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Sugitani san, ich sagte es schon, die Kliniktafel mit den Babyfotos hatte meine Seele geläutert, als wäre ich getauft worden. Meine Zweifel, die Stiche, die Prügel, die Schmach, auf Leben und Tod gejagt worden zu sein, waren der Weg gewesen, den ich bitter nötig gehabt hatte.
So wie die einundachtzig Prüfungen, die Tripitaka bestehen musste26, als er nach Indien reiste, um die heiligen Sutren zu holen. Wenn man keine Not erlitten hat, wird man die Frucht nicht richtig genießen. Hat man keine Schwierigkeiten überwunden, erlangt man die Erleuchtung über die wesentlichen Dinge des Lebens nicht.
Wieder zu Hause angelangt, säuberte ich meine Wunden mit in Alkohol getränkten Wattebäuschen und nahm mit Schnaps Yunnan White Medicine ein, die bei inneren und äußeren Verletzungen infolge von Schlägereien gut hilft. Obwohl die körperlichen Blessuren, die ich davongetragen hatte, ihre Zeit brauchten, fühlte ich mich vom Kopf her so fit, dass ich Bäume hätte ausreißen können.
Als Kleiner Löwe von der Arbeit zurückkam, nahm ich sie in die Arme, rieb meine Wange an der ihren und dann sagte ich zu ihr: »Liebste Gattin, ich danke dir, dass du für mich das Kind geschaffen hast. Obwohl es nicht in deiner Gebärmutter ausgetragen wird, trägst du es doch mit deinem Herzen aus. Und deswegen ist es unser leiblicher Sohn.«
Sie weinte.
Sugitani san, ich sitze am Schreibtisch und denke, während ich Ihnen, liebster Freund, einen Brief schreibe, darüber nach, wie ich diesen Säugling großziehen werde.
Wir beide gehen auf die Sechzig zu. Wir sind körperlich nicht mehr so fit wie noch vor ein paar Jahren. Wir sollten wohl eine erfahrene Kinderfrau einstellen oder eine Amme, die selbst auch gerade ein Baby bekommen hat und noch stillt, damit unser Kind auch Muttermilch zu trinken bekommt und es menschlicher heranwächst.
Meine Mutter sagte immer, wenn man den Säuglingen Kuhmilch oder Ziegenmilch zu trinken gibt, duften sie nicht nach Mensch. Obwohl man ein Kind mit Kuhmilch auch großkriegt, birgt das viele Gefahren.
Ob die sich am Himmel versündigenden Geschäftemacher nach den Säuglingsmilchskandalen27 »Kongke«, »Melamine« oder »Sanlu« wohl ihre chemischen Versuche sein lassen? Wer weiß, was nach den zurückgebliebenen »Großkopfkindern« und den »Nieren- und Blasenstein-Säuglingen« noch kommt? Jetzt haben die Verantwortlichen den Schwanz eingezogen, wie Hunde, die eine Tracht Prügel bekommen haben, und sehen aus wie ein Häufchen Elend. Aber keine paar Jahre, dann steht der Schwanz wieder oben und es werden noch widerwärtigere, todbringende Rezepturen erfunden.
Ich weiß schon, dass die kostbarste Flüssigkeit auf unserem Globus die Vormilch der Mutter ist, weil sie viele zaubermächtige Substanzen enthält. Sie ist stofflich gewordene Mutterliebe.
Ich hörte damals, dass Paare der Tragemutter noch viel Geld für das Kolostrum bezahlten, nachdem sie ihr Kind abgeholt hatten. Manche ließen sie auch noch einen Monat lang stillen und holten erst dann ihr Kind ab. Natürlich kostete es in einem solchen Fall mehr. Kleiner Löwe sagte mir, die Firma sei aber entschieden dagegen. Denn wenn die Leihmutter damit beginne, das Kind zu stillen, entstehe eine tiefe Liebesbeziehung zum Kind, und das würde zu nicht endenden Komplikationen führen. Kleiner Löwe fügte dann aber mit feuchten Augen hinzu: »Ich bin doch seine Mama und ich werde Muttermilch für mein Kind haben.«
Früher hörte ich meine Mutter oft solche Geschichten erzählen. Aber sie schmückte sie immer sehr aus, so dass man nicht alles für bare Münze nehmen sollte. Ich denke, dass bei jungen Müttern, die schon eine Schwangerschaft hatten, der Milchfluss erneut angeregt werden kann, wenn ein Säugling angelegt wird oder wenn große Mutterliebe besteht. Aber ich glaube kaum, dass bei jemandem wie Kleiner Löwe, die doch bald sechzig wird und niemals eine Schwangerschaft hatte, so ein Wunder geschehen kann. Wenn es tatsächlich wahr werden sollte, ist es kein Wunder, sondern Gotteswerk.
