Kick Shaw, der Bezirkssheriff von Albemarle County, bückte sich mit seiner Taschenlampe. Officer Cynthia Cooper, schon auf den Knien, hob die Finger behutsam mit ihrem Taschenmesser an.
»So was hab ich noch nie gesehen«, murmelte Shaw. Er zog eine Zigarette aus seiner Tasche.
Der Sheriff bekämpfte seine Nikotinsucht mit niederschmetternden Resultaten. Jetzt hatte sogar Cooper angefangen, Zigaretten zu stibitzen.
Tucker saß da und starrte auf die Hand. Blair Bainbridge, dem ein bißchen übel war, und Harry standen neben Tucker. Mrs. Murphy ruhte sich an Harrys Hals gekuschelt aus. Sie hatte kalte Füße und war müde, weswegen Harry sie sich wie eine Stola um den Hals geschlungen hatte.
»Harry, haben Sie eine Ahnung, wo die herkommt?«
»Ich weiß es«, gab Tucker unaufgefordert preis.
»Wie gesagt, der Hund saß mit dieser Hand am Bachufer. Ich bin nach Hause gelaufen und hab Sie angerufen, dann bin ich in den Wagen gesprungen, um mich hier mit Ihnen zu treffen. Mehr weiß ich nicht.«
»Und Sie, Mr. äh...«
»Blair Bainbridge.«
»Mr. Bainbridge, ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Vor diesem Fund, meine ich?«
»Nein.«
Rick grunzte beim Aufstehen. Cynthia Cooper stopfte die Hand in eine Plastiktüte.
»Kommt mit mir, dann zeig ich's euch!«
Tucker rannte kläffend zum Friedhof.
»Sie hat eine Menge zu sagen.« Cynthia lächelte. Sie hatte den kleinen Hund und die Katze gern.
Shaw machte einen Lungenzug, dann stieß er eine dünne blaue Rauchwolke aus, die sich nicht aufwärts ringelte. Was höchstwahrscheinlich noch mehr Regen bedeutete.
Tucker saß vor dem Friedhof und jaulte.
»Ich geh jedenfalls nachsehen, was sie hat.« Harry folgte ihrem Hund.
»Ich auch.« Cynthia folgte Harry, die Tüte mit der Hand nahm sie mit.
Rick murrte, aber seine Neugierde war geweckt. Blair schloß sich ihm an. Als die Menschen bei dem Eisenzaun anlangten, bellte Tucker wieder und ging zu dem Grabmal mit dem Harfenengel. Cooper richtete den Strahl ihrer Taschenlampe dorthin, wo Tucker war.
»Genau hier«, erklärte Tucker.
Harry blinzelte. »Coop, das untersuchen Sie besser.«
Wieder ging Cynthia auf die Knie. Tucker grub in der Erde. Sie traf auf ein Luftloch, und der eindeutige Geruch von verwesendem Fleisch schlug Cynthia ins Gesicht. Die junge Frau taumelte rückwärts und kämpfte gegen den Brechreiz.
Rick Shaw, unterdessen neben ihr, drehte den Kopf zur Seite. »Mir scheint, es gibt Arbeit für uns.«
Blair sagte mit aschfahlem Gesicht. »Soll ich einen Spaten aus dem Schuppen holen?«
»Nein danke«, sagte der Sheriff. »Ich denke, wir postieren hier heute nacht einen Mann und fangen bei Tageslicht an. Ich möchte nicht riskieren, Beweise zu vernichten, weil wir nichts sehen können.«
Auf dem Rückweg zum Streifenwagen blieb Blair stehen und wandte sich an den Sheriff, der sich bereits die nächste Zigarette angezündet hatte. »Ich habe doch etwas gesehen. In der Gewitternacht ist der Blitz in meinen Transformator eingeschlagen. Ich hatte keine Kerzen und stand am Küchenfenster.« Er zeigte auf das Fenster. »Dann kam wieder ein starker Blitz und hat den Baum gespalten, und einen Moment dachte ich, ich hätte jemanden auf dem Friedhof stehen sehen. Ich hab das nicht weiter ernst genommen. Es schien mir einfach nicht möglich.«
Shaw trug dies geschwind in sein kleines Notizbuch ein, während Coop nach einem Posten zur Bewachung des Friedhofs telefonierte.
Harry lag ein Witz über die Totenwache auf der Zunge, aber sie hielt den Mund. In ernsten Situationen kam ihr Sinn für Humor immer auf Hochtouren.
»Mr. Bainbridge, Sie haben nicht vor, demnächst zu verreisen?«
»Nein.«
»Schön. Ich muß Ihnen vielleicht noch ein paar Fragen stellen.« Rick lehnte sich an den Wagen. »Ich rufe Herbie Jones an. Es ist sein Friedhof. Harry, wollen Sie nicht nach Hause gehen und was essen? Die Abendessenszeit ist längst vorbei, und Sie sehen kränklich aus.«
»Mir ist der Appetit vergangen«, antwortete Harry.
»Tja, mir auch. An solche Sachen gewöhnt man sich nie.« Der Sheriff klopfte ihr auf den Rücken.
Als Harry zur Tür hereinkam, griff sie zum Telefon und rief Susan an. Kaum war das Gespräch beendet, rief sie Miranda Hogendobber an. Denn wenn Miranda es als letzte erführe, das wäre beinahe so entsetzlich wie die Entdeckung der Hand.