erneut schallte das ungläubige Gelächter des Soldaten durch den Chorumgang.

»Arnau«, bat ihn Pater Albert, »beantworte die Fragen des Soldaten.«

»Nein … Ich kann nicht«, gestand er ein und sorgte damit für abfällige Gesten bei den Soldaten und für Aufruhr unter den Bastaixos.

Pater Albert schwieg. Er sah Arnau an. Wie oft hatte er diese Worte schon gehört? Wie viele Gläubige weigerten sich, ihm ihre Sünden zu offenbaren? »Ich kann nicht«, sagten sie zu ihm, Angst im Blick, »wenn das bekannt wird …« Natürlich, dachte der Priester dann, wenn Raub, Ehebruch oder Gotteslästerung bekannt würden, konnte man sie verhaften. Dann musste er weiter in sie dringen und ihnen schwören, das Beichtgeheimnis zu wahren, bis sich ihr Gewissen Gott und seiner Vergebung öffnete.

»Würdest du es mir unter vier Augen erzählen?«, fragte er.

Arnau nickte, und der Priester forderte ihn auf, in die Kapelle zu gehen.

»Wartet hier«, sagte er zu den Übrigen.

»Es geht um die Kasse der Bastaixos«, war da eine Stimme hinter den Soldaten zu vernehmen. »Es sollte auch ein Bastaix anwesend sein.«

Pater Albert nickte und sah Arnau an.

»Ramon?«, schlug er ihm vor.

Der Junge nickte erneut, und die drei verschwanden in der Kapelle. Dort drinnen schüttete Arnau sein ganzes Herz aus. Er erzählte von Tomás, dem Stallknecht, von seinem Vater, von Graus Börse, von dem Auftrag der Baronin, dem Aufstand, der Hinrichtung, dem Feuer … der Verfolgung, dem Dieb der Kasse und seinem aussichtlosen Kampf. Er sprach von seiner Angst, dass herauskommen könnte, dass die Börse Grau gehörte, oder dass man ihn verhaftete, weil er den Leichnam seines Vaters verbrannt hatte.

Es waren lange Erklärungen. Arnau konnte den Mann nicht beschreiben, der ihn niedergeschlagen hatte. Es sei dunkel gewesen, antwortete er auf die Fragen der beiden, aber er war groß und von kräftiger Statur. Schließlich sahen sich der Priester und der Bastaix an. Sie glaubten dem Jungen. Doch wie sollten sie den Leuten, die vor der Kapelle zu murren begannen, beweisen, dass er es nicht gewesen war? Der Priester sah zur Jungfrau auf, betrachtete die aufgebrochene Kasse und verließ dann die Kapelle.

»Ich glaube, der Junge sagt die Wahrheit«, verkündete er der kleinen Menge, die im Chorumgang wartete. »Ich glaube, dass er die Kasse nicht gestohlen hat. Vielmehr hat er versucht, den Raub zu verhindern.«

Ramon war hinter ihn getreten und nickte zustimmend.

»Warum kann er dann meine Fragen nicht beantworten?«, wollte der Soldat wissen.

»Ich kenne die Gründe.« Ramon nickte erneut. »Und sie sind hinreichend überzeugend. Wenn mir jemand nicht glaubt, möge er sprechen.«

Niemand sagte etwas.

»Wo sind die Zunftmeister der Bruderschaft?«

Drei Bastaixos traten zu Pater Albert.

»Jeder von euch bewahrt einen der drei Schlüssel zur Kasse auf, nicht wahr?«

Die Zunftmeister nickten.

»Schwört ihr, dass diese Kasse nur von euch dreien gemeinsam und in Anwesenheit von zehn Zunftbrüdern geöffnet wurde, wie es die Regeln vorsehen?«

Die Zunftmeister schworen laut, im gleichen Ton, in dem der Priester sie befragte.

»Schwört ihr also, dass der letzte Eintrag im Kassenbuch mit der Summe übereinstimmt, die sie enthalten sollte?«

Die drei Männer schworen erneut.

»Und Ihr, Soldat, schwört Ihr, dass dies die Börse ist, die der Junge bei sich trug?«

Der Soldat nickte.