Liebster Freund, wenn ich Ihnen solche Dinge schreibe, ist mir das gar nicht peinlich. Mit welcher großen Liebe Sie Ihren Sohn großgezogen haben, den das Krankenhaus für nicht überlebensfähig hielt. Wie viele ähnliche, von den Göttern gesandte Wunderwerke haben Sie erlebt! Deswegen, Sugitani san, denke ich, dass Sie jemand sind, der mich verstehen kann. Sie können auch die wie teuflisches Zauberwerk anmutenden Ideen meiner Frau verstehen.
In letzter Zeit möchte sie fast täglich, dass ich mit ihr schlafe. Sie hat sich aus einer süßen Mohrrübe in einen saftigen Pfirsich verwandelt. Das ist schon wie ein Wunder und überrascht mich sehr. Jedes Mal sagt sie mir: »Kaulquappe, sei nicht so draufgängerisch, du muss es etwas vorsichtiger machen, du darfst doch unseren Sohn nicht verletzten!«
Und danach legt sie jedes Mal meine Hand auf ihren Bauch: »Fühl doch mal, er tritt mich.« Jeden Morgen braust sie sich mit lauwarmem Wasser die Brüste ab und zupft zart die eingesunkenen Brustwarzen heraus.
Wir erzählten unserem Vater, dass Kleiner Löwe ein Baby erwarte und bereits im sechsten Monat sei. Vater ist bald neunzig Jahre alt. Er war so dankbar, dass ihm die Tränen in Strömen flossen. Mit zitterndem Bart sagte er: »Der Himmel hat ein Auge auf uns! Unsere Ahnen haben sich offenbart, und der Himmel hat es uns vergolten. Die guten Menschen ernten Wohltaten. Namu Amithaba Buddha!«
Lieber Freund, ich habe schon alles, was wir für das Kind brauchen werden, fertig vorbereitet und an Ort und Stelle. Wir haben von allem nur das Beste gekauft: einen japanischen Import-Kinderwagen, ein koreanisches Import-Kinderbett, Pampers einer Shanghaier Marke, eine eichene Badewanne, die in Russland getischlert wurde ... Kleiner Löwe besteht darauf, keine Babyflasche zu kaufen. Ich habe ihr gut zugeredet. »Was, wenn deine Milch nicht ausreicht?« Wir kauften eine, nur für den Notfall. Eine französische Babyflasche und einen Schnuller, und beim Milchpulver wählten wir ein in Neuseeland hergestelltes. Aber auch in dieses Milchpulver hatten wir kein volles Vertrauen. Deswegen riet ich: »Am besten wir kaufen eine Milchziege, die wir zu Vater auf den Hof stellen. Wir können dann zu Vater ziehen und dort wohnen und melken die Milch für unser süßes Kind jeden Tag frisch.«
Kleiner Löwe hob mit beiden Händen ihre voluminösen Brüste an: »Ich bin mir sicher, dass meine Milch wie ein Springbrunnen sprudeln wird!«
Meine Tochter rief aus Spanien an und fragte, was wir so trieben: »Yanyan, es ist mir richtig peinlich, aber wir haben unzweifelhaft eine freudige Nachricht. Deine Mama ist schwanger und du wirst ganz bald ein Brüderchen bekommen.« Ich hörte eine kurze Weile nichts, dann die aufgeregt freudige Nachfrage: »Papa, ist das wahr?«
»Natürlich ist es wahr«, sagte ich.
»Wie alt ist Mama jetzt eigentlich?«
»Schau mal im Internet. Da kannst du lesen, dass in Dänemark kürzlich eine Zweiundsechzigjährige Mutter von gesunden Zwillingen geworden ist.«
Meine Tochter freute sich: »Das ist aber schön, Papa, ich freue mich sehr für euch. Ganz, ganz doll freu ich mich für euch beide. Was könnt ihr denn gebrauchen? Ich schicke es euch.«
»Wir brauchen nichts. Hier ist alles ausreichend vorhanden.«
Meine Tochter sagte: »Ob ihr es braucht oder nicht, ich werde was Schönes kaufen. Die große Schwester will doch ihrem kleinen Bruder was schenken. Papa, ich wünsche euch alles, alles Gute für euer Baby! So wie der tausendjährige Sagopalmfarn blüht und ein zehntausend Jahre vertrockneter Zweig wieder austreibt, habt ihr ein Wunder vollbracht!«
Sugitani san, ich habe wegen meiner Tochter ein ganz schlechtes Gewissen, das unsere Beziehung immer belastet hat, weil der Tod ihrer Mutter direkt mit mir zu tun hat. Um mir meine sogenannten Zukunftsaussichten zu erhalten, habe ich Renmei und dem Kind in ihrem Bauch den Tod gebracht. Wäre es damals am Leben geblieben, hätte ich jetzt einen Sohn von über zwanzig.
