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Guillem hatte ein Haus im Ribera-Viertel gemietet. Er vermied jeden Luxus, doch das Haus war groß genug für sie drei. Und mit einem Zimmer für Joan, dachte Guillem, als er die entsprechenden Anweisungen gab. Arnau wurde herzlich von den Menschen im Hafen empfangen, als er von Bord der Felucke ging. Doch einige Händler, die den Transport ihrer Waren überwachten oder auf dem Weg zur Börse waren, grüßten ihn lediglich mit einem knappen Kopfnicken.

»Ich bin nicht mehr reich«, bemerkte er zu Guillem, während er, nach allen Seiten grüßend, weiterging.

»Wie sich Neuigkeiten herumsprechen«, entgegnete dieser.

Arnau hatte gesagt, dass er gleich nach der Ankunft nach Santa María wollte, um der Jungfrau für seine Befreiung zu danken. Aus seinen konfusen Träumen war irgendwann klar und deutlich das kleine Gnadenbild erstanden, das über den Köpfen der Menge schwankte, während er von den Ratsherren der Stadt davongetragen wurde. Doch an der Ecke der Straßen Canvis Vells und Canvis Nous verlangsamte er seine Schritte. Die Tür und die Fenster seines Hauses, seiner Wechselstube, standen weit offen. Davor drängte sich ein Häuflein Schaulustiger, die zur Seite traten, als sie Arnau kommen sahen. Er ging nicht hinein. Die drei erkannten einige Möbel und Gegenstände wieder, die von Beamten der Inquisition auf einen Wagen geladen wurden, der vor der Tür stand. Da war der lange Tisch, der über den Karren hinausragte und mit Stricken festgebunden war, die rote Tischdecke, die Zange zum Zerbrechen des Falschgeldes, der Abakus, die Schatullen …

Arnaus Blick fiel auf eine schwarz gekleidete Gestalt, die eine Liste der Gegenstände erstellte. Der Dominikaner hörte auf zu schreiben und sah ihn an. Die Leute verstummten. Arnau erkannte die Augen wieder: Sie hatten ihn während der Verhöre von dem Platz gleich neben dem Bischof angestarrt.

»Geier«, murmelte er.

Es war sein Besitz, seine Vergangenheit. Niemals hätte er gedacht, dass er einmal bei der Plünderung seines Hauses zusehen würde. Er hatte nie viel auf Besitz gegeben, doch es war ein ganzes Leben, das dort weggetragen wurde.

Mar merkte, wie Arnaus Hand feucht wurde.

Jemand aus den hinteren Reihen buhte den Mönch aus. Sofort stellten die Inquisitionsbeamten ihre Lasten ab und zogen ihre Schwerter. Drei weitere Soldaten kamen aus dem Haus, die Waffen bereits in den Händen.

»Sie werden sich nicht noch einmal vom Volk demütigen lassen«, bemerkte Guillem. Dann zog er Mar und Arnau schnell weiter.

Die Soldaten gingen auf die Schaulustigen los, die in alle Richtungen davonstoben. Arnau ließ sich von Guillem wegführen, während er unverwandt zu dem Karren zurücksah.

Der Besuch in Santa María fiel aus, weil die Soldaten die Leute bis vor die Kirche verfolgten. Die drei gingen rasch um den Bau herum zur Plaza del Born und von dort zu ihrem neuen Haus.


Die Nachricht von Arnaus Rückkehr sprach sich in der Stadt herum. Die Ersten, die bei ihm erschienen, waren mehrere Missatges des Seekonsulats. Der Hauptmann wagte es nicht, Arnau ins Gesicht zu sehen. Er sprach ihn mit seinem Ehrentitel an, doch er musste ihm das Schreiben überbringen, mit dem der Rat der Hundert ihn seines Amtes enthob.

»Es war eine Ehre, für Euch zu arbeiten«, sagte er.

»Die Ehre war ganz meinerseits«, antwortete Arnau. »Sie wollen keinen armen Seekonsul«, sagte er zu Guillem und Mar, als der Hauptmann und die Soldaten gegangen waren.

»Darüber müssen wir noch sprechen«, bemerkte Guillem, doch Arnau schüttelte den Kopf.

Viele andere suchten Arnau in seinem neuen Haus auf. Einige, wie den Zunftmeister der Bastaixos, bat Arnau hinein. Die einfachen Leute beschränkten sich darauf, ihm durch die Dienstboten, die ihnen öffneten, die besten Wünsche ausrichten zu lassen.

Am zweiten Tag kam Joan. Seit er von Arnaus Ankunft in Barcelona erfahren hatte, fragte er sich, was Mar ihm erzählt haben mochte. Als er die Ungewissheit nicht länger ertrug, beschloss er, sich seinen Ängsten zu stellen und seinen Bruder aufzusuchen.

Arnau und Guillem erhoben sich vom Tisch, als Joan das Esszimmer betrat. Mar blieb sitzen.

»Du hast den Leichnam deines Vaters verbrannt!« Arnau hatte versucht, nicht daran zu denken, doch als er Joan sah, klang ihm erneut die Anschuldigung Nicolau Eimerics in den Ohren.

