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Die gestärkte Schürze knisterte, als Tiffany Hayes, das Haus­mädchen, an den Tisch trat. Little Marilyn, in einen bodenlan­gen lilaseidenen Morgenrock gehüllt, saß Fitz-Gilbert gegen­über, der fürs Büro angezogen war. Das zartrosa Hemd und die Hosenträger vervollständigten das überlegt zusammengestellte Ensemble.

Tiffany servierte Eier, Speck, Grütze und diverse Marmela­den. »Ist das alles, Mrs. Hamilton?«

Little Marilyn begutachtete kritisch ihr Essen. »Roberta hat den Petersilienzweig auf den Eiern vergessen.«

Tiffany knickste und begab sich in die Küche, wo sie Roberta über ihr schreckliches Versäumnis unterrichtete. Bei jeder Mahlzeit beleidigte irgendeine Kleinigkeit Little Marilyns hochentwickelten Dekorationssinn.

Die Hände in die Hüften gestemmt, erwiderte Roberta der beipflichtenden Tiffany: »Meinetwegen soll sie eine Schweins­blase fressen.«

In der Frühstücksecke genossen die Eheleute ein entspanntes Mahl. Für kurze Zeit war es sonnig, aber dann zogen wieder Wolken auf.

Little Marilyn seufzte. »Ist das nicht ein komisches Wetter?«

Fitz-Gilbert senkte die Stimme. »Die Jahreszeitenwechsel sind voller Überraschungen. - Genau wie du.«

Little Marilyn lächelte scheu. Es war ihre Idee gewesen, ihren Mann heute morgen beim Duschen zu überfallen. Die Sexbera­tungsbücher zum Thema>Mehr Lust< zahlten sich aus.

»Für Blonde ist das Leben aufregender.« Er fuhr sich mit der Hand über seine Tolle. Seine Haare waren exakt geschnitten, mit kurzen Koteletten, kurz an den Seiten und am Hinterkopf, am Oberkopf etwas länger. »Es gefällt dir wirklich, oder?«

»Ja. Und deine Hosenträger gefallen mir auch.« Sie lehnte sich über den Tisch und ließ einen Träger schnappen.

»Halter, meine Liebe. Hosenträger sind was für alte Männer.« Er verdrückte seine Frühstückseier. »Marilyn« - Pause - »wür­de st du mich auch lieben, wenn ich, nun ja, kein Andover-Princeton-Absolvent wäre? Wenn ich kein Hamilton wäre?« Er spielte auf seine erlauchte Familie an, deren Geschichte in Amerika bis ins siebzehnte Jahrhundert zurückreichte.

Die Hamiltons, ursprünglich aus England stammend, waren zuerst auf den Westindischen Inseln gelandet, wo sie mit Zuckerrohr ein Vermögen verdienten. Ein Sohn, den es nach einer größeren Bühne für seine Talente gelüstete, war nach Philadel­phia gesegelt. Diesem ehrgeizigen Stamm war eine lange Reihe von Staatsdienern, Geschäftsleuten und gelegentlichen Schur­ken entsprossen. Fitz-Gilberts Zweig der Familie, der New Yorker Zweig, erlitt zahlreiche Verluste, bis nur noch Fitz' unmittelbare Familie übrigblieb. Einen Sommer nach Fitz' mitt­lerem High-School-Abschluß vernichtete ein schicksalhafter Flugzeugabsturz die New Yorker Hamiltons. Mit sechzehn war Fitz-Gilbert ein Waisenknabe.

Fitz schien den Schock zu überwinden. Den Sommer über ar­beitete er als Botenjunge bei einem Börsenmakler, ganz so, wie es sein Vater geplant hatte. Trotz seiner blaublütigen Bekannten war in jenen Tagen ein anderer Junge in der Maklerfirma sein einziger richtiger Freund, ein intelligenter Bursche aus Brook­lyn namens Tommy Norton. An den Wochenenden entflohen sie der Wall Street, meistens in die Hampton Roads oder nach Cape Cod.

