Kapitel 42

Die ersten Eindrücke sind entscheidend. Die Geschworenen treffen zwischen acht Uhr dreißig und neun Uhr ein. Sie schieben sich nervös durch die hölzerne Doppeltür, dann kommen sie den Gang entlang und betrachten, fast glotzend, ihre Umgebung. Für viele ist es der erste Besuch in einem Gerichtssaal. Dot und ich sitzen zusammen und allein am Ende unseres Tisches, mit dem Gesicht zu den Reihen von gepolsterten Bänken, die sich jetzt mit Geschworenen füllen. Unsere Rücken sind dem Richtertisch zugewandt. Auf unserem Tisch liegt ein Notizblock, sonst nichts. Deck hat sich auf einem Stuhl in der Nähe der Geschworenenbänke niedergelassen, ein ganzes Stück von uns entfernt. Dot und ich flüstern miteinander und versuchen zu lächeln. Ich habe ein ganz flaues Gefühl im Magen.

Der Tisch der Verteidigung jenseits des Ganges bietet ein absolut gegensätzliches Bild. Er ist von fünf Männern in schwarzen Anzügen und mit finsteren Mienen umgeben, die alle über den Stapeln von Papieren brüten, mit denen der ganze Tisch bedeckt ist.

Hier findet ganz offensichtlich ein Kampf David gegen Goliath statt, und er beginnt jetzt. Das erste, was die Geschworenen sehen, ist, daß ich meinem Gegner zahlen- und waffenmäßig und offensichtlich auch finanziell unterlegen bin. Meine arme kleine Mandantin ist schwach und gebrechlich. Diesen reichen Typen da drüben sind wir nicht gewachsen.

Jetzt, da die Beweisaufnahme abgeschlossen ist, kommt mir der Gedanke, wie unnötig es war, daß in diesem Fall fünf Anwälte zur Verteidigung aufgeboten wurden. Fünf sehr gute Anwälte. Ich wundere mich, daß Drummond nicht begreift, wie bedrohlich das auf die Geschworenen wirken muß. Sein Mandant muß irgendeine Schuld auf sich geladen haben. Weshalb würden sie sonst fünf Anwälte gegen einen einzigen einsetzen?

Heute morgen haben sie sich geweigert, mit mir zu sprechen. Wir haben Abstand gehalten, aber ihre verächtlichen Blicke haben mir verraten, daß sie empört sind über meine direkten Kontakte mit den Geschworenen. Sie sind schockiert und empört, und sie wissen nicht, was sie dagegen unternehmen können. Abgesehen vom Bestehlen eines Mandanten ist das Kontaktieren von möglichen Geschworenen das schwerste Verbrechen, das ein Anwalt begehen kann. Es ist genauso schwerwiegend wie das illegale Anbringen von Wanzen in den Telefonen des Gegners. Sie sehen richtig blöd aus, wie sie versuchen, sich entrüstet zu geben.

Der Gerichtsdiener treibt die Leute an einer Seite zusammen und fordert sie dann auf, in beliebiger Ordnung auf der anderen Seite, vor uns, Platz zu nehmen. Von der Liste von zweiundneunzig Personen sind einundsechzig erschienen. Einige waren unauffindbar. Zwei waren gestorben. Eine Handvoll behauptete, krank zu sein. Ein paar andere hat Kipler aus verschiedenen persönlichen Gründen entlassen. Als der Gerichtsdiener die Namen aufruft, mache ich mir Notizen. Mir ist, als kenne ich diese Leute seit Monaten. Nummer sechs ist Billy Porter, der Geschäftsführer von Western Auto, der mich angeblich gestern abend angerufen hat. Es dürfte interessant sein zu erleben, was Drummond mit ihm macht.

Jack Underhall und Kermit Aldy vertreten Great Benefit. Sie sitzen hinter Drummond und seinem Team. Das sind sieben dunkle Anzüge, sieben todernste und einschüchternde Gesichter, die die Geschworenen mustern. Nur Mut, Leute! Ich behalte eine freundliche Miene bei.

Kipler betritt den Saal, und alle erheben sich. Das Gericht tagt. Er begrüßt die Geschworenen und hält eine kurze und eindringliche Rede über das Geschworenenamt und Bürgerpflichten. Ein paar Hände heben sich, als er fragt, ob es begründete Entschuldigungen gibt. Er läßt sie einzeln zum Richtertisch kommen, wo sie mit gedämpfter Stimme ihre Gründe vortragen. Vier der fünf leitenden Angestellten von meiner schwarzen Liste flüstern mit dem Richter. Er entläßt sie, was mich keineswegs überrascht.

