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Goldenes Licht überflutete die Kleinstadt Crozet, Virginia. Ma­ry Minor Haristeen sah von den Briefen auf, die sie gerade sor­tierte, und trat an das große Glasfenster, um die Aussicht zu bewundern. Die ganze Stadt sah aus wie mit geschmolzener Butter übergossen. Die Dachfirste glänzten, die schlichten Schindelhäuser besaßen eine liebliche Anmut. Das Licht lockte Harry dermaßen, daß sie sich ihre Jeansjacke überzog und zur Hintertür hinausging. Mrs. Murphy, Harrys getigerte Katze, und Tee Tucker, ihre Corgihündin, erhoben sich von ihrem Nach­mittagsnickerchen, um Harry zu begleiten. Die langen Oktober­sonnenstrahlen vergoldeten die große Wetterfahne in Gestalt eines trabenden Pferdes auf Miranda Hogendobbers Haus an der St. George Avenue, das von der Gasse hinter dem Postamt zu sehen war.

Die strahlenden Herbsttage weckten Erinnerungen an hitzige Footballspiele, Schulschwärme und kühle Nächte. Sosehr Harry kaltes Wetter haßte, sosehr liebte sie es, sich ein, zwei neue Pullover kaufen zu müssen. In der Crozet High School hatte sie an einem weit zurückliegenden Oktobertag - im Jahre 1973, um genau zu sein - einen flauschigen roten Pullover getragen und den Blick von Fair Haristeen auf sich gezogen. Die Eichen ver­wandelten sich in orangefarbene Fackeln, die Ahornbäume färb­ten sich blutrot, und die Buchen wurden gelb, damals wie heute. Die Herbstfarben waren ihr im Gedächtnis geblieben, und die­ser Herbst würde genauso werden. Ihre Scheidung von Fair war sechs Monate her, oder war es ein Jahr? Sie wußte es wirklich nicht mehr, oder vielleicht wollte sie sich nicht erinnern. Ihre Freundinnen blätterten ihre Adressenhefte nach Namen verfüg­barer Junggesellen durch. Es gab zwar Dr. Larry Johnston, den verwitweten Arzt im Ruhestand, der zwei Jahre älter war als Gott; und natürlich Pharamond Haristeen. Selbst wenn sie Fair wiederhaben wollte, was ganz entschieden nicht der Fall war: er war in eine Romanze mit Boom Boom Craycroft verwickelt, der schönen zweiunddreißigjährigen Witwe von Kelly Craycroft.

Harry sann darüber nach, daß alle Leute in der Stadt Spitzna­men hatten. Olivia war Boom Boom, und Pharamond war Fair. Sie selbst war Harry, und Peter Shiflett, der Besitzer des Le­bensmittelladens nebenan, wurde Market genannt. Cabell Hall, Direktor der Allied National Bank in Richmond, war Cab oder Cabby; Florence, seine Ehefrau seit siebenundzwanzig Jahren, wurde Taxi gerufen. Die Marilyn Sanburnes, senior und junior, hießen Big Marilyn oder Mim und Little Marilyn. Wie nahe sie einem die Leute brachten, diese kleinen Spitznamen, diese Markenzeichen der Vertrautheit, die Kosenamen. Die Einwoh­ner von Crozet lachten über die Eigenarten ihrer Nachbarn, sagten voraus, wer was zu wem sagen würde und wann. Das waren die Freuden einer Kleinstadt, die allerdings dieselben Probleme und Schmerzen, dieselben Grausamkeiten, Ungerech­tigkeiten und selbstzerstörerischen Verhaltensweisen überdeck­ten, wie sie in größerem Maßstab in Charlottesville, zwanzig Kilometer östlich, oder in Richmond, gut hundert Kilometer hinter Charlottesville, zu finden waren. Die Tünche der Zivilisa­tion, so unentbehrlich für das alltägliche Leben, konnte in einer Krise schnell abblättern. Manchmal bedurfte es gar keiner Kri­se: Dad kam betrunken nach Hause und prügelte Frau und Kin­der windelweich, oder ein Ehemann kam vorzeitig von der Ar­beit in sein mit Hypotheken belastetes Heim und fand seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Oh, in Crozet konnte das nicht passieren, aber es passierte doch. Harry wußte es. Ein Postamt ist das Nervenzentrum jeder Gemeinde, und Harry wußte meist früher als die anderen, was vorging, wenn die Tü­ren geschlossen und die Lichter ausgeknipst waren. Wenn ein Postfach vollgestopft war mit einem Stoß amtlicher Mitteilun­gen oder mit einer auffälligen Ansammlung von Zahnarztrech­nungen, fügte Harry die Geschichten zusammen, die dem Blick verborgen waren.

