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Kürzlich wurde Xiangqun, der Jüngste meines Bruders, von der Luftwaffe als Pilot angeworben. Es sind zwar vierzig Jahre verstrichen, wir haben völlig andere Zeiten und, wie schon das Sprichwort sagt, auch blaues Meer kann sich zu grünen Maulbeerhainen wandeln. Heutzutage ist vieles, weswegen früher die Köpfe rollten, nur noch einen Witz wert. Das betrifft auch viele Berufe, die damals Neid und Bewunderung erregten. Sie gelten heute als niedere Arbeiten und ernten nur noch Verachtung, aber als Fliegerpilot angeworben zu werden, ist immer noch etwas, weswegen die ganze Sippe in Aufregung gerät und worum einen alle Nachbarn beneiden. Um diesen zukünftigen Jetpiloten zu feiern, kehrte mein inzwischen von seinem Posten als Amtsleiter der Schulbehörde in den Ruhestand versetzter großer Bruder extra aus der Stadt zurück und gab ein Bankett für alle Verwandten und Freunde.
Das Festessen wurde im Hof des Hauses meines zweiten Bruders aufgebaut. Aus dem Zimmer führten sie ein Stromkabel heraus, an dem sie eine starke Glühlampe anschlossen, die den Hof in blendendweißes Licht tauchte. Sie hatten zwei Esstische zusammengeschoben, woran dicht gedrängt zwanzig Stühle gestellt wurden. Wir saßen alle Schulter an Schulter. Unmengen verschiedener Speisen hatte mein Bruder aus dem Restaurant kommen lassen: Bunte Platten mit Wild- und Meeresspezialitäten, Huhn, Ente, Rind- und Schweinefleisch stapelten sich auf den Tischen. Meine Schwägerin wünschte allen in ihrem unverständlichen Yantaier Dialekt einen guten Appetit:
»Wir haben gar nichts Besonderes bestellt. Fangt bitte an und lasst es euch schmecken!«
Mein Vater sagte: »Nun sag das mal nicht! Erinnere dich an 1960, da konnte sich selbst der Vorsitzende Mao solches Essen nicht leisten.«
Mein für die Pilotenausbildung ausgewählter Neffe erwiderte: »Nicht schon wieder die alten Kamellen, Opa!«
Als wir alle die dritte Runde Schnaps intus hatten, sagte mein Bruder: »Nun hat unsere Familie also doch noch einen Jetpiloten hervorgebracht! Als ich damals den Aufnahmetest mitmachte, haben sie mich wegen einer Narbe am Bein nicht genommen, und nun lässt Xiangqun den Traum unserer Familie wahr werden.«
Xiangqun verzog den Mund: »Ach was, Piloten sind nichts Besonderes. Die, die es wirklich drauf haben, sind die hohen Kader. Die machen die fette Kohle!«
»So darf man nicht reden. Unsere Jetpiloten«, Vater leerte sein Schnapsglas mit einem Zug und stellte es geräuschvoll auf dem Tisch ab, »sind die Drachen und Phönixe unter den Menschen. Das war was, als sich deine Großtante ihren Jetpiloten Wang Xiaoti aussuchte! Den hättste mal sehen sollen! Der stand fest auf dem Boden wie eine Föhre, saß schwer auf dem Stuhl wie eine Bronzeglocke und bewegte sich mit der Wucht eines brüllenden Tigers. Wenn er nicht diesen Aussetzer mit Taiwan gehabt hätte, wäre der jetzt Befehlshaber der Luftwaffe. Davon kannst du ausgehen!«
»Ach so?«, fragte Xiangqun erstaunt. »Und ich dachte die ganze Zeit, Tantes Mann modelliert Glückskinder aus Ton. Wo kommt denn da plötzlich ein Jetpilot her?«
»Das sind nun wirklich alte Kamellen! Lass uns nicht wieder davon anfangen«, erwiderte mein großer Bruder, aber Xiangqun ließ nicht locker: »Kommt nicht in Frage! Ist ja affengeil! Tantes Wang Xiaoti setzt sich mit dem Flieger nach Taiwan ab. Danach frage ich meine Großtante.«