»Schwört Ihr, dass der Inhalt derselbe ist wie zu dem Zeitpunkt, als Ihr sie fandet?«

»Ihr beleidigt einen Soldaten König Alfons'!«

»Schwört Ihr oder schwört Ihr nicht?«, herrschte der Priester ihn an.

Mehrere Bastaixos kamen auf den Soldaten zu und verlangten mit Blicken nach einer Antwort.

»Ich schwöre.«

»Gut«, fuhr Pater Albert fort. »Ich gehe jetzt das Kassenbuch holen. Wenn dieser Junge der Dieb ist, muss der Inhalt der Börse genauso hoch oder höher sein als der zuletzt eingetragene Betrag. Ist er geringer, muss man ihm Glauben schenken.«

Ein zustimmendes Gemurmel ging durch die Reihen der Bastaixos. Die meisten sahen Arnau an. Sie alle hatten das kühle Wasser aus seinem Wasserschlauch getrunken.

Nachdem der Pfarrer Ramon die Schlüssel zur Kapelle übergeben und ihn angewiesen hatte, diese abzuschließen, begab er sich in seine Wohnräume, um das Kassenbuch zu holen, das gemäß der Zunftordnung der Bastaixos in den Händen einer dritten Person bleiben musste. Soweit er sich erinnerte, konnte der Inhalt der Kasse unmöglich mit der Summe übereinstimmen, die Grau dem Kerkermeister zur Ernährung seiner Schuldner schickte, sondern musste um ein Vielfaches höher sein. Es wäre ein unanfechtbarer Beweis, dachte er lächelnd.

Während Pater Albert das Buch holte und dann wieder in die Kirche zurückkehrte, schloss Ramon das Gitter zur Kapelle ab. Dabei bemerkte er ein Funkeln in der Kapelle. Er trat näher und betrachtete den Gegenstand, von dem das Funkeln ausging, ohne ihn jedoch zu berühren. Er sagte niemandem etwas davon, schloss das Gitter ab und gesellte sich zu den Bastaixos, die um Arnau und die Soldaten herumstanden und auf die Rückkehr des Priesters warteten.

Ramon raunte dreien von ihnen etwas zu, und gemeinsam verließen sie, unbemerkt von den anderen, die Kirche.

»Dem Kassenbuch zufolge«, verkündete Pater Albert und zeigte es den drei Zunftmeistern, damit sie sich davon überzeugen konnten, »befanden sich vierundsiebzig Silbermünzen und fünf Sueldos in der Kasse. Nun zählt das Geld in der Börse«, setzte er, an den Soldaten gewandt, hinzu.

Bevor er die Börse öffnete, schüttelte der Soldat den Kopf. Darin konnten sich keine vierundsiebzig Silbermünzen befinden.

»Dreizehn«, verkündete er, und dann, lauter werdend: »Aber der Junge könnte einen Komplizen haben, der den fehlenden Teil an sich genommen hat.«

»Und weshalb sollte dieser Komplize dreizehn Silbermünzen bei Arnau zurücklassen?«, fragte einer der Bastaix.

Seine Beobachtung erntete zustimmendes Gemurmel.

Der Soldat sah die Bastaixos an. Einige von ihnen waren bereits zu Arnau getreten und klopften ihm auf den Rücken oder fuhren ihm übers Haar.

»Aber wenn es nicht der Junge war, wer war es dann?«

»Ich glaube, ich weiß es«, war Ramons Stimme von jenseits des Hauptaltars zu vernehmen.

Hinter ihm schleiften zwei der Bastaixos, mit denen er zuvor gesprochen hatte, einen korpulenten Mann herbei.

»Er muss es gewesen sein«, sagte einer aus der Gruppe der Bastaixos.

»Das ist der Mann!«, rief Arnau im gleichen Augenblick.

Mit El Mallorquí hatte es immer wieder Reibereien gegeben, bis die Zunftmeister irgendwann herausfanden, dass er eine Geliebte hatte, und ihn aus der Bruderschaft ausschlossen. Ein Bastaix durfte kein außereheliches Verhältnis unterhalten, genauso wenig wie seine Frau. In diesem Fall wurde der Bastaix aus der Zunft ausgeschlossen.

»Was sagt der Junge da?«, brüllte El Mallorquí, als sie den Chorumgang erreichten.

