33

Silbrig und beige glitzerte die Erde unter der Frostschicht. Die Sonne, die bleich und tief am Himmel stand, verwandelte den Bodennebel in einen champagnerfarbenen Schleier. Mrs. Mur­phy und Tucker kuschelten sich in der Sattelkammer in eine Pferdedecke und sahen zu, wie Harry Tomahawk striegelte.

Blair kam um Viertel vor acht. Harry hatte Tomahawk schon gebürstet und eingeflochten, ihm die Hufe mit Fett einge­schmiert und ihn abermals gebürstet, und nun konnte sie selbst eine gründliche Säuberung vertragen.

»Wann sind Sie aufgestanden?« Blair bewunderte ihr Werk.

»Halb sechs. Um die Zeit stehe ich immer auf. Ich wünschte, ich könnte länger schlafen, aber ich kann's nicht, nicht mal, wenn ich nachts um halb eins ins Bett gehe.«

»Was kann ich tun?«

Harry zog ihren Monteuranzug aus, unter dem ihre lederne Reithose zum Vorschein kam. Über das gute weiße Hemd hatte sie einen dicken Pullover gezogen. Ihre abgetragenen Reitstiefel lehnten blankgeputzt an der Sattelkammerwand. Ihre Melone hing gebürstet an einem Sattelhaken. Harry hatte sich ihre Jagd­farben verdient, als sie noch zur High School ging, und ihr alter schwarzer Melton mit dem belgisch-blauen Kragen hing ordent­lich auf der anderen Seite des Sattelhakens.

Harry legte eine schwere wollene Decke über Tomahawk und band sie vorne zu. Sie entriegelte die Querbalken und führte ihn in seine Box. »Daß du mir ja nicht auf die Idee kommst, deine Zöpfe zu scheuern, Tommy, und verheddere dich nicht in deiner Decke.« Sie klopfte ihrem Pferd auf den Hals. »Tommy wird brav sein, aber vorsichtshalber ermahne ich ihn immer«, sagte sie zu Blair. »Kommen Sie, es ist alles fertig. Gehen wir Kaffee trinken.«

Nach einem leichten Frühstück sah Blair Harry zu, wie sie Tomahawks schwere Decke durch eine leichtere ersetzte, ihm das Lederhalfter überstreifte und ihn auf ihren Pferde-Anhänger verlud, der wie der Transporter vom Alter gezeichnet war, aber noch gute Dienste leistete. Blair schwang sich in die Fahrerkabine, den Fotoapparat in der Manteltasche, fertig zum Jagdtref­fen.

Allmählich lernte er Harrys Hang zu Notbehelfen schätzen, denn ihm wurde klar, wie wenig Geld sie tatsächlich hatte. Fal­scher Stolz in punkto Besitztümern gehörte nicht zu ihren Feh­lern, wohl aber der Stolz, allein zurechtzukommen Sie mochte nicht um Hilfe bitten, und als das blaue Ungetüm dahintuckerte, fiel Blair ein, was für ein bescheidenes Geschenk es gewesen wäre, ihr seinen Ford-Kombi auszuleihen, um den Anhänger zu ziehen. Hätte er höflich gefragt, sie hätte sein Angebot viel­leicht angenommen. Harry war komisch. Sie scheute Gefällig­keiten, vielleicht, weil ihr die Mittel fehlten, sich zu revanchie­ren, aber so wie Blair sie einschätzte, gelang es ihr immer, ihr Konto ausgeglichen zu halten.

Die Eröffnung der Jagdsaison lockte jeden hinaus, der je ein Bein über ein Pferd geschwungen hatte. Blair wollte seinen Augen nicht trauen, als Harry auf die ebene Weide fuhr. Die Landschaft war mit Pferdeanhängern übersät. Es gab kleine Anhänger für ein Pferd, Zwei-Pferde-Anhänger, Vier-Pferde­Anhänger, mehrere Sattelschlepper, die Gefährte zogen, in de­nen eine ganze Familie Platz gefunden hätte, Imperator-Laster mit Aufbau und sogar einen Mitsubishi-Laster, dessen stupsna­sige Schnauze sowohl Bewunderung als Spott auslöste.

