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Das milde Wetter hielt zur großen Freude von ganz Crozet noch drei Tage an. Mim verlor keine Zeit: Sie lag Little Marilyn in den Ohren, Blair Bainbridge zu sich nach Hause einzuladen; Mim wollte dann mal eben wie zufällig vorbeikommen. Sie bedauerte sehr, daß Blair zu jung für sie sei, und äußerte es laut, aber das war ihre übliche Masche bei gut aussehenden Män­nern. Jim, ihr Mann, lachte über ihre Standardbemerkung.

Fitz-Gilbert Hamiltons Arbeitszimmer erschien Blair wie eine Hymne an Princeton. Wieviel Orange und Schwarz konnte ein Mensch vertragen? Fitz-Gilbert ließ es sich nicht nehmen, Blair sein Mannschaftsfoto zu zeigen. Er zeigte ihm sogar das Squashfoto aus seiner Collegezeit in Andover. Blair fragte ihn, was mit seinen Haaren passiert sei, was Fitz-Gilbert auf seinen fliehenden Haaransatz bezog. Blair versicherte ihm eiligst, das habe er nicht gemeint; ihm sei aufgefallen, daß der junge Fitz­Gilbert blond war. Little Marilyn kicherte und sagte, als Student habe sich ihr Mann die Haare gefärbt. Fitz-Gilbert sagte groß­spurig, alle Jungs hätten das getan - es habe nichts zu bedeuten.

Das Ergebnis dieser Unterhaltung war, daß Fitz-Gilbert am nächsten Morgen mit blonden Haaren im Postamt erschien. Harry starrte auf den hellen Schopf über seinem freundlichen Gesicht und hielt es für das Beste, eine entsprechende Bemer­kung zu machen.

»Haben Sie beschlossen, als Blondine zu leben, Fitz? Big Ma­rilyn scheint auf Sie abzufärben.«

Mim flog alle sechs Wochen nach New York City, um sich die Haare und Gott weiß was noch machen zu lassen.

»Gestern abend hat meine Frau nach Durchsicht meiner Jah­resalben gefunden, daß ich blond besser aussehe. Was meinen Sie? Haben Blonde mehr Spaß?«

Harry begutachtete den Effekt. »Sie sehen aus wie ein richti­ger Schuljunge. Ich glaube, Sie haben Ihren Spaß, egal, welche Haarfarbe Sie haben.«

»In Richmond hätte ich das nicht machen können. In dieser Anwaltskanzlei.« Er legte sich die Hände im Würgegriff um den Hals. »Seit ich meine eigene Kanzlei habe, kann ich tun und lassen, was ich will. Großartiges Gefühl. Ganz abgesehen davon, daß ich jetzt bessere Arbeit leiste.«

»Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich mich zur Arbeit in Schale werfen müßte.«

»Es wäre noch schlimmer, wenn Sie die Katze und den Hund nicht mit zur Arbeit nehmen könnten«, bemerkte Fitz-Gilbert. »Wissen Sie, ich glaube, der Mensch ist nicht dazu geschaffen, in großen Firmen zu arbeiten. Schauen Sie sich Cabell Hall an, der vor Jahren von der Chase Manhattan Bank zur Allied Na­tional gewechselt ist. Nach einer Weile zermürbt die ewige Mühle einer riesigen Firma selbst die fähigsten Leute. Das ge­fällt mir so an Crozet: Die Stadt ist klein, die Betriebe sind klein, die Leute sind freundlich. Am Anfang wußte ich nicht, wie ich den Umzug von Richmond nach hier verkraften würde. Ich dachte, es könnte langweilig werden.« Er lächelte. »Aber im Umkreis der Sanburnes wird es dem Leben wohl kaum gelin­gen, langweilig zu sein.«

Harry lächelte zurück, hielt aber wohlweislich den Mund. Fitz-Gilbert ging hinaus, quetschte sein großes Gestell in seinen Mercedes 560 SL und brauste davon. Fitz und Little Marilyn hatten den SL in Perlschwarz, einen weißen Range Rover, einen silbernen Mercedes 420 SL und einen funkelnden Chevy- Halbtonner mit Allradantrieb.