»Sei nicht auf Nervenkitzel aus, wenn du fliegen willst. Der Mensch muss patriotisch sein. Wenn du bei der Armee bist, ist das noch viel wichtiger als bei den Zivilisten, und wenn du Pilot bei der Luftwaffe bist, musst du noch mal doppelt so viel Patriotismus im Leib haben. Meinetwegen sei ein Dieb, überfalle Leute und werde ein Räuber, morde, brandschatze ... will sagen, sei alles, aber sei kein Verräter! Kein Landesflüchtiger, der ab in den Westen macht! Den Fluch des Verräters werden wir über Generationen nicht mehr los. Damit nimmt es kein gutes Ende ...«
»Ich seh schon, ich habe dich richtig ins Bockshorn gejagt! Aber Taiwan gehört«, sagte der ehrlose Xiangqun, »doch zum Vaterland. Da kann man doch mal rüberfliegen und sich umschauen.«
»Untersteh dich! Dann werd du lieber gar nicht erst Pilot, wenn du solche Ideen hast«, sagte meine Schwägerin. »Warte, ich telefoniere gleich mit Liu, dem Chef der bewaffneten Truppe, und sag ihm schon mal Bescheid, dass du es dir anders überlegt hast.«
»Reg dich ab, Mama! Ich bin doch noch nicht verrückt!«, sagte meine Neffe, »Wie käme ich dazu, nur an mein eigenes Glück zu denken und euch einfach im Stich zu lassen! Dazu kommt, dass die sich doch längst verbrüdert haben. Wenn ich rüberfliege, müssten die Taiwaner mich wieder zurückschicken.«
»So klingt das Wort eines echten Wan!«, warf mein Bruder ein. »In unserer Familie benehmen sich die Männer wie ganze Kerle und sind keine Loser wie diese Memme von Wang Xiaoti. Der hat doch das Leben meiner Tante zerstört!«
»Wer redet da über mich?« tönte es laut, als die Tante das Hoftor aufdrückte und ohne Zögern eintrat. Sie blinzelte, weil das helle Licht sie blendete. Deswegen drehte sie sich weg und setzte erst mal die Sonnenbrille auf. Sah cool aus, aber auch lächerlich.
»Wozu braucht ihr zum Essen diese Staatsbeleuchtung? Eure Großtante sagte immer: Auch wenn ihr im Stockdunkeln esst, das Essen schaufelt ihr euch noch lange nicht in die Nase. Strom wird aus Kohle gewonnen, von Menschen in tausend Metern Tiefe unter Tage abgetragen, in der leibhaftigen Hölle! Geldgierige Regierungsangestellte, korrupte Beamte und Grubenherren achten die Bergleute weniger als einen Dreck. Deswegen klebt an jedem Kohlenstück noch frisches Blut!«
Die Tante stemmte, während sie sprach, die rechte Hand in die Hüfte und zeigte mit dem linken Zeige- und Mittelfinger anklagend auf die Lampe. Angezogen war sie mit einer in den Siebzigern schwer modernen Militärkaderuniform aus Polyethylen. Die Ärmel trug sie hochgekrempelt. Sie hatte einen massigen, großen Körper und schlohweißes Haar. Wie ein Kreiskommunekader während der Kulturrevolution sah sie aus. Ich wurde von widerstreitenden Gefühlen übermannt. Wie konnte meine lotusblütengleiche Tante sich so verändert haben?
Als besprochen worden war, ob man sie zu dem Festessen einladen sollte oder nicht, waren mein großer Bruder und meine Schwägerin hin- und hergerissen gewesen. Sie hatten sich mit meinem Vater beraten, der einen Moment gezögert, dann aber entschieden hatte: »Wir werden es besser sein lassen. Außerdem wohnt sie ja nicht mehr bei uns im Dorf ... Wir können es ihr später immer noch sagen.«
Alle fühlten sich wie ertappt, als die Tante so plötzlich erschien. Peinlich berührt erhoben sie sich von ihren Stühlen. Alle waren verblüfft.
»Da kämpfe ich mich all die Jahre allein durchs Leben und komme endlich wieder nach Haus, und ihr bietet mir nicht mal einen Stuhl an?« Tantes Ton war bissig.