Die Pferde, die abgeladen und an diesen Gefährten angebun­den waren, sorgten für Farbtupfer. Jeder Stall hatte seine eige­nen Farben, die im Anstrich der Anhänger und am Outfit der Pferde zum Ausdruck kamen: Die Decken wiesen auf ihre Zu­gehörigkeit hin. Harrys Farben waren Königsblau und Gold, und so war Tomahawks blaue Decke mit Gold eingefaßt, und in seinen Schweif war eine goldene Kordel eingeflochten. Da wa­ren Decken in unzähligen Farbkombinationen: Jägergrün mit Rot, Rot mit Gold, Schwarz mit Rot, Blau mit Grün, Braun mit Blau, Braun mit Jägergrün, Silber mit Grün, Himmelblau mit Weiß, Weiß mit jeder Farbe, und eine Decke war sogar lila mit Rosa. Die lila-rosa Decke gehörte Mrs. Annabelle Milhken, die vor Jahren eine lila-weiße Decke bestellt hatte; die Verkäuferin hatte die Farben falsch notiert, und Mrs. Milhken war zu höflich gewesen, um sie zu korrigieren. Nach einer Weile hatten sich alle an die Farbkombination gewöhnt. Sogar Mrs. Milhken.

Big Marilyns Farben waren Rot und Gold. Ihr Pferd, ein glän­zender brauner Wallach, hätte einem Gemälde von Ben Mars­hall entsprungen sein können, während Little Marilyns Kastani­enbrauner aussah, als sei er aus einem Bild von George Stubbs getrabt.

Harry band ihre Krawatte um, zog die kanariengelbe Weste, den Jagdrock und die Rehlederhandschuhe an und setzte sich die Melone auf. Die Anhängerstoßstange als Steighilfe benut­zend, schwang sie sich in den Sattel. Blair bot ihr seine Hände als Steighilfe an, aber sie sagte, sie und Tomahawk seien das Do-it-yourself-Verfahren gewöhnt. Der gute Tommy, mit einer D-Trense, stand still, die Ohren gespitzt. Er liebte die Jagd. Blair reichte Harry ihre Jagdpeitsche mit der langen Schnur genau in dem Moment, als Jock Fiery vorüberritt und ihr »Waidmannsheil« wünschte.

Als Harry davon trabte, um sich die Begrüßungsreden von Master Jill Summers und Tim Bishop anzuhören, tat sich Blair mit Mrs. Hogendobber zusammen. Sie betrachteten die Szene­rie. Jack Eicher, der Hundeführer, brachte die Hunde auf die andere Seite der Jagdgesellschaft. Pferd, Hunde, Treiber und Feld schimmerten im sanften Licht. Susan schloß sich der Grup­pe an. Sie mühte sich noch mit ihrem Haarnetz ab und ließ es schließlich fallen. Gloria Fennen, Hilltoppermaster, zog ein neues Haarnetz aus ihrer Tasche und gab es Susan.

Blair fragte Mrs. Hogendobber: »Reiten hier alle?«

»Ich nicht, wie Sie sehen.« Sie nickte zu Stafford und Brenda hinüber, die beide wie verrückt fotografierten. »Er ist früher geritten.«

»Ich nehme am besten ein paar Reitstunden.«

»Lynne Beegle.« Mrs. Hogendobber deutete auf eine zierliche junge Dame auf einem herrlich gebauten Vollblüter. »Die ganze Familie reitet. Sie ist eine ausgezeichnete Lehrerin.«

Ehe Blair weitere Fragen stellen konnte, führte die Treiber­wehr, die aus drei Pikören, dem Hundeführer und den Mastern bestand, die Hunde an die Stelle, wo die Weide abfiel. Das Feld folgte.

