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»Das da!« Arnau wies auf ein kleines, zweistöckiges Haus. An der verschlossenen Tür prangte ein weißes Kreuz. Sahat, der nun auf den Namen Guillem getauft war, nickte. »Ja?«, fragte Arnau.
Guillem nickte erneut, diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen.
Arnau betrachtete das Häuschen und schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte nur darauf gezeigt und Guillem hatte zugestimmt. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass seine Wünsche so einfach in Erfüllung gingen. Würde es von nun an immer so sein? Er schüttelte erneut den Kopf.
»Ist etwas, Herr?« Arnau sah ihn streng an. Wie oft hatte er ihm gesagt, dass er nicht Herr genannt werden wollte? Aber der Maure hatte widersprochen und ihm entgegnet, dass sie den Schein wahren mussten. Guillem hielt dem Blick stand. »Gefällt es dir nicht, Herr?«
»Doch … Natürlich gefällt es mir. Ist es gut?«
»Natürlich. Es könnte nicht besser sein. Sieh, es liegt genau an der Ecke der beiden Geldwechslerstraßen, der Canvis Nous und der Canvis Vells. Könnte es eine bessere Lage geben?«
Arnau sah in die Richtung, in die Guillem zeigte. Die Canvis Vells verlief linker Hand in Richtung Meer, die Canvis Nous lag vor ihnen. Aber Arnau hatte das Haus nicht deswegen ausgewählt. Ihm war nicht einmal bewusst gewesen, dass dies die Straßen der Geldwechsler waren, obwohl er Hunderte Male dort entlanggegangen war. Das Häuschen stand am Vorplatz von Santa María, gegenüber dem zukünftigen Hauptportal.
»Ein gutes Omen«, murmelte er vor sich hin.
»Was sagst du, Herr?«
Arnau fuhr zu Guillem herum. Er ertrug es nicht, wenn er ihn mit diesem Wort ansprach.
»Welchen Schein müssen wir jetzt wahren?«, fuhr er ihn an. »Niemand hört uns. Niemand achtet auf uns.«
»Du magst es glauben oder nicht, aber seit du Geldwechsler bist, interessieren sich viele Augen und Ohren für dich. Daran musst du dich gewöhnen.«
Noch am selben Morgen brachte Guillem in Erfahrung, wem das Häuschen gehörte, während Arnau am Strand zwischen den Booten umherschlenderte und aufs Meer hinaussah. Wie zu erwarten, gehörte das Haus der Kirche. Seine Pächter waren gestorben, und wer wäre besser geeignet gewesen als ein Geldwechsler, um es zu beziehen?
Am Nachmittag zogen sie ein. Im Obergeschoss befanden sich drei Zimmer, von denen sie zwei einrichteten, eines für jeden von ihnen. Das Erdgeschoss bestand aus der Küche, die auf einen kleinen Garten hinausging, und, durch eine Zwischenwand getrennt, einem hellen Raum zur Straße hin. Diesen stattete Guillem mit einem Schrank, mehreren Öllampen und einem langen, edlen Tisch aus, hinter dem er zwei Stühle aufstellte und vier davor.
»Etwas fehlt noch«, sagte Guillem irgendwann. Dann verließ er das Haus.
Arnau blieb alleine in dem Raum zurück, der seine Wechselstube werden sollte. Der lange Holztisch glänzte. Arnau hatte ihn immer wieder poliert. Er fuhr mit den Fingern über die Rückenlehnen der beiden Stühle.
»Such dir deinen Platz aus«, hatte Guillem ihn aufgefordert.
Arnau hatte sich für den rechten entschieden, der von den zukünftigen Kunden aus gesehen links lag. Daraufhin hatte Guillem die Stühle getauscht: Auf die rechte Seite hatte er einen mit roter Seide gepolsterten Lehnstuhl gestellt. Der Stuhl des Mauren war ganz schlicht.
Arnau nahm auf seinem Stuhl Platz und betrachtete den leeren Raum. Wie sonderbar! Bis vor wenigen Monaten hatte er noch Schiffe entladen, und nun … Er hatte noch nie auf einem solchen Stuhl gesessen! Am Kopfende des Tisches stapelten sich die Bücher; sie waren aus makellosem Pergament, hatte Guillem beim Kauf erklärt. Sie hatten auch Federn, Tintenfässer, eine Waage, mehrere Schatullen für das Geld und eine große Zange, um das Falschgeld zu vernichten, besorgt.