Alle reagierten auf der Stelle, und es entstand ein Tumult, weil ihr jeder gleichzeitig seinen Stuhl freimachte. Mein großer Bruder und seine Frau erklärten wieder und wieder:
»Wir haben doch als erstes an dich gedacht, wollten dich einladen. Der Ehrenplatz von uns Wans gebührt immer und zuallererst dir! Daran wird sich nie und nimmer etwas ändern!«
»Also ich muss schon sagen«, Tante Gugu ließ sich schwer auf den Platz neben meinen Bruder fallen, »da hast du den Mund zu voll genommen. Solange dein Vater am Leben ist, bin ich bestimmt nicht an der Reihe, den Ehrenplatz auf dem Lehnstuhl einzunehmen. Und wenn dein Vater eines Tages von uns geht, werde ich auch nicht auf den Ehrenplatz gebeten werden. Denn verheiratete Töchter sind wie auf dem Hof weggeschüttetes Wasser. Da bist du sicherlich mit mir einer Meinung, nicht wahr, lieber Neffe?«
»Du bist nicht – wie die anderen Mädchen – einfach nur eine Tochter! Du bist eine besonders verdienstvolle Persönlichkeit unserer gesamten Großfamilie!« Mein Vater zeigte auf jeden einzelnen der am Tisch Sitzenden. »Schau dir doch die Jüngeren in unserer Familie an. Da ist keiner dabei, den du nicht auf die Welt geholt hast.«
»Ein ganzer Kerl rühmt sich nicht vergangener Großtaten. Sich an frühere Zeiten zu erinnern, darüber zu sprechen, ist unnötig. Aber nun lasst uns trinken«, meinte meine Tante. »Wie kommt’s, dass ich nicht mal ein Schnapsglas bekomme, wo ich den Schnaps sogar noch mitbringe!«
Sie fischte eine Flasche Maotai aus ihrer geräumigen Jackentasche und stellte sie mit einem lauten Knall auf den Tisch: »Hier! Fünfzig Jahre alter Maotai, von einem hohen Tier aus Tinglan geschenkt gekriegt! Seine achtundzwanzig Jahre jüngere Geliebte war fest entschlossen, einen Jungen zur Welt zu bringen. Sie wollte meine Hilfe, denn ich hätte doch ein Geheimrezept, könnte einen Mädchenfötus gegen einen Jungenfötus austauschen. Ich sollte das unbedingt für sie machen. Ich sagte zu der Geliebten des Regierungskaders, das seien doch Betrügereien von Quacksalbern. Aber sie wollte es nicht glauben, bestand auf meiner Hilfe, nicht lebendig, nicht tot würde sie von der Stelle weichen, in Tränen aufgelöst bettelte sie mich an, fast auf Knien. Die Ehefrau ihres Liebhabers habe nur zwei Mädchen zur Welt gebracht. Wenn sie nun einen Jungen bekäme, werde er seine Frau doch bestimmt verlassen, dann sei er der ihre, sei sie siegreich ... Dieser Kader ist ein ziemlicher Macho. Feudalistische Ansichten hat der. Man sollte von so hohen Beamten einen höheren Bewusstseinstand erwarten können. Pfui Teufel!«
Gugu hatte sich in Fahrt geredet. »Geld von diesen Kadern ist kein ehrlich verdientes Geld! Wen sonst, wenn nicht diese Typen ausnehmen! Also habe ich ihr Kräutermedizin verordnet. Ich habe ihr neun Portionen zusammengestellt: Angelica Sinensis, Yamswurzeln, Fingerhut, Süßholz. Es sind billige Kräuter, die Handvoll nicht mehr als ein paar Pimperlinge. Zusammen hat das gerade mal dreißig Yuan gekostet. Ich habe ihr für jede Portion hundert Yuan abgenommen. Sie hat sich jedes Mal sehr gefreut, ist zu ihrem kleinen roten Coupé zurück gewatschelt und wie der Wind verschwunden. Heute Nachmittag ist dieser Regierungsbeamte mit seiner Geliebten bei mir zu Besuch gewesen, sie haben mir ihren kräftigen Jungen gezeigt. Die teuren Zigaretten und den teuren Schnaps haben sie als Dankesgeschenk mitgebracht. Sie hat gesagt, sie hätte nie im Leben einen so strammen Jungen bekommen, wenn sie meine Wundermedizin nicht eingenommen hätte.«
Gugu lachte aus vollem Hals, griff sich meinen Bruder und geleitete ihn würdevoll vor die gefüllten Schnapsgläser an ihren Platz.