Wenn Harry ihre Tiere besser verstünde, wüßte sie sogar noch mehr, denn die Corgihündin Tee Tucker konnte unter die Ve­randastufen huschen, und Mrs. Murphy konnte auf den Heubo­den springen, eine Leistung, die die behende Tigerkatze elegant und mühelos vollbrachte Katze und Hündin verfügten über eine Fülle von Informationen, die sie ihrer relativ intelligenten menschlichen Gefährtin mitteilen konnten. Aber das war nicht einfach. Manchmal mußte sich Mrs. Murphy vor Mutter Harry auf der Erde wälzen, oder Tee Tucker mußte sie am Hosenbein packen.

Heute tratschten die Tiere nicht über Menschen oder über ih­resgleichen. Sie saßen neben Harry und beobachteten Miranda Hogendobber, die, angetan mit rotem Faltenrock, gelbem Pullo­ver und Gartenhandschuhen, ihr kleines Beet beackerte, auf dem massenhaft Speise- und Zierkürbisse gediehen. Harry winkte Mrs. Hogendobber zu, die den Gruß erwiderte.

»Harry«, rief Susan Tucker, Harrys beste Freundin, aus dem Postamt.

»Ich bin hier draußen.«

Susan öffnete die Hintertür. »Die reinste Postkartenidylle. Herbst in Mittelvirginia.«

Während sie sprach, ging die Hintertür des Lebensmittella­dens auf, und Pewter, die dicke graue Katze der Shifletts, kam mit einem Hühnerbein im Maul herausgeflitzt.

Market rief der Katze nach: »Verdammte Scheiße, Pewter, heute kriegst du kein Abendessen.« Er starrte hinter ihr her, wie sie aufs Postamt zusteuerte, und als er aufsah, erblickte er Harry und Susan. »Entschuldigt, meine Damen, wenn ich gewußt hätte, daß ihr da seid, hätte ich keine so unanständigen Worte in den Mund genommen.«

Harry lachte. »Ach, Market, wir benutzen noch viel schlim­mere.«

»Gibst du uns was ab?« wollte Mrs. Murphy von Pewter wis­sen, als sie an ihnen vorbeisauste.

»Wie soll sie denn antworten? Sie hat die Schnauze voll«, sag­te Tucker.»Außerdem, es wäre das erste Mal, daß Pewter auch nur einen Krümel Fressen abgibt.«

»Da hast du leider recht.« Mrs. Murphy folgte ihrer grauen Freundin. Man konnte nie wissen.

Pewter blieb stehen, kaum daß sie außer Reichweite des resi­gnierten Market war, der jetzt auf die Damen einredete. Sie riß einen verlockenden Batzen Huhn herunter.

»Wie hast du das von Market stibitzen können?« Mrs. Mur­phys goldgelbe Augen wurden weit.

Pewter, die alte Angeberin, sagte kauend, wobei sie vorsichts­halber eine Pfote auf dem Hühnerschenkel behielt.»Er hat ein gegrilltes Hahnchen auf die Theke gelegt. Little Marilyn hat ihn gebeten, es zu zerteilen, und als er sich umdrehte, bin ich mit dem Schenkel auf und davon. « Sie kaute am nächsten schmack­haften Bissen.

»Bist 'n schlaues Mädchen, was?« Tucker schnupperte den köstlichen Duft.