»Wer bezahlt das alles?«, hatte er irgendwann gefragt.
»Du«, hatte Guillem geantwortet.
Arnau hatte überrascht die Augenbrauen gehoben und die Börse betrachtet, die an Guillems Gürtel hing.
»Möchtest du sie haben?«, hatte dieser ihm angeboten.
»Nein«, hatte er geantwortet.
Neben all diesen Dingen hatte Guillem etwas mitgebracht, das ihm gehörte: einen kostbaren Abakus mit hölzernem Rahmen und Marmorkugeln, ein Geschenk von Hasdai. Arnau ergriff ihn und schob die Kugeln hin und her. Was hatte Guillem noch einmal gesagt? Zuerst hatte dieser die Kugeln beim Rechnen rasch hin und her geschoben. Arnau hatte ihn gebeten, langsamer zu machen, und der Maure hatte ihm zu erklären versucht, wie er funktionierte, aber es war ihm immer noch zu schnell gegangen.
Arnau stellte den Abakus beiseite und begann den Tisch aufzuräumen. Die Bücher vor seinen Platz … nein, vor Guillems Platz. Besser, er machte die Einträge. Die Schatullen konnte er auf seine Seite stellen. Die Zange etwas abseits und die Federn und Tintenfässer neben die Bücher, zu dem Abakus. Wer sollte ihn sonst benutzen?
Damit war er beschäftigt, als Guillem zurückkam.
»Wie findest du es?«, fragte Arnau lächelnd und fuhr mit der Hand über den Tisch.
»Sehr gut«, antwortete Guillem und lächelte ebenfalls, »aber so werden wir keinen Kunden bekommen, und schon gar keinen, der uns sein Geld anvertraut.« Arnaus Lächeln verschwand augenblicklich. »Keine Sorge, nur das hier fehlt noch. Das war ich eben besorgen.«
Guillem reichte Arnau ein Tuch, das Arnau vorsichtig aufrollte. Es handelte sich um eine Tischdecke aus sündhaft teurer roter Seide, mit goldenen Troddeln an den Seiten.
»Das hat noch auf dem Tisch gefehlt. Es ist das Zeichen, dass du alle Anforderungen der Behörden erfüllt und deine Wechselstube ordnungsgemäß beim städtischen Magistrat mit tausend Silbermark versichert hast. Bei Androhung harter Strafen darf niemand eine solche Decke auf einen Wechseltisch legen, wenn er nicht im Besitz dieser städtischen Erlaubnis ist. Wenn du sie nicht auflegst, wird niemand deine Wechselstube betreten oder sein Geld hier anlegen.«
Von diesem Tag an widmeten sich Arnau und Guillem ganz und gar ihrem neuen Geschäft, und wie ihm Hasdai Crescas geraten hatte, machte sich der frühere Bastaix eifrig mit den Grundlagen seines Metiers vertraut.
»Das Hauptgeschäft eines Geldwechslers ist das Eintauschen von Münzen«, erklärte ihm Guillem. Die beiden saßen am Tisch und behielten die Tür im Auge, um zu sehen, ob jemand hineinkommen wollte.
Guillem stand auf und ging um den Tisch herum, dann blieb er vor Arnau stehen und legte einen Beutel mit Geld vor ihn hin.
»Jetzt sieh genau hin«, sagte er, nahm eine Münze aus dem Beutel und legte sie vor ihn auf den Tisch. »Kennst du die?« Arnau nickte. »Das ist ein katalanischer Silbercroat. Sie werden in Barcelona geprägt, nur ein paar Schritte von hier entfernt …«
»Ich hatte noch nicht viele davon in meinem Beutel«, unterbrach ihn Arnau, »aber ich habe viele davon auf meinem Rücken geschleppt. Offenbar vertraut der König bei ihrem Transport nur den Bastaixos.«
Guillem nickte lächelnd und griff erneut in den Beutel.
»Das hier«, fuhr er fort, während er eine weitere Münze herausnahm und sie neben den Croat legte, »ist ein aragonesischer Goldflorin.«
»So einen hatte ich noch nie«, sagte Arnau und nahm den Florin in die Hand.