Das dauert einige Zeit, aber es verschafft uns Gelegenheit, die Leute zu mustern. So, wie sie dasitzen, werden wir wahrscheinlich nicht über die ersten drei Reihen hinauskommen. Das sind sechsunddreißig. Wir brauchen nur zwölf, plus zwei Stellvertreter.

Auf den Bänken unmittelbar hinter dem Tisch der Verteidigung entdecke ich zwei gut gekleidete Fremde. Juryberater, vermute ich. Sie beobachten jede Bewegung dieser Leute. Wie hat sich unsere kleine Kriegslist auf ihre tiefschürfenden psychologischen Analysen ausgewirkt? Ha, ha, ha. Ich wette, sie hatten es noch nie mit ein paar armen Irren zu tun, die am Vorabend herumlaufen und mit den potentiellen Geschworenen reden.

Seine Ehren entläßt noch sieben weitere, es bleiben also noch fünfzig. Dann liefert er eine kurze Zusammenfassung des Falls und stellt die Parteien und die Anwälte vor. Buddy ist nicht im Gerichtssaal. Buddy sitzt in seinem Fairlane.

Dann fängt Kipler mit der ernsthaften Befragung an. Er fordert die Geschworenen auf, die Hand zu heben, wenn sie irgend etwas zu sagen haben. Kennt jemand von Ihnen eine der Parteien, einen der Anwälte, einen der Zeugen? Hat einer von Ihnen eine von Great Benefit ausgestellte Police? Ist einer von Ihnen in ein Gerichtsverfahren verwickelt? Hat einer von Ihnen jemals eine Versicherungsgesellschaft verklagt?

Es gibt ein paar Reaktionen. Sie heben die Hand, dann stehen sie auf und reden mit Seinen Ehren. Sie sind nervös, aber nachdem ein paar vorangegangen sind, ist das Eis gebrochen. Jemand macht eine scherzhafte Bemerkung, und alle entspannen sich ein wenig. Zeitweise, und für sehr kurze Momente, rede ich mir ein, daß ich hierher gehöre. Ich kann das tun. Ich bin Anwalt. Natürlich habe ich bisher noch nicht den Mund aufgemacht.

Kipler hat mir eine Liste seiner Fragen gegeben, und er wird nach allem fragen, was ich wissen möchte. Dagegen ist nichts einzuwenden. Er hat Drummond dieselbe Liste gegeben.

Ich mache mir Notizen, beobachte die Leute, höre mir genau an, was gesagt wird. Deck tut dasselbe. Es ist grausam, aber ich bin beinahe froh, daß die Geschworenen nicht wissen, daß er zu mir gehört.

Die Zeit schleppt sich dahin, während Kipler sich durch seine Fragen wühlt. Nach fast zwei Stunden ist er fertig. Das flaue Gefühl kehrt in meinen Magen zurück. Für Rudy Baylor ist die Zeit gekommen, seine ersten Worte in einem richtigen Prozeß zu sprechen. Es wird ein kurzer Auftritt werden.

Ich stehe auf, trete vor die Geschworenen, bedenke sie mit einem freundlichen Lächeln und spreche die Worte, die ich tausendmal geprobt habe.»Guten Morgen. Mein Name ist Rudy Baylor, und ich vertrete die Blacks. «So weit, so gut. Nach zwei Stunden des Behämmerns vom Richtertisch aus sind sie reif für etwas anderes. Ich schaue sie freundlich, aufrichtig an.»Also, Richter Kipler hat Ihnen eine Menge Fragen gestellt, und die sind sehr wichtig. Er hat Sie nach allem gefragt, was ich wissen wollte, also will ich keine Zeit vergeuden. Ich habe nur eine einzige Frage. Fällt einem von Ihnen irgendein Grund ein, weshalb er nicht in dieser Jury sitzen und diesen Fall hören sollte?«

Es ist keine Reaktion zu erwarten, und es kommt auch keine. Sie haben mich seit mehr als zwei Stunden angesehen, und ich will nur hallo sagen, sie mit einem freundlichen Lächeln bedenken und mich ganz kurz fassen. Im Leben gibt es nur wenige Dinge, die schlimmer sind als ein langatmiger Anwalt. Außerdem habe ich das Gefühl, daß Drummond über sie herfallen wird.

«Ich danke Ihnen«, sage ich mit einem Lächeln, dann drehe ich mich zum Richtertisch um und sage laut:»Die Damen und Herren scheinen in Ordnung zu sein, Euer Ehren. «Ich kehre auf meinen Platz zurück, und während ich mich setze, klopfe ich Dot auf die Schulter.