»Jetzt werden die Jagdhunde losgelassen.«

Blair vernahm ein aufgeregtes »Huuh, huuh, huuh, huhh«. Er konnte mit den Lauten nichts anfangen, aber die Hunde wußten, was sie zu tun hatten. Sie schwärmten aus, die Nasen am Bo­den, die Schwänze gen Himmel gestreckt. Bald schlug eine Hündin namens Streisand tiefkehlig an. Ein weiterer Hund stimmte ein, dann noch einer. Blair lief es kalt über den Rücken, als er den Chor hörte. Das Tier in ihm setzte sich gegenüber seinem hochentwickelten Verstand durch. Er wollte auch jagen.

Das wollte auch Mrs. Hogendobber, die ihn durch ein Hand­zeichen aufforderte, zu Fuß zu folgen. Mrs. H. kannte jeden Zentimeter des westlichen Bezirks. Als begeisterte Anhängerin der Niederjagd konnte sie vorausahnen, wohin es die Hunde treiben würde, und oft fand sie den besten Platz zum Zuschau­en. Mrs. H. erklärte Blair, die Niederjagd sei der Fuchsjagd sehr ähnlich, nur daß das Jagdwild Kaninchen seien und das Feld zu Fuß folge. Blair gewann einen ganz neuen Respekt vor Mrs. Hogendobber, für die selbst die größten Unebenheiten im Bo­den kein Hindernis darstellten.

Sie erreichten einen großen Hügel, von wo sie ein langes, fla­ches Tal überblicken konnten. Die Hunde, die der Fuchsspur folgten, rasten über die Wiese. Der Jagdführer, derjenige unter den Treibern, dem es oblag, für Ordnung zu sorgen und das Feld zu dirigieren, führte die Jagd über die erste von einer Reihe Hürden - eine zweiseitige, schräge Palisade, die von beiden Seiten übersprungen werden konnte. Sie war beachtliche 1,70m hoch. Blair deutete auf eine Gestalt, die mühelos über die Pali­sade setzte. »Ist das Harry?«

»Ja. Susan ist direkt hinter ihr, und Mim liegt nicht weit zu­rück.«

»Kaum zu glauben, daß Mim die Strapazen der Fuchsjagd auf sich nimmt.«

»Bei ihrem ganzen Getue hat die Frau eine eiserne Kondition. Reiten kann sie.« Mrs. Hogendobber verschränkte die Arme. Big Marilyns brauner Wallach schien über die Palisade zu schweben. Er nahm die Hürde ohne jede Anstrengung.

Harry lächelte, als das Tempo sich steigerte. Sie liebte ein zü­giges Rennen, trotzdem freute sie sich über das erste Hindernis. Sie hielten an, der Hundeführer leinte die Hunde wieder an, damit sie die Spur neu aufnehmen konnten. Mit Harry im ersten Pulk waren Reverend Herbert Jones, prächtig anzusehen in seinem scharlachroten Jagdrock, Carol, die in ihrer schwarzen Jacke mit dem belgischblauen Kragen und der Reitkappe wie eine Zauberin aussah, Big Marilyn und Little Marilyn, beide in Reitfrack und Zylinder, die Kragen ihrer Fräcke mit ihren Jagd­farben garniert, und Fitz-Gilbert in seinem schwarzen Rock mit Melone. Fitz hatte sich seine Farben noch nicht verdient, des­wegen stand es ihm nicht zu, sich mit dem roten Reitrock zu schmücken. Die Gruppe hinter ihnen holte auf, jemand brüllte »Halt!«, und die Nachfolgenden hielten an. Harry sah sich um, und sie verspürte plötzlich eine große Zuneigung für diese Menschen. Wenn sie beide auf dem Boden standen, hätte sie Mim ohrfeigen können, aber zu Pferde blieb der Gesellschafts­tyrannin keine Zeit, allen Leuten zu sagen, was sie zu tun hat­ten.

Nach wenigen Augenblicken hatten die Hunde die Spur wie­der aufgenommen; sie gaben Laut und liefen bald darauf auf das zerklüftete Land zu, das einst den ersten Jones gehörte, die sich in dieser Gegend angesiedelt hatten.