»Er beschuldigt dich, die Kasse der Bastaixos geplündert zu haben«, entgegnete ihm Pater Albert.

»Er lügt!«

Der Priester sah zu Ramon hinüber und dieser nickte leicht mit dem Kopf.

»Auch ich beschuldige dich!«, rief er und wies mit dem Finger auf ihn.

»Er lügt ebenfalls.«

»Du wirst Gelegenheit haben, das im Kloster Santes Creus durch siedendes Wasser zu beweisen.«

Das Verbrechen war in einer Kirche begangen worden, und nach den Beschlüssen des Konzils von Gerona musste die Unschuld durch die Wasserprobe bewiesen werden.

El Mallorquí wurde blass. Der Soldat und seine Männer sahen den Priester verwundert an, doch dieser bedeutete ihnen zu schweigen. Die Probe mit dem siedenden Wasser wurde nicht mehr angewandt, doch die Priester drohten Verdächtigen immer noch häufig damit, ihre Gliedmaßen in kochendes Wasser zu tauchen.

Pater Albert sah El Mallorquí scharf an.

»Wenn der Junge und ich lügen, dann wirst du das kochende Wasser an deinen Armen und Beinen gewiss aushalten, ohne dein Verbrechen zu gestehen.«

»Ich bin unschuldig«, stammelte El Mallorquí.

»Wie gesagt, du wirst Gelegenheit haben, es zu beweisen«, wiederholte der Priester.

»Wenn du unschuldig bist«, schaltete sich Ramon ein, »dann erkläre uns doch, was dein Dolch in der Kapelle zu suchen hat.«

El Mallorquí fuhr zu Ramon herum.

»Das ist eine Falle!«, antwortete er hastig, »jemand wird ihn dort hingelegt haben, um mich zu beschuldigen. Der Junge! Bestimmt ist er es gewesen!«

Pater Albert schloss erneut das Gitter zur Kapelle auf und kehrte mit einem Dolch zurück.

»Ist das dein Dolch?«, fragte er den Verdächtigen und hielt ihm die Waffe vor die Nase.

»Nein … nein.«

Die Zunftmeister und mehrere Bastaixos traten zu dem Pfarrer und baten darum, den Dolch in Augenschein nehmen zu dürfen.

»Natürlich ist das deiner«, sagte einer der Zunftmeister, während er den Dolch in der Hand wiegte.

Sechs Jahre zuvor hatte König Alfons aufgrund der vielen Aufstände im Hafen den Bastaixos und anderen Freien, die dort arbeiteten, das Tragen von Messern und ähnlichen Waffen verboten. Einzig Dolche ohne Spitze waren erlaubt. El Mallorquí hatte sich geweigert, dem königlichen Befehl Folge zu leisten, und sich seines herrlichen spitzen Dolches gerühmt, den er immer wieder vorzeigte, um seinen Ungehorsam zu beweisen. Erst als man ihm mit Ausschluss aus der Zunft drohte, hatte er zugestimmt, ihn zum Schmied zu bringen, damit dieser die Spitze abfeilte.

»Lügner!«, entfuhr es einem der Bastaixos.

»Dieb!«, rief ein anderer.

»Jemand muss ihn mir gestohlen haben, um mir die Schuld in die Schuhe zu schieben!«, protestierte El Mallorquí, während er sich von den beiden Männern loszureißen versuchte, die ihn festhielten.

Da erschien der dritte Bastaix, der sich mit Ramon auf die Suche nach El Mallorquí gemacht hatte. In der Zwischenzeit hatte er dessen Haus nach dem gestohlenen Geld durchsucht.

»Hier ist es«, rief er und hielt eine Börse hoch, die er dann dem Priester überreichte. Dieser wiederum händigte sie dem Soldaten aus.

Während der Soldat das Geld zählte, hatten die Bastaixos einen Kreis um El Mallorquí gebildet. Einer der Ihrigen konnte unmöglich so viel Geld besitzen!

»Vierundsiebzig Silbermünzen und fünf Sueldos«, verkündete der Soldat, nachdem er den Inhalt gezählt hatte.

Als die Summe feststand, stürzten sich die Bastaixos auf den Dieb. Es hagelte Beschimpfungen, Fußtritte und Fausthiebe, einige spuckten ihn sogar an. Die Soldaten hielten sich heraus. Ihr Anführer sah Pater Albert an und zuckte mit den Schultern.