Drummond ist bereits auf den Beinen. Er versucht, gelassen und leutselig zu erscheinen. Aber der Mann brennt innerlich. Er stellt sich vor und fängt dann an, über seinen Mandanten zu reden und die Tatsache, daß Great Benefit eine große Firma ist mit einer gesunden Bilanz. Dafür darf sie nicht bestraft werden, verstehen Sie? Wird das einen von Ihnen beeinflussen? Er hält praktisch ein Plädoyer, was nicht zulässig ist. Aber er hält sich eng genug an die Vorschriften, um nicht verwarnt zu werden. Ich weiß nicht recht, ob ich Einspruch erheben sollte. Ich habe mir geschworen, das nur zu tun, wenn ich sicher bin, im Recht zu sein. Diese Art der Befragung ist sehr effektiv. Seine geschmeidige Stimme bittet um Vertrauen. Sein angegrautes Haar suggeriert Weisheit und Erfahrung.

Er stellt noch ein paar weitere Fragen, ohne eine einzige Reaktion. Er legt Samen aus. Dann kommt das dicke Ende.

«Also, was ich Sie jetzt fragen möchte, ist die allerwichtigste Frage des Tages«, sagt er ernst.»Bitte hören Sie mir aufmerksam zu. Sie ist von ausschlaggebender Bedeutung. «Eine lange, dramatische Pause.»Ist einer von Ihnen auf diesen Fall hin angesprochen worden?«

Im Gerichtssaal herrscht absolute Stille, während seine Worte in der Luft hängen und sich dann langsam niedersenken. Es ist mehr eine Anschuldigung als eine Frage. Ich werfe einen Blick zu ihrem Tisch. Hill und Plunk funkeln mich an. Morehouse und Grone beobachten die Geschworenen.

Drummond ist ein paar Sekunden lang starr, bereit, sich auf die erste Person zu stürzen, die tapfer genug ist, eine Hand zu heben und zu sagen:»Ja! Der Anwalt der Anklage hat mich gestern abend aufgesucht!«Drummond weiß, daß es kommen muß, er weiß es einfach. Er wird die Wahrheit herausholen, mich und meinen korrupten Hilfsanwaltspartner bloßstellen, beantragen, daß ich gemaßregelt, bestraft und schließlich aus der Anwaltskammer ausgeschlossen werde. Der Fall wird auf Jahre hinaus vertagt werden. Es muß so kommen!

Aber seine Schultern sacken langsam herunter. Die Luft strömt lautlos aus seinen Lungen. Ein Haufen Lügenbolde!

«Dies ist überaus wichtig«, sagt er.»Wir müssen es wissen. «Seine Stimme steckt voller Mißtrauen.

Nichts. Nirgendwo eine Bewegung. Aber sie mustern ihn eingehend, und er flößt ihnen eine Menge Unbehagen ein. Mach so weiter, großer Junge.

«Lassen Sie es mich anders formulieren«, sagt er, sehr kalt.»Hat sich irgend jemand von Ihnen gestern mit Mr. Baylor hier oder mit Mr. Deck Shifflet da drüben unterhalten?«

Ich springe auf.»Einspruch, Euer Ehren! Das ist absurd!«

Kipler ist nahe daran, über den Richtertisch zu springen.

«Stattgegeben! Was soll das, Mr. Drummond?«brüllt Kipler direkt in sein Mikrofon, und die Wände wackeln.

Drummond wendet sich zum Richtertisch.»Euer Ehren, wir haben Grund zu der Annahme, daß mit diesen Leuten geredet worden ist.«

«Ja, und er beschuldigt mich«, sage ich wütend.

«Ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen, Mr. Drummond«, sagt Kipler.

«Vielleicht sollten wir das in Ihrem Zimmer erörtern«, sagt Drummond und funkelt mich an.

«Eine kurze Pause«, sagt Kipler zu seinem Gerichtsdiener.

Drummond und ich sitzen Seinen Ehren an seinem Schreibtisch gegenüber. Die anderen vier Trent & Brents stehen hinter uns. Kipler ist ausgesprochen bestürzt.»Ich hoffe, Sie haben gute Gründe«, sagt er zu Drummond.

«Diese Leute sind manipuliert worden«, sagt Drummond.

«Woher wissen Sie das?«

«Das kann ich nicht sagen. Aber ich weiß es.«

«Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Leo. Ich will Beweise.«

«Ich kann es Ihnen nicht sagen, Euer Ehren, nicht ohne vertrauliche Informationen preiszugeben.«

«Unsinn! Reden Sie.«

«Es ist wahr, Euer Ehren.«

«Beschuldigen Sie mich?«frage ich.