Im Laufe des Tages sank die Temperatur um gut neun auf knapp sieben Grad. Dräuende schwarze Wolken ballten sich auf den Gipfeln der Blue Ridge Mountains zusammen. Es fing an zu regnen, bevor Harry Dienstschluß hatte. Mrs. Hogendobber fuhr Harry liebenswürdigerweise nach Hause, obwohl sie sich über Mrs. Murphy und Tucker in ihrem Wagen beklagte, einem alten Ford Falcon. Sie beklagte sich auch über den Wagen. Die­ses vertraute Thema - Mrs. Hogendobber hatte über ihren Wa­gen gejammert, seit George ihn 1963 gekauft hatte - lullte Har­ry in einen tranceartigen Halbschlaf.

». brauche bald vier neue Reifen, und ich frag mich, Miran­da, lohnt es sich? Ich denke mir, ich gebe die Karre in Zahlung, und dann gehe ich zum Fordhändler Brady-Bush und erkundige mich nach den Preisen, und Harry, ich kann Ihnen sagen, mein Herz fängt regelrecht zu rasen an. Wer kann sich ein neues Auto leisten? Also heißt es flicken, flicken und nochmals flicken. Nanu, sieh mal einer an!« rief sie aus. »Harry, sind Sie wach? Hab ich mit mir selbst gesprochen? Da, gucken Sie mal.«

»Häh?« Harrys Augen folgten Mrs. Hogendobbers Zeigefin­ger.

Ein großes Schild hing an einem neuen Pfosten. Der Hinter­grund war jägergrün, das Schild selbst war in Gold eingefaßt, und auch die Beschriftung war golden. Ein Fuchs lugte aus seinem Bau. Über diesem realistischen Gemälde stand zu lesen FOXDEN - Fuchsbau.

»Das muß eine hübsche Stange gekostet haben«, sagte Mrs. Hogendobber in mißbilligendem Ton.

»Heute morgen war es noch nicht da.«

»Dieser Bainbridge muß stinkreich sein, wenn er so ein Schild aufstellen kann. Als nächstes setzt er vielleicht noch Steinwälle, und die billigsten, ich meine die allerbilligsten, die man kriegen kann kosten dreihundert Dollar pro viertel Kubikmeter.«

»Geben Sie nicht vorschnell sein Geld für ihn aus. Ein hüb­sches Schild heißt noch lange nicht, daß er überschnappt und sozusagen seine sämtlichen Waren in die Auslage stellt.«

Als sie in die lange Zufahrt einbogen, die zu Harrys Schindel­haus führte, bat Harry Miranda Hogendobber auf eine Tasse Tee hinein. Mrs. Hogendobber lehnte ab. Sie müsse zu einer Kirchenversammlung, und außerdem wisse sie, daß Harry zu tun habe. Angesichts des steten Temperaturabfalls und der fin­steren Wolken, die den Berg hinunterschlitterten wie auf einer pechschwarzen Rodelbahn, war Harry froh über die Ablehnung. Mrs. Hogendobber wendete in der Zufahrt, und Harry eilte in die Scheune. Mrs. Murphy und Tucker liefen weit voraus.

Ihre dicke Stalljacke hing an einem Sattelhaken. Harry warf sie sich über, vertauschte die Turnschuhe mit hohen Gummi­stiefeln und pflanzte sich ihre Giants-Kappe auf den Kopf. Sie nahm die Stallhalfter und Leitzügel und ging zur Westweide. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht Mrs. Murphy blieb in der Scheune, aber Tucker kam mit.

Tomahawk und Gin Fizz, froh, ihre Mutter zu sehen, trabten herbei. Kurz darauf war die kleine Familie in der Scheune versammelt. Der Regen wurde stärker und prasselte auf das Blech­dach. Ein steifer Wind blies schneidend von Nordosten.

Während Harry Kleie mit heißem Wasser vermischte und Grünfutter abmaß, durchstreifte Mrs. Murphy den Heuboden. Da alle drei beim Betreten der Scheune so viel Lärm gemacht hatten, waren die Mäuse vorgewarnt. Die große alte Eule hockte in den Dachsparren. Mrs. Murphy konnte die Eule nicht leiden, was auf Gegenseitigkeit beruhte, da sie sich die Mäuse streitig machten. Grobe Worte fielen jedoch selten. Sie hatten sich die Devise »leben und leben lassen« zu eigen gemacht.

