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»Dein Sohn wird im großen Haus bleiben. Doña Guiamona wird sich um ihn kümmern. Wenn er alt genug ist, kann er als Lehrling in der Werkstatt anfangen.«

Bernat hörte nicht länger, was Jaume sagte. Der Geselle hatte bei Tagesanbruch in der Schlafkammer der Scheune gestanden. Sklaven und Lehrburschen waren wie vom Dämon besessen von ihren Strohsäcken aufgesprungen und waren schiebend und rempelnd hinausgelaufen. Bernat dachte, dass Arnau hier gut aufgehoben war und später ein Lehrling sein würde, ein freier Mann mit einem ehrbaren Beruf.

»Hast du verstanden?«, fragte ihn der Geselle.

Als Bernat schwieg, entfuhr Jaume ein Fluch.

»Verdammtes Bauernpack!«

Bernat war kurz davor, sich auf ihn zu stürzen, doch das Grinsen auf Jaumes Gesicht hielt ihn davon ab.

»Versuch es nur«, sagte er. »Tu es, und deine Schwester hat niemanden mehr, an den sie sich halten kann. Ich wiederhole dir noch einmal das Wichtigste, Bauer: Du wirst von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, wie alle anderen. Dafür erhältst du ein Bett, Essen und Kleidung … und Doña Guiamona sorgt für deinen Sohn. Der Zutritt zum Haus ist dir untersagt. Unter keinen Umständen darfst du es betreten. Es ist dir außerdem verboten, die Werkstatt zu verlassen, bis das Jahr und der Tag vergangen sind, die du brauchst, damit man dir die Freiheit gewährt. Wenn ein Fremder die Werkstatt betritt, musst du dich verstecken. Du darfst niemandem von deiner Situation erzählen, nicht einmal den Leuten hier, obwohl … mit diesem Muttermal …« Jaume schüttelte den Kopf. »Das ist die Abmachung, die der Meister mit Doña Guiamona getroffen hat. Bist du damit einverstanden?«

»Wann kann ich meinen Sohn sehen?«, fragte Bernat.

»Das ist nicht meine Sache.«

Bernat schloss die Augen. Als sie Barcelona zum ersten Mal gesehen hatten, hatte er Arnau die Freiheit versprochen. Sein Sohn sollte nicht der Sklave eines Herrn sein wie er.

»Was muss ich tun?«, fragte er schließlich.

Die Brennöfen mit Holz befeuern, mit Hunderten, Tausenden von Holzscheiten, damit die Öfen immer arbeiteten. Und dafür sorgen, dass diese nie verloschen. Ton schleppen und aufräumen, den Lehm entfernen, Tonstaub aufkehren und Asche schippen. Immer und immer wieder im Schweiße seines Angesichts Asche und Staub in den Hinterhof schleppen. Wenn er mit Staub und Asche bedeckt zurückkam, war die Werkstatt erneut schmutzig, und die Arbeit begann von vorne. Die Krüge zusammen mit den Sklaven zum Trocknen in die Sonne bringen, stets bewacht von den aufmerksamen Blicken Jaumes, der brüllend zwischen ihnen umherlief, Backpfeifen unter den jungen Lehrlingen austeilte und die Sklaven misshandelte, bei denen er ohne zu zögern die Peitsche einsetzte, wenn etwas nicht zu seiner Zufriedenheit war.

Als ihnen einmal ein großes Gefäß aus den Händen fiel, das sie gerade in die Sonne tragen wollten, und über den Boden rollte, schlug Jaume mit der Peitsche auf die Schuldigen ein. Dabei war das Gefäß nicht einmal zerbrochen, aber der Verwalter brüllte wie von Sinnen und hieb erbarmungslos auf die drei Sklaven ein, die es gemeinsam mit Bernat geschleppt hatten. Irgendwann erhob er die Peitsche auch gegen Bernat.

»Wenn du das tust, bringe ich dich um«, drohte ihm dieser ganz ruhig.

Jaume zögerte. Dann lief er rot an und schlug mit der Peitsche nach den anderen, die sich bereits beeilt hatten, ausreichend Abstand zu bekommen. Jaume rannte ihnen hinterher. Als er ihn davonlaufen sah, atmete Bernat tief durch.