»Keine Sorge, du wirst viele davon bekommen.« Arnau sah Guillem an, und der Maure nickte mit Nachdruck. »Dies ist eine alte barcelonesische Münze.« Guillem legte eine weitere Münze auf den Tisch, und bevor Arnau ihn erneut unterbrechen konnte, zog er weitere Münzen hervor. »Aber es sind noch viele andere Münzen im Umlauf«, sagte er, »und die musst du alle kennen. Da sind die maurischen: Byzantiner, Mazmudinas, Goldbyzantiner.« Guillem reihte alle Münzen vor Arnau auf. »Französische Tournoise, kastilische Golddoblas, Goldflorine aus Florenz, Genueser, venezianische Dukaten, solche mit dem Münzzeichen aus Marseille und die übrigen katalanischen Münzen, der valencianische oder mallorquinische Real, der Gros aus Montpellier, die Melgurienses aus den westlichen Pyrenäen und der in Jaca geprägte Jaquesa, der vor allem in Lérida benutzt wird.«
»Heilige Jungfrau!«, entfuhr es Arnau, als der Maure mit seinen Ausführungen endete.
»Du musst sie alle kennen«, beteuerte Guillem.
Arnau ließ seinen Blick immer wieder über die Münzen wandern. Dann seufzte er.
»Gibt es noch mehr?«, fragte er und sah zu Guillem auf.
»Ja. Noch viel mehr. Aber das hier sind die gängigsten.«
»Und wie wechselt man sie?«
Diesmal seufzte der Maure.
»Das ist komplizierter.« Arnau ermunterte ihn fortzufahren. »Nun, beim Wechsel werden die gängigen Einheiten verwendet, Pfund und Mark für große Transaktionen, Dineros und Sueldos für den normalen Gebrauch.« Arnau nickte. Er hatte immer von Dineros und Sueldos gesprochen, unabhängig von der Münze, um die es ging, auch wenn es sich in der Regel immer um die gleichen handelte. »Wenn du eine Münze hast, musst du ihren Wert gemäß der entsprechenden Einheit berechnen. Dann musst du das Gleiche mit der Münze machen, in die du umtauschen willst.«
Arnau versuchte den Ausführungen des Mauren zu folgen.
»Und dieser Wert?«
»Wird regelmäßig an der Börse von Barcelona festgesetzt, beim Seekonsulat. Dort muss man sich erkundigen, wie der offizielle Wechselkurs ist.«
»Er variiert?« Arnau schüttelte den Kopf. Er kannte nicht einmal alle Münzen, hatte keine Ahnung, wie ein Wechsel vonstattenging, und dann variierte auch noch der Wechselkurs!
»Ständig«, antwortete Guillem. »Und man muss das Wechselgeschäft beherrschen, es ist die größte Einnahmequelle eines Geldwechslers. Du wirst schon sehen. Eines der größten Geschäfte ist der An- und Verkauf von Geld.«
»Man kann Geld kaufen?«
»Ja. Kaufen und verkaufen. Gold gegen Silber oder Silber gegen Gold, je nach Kurs der vielen Münzen, die es gibt. Hier in Barcelona, wenn der Kurs gut steht, oder im Ausland, wenn der Kurs dort besser ist.«
Arnau hob hilflos beide Hände.
»Im Grunde ist es ganz einfach«, beteuerte Guillem. »In Katalonien setzt der König das Verhältnis von Goldflorin und Silbercroat fest. Im Moment liegt es bei dreizehn zu eins, das heißt, ein Goldflorin ist dreizehn Silbercroat wert. In Florenz, Venedig oder Alexandria hingegen hat der König nichts zu sagen, und der Goldwert eines Florin ist nicht dreizehnmal so hoch wie der Silberwert eines Croat. Hierzulande legt aus politischen Gründen der König den Kurs fest; dort wird der Gold- oder Silbergehalt einer Münze gewogen und ihr Wert daran bemessen. Wenn nun also einer Silbercroats im Ausland verkauft, wird er dort mehr Gold für seine Croats bekommen als in Katalonien. Und wenn er dann mit diesem Gold hierhin zurückkommt, gibt man ihm wieder dreizehn Croats für jeden Goldflorin.«
»Aber das könnte doch jeder machen«, wandte Arnau ein.
»Und es macht jeder … der kann. Wenn man zehn oder hundert Croats besitzt, lohnt es nicht. Es lohnt sich nur für die, denen man diese zehn oder hundert Croats anvertraut.« Die beiden sahen sich an. »Und das sind wir«, schloss der Maure und hob die Hände.