»In der Tat, das bin ich. Little Marilyn hat gebrüllt, sie ißt kein Huhn, wo eine Katze reingebissen hat, und ehrlich gesagt, ich würde auch nichts essen, was Little Marilyn angefaßt hat. Die wird langsam schon so ein hochnäsiges Biest wie ihre Mut­ter.«

Blitzschnell schnappte sich Mrs. Murphy das Hühnerbein, während Tucker die dicke Katze schubste, so daß sie das Gleichgewicht verlor. Mrs. Murphy sauste durch die Gasse in Miranda Hogendobbers Garten, gefolgt von der triumphieren­den Tucker und der fauchenden Pewter.

»Gib das wieder her, du gestreiftes Arschloch!«

»Du gibst nie was ab, Pewter«, sagte Tucker, während Mrs. Murphy durch die Maisreihen zu den mondartigen Zierkürbis­sen rannte.

»Harry«, brüllte Mrs. Hogendobber, »diese Kreaturen bringen mich noch mal unter die Erde ! « Drohend schwang sie ihre Hacke vor Tucker. Tucker rannte weg. Jetzt jagte Pewter Mrs. Mur­phy durch die Reihen mit den Speisekürbissen, aber Mrs. Mur­phy, behende und durchtrainiert, sprang über ein ausladendes Kürbisgewächs mit der sahnig gelben Frucht in der Mitte. Sie steuerte auf die Zierkürbisse zu.

Market lachte. »Findet ihr nicht, wir sollten Miranda mal auf die Sanburnes loslassen?« Er sprach von Little Marilyn und Mim, ihrem ebenso unausstehlichen Mutterteil.

Susan und Harry mußten lachen, was Mrs. Hogendobber er­zürnte, die glaubte, sie lachten über sie.

»Das ist überhaupt nicht komisch. Die ruinieren mir meinen Garten. Meine schönen Kürbisse. Sie wissen doch, daß ich auf der Ernteausstellung mit meinen Kürbissen gewinnen will.« Mirandas Gesicht färbte sich bräunlichrot.

Tucker blickte voll Verwunderung hoch. »Die Farbe habe ich bei einem Menschen noch nie gesehen.«

»Tucker, Vorsicht, die Hacke!« brüllte Mrs. Murphy. Sie ließ den Hühnerschenkel fallen.

Pewter schnappte ihn sich. Das Fett unter ihrem Bauch schwabbelte, als sie heimwärts flitzte. Um Schnurrhaaresbreite wäre sie mit Market zusammengestoßen, dem sie seitwärts schlitternd auswich.

Er lachte. »Die sind so scharf drauf, ich werd mal den Rest vom Huhn auch noch rüberbringen.«

Als er mit dem Huhn wiederkam, hatte sich Mrs. Hogendob­ber schnaufend und keuchend gegen die Hintertür des Postamts fallen lassen.

»Tucker hätte mir die Hüfte brechen können. Was, wenn sie mich jetzt umgerannt hätte?« Mrs. Hogendobber sonnte sich in der Vorstellung von Gefahr und Zerstörung.

Market biß sich auf die Zunge. Er hätte gern gesagt, sie sei so gut gepolstert, daß sie sich da keine Sorgen zu machen brauche. Aber er blieb gnädig und schnitt Fleisch von dem Huhn herun­ter für die drei Tiere, die einander schleunigst alle Missetaten verziehen. Hühnerfleisch war zu wichtig, da durften persönliche Querelen nicht im Weg stehen.

»Tut mir leid, Mrs. Hogendobber. Alles in Ordnung mit Ih­nen?«

»Na klar. Ich wünschte bloß, Sie könnten mal Ihre Schützlin­ge zur Raison bringen.«

»Sie brauchen einen Corgi«, sagte Susan Tucker fürsorglich.

»Nein. Ich hab mein Leben lang für meinen Mann gesorgt. Jetzt muß ich nicht auch noch für einen Hund sorgen. George hat wenigstens ein Gehalt mit nach Hause gebracht. Gott hab ihn selig.«

»Hunde sind höchst unterhaltsam«, ergänzte Harry.