»Dies hier ist ein Gotteshaus!«, rief daraufhin der Priester, während er versuchte, die Bastaixos beiseitezudrängen. »Dies hier ist ein Gotteshaus!«, rief er noch einmal, bis es ihm gelang, zu El Mallorquí vorzudringen, der auf dem Boden kauerte. »Dieser Mann ist ein Dieb, gewiss, und ein Feigling zudem, doch er hat einen Richterspruch verdient. Ihr könnt euch nicht wie Verbrecher verhalten. Bringt ihn zum Bischof«, wies er dann den Soldaten an.

Während der Pfarrer mit dem Soldaten sprach, kassierte El Mallorquí einen weiteren Fußtritt. Viele spuckten ihn an, während die Soldaten ihn hochzerrten und abführten.


Nachdem die Soldaten die Kirche mit El Mallorquí verlassen hatten, traten die Bastaixos lächelnd zu Arnau und baten ihn um Verzeihung. Dann zerstreuten sie sich und gingen nach Hause. Schließlich blieben nur Pater Albert, Arnau und die drei Zunftmeister vor der nun wieder offenen Sakramentskapelle zurück, des Weiteren die zehn von der Zunftordnung vorgeschriebenen Zeugen, wenn es um die Kasse der Bastaixos ging.

Der Priester tat das Geld in die Kasse zurück und vermerkte die Vorfälle der Nacht in dem Buch. Inzwischen war es hell geworden, und man hatte bereits nach einem Schlosser geschickt, damit er die drei Schlösser wieder in Ordnung brachte. Alle mussten warten, bis sich die Kasse wieder abschließen ließ.

Pater Albert legte einen Arm um Arnaus Schulter. Erst jetzt dachte er wieder daran, wie der Junge unter Bernats Leichnam gesessen hatte, der an einem Strick baumelte. Den Gedanken an das Feuer verdrängte er. Er war doch noch ein Kind! Der Pfarrer sah die Jungfrau an und hielt stumme Zwiesprache mir ihr. »Er wäre vor dem Stadttor verwest, also was macht es schon? Er ist nur ein kleiner Junge, dem nichts geblieben ist – kein Vater und keine Arbeit, die ihn ernährt …«

»Ich glaube«, entschied er plötzlich, »ihr solltet Arnau in eure Zunft aufnehmen.«

Ramon lächelte. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, war ihm bereits durch den Kopf gegangen, was Arnau ihnen erzählt hatte.

»Er ist noch ein Kind«, wandte einer der Zunftmeister ein.

»Er ist schwach. Wie soll er Lasten oder Steine auf seinen Schultern tragen können?«, zweifelte ein anderer.

»Er ist noch sehr jung«, bestätigte ein Dritter.

Arnau sah mit großen Augen von einem zum anderen.

»Was ihr sagt, stimmt«, antwortete der Priester, »doch weder seine Größe noch seine fehlende Kraft oder seine Jugend haben ihn daran gehindert, euer Geld zu verteidigen. Wäre er nicht gewesen, wäre die Kasse jetzt leer.«

Die Bastaixos nahmen Arnau genau in Augenschein.

»Ich denke, wir könnten es versuchen«, sagte Ramon schließlich, »und wenn er nicht taugt …«

Einer aus der Gruppe pflichtete bei.

»Einverstanden«, sagte schließlich einer der Zunftmeister. Er sah die beiden anderen an. Keiner von ihnen widersprach. »Wir lassen ihn auf Probe zu. Wenn er in den nächsten drei Monaten seinen Eifer unter Beweis stellt, nehmen wir ihn als Bastaix auf. Hier, nimm«, sagte er dann und überreichte ihm El Mallorquís Dolch, den er immer noch in der Hand hielt. »Das ist dein erstes Arbeitsmesser. Pater, vermerkt das im Buch, damit der Junge keine Schwierigkeiten bekommt.«

Arnau spürte, wie der Priester seine Schulter drückte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und so zeigte er den Bastaixos seine Dankbarkeit durch ein Lächeln. Er war ein Bastaix! Wenn sein Vater ihn jetzt sehen könnte!

Загрузка...