Ein rosa Näschen über gesträubten Barthaaren lugte hinter ei­nem Heuballen hervor.»Mr. Murphy?«

»Simon, was machst du hier?« Mrs. Murphys Schwanz stellte sich senkrecht.

»Das Gewitter kam so schnell. Weißt du, ich hab mir überlegt, dies wäre ein guter Platz zum Überwintern. Dem Mensch hat doch wohl nichts dagegen, oder?«

»Solange du vom Getreide wegbleibst, macht es ihr wohl nichts aus. Aber hüte dich vor der Schlange.«

»Die ist schon im Winterschlaf oder tut zumindest so.« Simons Barthaare zuckten verschmitzt.

»Wo?«

Simon gab durch Zeichen zu verstehen, daß die 1,20m lange Kletternatter sich unter dem Heu an der Südseite des Heubo­dens, der wärmsten Stelle, zusammengeringelt hatte.

»Guter Gott, ich hoffe bloß, daß Harry nicht den Ballen hoch­hebt und sie entdeckt. Sie würde einen Herzschlag kriegen.« Mrs. Murphy ging zu der Stelle. Sie konnte eine Schwanzspitze sehen, mehr nicht.

Sie kam zurück und setzte sich neben Simon.

»Die Eule haßt die Schlange«, bemerkte Simon.

»Ach, die meckert doch über alles.«

»Wer?«

»Die!«, rief Mrs. Murphy nach oben.

»Ich meckere nicht, aber du kletterst andauernd hier rauf und reißt dein großes Maul auf. Das erschreckt die Mäuse. «

»Für dich ist es zu früh zum Jagen.«

»Das ändert nichts daran, daß du ein großes Maul hast.«

Die Eule plusterte ihr Gefieder auf, dann drehte sie einfach den Kopf weg. Sie konnte ihren prächtigen Kopf fast um 360 Grad herumdrehen, was die anderen Tiere sehr faszinierte. Vom Standpunkt der Eule hatten Vierbeiner ein äußerst enges Ge­sichtsfeld.

Mrs. Murphy und Simon kicherten, dann kletterte Mrs. Mur­phy die Leiter wieder hinunter.

Als Harry fertig war, tollten Mrs. Murphy und Tucker unge­duldig zum Haus.

Nebenan rannte Blair, kalt und durchnäßt bis auf die Haut, ebenfalls in sein Haus. Er war, einen knappen Kilometer von jedem Unterstand entfernt, vom Regen überrascht worden.

Bis er sich abgetrocknet hatte, war der Himmel durchzogen von rosagelben Blitzen. Es war ein ungewöhnliches Herbstge­witter. Als Blair in die Küche trat, um sich eine Suppe heiß zu machen, warfen ihn ein ohrenbetäubender Knall und ein blen­dender rosa Blitz zurück. Als er sich erholt hatte, sah er aus dem Transformatorenkasten an dem Mast neben seinem Haus Rauch aufsteigen. Der Blitz hatte in den Transformator eingeschlagen. Das elektrische Knistern hielt ein paar Sekunden an, dann er­starb es.

Blair rieb sich die Augen. Sie brannten. Das Haus war jetzt stockfinster, und er hatte keine Kerzen. Es gab so viel zu tun, um das Haus überhaupt bewohnbar zu machen, daß er noch nicht dazu gekommen war, Kerzen oder eine Taschenlampe zu kaufen, von Möbeln ganz zu schweigen.

Er dachte daran, zu Harry hinüberzugehen, entschied sich aber dagegen, weil er fürchtete, wie ein Trottel dazustehen.

Als er aus dem Küchenfenster sah, zuckte wieder ein beäng­stigender Blitzstrahl zur Erde und schlug in einen Baum ein, der auf halbem Wege zwischen Blairs Haus und dem Friedhof stand. Eine Sekunde lang glaubte Blair eine einsame Gestalt auf dem Friedhof stehen zu sehen. Dann hüllte die Finsternis wieder alles ein, und der Wind heulte wie der Teufel.

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