»Und was ist mit den Flöhen?« Mrs. Hogendobber war inter­essierter, als sie zugeben wollte.

»Gegen die sind Sie auch ohne Hund nicht gefeit«, antwortete Harry.

»Ich habe keine Flöhe.«

»Miranda, bei warmem Wetter kriegen alle Flöhe«, klärte Market sie auf.

»Sie vielleicht. Aber wenn ich ein Lebensmittelgeschäft hätte, würde ich dafür sorgen, daß es im Umkreis von fünfzig Metern keinen einzigen Floh gibt.« Mrs. Hogendobber schürzte die Lippen, die in mattglänzendem Rot geschminkt waren, passend zu ihrem Faltenrock. »Und ich würde öfter Sonderangebote machen.«

»Hören Sie mal, Miranda.« Market, der dies schon bis zum Überdruß gehört hatte, setzte zu einer leidenschaftlichen Ver­teidigung seiner Preispolitik an.

Eine unbekannte Stimme unterbrach diese sinnlose Debatte. »Ist jemand da?«

»Wer ist denn das?« Mrs. Hogendobbers Augenbrauen wölb­ten sich aufwärts.

Harry und Susan zuckten die Achseln. Miranda marschierte ins Postamt. Da ihr verstorbener Ehemann George über vierzig Jahre lang Posthalter gewesen war, hatte sie das Gefühl, tun zu können, was ihr paßte. Harry heftete sich an ihre Fersen, Susan und Market bildeten die Nachhut. Die Tiere, die das Huhn in­zwischen vertilgt hatten, flitzten hinein.

Auf der anderen Seite des Schalters stand der bestaussehende Mann, den Mrs. Hogendobber seit Clark Gable gesichtet hatte. Susan und Harry hätten vielleicht ein jüngeres Männlichkeits­idol erkoren, aber welchen Jahrgang man auch zum Vergleich heranzog, dieser Typ war phänomenal. Sanfte, haselnußbraune Augen erstrahlten in einem markanten Gesicht, das rauh war und doch empfindsam, und sein lockiges braunes Haar war perfekt geschnitten. Seine Hände waren kräftig. Ja, er vermittel­te insgesamt einen Eindruck von Kraft und Stärke. Über gutsit­zenden Jeans trug er einen wassermelonengrünen Pullover, aus dessen hochgeschobenen Ärmeln sonnengebräunte, muskulöse Unterarme hervorsahen.

Einen Moment lang sagte niemand ein Wort. Aber schnell durchbrach Miranda die Stille. »Miranda Hogendobber.« Sie streckte die Hand aus.

»Blair Bainbridge. Aber bitte, nennen Sie mich Blair.«

Miranda hatte jetzt Oberwasser und konnte die anderen vor­stellen. »Das ist unsere Posthalterin Mary Minor Haristeen. Susan Tucker, Ehefrau von Ned Tucker, einem sehr guten An­walt, falls Sie mal einen brauchen sollten, und Market Shiflett, dem der Laden nebenan gehört, was sehr bequem ist und wo es die sündhaften Dove-Riegel gibt.«

»Hey, hey, und was ist mit uns?« tönte es im Chor von unten.

Harry hob Mrs. Murphy hoch. »Das ist Mrs. Murphy, das ist Tee Tucker, und das graue Kätzchen ist Pewter, Markets un­schätzbare Gehilfin, obwohl sie oft hier drüben ist und die Post abholt.«

Blair lächelte und schüttelte Mrs. Murphy die Pfote, worüber Harry entzückt war. Mrs. Murphy hatte nichts dagegen. Dann bückte sich der Traum von einem Mann und tätschelte Pewter den Kopf. Tucker hielt ihm die Pfote hin, und Blair schüttelte sie.

»Sehr erfreut, dich kennenzulernen.«

»Ganz meinerseits«, erwiderte Tucker.

»Kann ich etwas für Sie tun?« fragte Harry, während die an­deren sich erwartungsvoll vorbeugten.