Fitz' stoische Ruhe beeindruckte jedermann, aber Cabell Hall, sein Vormund und Treuhänder an der Chase Manhattan Bank, machte sich Sorgen. In Fitz' Fassade zeigten sich Risse. Er fuhr ein Auto zu Schrott, entkam aber unverletzt. Cabell ging nicht in die Luft. »Jungs sind eben Jungs«, befand er. Dann schwän­gerte Fitz ein Mädchen, und Cabell besorgte einen angesehenen Arzt, der das in Ordnung brachte. Im zweiten Sommer von Fitz' Lehrzeit an der Wall Street schließlich erlitten er und Tommy Norton auf Cape Cod einen Autounfall. Beide waren sturzbe­trunken. Zum Glück trugen sie nur Gesichtsverletzungen und Prellungen davon, als sie durch die Windschutzscheibe flogen. Da Fitz am Steuer gesessen hatte, kam er für die Arztkosten auf, was bedeutete, daß ihnen die allerbeste Pflege zuteil wurde. Aber Fitz genas nur körperlich. Er hatte das Schicksal herausge­fordert und beinahe nicht nur sich, sondern auch seinen besten Freund getötet. Ein Nervenzusammenbruch war die Folge. Ca­bell verfrachtete ihn in eine teure, ruhige Klinik in Connecticut.

Bevor sie heirateten, hatte Fitz Little Marilyn seine Geschich­te erzählt, aber seither hatte er sie nie mehr erwähnt.

Jetzt sah Little Marilyn ihn an und wußte nicht, wovon er re­dete. Fitz war aus vornehmer Familie, reich und amüsant. Sie konnte sich nicht erinnern, in irgendeinem ihrer Bücher gelesen zu haben, daß Männer bestätigt haben mußten, daß sie etwas wert waren. Die Bücher konzentrierten sich auf die sexuellen Freuden und darauf, wie eine Frau ihrem Ehemann durch eine berufliche Krise und durch die gefürchteten männlichen Wech­seljahre half, aber davon waren sie noch Jahre entfernt. Vermut­lich spielte er ihr etwas vor. Fitz war erfindungsreich.

»Ich würde dich lieben, und wenn du« - sie suchte nach etwas Abfälligem - »ein Iraker wärst.«

Er lachte. »Das ist weit hergeholt. Ach ja, der Mittlere Osten, die Bedürfnisanstalt des Menschengeschlechts.«

»Was die wohl über uns sagen?«

»Teufelssaat«, sagte er mit drohender Stimme in einem Ak­zent, den er für irakisch hielt.

Eines von den vierzehn Telefonen in dem überdimensionalen Haus zwitscherte. Das grelle Telefonklingeln war zu unharmo­nisch für Little Marilyn, die glaubte, das absolute Gehör zu haben. Deswegen gab sie bündelweise Geld für Telefone mit Vogelstimmen aus. Infolgedessen klang es in ihrem Haus wie in einer metallischen Voliere.

Tiffany erschien. »Ich glaube, es ist Ihre Mutter, Miss Mim, aber ich habe kein Wort verstanden.«

Ein kurzer Anflug von Zorn überkam Marilyn Sanburne Ha­milton, und sie runzelte ihre weiße Stirn. Sie griff zum Telefon, und ihre Stimme verriet nicht die Spur von Verärgerung. »Mut­ter, Darling.«

Mutter-Darling tobte, raste und stieß dermaßen seltsame Laute aus, daß Fitz seine Serviette hinlegte, aufstand und sich hinter seine Frau stellte, die Hände auf ihren schmalen Schultern. Sie sah zu ihrem Mann auf und bedeutete ihm, daß auch sie kein Wort verstand. Dann veränderte sich ihre Miene, die Stimme in der Ohrmuschel hatte sich zu purer Hysterie gesteigert.

»Mutter, wir sind gleich bei dir.« Die gehorsame Tochter legte den Hörer auf.

»Was ist los?«

»Keine Ahnung. Sie hat nur geschrien und gebrüllt. O Fitz, wir sollten uns beeilen.«

»Wo ist dein Vater?«

»Er ist heute in Richmond auf einer Burgermeisterversamm­lung.«

»Ach du lieber Gott.« Wenn Mims Mann nicht da war, ruhte die Last des Tröstens und Zuspruchs auf Fitz. Kein Wunder, daß Jim Sanburne jede Gelegenheit nutzte, zu verreisen.

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