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In den wenigen Tagen im Homestead-Club hatte Little Marilyn fünf Pfund zugenommen. Die Frühstückswaffeln, diese großen, glänzenden goldenen Vierecke, konnten die strengsten Diätfeti­schisten in Versuchung führen. Dazu kamen die Eier, die Bröt­chen, die süßen Brötchen, der knusprige Virginia-Speck. Und das war erst das Frühstück.

Als das Telefon klingelte, hob Little Marilyn träge und voll­gegessen den Hörer ab und sagte schlaff. »Hallo.«

»Baby.«

»Mutter.« Little Marilyns Schulterblätter strafften sich.

»Geht's euch gut?«

»Wir futtern wie die Schweine.«

»Du wirst nie erraten, was hier passiert ist.«

Little Marilyn straffte sich abermals. »Doch nicht schon wie­der ein Mord?«

»Nein, nein, aber Orlando Heguay - er kennt Fitz aus dem In­ternat - hat den nicht identifizierten Ermordeten erkannt. Er sagt, es war ein gewisser Tommy Norton. Ich hoffe, das ist der Durchbrach, auf den wir gewartet haben, aber Sheriff Shaw wirkt wie immer weder zuversichtlich noch hoffnungslos.«

Die Tochter lächelte, obwohl die Mutter sie nicht sehen konn­te, ein falsches Lächeln; es war ein automatischer Gesellschafts­reflex. »Danke, daß du's mir gesagt hast. Fitz wird leichtert sein, wenn ich's ihm erzähle.« Sie schwieg einen Moment. »Warum hat Rick Shaw dir gesagt, wer das Opfer war?«

»Hat er nicht. Du kennst ihn doch. Der hält seine Karten be­deckt.«

»Wie hast du's dann erfahren?«

»Ich habe meine Quellen.«

»Ach komm, Mutter, das ist nicht fair. Sag's mir.«

»Dieser Orlando ist ins Postamt gekommen und hat den Mann auf dem Foto erkannt. Harry und Miranda standen direkt daneben. Zwar ist keiner hundertprozentig sicher, daß es wirk­lich dieser Tommy Norton ist, aber er scheint es zu glauben.«

»Unterdessen weiß es bestimmt die ganze Stadt«,schnaubte Little Marilyn. »Mrs. Hogendobber kann ja nichts für sich be­halten.«

»Sie kann schon, wenn sie muß, aber niemand hat sie ange­wiesen, nichts zu sagen, und ich nehme an, alle würden es an ihrer Stelle genauso machen. Jedenfalls glaube ich, daß Rick Shaw durch den Schnee hingeschlittert ist und sich die beiden vorgenommen hat. Ich habe ihm den Schlüssel für Fitz' Büro gegeben. Rick sagte, er müßte noch mal hinein. Er meinte, die Fingerabdruckleute könnten etwas übersehen haben.«

»Fitz kommt gerade vom Schwimmen zurück. Ich geb ihn dir, dann kannst du ihm alles erzählen.« Sie reichte ihrem Mann den Hörer und formte unhörbar mit den Lippen das Wort »Mutter.«

Er verzog das Gesicht und nahm den Hörer. Während Mim ihre Geschichte ausschmückte, wurde sein Gesicht bleich. Als er auflegte, zitterte seine Hand.

»Liebling, was hast du?«

»Sie glauben, die Leiche war Tommy Norton. Ichkannte Tommy Norton. Ich fand nicht, daß der Mann auf dem Foto wie Tommy aussah. Deine Mutter will, daß ich sofort nach Hause komme und mit Rick Shaw spreche. Sie meint, es schadet dem Ruf der Familie, daß ich Tommy Norton gekannt habe.«

Little Marilyn umarmte ihn. »Wie furchtbar für dich.«

Er faßte sich. »Hoffen wir, daß es ein Irrtum ist. Ehrlich, es ist ein gräßlicher Gedanke, daß er. es war.«