»Ja. Ich hätte gern ein Postfach, wenn eins frei ist.«

»Ich hab einige. Möchten Sie lieber eine gerade Zahl oder ei­ne ungerade?« Harry lächelte. Sie konnte bezaubernd sein, wenn sie lächelte. Sie gehörte zu den Frauen, die hübsch waren, ohne daß sie viel dafür tun mußten. Man bekam, was man sah.

»Gerade.«

»Wie wär's mit vierundvierzig? Oder mit dreizehn - ich hätte fast vergessen, daß die Dreizehn noch frei ist.«

»Nehmen Sie bloß nicht die Dreizehn.« Miranda schüttelte den Kopf. »Bringt Unglück.«

»Dann vierundvierzig.«

»Vierunddreißig fünfundneunzig bitte.« Harry füllte den Post­fachschein aus und stempelte ihn mit dunkelroter Farbe.

Blair händigte ihr einen Scheck aus und sie ihm den Schlüssel.

»Gibt es auch eine Mrs. Bainbridge?« fragte Mrs. Hogendob­ber unverblümt. »Der Name kommt mir so bekannt vor.«

Market verdrehte die Augen gen Himmel.

»Nein, ich hatte noch nicht das Glück, die richtige Frau zu finden, mit der...«

»Harry ist ledig, müssen Sie wissen. Geschieden, besser ge­sagt.« Mrs. Hogendobber nickte zu Harry hinüber.

In diesem Augenblick hätten ihr Harry und Susan am liebsten die Kehle aufgeschlitzt.

»Mrs. Hogendobber, Mr. Bainbridge muß bei seinem ersten Besuch im Postamt wirklich nicht gleich meinen ganzen Le­benslauf zu hören bekommen.«

»Bei meinem nächsten Besuch werden Sie ihn mir vielleicht selbst erzählen.« Er schob den Schlüssel in die Tasche, lächelte und ging. Er stieg in einen kohlschwarzen Ford F 350 Kombi­Transporter. Mr. Bainbridge schien einiges darin abschleppen zu wollen.

»Miranda, wie konnten Sie?« rief Susan aus.

»Wie konnte ich was?«

»Das wissen Sie ganz genau«, nahm Market den Faden auf.

Miranda, nach einer Pause: »Sie meinen, daß ich Harrys Fa­milienstand erwähnt habe? Hören Sie, ich bin älter als Sie alle. Der erste Eindruck ist entscheidend. Von mir mag er vielleicht nicht den besten ersten Eindruck haben, aber ich wette, er hat einen guten von Harry, die die Situation mit dem ihr eigenen Takt und Humor gemeistert hat. Und wenn er heute abend nach Hause kommt, weiß er, daß es in Crozet eine hübsche unverhei­ratete Frau gibt.« Mit dieser erstaunlichen Feststellung fegte sie zum Hintereingang hinaus.

»Ich will verdammt sein.« Markets Kinn sackte hinunter.

»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund«, kicherte Pewter.

»Mädels, ich geh wieder an die Arbeit. Das war einfach zuviel für mich.« Lachend öffnete Market die Eingangstür. Er blieb stehen. »Los, komm, du kleiner Gauner.«

Pewter miaute freundlich und folgte ihrem Vater zur Tür hin­aus.

»Hättest du gedacht, daß Miranda so schnell rennen kann?« sagte Tucker zu Mrs. Murphy.

»Das war wirklich eine Überraschung.« Mrs. Murphy wälzte sich auf dem Boden und zeigte ihren hübschen lederbraunen Unterbauch.

»Das wird ein Herbst voller Überraschungen. Ich spür's in den Knochen. « Tucker grinste und wedelte mit ihrem Stummel­schwanz.

Mrs. Murphy warf ihr einen Blick zu. Die Katze war nicht in der Stimmung für Prophezeiungen. Katzen verstanden von die­sen Dingen ohnehin mehr als Hunde. Sie hatte keine Lust ein­zugestehen, daß sie Tucker recht gab. Es lag was in der Luft. Aber was?

Harry legte den Scheck in die Schublade unter dem Schalter. Die beschriebene Seite lag oben, und Harry schaute sich ihn noch einmal an. »Yellow Mountain Farm.«

»Es gibt keine Yellow Mountain Farm.« Susan beugte sich vor, um den Scheck zu begutachten.