In der Tür zum Esszimmer stehend, stammelte Joan einige Worte. Dann ging er mit gesenktem Kopf auf Arnau zu.

Arnau kniff die Augen zusammen. Er kam, um sich zu entschuldigen. Wie konnte sein Bruder …?

»Wie konntest du das tun?«, brach es aus ihm heraus, als Joan vor ihm stand.

Joan sah von Arnaus Füßen auf und warf einen Blick in Richtung Mar. Hatte sie ihn noch nicht genug gestraft? Musste er selbst Arnau erzählen …? Doch das Mädchen sah überrascht aus.

»Was willst du hier?«, fragte Arnau mit schneidender Stimme.

Joan suchte verzweifelt nach einem Vorwand.

»Die Zeche im Gasthof muss bezahlt werden«, hörte er sich selbst sagen.

Arnau winkte ab und kehrte ihm den Rücken zu.

Guillem rief einen Diener herbei und übergab ihm eine Geldbörse.

»Begleite den Mönch zum Gasthof, um die Rechnung zu begleichen«, trug er ihm auf.

Joan sah den Mauren Hilfe suchend an, doch als der keine Miene verzog, wandte er sich zur Tür und ging hinaus.

»Was ist zwischen euch vorgefallen?«, fragte Mar, nachdem Joan das Esszimmer verlassen hatte.

Arnau schwieg. Mussten sie das wissen? Wie sollte er ihnen erklären, dass er den Leichnam seines eigenen Vaters verbrannt hatte und dass ihn sein Bruder bei der Inquisition angezeigt hatte? Joan war der Einzige, der davon wusste.

»Lassen wir die Vergangenheit ruhen«, sagte er schließlich. »Zumindest soweit wir können.«

Mar schwieg. Dann nickte sie.


Joan verließ das Haus und ging hinter Guillems Sklaven her. Auf dem Weg zum Gasthof musste sich der Junge einige Male nach dem Dominikaner umdrehen, der immer wieder mit leerem Blick auf der Straße stehen blieb. Sie hatten den Weg zum Handelshof genommen, den der Junge kannte.

Doch in der Calle Monteada konnte der Sklave Joan nicht mehr zum Weitergehen bewegen. Der Mönch stand reglos vor dem Portal von Arnaus Stadtpalast.

»Geh du bezahlen«, sagte Joan zu dem Jungen, der ihn weiterzuziehen versuchte. »Ich muss eine andere Schuld begleichen«, murmelte er dann vor sich hin.

Pere, der alte Diener, führte ihn zu Elionor. Seit er die Türschwelle übertreten hatte, murmelte er den immer gleichen Satz vor sich hin. Als er die steinerne Treppe hinaufging, wurde seine Stimme immer lauter, bis Pere sich verwundert zu ihm umdrehte. Und als er schließlich vor Elionor stand, donnerte er los, bevor diese einen Ton sagen konnte: »Ich weiß, dass du gesündigt hast!«

Die Baronin stand in der Mitte des Raumes und sah ihn hochmütig an.

»Was faselst du da, Mönch?«, erwiderte sie.

»Ich weiß, dass du gesündigt hast«, wiederholte Joan.

Elionor lachte laut auf, bevor sie ihm den Rücken zuwandte.

Joan betrachtete das kostbar bestickte Kleid, das die Frau trug. Mar hatte gelitten. Er hatte gelitten. Und Arnau … Arnau musste nicht minder gelitten haben.

Elionor lachte noch immer.

»Wofür hältst du dich, Mönch?«

»Ich bin Inquisitor des Sanctum Officium«, antwortete Joan. »Und in deinem Fall brauche ich kein Geständnis.«

Angesichts von Joans kalten Worten drehte sich Elionor schweigend um. Sie sah, dass er eine Öllampe in der Hand hielt.

»Was …?«

Ihr blieb keine Zeit, den Satz zu vollenden. Joan schleuderte ihr die Lampe entgegen. Das Öl ergoss sich über ihr kostbares Kleid und ging augenblicklich in Flammen auf.

Elionor stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Als Pere die übrigen Diener zusammenrief und seiner Herrin zu Hilfe eilen wollte, hatte sie sich bereits in eine lodernde Fackel verwandelt. Joan sah, wie Pere einen Wandteppich herunterriss, um ihn über Elionor zu werfen. Er stieß den alten Diener weg, doch in der Tür standen bereits weitere Bedienstete und rissen entsetzt die Augen auf.

Jemand rief nach Wasser.

Joan betrachtete Elionor, die lichterloh brennend zu Boden gestürzt war.

»Vergib mir, Herr«, stammelte er.

Dann nahm er eine weitere Lampe und trat zu Elionor. Der Saum seines Habits fing Feuer.

»Bereue!«, schrie er, bevor die Flammen ihn einhüllten. Er ließ die Lampe auf Elionor fallen und brach neben ihr zusammen. Der Teppich begann lichterloh zu brennen, desgleichen mehrere Möbelstücke.

Als die Diener mit dem Wasser kamen, schütteten sie es von der Türschwelle in den brennenden Salon, bevor sie vor dem dichten Rauch flohen.

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