»Komm, trink! Auf ex!«, dann schlug sie sich auf die Schenkel, dass es krachte. »Heute bin ich so was von gut drauf! Was haltet ihr von den Kadern? Wie kann es angehen, dass die so strohdumm sind? Ein bisschen was gelernt haben sollten die doch? Das Geschlecht des Fötus austauschen? So ein Quatsch! Wenn ich so allmächtig wäre, hätte ich doch längst den Nobelpreis für Medizin bekommen. Gießt mir Schnaps ein!« Sie pochte mit dem Schnapsglas auf den Tisch. »Den Maotai lasse ich zu, den heben wir für meinen Schwager auf.«
»Nein, bloß nicht«, beeilte sich mein Vater zu protestieren, »so ein Schnaps ist für meinen Magen reinste Verschwendung«, aber Tante hatte ihm die Flasche schon in die Hand gedrückt. »Wenn ich dir Schnaps schenke, dann trink ihn auch.«
Vater befühlte das Flaschenetikett. »Wie viel kostet so eine Flasche?«, fragte er vorsichtig.
»Mindestens achttausend Yuan musst du dafür hinblättern! Er ist aber kürzlich schon wieder teurer geworden.«
»Um Himmels willen! So viel darf doch Schnaps nicht kosten! Selbst das Blut von Phönix und Drache ist nie im Leben so viel Geld wert. Eine Flasche Schnaps kann doch nicht zehntausend Pfund Weizen wert sein! Ein volles Jahr lang Knochenarbeit im Schweiße meines Angesichts reicht nicht einmal für eine halbe Flasche Schnaps.« Vater gab meiner Tante den Schnaps zurück. »Den nimm mal lieber wieder mit. So was trinke ich besser nicht. Sonst ereilt mich noch ein früher Tod.«
Meine Tante gab zurück: »Wie gesagt, wenn ich dir Schnaps schenke, dann trink ihn auch. Außerdem weißt du, dass ich selber dafür kein Geld ausgegeben habe. Wenn wir ihn nicht trinken, wer denn dann? Wir sollten ihn, wo er doch umsonst ist, nicht verkommen lassen. Wie damals bei den Japsen zum Festessen in Pingdu. Hätten wir es nicht gegessen, wer hätte es sonst gegessen? Wäre doch schade drum gewesen, wo es umsonst war!«
Mein Vater sagte: »So weit, so gut, es mag vernünftig sein, ihn auszutrinken, wo er nun mal hier ist. Aber wenn man mal drüber nachdenkt. Wo ist die Berechtigung, für so ein bisschen Feuerwasser so viel Geld zu verlangen?«
»Schwagerherz«, erklärte meine Tante, »da hast du etwas Wesentliches nicht verstanden. Ich kann dir versichern, dass keiner, der diesen Schnaps trinkt, ihn mit seinem eigenen Geld bezahlt. Bezahlt man aus eigener Tasche, kann man sich nur billigen Fusel leisten.« Sie hob ihr Schnapsglas und leerte es wieder in einem Zug.