An einem wilden Flüßchen entlang verlief eine steile Bö­schung. Harry hörte die Hunde durchs Wasser platschen. Der Jagdführer machte die beste Stelle zum Durchwaten aus, die zwar tief war, aber guten Halt bot. Andernfalls müßte man Fel­sen hinunterrutschen, oder man blieb im Morast stecken. Die Pferde bahnten sich einen Weg hinunter zum Fluß. Harry, die als eine der ersten am Fluß anlangte, sah, wie das Pferd eines Treibers plötzlich bis zum Bauch versank. Rasch zog sie die Beine über den Sattel, gerade im richtigen Augenblick. Hinter ihr fluchte Fitz-Gilbert, der nicht so fix gewesen war und nun nasse Füße hatte.

Zum Ärgern war keine Zeit, denn am anderen Ufer angekom­men, stürmte das Feld den Hunden nach. Susan, die unmittelbar hinter Harry ritt, rief: »Da vorne, der Zaun. Scharf nach rechts, Harry!«

Harry hatte vergessen, wie tückisch dieser Zaun war. Es war wie bei einer zu kurz geratenen behelfsmäßigen Landebahn für Flugzeuge. Man mußte nach der Landung sofort wenden, an­dernfalls krachte man in die Bäume. Tomahawk glitt mühelos über den Zaun. In der Luft und beim Aufsetzen gab Harry Druck mit dem linken Schenkel und ließ den rechten Zügel locker, indem sie die rechte Hand in seitlichem Abstand von Tommys Hals hielt. Er wendete fabelhaft, ebenso Susans Pferd, das Harrys dicht auf den Fersen war. Mim nahm den Zaun kühn im Winkel, damit sie nicht so viel korrigieren mußte. Little Marilyn und Fitz setzten über den Zaun. Harry konnte nicht über die Schulter blicken, um zu sehen, wer ihn sonst noch übersprang, weil sie so schnell ritt, daß ihr die Augen tränten.

Sie donnerten am Waldrand entlang, dann fanden sie einen Wildpfad durch das dichte Gestrüpp. Harry haßte es, durch den Wald zu galoppieren. Sie hatte immer Angst, einen Knieschüt­zer zu verlieren, aber das Tempo war zu schön, und es blieb keine Zeit, sich deswegen zu sorgen. Zudem wand Tomahawk sich geschickt zwischen den Bäumen hindurch und schaffte es spielend, seine Flanken und Harrys Beine von den Stämmen fernzuhalten. Das Feld fädelte sich zwischen Eichen, Styrax- und Ahornbäumen hindurch und gelangte schließlich auf eine Wiese, die sich wellenförmig bis zu den Bergen erstreckte. Har­ry ließ die Zügel auf Tomahawks Hals fallen, und der Gute flog förmlich dahin. Seine Lust vereinte sich mit ihrer. Susan kam an ihre Seite, ihr Apfelschimmel rannte mit angelegten Ohren. Das tat er immer. Es hatte nichts zu bedeuten, abgesehen davon, daß es manchmal Leute erschreckte, die Susan oder das Pferd nicht kannten.