«Ja.«

«Sie haben den Verstand verloren.«

«Ihr Verhalten ist ziemlich bizarr, Leo«, sagt Seine Ehren.

«Ich glaube, ich kann es beweisen«, sagt er selbstgefällig.

«Wie?«

«Lassen Sie mich mit der Befragung der Leute weitermachen. Die Wahrheit wird ans licht kommen.«

«Bis jetzt hat sich niemand geäußert.«

«Ich habe ja auch kaum angefangen.«

Kipler denkt einen Moment darüber nach. Wenn dieser Prozeß vorüber ist, werde ich ihm die Wahrheit sagen.

«Ich würde gern bestimmte Geschworene direkt ansprechen«, sagt Drummond. Das ist eigentlich nicht üblich, aber es liegt im Ermessen des Richters.

«Was halten Sie davon, Rudy?«

«Keine Einwände. «In Wirklichkeit kann ich es kaum abwarten, daß Drummond damit anfängt, sich die Leute vorzuknöpfen, die wir angeblich beeinflußt haben.»Ich habe nichts zu verbergen. «Zwei der Typen hinter mir husten beziehungsvoll.

«Also gut. Es ist Ihr Grab, das Sie da graben, Leo. Aber halten Sie sich an die Regeln.«

«Was haben Sie da drin gemacht?«fragt Dot, als ich an den Tisch zurückkehre.

«Nur Anwaltskram«, flüstere ich. Drummond steht vor den Geschworenen, die ihn extrem mißtrauisch ansehen.

«Also, ich sagte es bereits. Es ist überaus wichtig, daß Sie es uns sagen, falls jemand Sie aufgesucht und mit Ihnen über diesen Fall gesprochen hat. Bitte heben Sie die Hand, wenn das geschehen ist. «Er hört sich an wie ein Lehrer von Erstkläßlern.

Nirgends eine Hand.

«Es ist eine überaus schwerwiegende Sache, wenn mit einem Geschworenen von einer der an einem Fall beteiligten Parteien direkt oder indirekt Kontakt aufgenommen wird. Es könnte sogar sehr ernste Folgen haben sowohl für die Person, die mit einem Geschworenen gesprochen hat, als auch für den Geschworenen selbst, wenn er es unterläßt, das zu melden. «Das hat einen drohenden Unterton.

Keine Hände. Keine Bewegung. Nichts als eine Gruppe von Leuten, die jetzt schnell wütend werden.

Er verlagert sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, reibt sich das Kinn und wendet sich direkt an Billy Porter.

«Mr. Porter«, sagt er mit tiefer Stimme, und Billy fühlt sich getroffen. Er richtet sich auf, nickt. Sein Gesicht läuft rot an.

«Mr. Porter, ich möchte Ihnen eine direkte Frage stellen, und ich erwarte eine ehrliche Antwort.«

«Wenn Sie eine ehrliche Frage stellen, bekommen Sie auch eine ehrliche Antwort«, sagt Porter wütend. Das ist ein Mann mit einer kurzen Lunte. An Drummonds Stelle würde ich ihn in Ruhe lassen.

Drummond verhält einen Moment, dann stürmt er vor.»Ja, also, Mr. Porter, haben Sie gestern abend am Telefon mit Mr. Rudy Baylor gesprochen oder nicht?«

Ich stehe auf, breite die Arme aus, schaue Drummond an, als wäre ich völlig unschuldig und er hätte den Verstand verloren, sage aber nichts.

«Natürlich nicht«, sagt Porter, und sein Gesicht wird noch röter.

Drummond lehnt sich an die Schranke und umklammert die dicke Mahagonistange mit beiden Händen. Er starrt Billy Porter an, der in der vordersten Reihe sitzt, kaum einen Meter von ihm entfernt.

«Sind Sie sicher, Mr. Porter?«fragt er.

«Ich bin verdammt sicher, Mann!«

«Ich glaube, Sie haben es doch getan«, sagt Drummond, der sich jetzt nicht mehr unter Kontrolle hat. Damit ist er zu weit gegangen. Bevor ich Einspruch erheben und bevor Kipler ihn zur Ordnung rufen kann, springt Mr. Billy Porter auf und stürzt sich auf den großen Leo F. Drummond.

«Wagen Sie es nicht, mich einen Lügner zu nennen, Sie Dreckskerl!«brüllt Porter und packt Drummond bei der Kehle. Drummond fällt über die Schranke, seine eleganten Slipper fliegen durch die Luft. Frauen kreischen. Geschworene springen von ihren Sitzen auf. Porter sitzt über Drummond, der zappelt und sich windet und tritt und versucht, einen oder zwei Hiebe anzubringen.