»Foxden.«

»Was? Die steht seit über einem Jahr leer. Wer würde so was kaufen?«

»Ein Yankee.« Harry schloß die Tür. »Oder jemand aus Kali­fornien.«

»Nein.« Susan ließ die Stimme sinken.

»Um den Yellow Mountain steht außer Foxden weit und breit nichts zum Verkauf.«

»Aber Harry, wir wissen doch normalerweise alles, und dar­über, daß Foxden verkauft ist, haben wir kein Wort, keinen mucksigen Pieps gehört.«

Noch während Susan sprach, griff Harry zum Telefon und wählte. »Jane Fogleman bitte.« Es folgte eine kurze Pause. »Ja­ne, warum hast du mir nicht gesagt, daß Foxden verkauft ist?«

Am anderen Ende der Leitung erwiderte Jane: »Weil wir An­weisung hatten, den Mund zu halten, bis der Kauf perfekt war, und das ging heute morgen bei McGuire, Woods, Battle und Boothe über die Bühne.«

»Ich kann's nicht fassen, daß du es vor uns geheimgehalten hast. Susan und ich haben ihn gerade kennengelernt.«

»Mr. Bainbridge wünschte es so.« Jane hielt einen Moment die Luft an. »Ist dir je so ein Mann begegnet? Ich kann dir sa­gen, Mädchen.«

Harry gab sich uninteressiert. »Sieht nicht schlecht aus.« »Nicht schlecht? Sterben könnte man für den!« explodierte Jane.

»Hoffen wir, daß das niemand tun muß«, bemerkte Harry trocken. »So, du hast mir gesagt, was ich wissen wollte. Gruß von Susan, und wir werden dir nicht so schnell verzeihen.«

»Alles klar«, lachte Jane und hängte ein.

»Foxden.« Harry legte den Hörer auf die Gabel.

»Herrgott, was hatten wir Spaß auf der alten Farm. Der kleine Stall mit den sechs Pferdeboxen und der Schnickschnack am Haus und, ach, der Friedhof nicht zu vergessen. Erinnerst du dich an den einzigen wirklich alten Grabstein mit dem kleinen Engel, der Harfe spielte?«

»Ja. Die MacGregors waren so liebe Leute.«

»Und sie haben ewig gelebt. Keine Kinder. Wahrscheinlich haben sie uns deswegen erlaubt, überall rumzurennen.« Susan hatte fast das Gefühl, als sei die alte Elizabeth MacGregor im Raum anwesend. Ein komisches Gefühl, irrational, aber ange­nehm, denn Elizabeth und ihr Mann Mackie waren das Salz der Erde gewesen.

»Ich hoffe, Blair Bainbridge hat in Foxden so viel Glück wie die MacGregors.«

»Er sollte bei dem Namen bleiben.«

»Das ist seine Sache«, erwiderte Harry.

»Wetten, Miranda wird ihn dazu bringen.« Susan holte tief Luft. »Du hast einen neuen Nachbarn, Mädchen. Stirbst du nicht vor Neugierde?«

Harry schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Lügnerin.«

»Bin ich nicht.«

»Ach Harry, du mußt endlich mal über die Scheidung weg­kommen.«

»Ich bin über die Scheidung weg, und ich will mich nicht als Meisterin im Sehnen und Schmachten profilieren, trotz deiner Schikanen im letzten halben Jahr.«

Susan hob die Stimme: »Du kannst nicht ewig leben wie eine Nonne.«

»Ich lebe, wie ich leben will.«

»Die fangen schon wieder an«, bemerkte Tucker.

Mrs. Murphy nickte.»Tucker, wollen wir heute abend nach Foxden rüber, wenn wir aus dem Haus können? Laß uns diesen Bainbridge mal unter die Lupe nehmen. Ich meine, wenn alle anfangen, ihm Mom zuzuschustern, sollten wir mal ein paar Fakten einholen.« »Glänzende Idee.«

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