Ein Bretterzaun, unterbrochen von einer 1,85m Palisade, kam in Sicht. Ehe sie sich's versah, hatte Harry auf der anderen Seite aufgesetzt. Ihre Lungen brannten von der Geschwindigkeit und der kalten Morgenluft. Aus dem linken Augenwinkel konnte sie Big Marilyn sehen. Aufrecht in den Steigbügeln stehend, die Hände oben am Hals ihres Wallachs, trieb Mini ihr Tier vor­wärts. Sie war entschlossen, Harry zu überholen. Ein Wettren­nen, und was für ein Gelände dafür! Harry blickte zu Mim hin­über, Mim blickte zurück. Erdklumpen flogen in die Luft. Su­san, die keinesfalls zurückfallen wollte, blieb dicht bei ihnen. Weiter vorne lockte ein großes Hindernis mit einem steilen Gefälle auf der anderen Seite. Der Jagdführer setzte hinüber. Mims Pferd war dicht vor Tomahawk. Harry fiel vorsichtshal­ber hinter Mims Vollblüter zurück. Es hatte keinen Sinn, spon­tan gemeinsam ein Hindernis zu überspringen. Mim setzte mü­helos hinüber. Indem Harry ihr Gewicht in die Hacken verlager­te, bereitete sie sich darauf vor, die Erschütterung beim Aufset­zen auf der anderen Seite abzufangen, trotzdem schlug ihr das Herz bis zum Hals. Diese Hindernisse mit einem Gefälle auf der anderen Seite gaben einem das Gefühl, als schwebe man für immer durch die Lüfte, und das Aufsetzen war oft eine erschüt­ternde Überraschung.

Ein steiler Hügel erhob sich vor ihnen, und sie ritten hinauf; unter ihnen knirschten kleine Steinchen. Auf dem Hügelkamm hielten sie an. Die Hunde hatten die Spur wieder verloren.

»Gutes Rennen.« Mim lächelte. »Gutes Rennen, Harry.«

Mrs. Hogendobber und Blair fuhren in dem Falcon zu der Stelle, wohin es die Jagd ihrer Meinung nach treiben würde. Das alte Gefährt vollzog vorsichtig eine Wende. Mrs. Hogen­dobber sprang hinaus. »Beeilen Sie sich!«

Schwer atmend folgte Blair ihr wieder einen steilen Hügel hinauf. Dieser hier bot einen überwältigenden Blick auf die Blue Ridge Mountains. Blairs Blick folgte Mrs. Hogendobbers Zeigefinger.

»Da oben, das ist Crozets erster Tunnel. Genau hier ist die Grenze vom Farmington-Revier.«

»Was meinen Sie damit?«

»Nun, ein Landesverband teilt das Revier auf. In den Bergen kann keiner jagen, das Gelände ist zu rauh, und das Gebiet auf der anderen Seite gehört zu einem anderen Jagdrevier, Glenmo­re, glaube ich. Im Norden haben wir Rappahanock, dann Old Dominion, im Osten Keswick und dann Deep Run. Sie müssen sich das wie Staaten vorstellen.«

»Ich weiß nicht, wann ich jemals etwas so Schönes gesehen habe. Haben die Hunde die Spur verloren?«

»Ja. Sie nehmen sie auf, solange der Hundeführer sie ange­leint hält Sie müssen sich das vorstellen, wie wenn für Füchse ein Netz mit einer Schlinge ausgeworfen wird. Es ist eine gute Meute. Flink und tüchtig.«

In weiter, weiter Ferne hörte sie das merkwürdige Heulen ei­nes Hundes.

Unten wandten alle die Köpfe.

Außer Atem flüsterte Fitz Little Marilyn zu: »Schätzchen, können wir bald abhauen?«

»Du schon.«

»Das Gelände ist stark zerklüftet. Ich will dich nicht allein lassen.«

»Ich bin nicht allein, und ich reite besser als du«, entgegnete Little Marilyn, ein bißchen aufbrausend, aber noch immer im Flüsterton.

Der Hundeführer folgte dem Heulen des einzelnen Hundes. Die Meute rückte auf das Klagen zu. Der Jagdführer wartete einen Moment, dann bedeutete er dem Feld, Abstand zu halten. Der sanft hügelige Erdboden knirschte. Neue Felsvorsprünge forderten die Trittsicherheit der Pferde heraus.

»Wir sind bald außerhalb des Reviers«, sagte Harry zu Susan. Sie sprach leise. Es war irritierend, wenn man sich anstrengte, die Hunde zu hören, und hinter einem jemand quatschte. Sie wollte die anderen nicht stören.

»Ja, er muß die Hunde zurückholen.«

»Wir reiten auf den Tunnel zu«, stellte Mim fest.