T. Pierce Morehouse und M. Alec Plunk Junior springen auf und treffen als erste auf dem Schlachtfeld ein. Die anderen folgen. Der Gerichtsdiener eilt herbei. Zwei der Geschworenen versuchen, die Kämpfenden auseinanderzubringen.

Ich bleibe sitzen und genieße die Prügelei. Kipler erreicht die Schranke ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Porter zurückgezogen wird und Drummond wieder hochkommt und die Kombattanten sicher voneinander getrennt worden sind. Ein Slipper wird unter der zweiten Reihe gefunden und Leo zurückgegeben, der seinen Anzug abklopft und dabei ein wachsames Auge auf Porter hat. Porter wird festgehalten und beruhigt sich rasch wieder.

Die Juryberater sind schockiert. Ihre Computermodelle sind im Eimer, ihre ausgeklügelten Theorien keinen Pfifferling mehr wert. Zu diesem Zeitpunkt sind sie völlig nutzlos.

Nach einer kurzen Unterbrechung stellt Drummond den formellen Antrag, alle Geladenen zu entlassen. Kipler lehnt ab.

Mr. Billy Porter wird von der Geschworenenpflicht entbunden und verläßt schnaubend den Saal. Ich glaube, er wollte Drummond noch ein bißchen mehr verpassen. Hoffentlich wartet er draußen, um sein Werk zu vollenden.

Den frühen Nachmittag verbringen wir mit dem mühsamen Prozeß der Auswahl der Geschworenen. Drummond und Genossen meiden entschlossen all die Leute, die Deck und ich am Vorabend am Telefon erwähnt haben. Sie sind überzeugt, daß wir uns an diese Leute herangemacht und sie irgendwie überredet haben, nichts davon verlauten zu lassen. Sie sind so wütend, daß sie mich nicht ansehen.

Das Resultat ist aus meiner Sicht eine Traumjury. Sechs schwarze Frauen, alle Mütter. Zwei schwarze Männer, einer ein College-Absolvent, der andere ein invalider ehemaliger Lastwagenfahrer. Drei weiße Männer, von denen zwei der Gewerkschaft angehören. Der dritte wohnt nur vier Querstraßen von den Blacks entfernt. Eine weiße Frau, Gattin eines namhaften Grundstücksmaklers. Ich konnte sie nicht vermeiden, aber ich mache mir ihretwegen keine Sorgen. Für einen Urteilsspruch sind nur neun der zwölf Geschworenen erforderlich.

Um vier Uhr nachmittags weist Kipler ihnen ihre Plätze an und vereidigt sie. Er weist sie darauf hin, daß der Prozeß in einer Woche beginnt und daß sie mit niemandem über den Fall sprechen dürfen. Dann tut er etwas, das mir zuerst einen Mordsschrecken einjagt, das ich bei weiterem Nachdenken jedoch für eine großartige Idee halte. Er fragt beide Anwälte, mich und Drummond, ob wir ein paar Bemerkungen an die Geschworenen richten würden, außerhalb des Protokolls und ganz informell. Einfach ein bißchen was über unseren Fall erzählen. Nichts Ausgeklügeltes.

Ich natürlich habe nicht damit gerechnet, vor allem deshalb, weil es so etwas noch nie gegeben hat. Trotzdem schüttele ich meine Nervosität ab und trete vor die Geschworenen. Ich erzähle ihnen einiges über Donny Ray, über die Police und darüber, weshalb wir glauben, daß Great Benefit ein Unrecht begangen hat. Nach fünf Minuten bin ich fertig.

Drummond tritt vor die Geschworenen, und selbst ein Blinder könnte das Mißtrauen spüren, daß er in ihnen gesät hat. Er entschuldigt sich für den Zwischenfall, gibt aber unklugerweise Porter den größten Teil der Schuld. Was für ein selbstgefälliger Mensch. Er liefert seine Version der Fakten, sagt, Donny Rays Tod täte ihm sehr leid, aber zu behaupten, sein Mandant wäre daran schuld, wäre einfach lächerlich.

Ich beobachte sein Team und die Leute von Great Benefit, und sie sehen alles andere als erfreut aus. Die Fakten sprechen gegen sie. Sie haben eine Klägerjury. Der Richter ist ihnen feindlich gesinnt. Und ihr Star hat nicht nur jede Glaubwürdigkeit bei den Geschworenen verloren, sondern außerdem noch Prügel bezogen.

Kipler entläßt uns, und die Geschworenen gehen nach Hause.

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