»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«

»Ich glaube 1976.«

»Das Aussehen der Menschen verändert sich ziemlich stark mit den Jahren.«

»Trotzdem hätte ich ihn erkennen müssen. Ich fand nicht, daß die Rekonstruktion Ähnlichkeit mit ihm hatte. Ist mir nie in den Sinn gekommen. Er hatte ein vorstehendes Kinn, daran erinnere ich mich. Er war sehr nett zu mir, und als wir auf verschiedene Colleges gingen, haben wir uns aus den Augen verloren. Ich glaube sowieso nicht, daß Männer so eng Kontakt halten wie Frauen. Ihr schreibt euch mit euren Verbindungsschwestern. Ihr hängt euch ans Telefon. Frauen legen größeren Wert darauf, Freundschaften zu pflegen. Trotzdem, ich habe mich oft ge­fragt, was aus Tom geworden ist. Hör zu, bleib hier und amüsier dich. Ich fahr nach Crozet, und wenn aus keinem anderen Grund, als um deine Mutter zu beruhigen und mir das Bild mit anderen Augen anzusehen. Ich hol dich morgen ab. Die Haupt­straßen sind geräumt. Ich dürfte ohne Probleme durchkom­men.«

»Ich will ohne dich nicht hierbleiben, und du solltest dich nicht allein von Mutter anblaffen lassen. Gott bewahre, wenn sie wirklich denkt, unsere gesellschaftliche Stellung ist auch nur ein winziges, ein klitzekleines bißchen angekratzt.«

Er gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Bleib du hier, Schätz­chen. Ich bin ruck, zuck wieder da. Iß heute abend für mich mit.«

Little Marilyn wußte, daß sie ihn nicht umstimmen konnte. »Ich hab schon genug gegessen.«

»Du siehst großartig aus.«

Er zog sich um und küßte sie zum Abschied. Ehe er die Tür erreichte, klingelte das Telefon. Little Marilyn nahm ab. Die Augen traten ihr aus dem Kopf.

»Ja, ja, er ist hier.« Verdattert reichte Little Marilyn Fitz den Hörer.

»Hallo.« Fitz erstarrte, als er Cabell Halls Stimme hörte. »Al­les in Ordnung mit dir? Wo bist du?«

Little Marilyn wollte zum anderen Telefon in ihrer Suite grei­fen. Fitz packte sie am Handgelenk und flüsterte: »Wenn er das Knacken hört, legt er vielleicht auf.« Er konzentrierte sich wie­der auf Cabell. »Ja, das Wetter war schlecht.« Pause. »In einer Hütte im George Washington National Forest? Du mußt halb erfroren sein.« Wieder eine Pause. »Also, wenn du durch Rock­fish Gap kommst, könnte ich dich dort an der Straße abholen.« Fitz wartete. »Ja stimmt, es ist zu eisig zum Warten. Du sagst, in der Hütte ist es warm. Hast du genug Feuerholz? Soll ich zur Hütte raufkommen?« Er machte eine weitere Pause. »Du willst mir nicht sagen, wo sie ist. Cabell, das ist lächerlich. Deine Frau ängstigt sich zu Tode. Ich komm dich abholen und bring dich nach Hause.« Er hielt den Hörer vom Ohr weg. »Er hat aufge­legt. Verdammt!« »Was macht er im George Washington National Forest?« fragte Little Marilyn.

»Er sagt, er hat Lebensmittel für eine Woche hingeschafft, be­vor er sich aus dem Staub gemacht hat. Es ist jede Menge zu essen da. Er hat sich dorthin zurückgezogen, um nachzudenken. Worüber, weiß ich nicht. Hört sich an, als wäre bei ihm eine Sicherung durchgebrannt.«

»Ich ruf Rick Shaw an«, erbot sie sich.

»Nicht nötig. Ich geh zu ihm, nachdem ich Taxi besucht habe. Sie muß wissen, daß Cabell körperlich gesund ist, wenn auch nicht geistig.«

»Weißt du genau, wo er ist?«

»Nein. In einer Hütte nicht weit von Crabtree Falls. Aber die Bundespolizei wird ihn finden. Bleib du hier. Ich kümmere mich um alles.«

Er gab ihr noch einen Kuß und ging.

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