»Wie lange kannst du mit deinen über achtzig Jahren noch nach Herzenslust trinken?« Sie schlug sich wie ein Recke auf den Brustkorb, um heldenmütig zu verkünden: »Jetzt wird eure große Schwester euch Frischgemüse mal was verraten: Von heute an versorge ich euren Vater mit Maotai-Schnaps! Angst kennen wir doch nicht! Früher fürchteten wir zuerst die Wölfe, danach die Tiger, je größer die Furcht, umso früher sahen wir überall Gespenster. Gießt mir Schnaps nach! Kapiert ihr das nicht? Schnaps ist niemals zu schade zum Trinken!«
»Du hast ja recht, Gugu! Lass uns einen heben!«
»Wenn wir jetzt um die Wette trinken, Kinder, werdet ihr merken, dass ich nichts mehr vertrage«, meinte sie traurig. »Wenn ich daran zurückdenke, wie ich damals diese Bastarde aus der Volkskommune unter den Tisch gesoffen habe. Die ganze Bande dieser alten Teufel, die mich lächerlich machen wollten. Und? Ich habe sie alle abgefüllt, bis ihnen die Finger steif wurden und sie unter den Tisch krochen und bellten wie die Hunde. Los, ihr Grünschnäbel! Ex und hopp!«
»Tante, iss doch was dazu!«
»Wozu! Ein richtig trinkfester Bursche braucht kein Essen zum Schnaps! Ihr hättet damals euren Großonkel sehen sollen! Der konnte wirklich trinken! Der trank einen halben Krug Gaoliang-Schnaps zu einer Stange frischer Frühlingszwiebeln. Der hätte doch nicht erst gegessen! Ihr seid wohl nur zum Essen hier? Könnt ihr überhaupt trinken? Schwagerherz!«
Gugu war in Fahrt gekommen. Sie klopfte Vater auf die Schulter und öffnete ihren obersten Blusenknopf: »Wenn ich sage, dass du trinken sollst, dann trink auch mit mir. Nur wir beide sind aus unserer Generation noch am Leben. Lass uns essen und trinken! Wozu noch was aufheben? Nicht ausgegebenes Geld ist wertlos wie Papier. Man merkt erst, dass man Geld hat, wenn man es ausgibt. Geldsorgen haben wir keine, denn wir haben ein Handwerk gelernt! Die hohen Tiere werden genauso krank wie wir. Es spielt keine Rolle, wer du bist und wie hoch dein Rang ist. Wenn die da oben krank werden, brauchen sie unsere Dienste wie jeder andere Kranke auch. Und wenn’s gewünscht wird«, die Tante lachte schallend, »tauschen wir auch mal das Geschlecht eines Fötus aus.«
»Was, wenn jemand deine Wunderkräuter einnimmt und trotzdem ein Mädchen zur Welt bringt?« Mein Vater war äußerst besorgt.
»Da hast du nicht verstanden, was ein Arzt der chinesischen Medizin macht. So ein TCM-Arzt ist immer ein halber Astrologe. Ein Astrologe dreht es immer so, dass der Beratene, Behandelte selbst am Zuge ist, er würde sich niemals die Schlinge um den eigenen Hals legen.«
Mein Neffe Xiangqun ergriff schnell die Gelegenheit, als Gugu sich eine Zigarette anzündete: »Großtante, erzähl doch bitte die Geschichte von deinem Jetpiloten! Vielleicht krieg ich ja eines Tages Lust und fliege mal nach Taiwan rüber, um ihn zu besuchen!«
»Gleich setzt’s was!«, rief mein großer Bruder und »Dreist ohne Ende!«, fiel meine Schwägerin ein.
Gugu war geübt im Rauchen, weißer Zigarettenqualm umwölkte ihr locker aufgestecktes Haar. Sie leerte ihr Glas bis auf den Grund.
»Denke ich heute daran zurück, hat er mich zwar ins Verderben gestürzt, andererseits wieder hat er mich gerettet!«
Sie zog ein paar Mal kräftig an ihrer Zigarette und schnippte die Kippe mit dem Mittelfinger in hohem Bogen davon. Die flog glühend in einer dunkelroten Kurve weit hinauf bis ins Weintraubenspalier. Gugu stand auf: »Ich bin dicht. Für mich ist die Feier zu Ende. Ich geh nach Haus.«
Sie schob ihren massigen, großen Körper torkelnd zum Hoftor hinaus. Wir beeilten uns, hinterherzurennen, um ihr zu Hilfe zu kommen.
»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich wirklich betrunken bin? Nee, so weit ist es noch nicht mit mir. Ich bin trinkfest bis zum tausendsten Glas.«
Vor dem Tor sahen wir ihren Mann Hao Dashou, Große Hand, der vor einigen Tagen eine Ehrung als »Chinesischer Großmeister der kunstgewerblichen Volkskunst« bekommen hatte. Still hatte er dort gestanden und auf seine Frau gewartet.