Einige Zeit später, als Arnau den Umgang mit den Münzen und ihren Wechsel beherrschte, begann Guillem ihm von den Handelswegen und dem Warenhandel zu erzählen.
»Zurzeit verläuft die wichtigste Handelsroute über Candia nach Zypern und von dort weiter nach Beirut und Damaskus oder Alexandria … Auch wenn der Papst den Handel mit Alexandria verboten hat.«
»Und wie funktioniert das dann?«, fragte Arnau, der mit dem Abakus spielte.
»Mit Geld natürlich. Man erkauft sich den Ablass.«
Arnau erinnerte sich an die Erklärungen, die man ihm damals im königlichen Steinbruch über die Herkunft des Geldes gegeben hatte, mit dem der Bau der königlichen Werft bezahlt wurde.
»Und handeln wir nur auf dem Mittelmeer?«
»Nein. Wir handeln mit der ganzen Welt. Mit Kastilien, Frankreich und Flandern, aber vor allem auf dem Mittelmeer. Die Ziele richten sich nach der jeweiligen Ware. In Frankreich, England und Flandern kaufen wir Stoffe, vor allem kostbare Tuche aus Toulouse, Brügge, Mechelen, Dieste oder Vilages. Umgekehrt verkaufen wir ihnen katalanisches Leinen. Außerdem kaufen wir Kupfer- und Messingwaren. Im Orient, in Syrien und Ägypten kaufen wir Gewürze …«
»Pfeffer«, warf Arnau ein.
»Ja, auch Pfeffer. Aber Vorsicht, wenn dir jemand vom Gewürzhandel erzählt, beinhaltet das auch Wachs, Zucker und sogar Elfenbein. Spricht er von Spezereien, so meint er damit tatsächlich das, was man gemeinhin unter Gewürzen versteht: Zimt, Nelken, Pfeffer, Muskatnuss.«
»Wachs, sagtest du? Wir importieren Wachs? Wie kann es sein, dass wir Wachs importieren, wenn du mir neulich erzählt hast, dass wir Honig ausführen?«
»Tatsächlich exportieren wir Honig und importieren Wachs. Honig haben wir mehr als genug, aber in den Kirchen wird viel Wachs gebraucht.« Arnau erinnerte sich an die erste Pflicht der Bastaixos: stets dafür zu sorgen, dass Kerzen vor der Schutzpatronin des Meeres brannten. »Das Wachs kommt über Byzanz aus Dakien. Ein weiteres wichtiges Handelsgut sind Lebensmittel«, fuhr Guillem fort. »Vor Jahren haben wir noch Getreide ausgeführt, doch heute müssen wir alle Arten von Getreide einführen: Weizen, Reis, Hirse und Gerste. Dafür exportieren wir Öl, Wein, Trockenfrüchte, Safran, Speck und Honig. Auch mit Pökelfleisch wird gehandelt …«
In diesem Augenblick kam ein Kunde herein und Arnau und Guillem unterbrachen ihr Gespräch. Der Mann nahm gegenüber den Geldwechslern Platz, und nachdem sie Grüße ausgetauscht hatten, hinterlegte er eine beträchtliche Summe Geldes. Guillem freute sich. Er kannte den Kunden nicht und das war ein gutes Zeichen. Sie waren nicht länger auf Hasdais frühere Kunden angewiesen. Arnau nahm seine Aufgabe ernst. Er zählte die Münzen und prüfte ihre Echtheit, auch wenn er sie zur Sicherheit eine nach der anderen an Guillem weiterreichte. Dann trug er die Summe in die Bücher ein. Guillem beobachtete ihn, während er schrieb. Was das Schreiben anging, hatte Arnau sich verbessert. Es hatte ihn jedoch beträchtliche Mühe gekostet. Er hatte bei dem Privatlehrer der Puigs Schreiben gelernt, war aber seit Jahren aus der Übung.
Während sie darauf warteten, dass die Seefahrtsaison begann, bereiteten Arnau und Guillem die Warengeschäfte vor. Sie kauften Produkte für den Export an, konkurrierten mit anderen Händlern um das Laderecht für die Schiffe oder nahmen gleich die Händler unter Vertrag und besprachen, welche Waren die Schiffe bei der Rückfahrt laden sollten.
»Was verdienen die Händler, mit denen wir zusammenarbeiten?«, fragte Arnau eines Tages.