Dennoch schuftete er hart, ohne dass ihn jemand züchtigen musste. Er aß, was man ihm vorsetzte. Er hätte der dicken Frau, die ihnen das Essen brachte, gerne gesagt, dass seine Hunde besser ernährt worden waren, aber als er sah, wie gierig sich die Lehrjungen und die Sklaven über die Schüsseln hermachten, beschloss er zu schweigen. Er schlief im Gemeinschaftsschlafraum auf einem Strohsack, unter dem er seine wenigen Habseligkeiten und das Geld aufbewahrte, das ihm geblieben war. Aber die Auseinandersetzung mit Jaume schien ihm den Respekt der Sklaven und Lehrlinge und auch der übrigen Gesellen eingebracht zu haben, und so schlief Bernat ruhig, trotz der Flöhe, des Schweißgestanks und des Schnarchens ringsum.

Er ertrug das alles für die zweimal in der Woche, die ihm die maurische Sklavin den zumeist schlafenden Arnau nach unten brachte, wenn Guiamona sie nicht mehr benötigte. Bernat nahm ihn in die Arme und sog seinen Duft nach sauberen Kleidern und Kinderöl ein. Dann schob er vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, die Kleider beiseite, um seine Ärmchen und Beinchen und das runde Bäuchlein zu betrachten. Er wuchs und gedieh. Bernat wiegte seinen Sohn in den Armen und sah Habiba an, die junge Maurin, um sie stumm um etwas mehr Zeit zu bitten. Manchmal versuchte er ihn zu streicheln, aber seine schwieligen Hände schadeten der zarten Kinderhaut, und Habiba nahm ihm den Kleinen sofort wieder weg. Im Laufe der Wochen gelangte er zu einem stummen Einverständnis mit der Maurin – sie sprach nie mit ihm –, und Bernat streichelte mit dem Handrücken über die rosigen Wangen des Kleinen. Wenn das Mädchen ihm schließlich bedeutete, den Jungen zurückzugeben, küsste er ihn auf die Stirn, bevor er ihn ihr überreichte.

Im Laufe der Monate stellte Jaume fest, dass Bernat sinnvollere Aufgaben in der Werkstatt übernehmen konnte. Die beiden hatten sich zu respektieren gelernt.

»Die Sklaven haben keinen Verstand im Kopf«, berichtete der Verwalter Grau Puig. »Sie arbeiten nur aus Angst vor der Peitsche, sie geben überhaupt nicht acht. Euer Schwager hingegen …«

»Sag nicht, dass er mein Schwager ist!«, unterbrach ihn Grau wieder einmal, da sich Jaume nur zu gerne seinem Meister gegenüber diese Spitze herausnahm.

»Der Bauer«, verbesserte sich der Verwalter mit vorgetäuschter Verlegenheit, »der Bauer hingegen ist anders. Er zeigt Interesse selbst an den niedersten Arbeiten. Er reinigt die Öfen, wie sie noch nie …«

»Und was schlägst du vor?«, unterbrach ihn Grau erneut, ohne von den Papieren aufzublicken, die er gerade durchsah.

»Nun, man könnte ihm Aufgaben mit größerer Verantwortung übertragen, und so billig, wie er uns kommt …«

Bei diesen Worten sah Grau den Verwalter an.

»Täusch dich nicht«, sagte er. »Er hat uns kein Geld gekostet wie die Sklaven, er erhält auch keinen Lehrvertrag und muss nicht entlohnt werden wie die Gesellen. Aber er ist der teuerste Arbeiter, den ich je hatte.«

»Ich meinte ja auch nur …«

»Ich weiß, was du meintest.« Grau widmete sich wieder seinen Papieren. »Tu, was du für richtig hältst, aber lass dir eines gesagt sein: Der Bauer darf nie vergessen, wo sein Platz in dieser Werkstatt ist. Andernfalls werfe ich dich hinaus, und du wirst niemals Meister werden. Hast du mich verstanden?«