»Da können wir nicht hin. Sollten wir auch nicht. Wer weiß, was da oben ist? Das hat uns gerade noch gefehlt, daß ein Bär oder so was aus dem Tunnel stürmt und die Pferde scheu macht.« Little Marilyn war von dieser Aussicht alles andere als begeistert.

»Wir können da nicht hin, das steht fest. Außerdem hat Che­sapeake and Ohio den Tunnel versiegelt«, fügte Fitz-Gilbert hinzu.

»Ja, aber Kelly Craycroft hat ihn wieder aufgemacht.« Susan spielte darauf an, daß Kelly Craycroft den Tunnel wieder geöff­net und listig getarnt hatte. »Ob die Bahn ihn wohl neu versie­gelt hat?«

»Das will ich gar nicht wissen.« Fitz' Pferd wurde unruhig.

Das Heulen des Hundes erhielt bald Antwort. Die Meute ar­beitete sich zum Tunnel vor. Der Jagdführer hielt das Feld zu­rück. Der Hundeführer blieb stehen. Er blies in sein Horn, doch nur ein paar von den Hunden kehrten um. Der abgeirrte Hund heulte und heulte. Ein paar andere stimmten in die heisere Kla­ge ein.

»Die lassen mich im Stich. Die Hunde lassen mich im Stich«, sagte der Hundeführer, beschämt über ihren Ungehorsam, zu einem Pikör, der mit ihm ritt, um die Hunde wieder heranzuho­len.

Der Pikör knallte mit seiner Peitsche nach einem Nachzügler, der schleunigst wieder zu der Meute stieß. »Rehwild? Aber sie haben nie Rehe gejagt. Außer Big Lou.«

»Das da oben ist nicht Big Lou.« Der Hundeführer bewegte sich auf das Klagen zu »Komm mit, laß uns die Burschen wie­der runterkriegen, bevor sie uns die schöne Jagd verderben.«

Die zwei Treiberpferde bahnten sich einen Weg durch das unwegsame Gelände. Jetzt konnten sie den Tunnel sehen. Die Hunde schnüffelten und hechelten am Eingang. Ein großer Gei­er flog über ihnen, stieß tollkühn auf einer Luftströmung herab und verschwand im Tunnel.

»Verdammt«, rief der Pikör.

Der Hundeführer blies in sein Horn. Der Pikör machte reich­lich Gebrauch von seiner Peitsche, aber die Tiere lärmten wei­ter. Sie waren nicht ratlos, sie waren außer sich.

Dem Hundeführer war so etwas in seinen mehr als vierzig Jahren als Jäger noch nie passiert. Er saß ab und reichte dem Pikör seine Zügel. Er bewegte sich auf den Tunneleingang zu. Der Geier kam heraus, ein zweiter gleich hinterher. Der Hunde­führer sah, daß ihnen verfaulte Fleischbrocken aus den Schnä­beln hingen. Er bekam auch eine Geruchswolke davon mit. Als er sich dem Tunnel näherte, erwischte er eine weitere, viel strengere Ladung. Die Hunde winselten jetzt. Einer wälzte sich sogar auf den Rücken. Der Hundeführer bemerkte, daß am Tunneleingang mehrere Steine herausgefallen waren. Ein star­ker Verwesungsgestank, der ihm vom Leben auf dem Land wohlvertraut war, wehte ihm aus der Öffnung entgegen. Er trat gegen die Steine, und ein paar kullerten fort. Die Eisenbahnge­sellschaft hatte es also doch versäumt, den Eingang wieder zu versiegeln. Blinzelnd versuchte er, in die Dunkelheit zu spähen, doch seine Nase sagte ihm genug. Es dauerte ein paar Sekun­den, bis ihm klar wurde, daß das tote Wesen ein Mensch war. Er wich unwillkürlich zurück. Die Hunde winselten kläglich. Er rief sie fort von dem Tunnel. Er schwankte leicht, als er ins Licht hinaus trat. »Es ist Benjamin Seifert.«

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