»Das hängt vom Warengeschäft ab. Bei normalen Warengeschäften üblicherweise ein Viertel des Gewinns. Bei Geld-, Gold- oder Silbergeschäften funktioniert das nicht. Wir legen den Kurs fest, den wir haben wollen, und der Händler erhält das, was er über diesen Kurs hinaus aushandeln kann.«
»Wie kommen diese Männer in der Fremde zurecht?«, fragte Arnau weiter, während er sich vorzustellen versuchte, wie es dort aussehen mochte. »Es sind unbekannte Länder, man spricht andere Sprachen … Alles muss anders sein.«
»Ja, aber du musst bedenken, dass es in all diesen Städten katalanische Konsulate gibt«, antwortete Guillem. »Wie das Seekonsulat in Barcelona«, erklärte er. »In jedem dieser Häfen gibt es einen von der Stadt Barcelona ernannten Konsul, der für Recht und Ordnung beim Handel sorgt und der bei möglichen Konflikten zwischen den katalanischen Händlern und den Einheimischen oder den örtlichen Behörden vermittelt. Alle Konsulate haben einen Handelshof. Das sind ummauerte Gevierte, in denen die katalanischen Händler wohnen. Dort gibt es Lagerhäuser, um die Waren aufzubewahren, bis sie verkauft oder erneut verschifft werden. Jeder dieser Handelshöfe ist wie ein Stückchen Katalonien in der Ferne. Sie sind extraterritorial und unterstehen dem Konsul, nicht den Behörden des Landes, in dem sie sich befinden.«
»Und was sagen diese Länder dazu?«
»Alle Regierungen sind am Handel interessiert. Sie erheben Steuern und füllen ihre Kassen. Der Handel ist eine Welt für sich, Arnau. Wir mögen uns im Krieg mit den Sarazenen befinden, aber dennoch besitzen wir bereits seit dem vergangenen Jahrhundert Konsulate etwa in Tunis oder Bejaia. Keine Sorge: Kein Maurenführer wird die katalanischen Handelshöfe angreifen.«
Arnaus Wechselstube florierte. Die Pest hatte die katalanischen Geldwechsel dezimiert und Guillem war eine Garantie für die Anleger. Als die Epidemie abebbte, holten die Leute das Geld hervor, das sie in ihren Häusern aufbewahrt hatten. Doch Guillem konnte nicht schlafen. »Verkauf sie auf Mallorca«, hatte ihm Hasdai bezüglich der Sklaven geraten, damit Arnau nichts davon erfuhr. Und so gab Guillem die entsprechenden Anweisungen. Leider!, fluchte er, wenn er sich zum ungezählten Male im Bett umdrehte. Er hatte sich an eines der letzten Schiffe gewandt, die Barcelona in der Seefahrtsaison verließen. Es ging schon auf Oktober zu. Byzanz, Palästina, Rhodos und Zypern – das waren die Ziele der vier Händler, die im Auftrag des Barceloneser Geldwechslers Arnau Estanyol an Bord waren. Sie hatten Wechselbriefe dabei, die Guillem Arnau zur Unterschrift vorgelegt hatte. Dieser hatte nicht einmal einen Blick darauf geworfen. Die Händler sollten Sklaven kaufen und nach Mallorca bringen. Guillem wälzte sich erneut herum. Sein ungutes Gefühl ließ ihm keine Ruhe.
Als ein Jahr nach seinem ersten Versuch der Aufschub endete, den er Jaime von Mallorca gewährt hatte, eroberte König Pedro trotz der Vermittlung des Papstes endgültig Sardinien und das Roussillon. Nachdem sich die meisten seiner Städte ergeben hatten, kniete Jaime am 15. Juli 1344 mit entblößtem Haupt vor seinem Schwager nieder, um seine Gnade zu erbitten und dem Grafen von Barcelona seine Ländereien zu übergeben. König Pedro überließ ihm die Herrschaft Montpellier und die Vizegrafschaften Omelades und Carladés, behielt jedoch die katalanischen Ländereien seiner Vorfahren: Mallorca, das Roussillon und Sardinien.