Jaume nickte, doch von diesem Tag an arbeitete Bernat direkt den Gesellen zu. Er stand sogar über den Lehrlingen, die nicht in der Lage waren, mit den großen, schweren Formen aus feuerfestem Ton zurechtzukommen, die auf die richtige Temperatur gebracht werden mussten, um das Steingut oder die Keramik zu brennen. Mit diesen wurden große, bauchige Krüge mit kleiner Öffnung, schmalem Hals und flachem Boden gefertigt, die bis zu zweihundertachtzig Liter fassten und zum Transport von Getreide oder Wein gedacht waren. Bislang hatte Jaume diese Arbeit mindestens zweien seiner Gesellen übertragen müssen. Mit Bernats Hilfe genügte einer für den gesamten Vorgang: Die Form musste gefertigt und gebrannt werden, dann wurde eine Schicht aus Zinn- und Bleioxid als Schmelzmittel auf die Krüge aufgetragen, und diese wurden ein zweites Mal bei geringerer Temperatur gebrannt, damit sich Zinn und Blei miteinander verbanden und die Krüge mit einer harten weißen Glasur überzogen.

Jaume war zufrieden mit seiner Entscheidung: Die Produktion der Werkstatt hatte sich beträchtlich gesteigert und Bernat arbeitete weiterhin mit der gleichen Sorgfalt wie zuvor. »Besser sogar als jeder der Gesellen!«, musste er eines Tages eingestehen, als er zu Bernat und dem zuständigen Gesellen ging, um das Meistersiegel auf den Boden eines neuen Krugs zu prägen.

Jaume versuchte die Gedanken zu erraten, die sich hinter dem Blick des Bauern verbargen. Es war weder Hass in seinen Augen, noch schien er nachtragend zu sein. Er fragte sich, was ihm widerfahren war, dass es ihn hierher verschlagen hatte. Er war nicht wie die anderen Verwandten des Meisters, die in der Töpferei erschienen waren. Sie alle hatten sich für Geld kaufen lassen, Bernat hingegen … Wie er seinen Sohn streichelte, wenn die Maurin ihn zu ihm brachte! Er wollte die Freiheit und arbeitete dafür härter als jeder andere.

So vergingen das Jahr und der eine Tag, die nötig waren, um Bernat und seinem Sohn das Ende der Leibeigenschaft zu bringen. Grau Puig erhielt den erwünschten Sitz im Rat der Hundert der Stadt. Aber Jaume konnte keine Veränderung an dem Bauern bemerken. Ein anderer hätte seine Bürgerrechte eingefordert und sich auf der Suche nach Vergnügungen und Frauen in die Straßen Barcelonas gestürzt, doch Bernat tat nichts dergleichen. Was war mit dem Bauern los?

Bernat wurde den Gedanken an den Jungen aus der Schmiede nicht los. Er fühlte sich nicht schuldig, denn dieser Unglücksrabe hatte ihm den Weg zu seinem Sohn verstellt. Aber wenn er tot war … Er konnte sich zwar von dem Joch seines Herrn befreien, aber auch nach einer Frist von einem Jahr und einem Tag war er nicht vor der Bestrafung wegen Mordes losgesprochen. Guiamona hatte ihm geraten, keinem davon zu erzählen, und so hatte er es gehalten. Er durfte kein Risiko eingehen. Vielleicht hatte Llorenç de Bellera nicht nur Befehl gegeben, ihn wegen Landflucht zu verhaften, sondern auch wegen Mordes. Was würde aus Arnau, wenn man ihn festnahm? Auf Mord stand die Todesstrafe.

Sein Sohn wuchs und gedieh prächtig. Er sprach noch nicht, aber er lief bereits und gluckste fröhlich vor sich hin. Obwohl Grau immer noch nicht das Wort an ihn richtete, hatte Bernat sich durch seine neue Position in der Werkstatt – um die sich Grau nicht kümmerte, weil er mit seinen Geschäften und Aufträgen beschäftigt war – noch mehr Achtung erworben. Mit dem stillschweigenden Einverständnis Guiamonas, die aufgrund der neuen Situation ihres Mannes ebenfalls sehr beschäftigt war, brachte ihm die Maurin das Kind, das nun meist wach war, öfter als früher vorbei.

Bernat durfte sich nicht in der Stadt blicken lassen, wollte er nicht die Zukunft seines Sohnes zerstören.

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