Doch nachdem Jaime sich zunächst ergeben hatte, scharte er ein kleines Heer aus sechzig Reitern und dreihundert Fußsoldaten um sich und fiel erneut in Sardinien ein, um gegen seinen Schwager zu kämpfen. König Pedro zog diesmal nicht einmal selbst in den Kampf, sondern schickte lediglich seine Statthalter. Müde, kampfverdrossen und geschlagen, suchte König Jaime Zuflucht bei Papst Clemens VI. der nach wie vor auf seiner Seite stand. Hier, unter Mitwirkung der Kirche, wurde die letzte Strategie ausgeklügelt: Jaime III. verkaufte die Herrschaft Montpellier für zwölftausend Goldescudos an König Philipp VI. von Frankreich. Mit dieser Summe und den Krediten der Kirche stattete er eine Flotte aus, die ihm Königin Johanna von Neapel zur Verfügung stellte, und landete 1349 erneut auf Mallorca.
Es war vorgesehen, dass die Sklaven mit den ersten Lieferungen des Jahres 1349 eintreffen sollten. Es stand eine Menge Geld auf dem Spiel, und falls etwas schiefging, war Arnaus Name bei den Handelspartnern, mit denen er in Zukunft zusammenarbeiten musste, mit einem Makel behaftet – da mochte Hasdai noch so sehr für ihn bürgen. Er hatte die Wechselbriefe unterzeichnet, und selbst wenn Hasdai als Bürge eintrat, kannte der Handel keinen Pardon, wenn ein Wechsel nicht bezahlt wurde. Die Beziehungen mit den Handelspartnern in fernen Ländern beruhten auf Vertrauen, blindem Vertrauen. Wie sollte sich ein Geldwechsler behaupten, der sein erstes Geschäft in den Sand setzte?
»Er hat mir gesagt, wir sollen alle Routen über Mallorca meiden«, gestand er eines Tages Hasdai, dem Einzigen, mit dem er offen reden konnte.
Die beiden saßen im Garten des Juden. Sie vermieden es, sich anzusehen, doch sie wussten, dass sie in diesem Augenblick dasselbe dachten. Vier Sklavenschiffe! Dieses Unternehmen konnte sogar Hasdai ruinieren.
»Was soll aus dem Handel und dem Wohlstand der Katalanen werden, wenn König Jaime nicht einmal in der Lage ist, sein Wort zu halten, das er am Tag seiner Kapitulation gegeben hat?«, fragte Guillem und sah Hasdai an.
Hasdai antwortete nicht. Was sollte er sagen?
»Vielleicht wählen deine Händler einen anderen Hafen«, sagte er schließlich.
»Barcelona?«, fragte Guillem und wiegte zweifelnd den Kopf.
»Niemand konnte so etwas vorhersehen«, versuchte ihn der Jude zu beruhigen.
Arnau hatte seine Kinder vor dem sicheren Tod gerettet, das tröstete ihn über alles andere hinweg.
Im Mai 1349 entsandte König Pedro die katalanische Flotte nach Mallorca, mitten in der Seefahrts- und Handelssaison.
»Zum Glück haben wir kein Schiff nach Mallorca geschickt«, bemerkte Arnau eines Tages.
Guillem blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.
»Was würde geschehen, wenn wir es getan hätten?«, wollte Arnau wissen.
»Wie meinst du das?«
»Wir haben Geld von den Leuten erhalten und es in Warengeschäfte investiert. Wenn wir ein Schiff nach Mallorca geschickt hätten und es dort von König Jaime aufgebracht worden wäre, hätten wir weder das Geld noch die Waren und könnten die Einlagen nicht zurückzahlen. Wir tragen das Risiko für die Warengeschäfte. Was würde dann geschehen?«
»Bankrott«, antwortete Guillem düster.
»Bankrott?«
»Wenn ein Geldwechsler die Einlagen nicht zurückzahlen kann, gewährt ihm der Magistrat eine Frist von sechs Monaten, um seine Schulden zu begleichen. Hat er die Ausstände nach dieser Frist nicht beglichen, wird er bankrott erklärt und bei Wasser und Brot eingekerkert. Sein Besitz wird verkauft, um seine Gläubiger auszuzahlen …«
»Ich habe keinen Besitz.«
»Wenn der Besitz nicht ausreicht, um die Schulden zu begleichen«, erklärte Guillem weiter, »wird ihm vor seiner Wechselstube der Kopf abgeschlagen, als abschreckendes Beispiel für die übrigen Geldwechsler.«
Arnau schwieg.
Guillem wagte es nicht, ihn anzusehen. Was konnte Arnau zu all dem?
»Keine Sorge«, versuchte er ihn zu beruhigen. »Das wird nicht geschehen.«