Wenn jetzt, man mag sagen, was man will, wieder ein Sohn kommen sollte, werde ich mich damit trösten, dass er dann Renmeis Kind ist, zwar zwanzig Jahre später, dass aber der Kleine nun endlich doch noch gekommen ist.
Sugitani san, es ist mir unangenehm, aber ich bekenne: Das Theaterstück muss noch warten.
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist das doch um einiges wichtiger als ein Theaterstück. Aber es hat vielleicht sein Gutes, denn die Akte, die ich mir überlegt hatte, sind so düster und blutig, nur Vernichtung, keine Geburt. Wenn man so etwas schreibt, vergiftet man die Seele der Menschen. Unsere Verbrechen werden dadurch nur noch schwerwiegender. Bitte glauben Sie mir, Sugitani san, ich werde dieses Theaterstück schreiben. Wenn das Kind geboren ist, werde ich den Stift ergreifen und dem neuen Leben einen Hymnus singen. Ich werde Sie nicht enttäuschen.
Während der geschilderten Zeit begleitete ich Kleiner Löwe zu einem Besuch bei Gugu.
An diesem Tag hatten wir wunderschönes Wetter. Von den zwei Schnurbäumen in Gugus Hof stand der eine in voller Blüte, beim anderen fielen die Blüten gerade zu Boden.
Gugu saß mit geschlossenen Augen unter dem verblühenden Schnurbaum und murmelte unhörbar Verse. Ihr weiß meliertes Haar stand dicht wie Katzenschweifkraut und war übersät von Schnurbaumblüten. Bienen summten über ihrem Kopf. Vor dem Fenster saß Hao Große Hand auf einem niedrigen Schemel vor einer dort montierten Kalksandsteinplatte. Der »Großmeister der volkstümlichen Tonkunst«, diesen Titel hatte ihm der Kreis verliehen, war gerade damit beschäftigt, seine Erde zu bearbeiten. Sein Blick war unscharf und ging ins Leere, er wirkte wie in Trance.
Gugu sprach: »Der Vater dieses Kindes hat ein rundes Gesicht, lange schmale Augen, einen tiefen Nasenrücken, wulstige Lippen, fleischige Ohren, seine Mutter hat ein wunderschön ovales Gesicht, Mandelaugen, doppelte Lidfalten, einen kleinen Mund, eine steile Nase mit hohem Nasenrücken, dünnfleischige Ohren, angewachsene Ohrläppchen. Das Kind kommt nach seiner Mutter, aber der Mund ist größer als der ihre, die Lippen sind voller, die Ohren etwas größer, der Nasenrücken ist eine Spur niedriger ...«
Wir sahen zu, wie unter Haos Händen langsam ein Tonkind entstand, während Gugu im Singsang die Beschreibung des Kindes vorgab. Er nahm einen spitzen Bambusstab und erweckte die Augen des Kindes zum Leben, indem er ihm Pupillen stach. Dann prüfte er das Ergebnis einen Augenblick, machte ein paar kleine Änderungen, stellte das Tonkind auf ein Brett und trug es zu Gugu.
Gugu nahm es hoch und schaute es einmal an: »Die Augen noch ein wenig größer und die Lippen ein wenig voller.«
Große Hand nahm das Tonkind wieder an sich, machte die Änderungen und gab es ihr wieder zurück. Sein Blick unter den grauen buschigen Brauen traf uns wie ein Blitz.
Gugu hielt das Niwawa-Tonkind vor sich, schaute von fern, von nah, dann ließ sie einen zunehmend wohlwollendem Blick auf dem Kind ruhen. »Richtig, genau so stimmt es. Das ist er.«
Plötzlich änderte sich ihr Tonfall und sie sagte in scharfem Ton zu dem Kind: »Genau, das bist du, du kleiner Dämon, du Schuldeneintreiber, der den Fuß zuerst herausgestreckt hat. Von den zweitausendachthundert Kindern, die ich zu Tode gebracht habe, hast du noch gefehlt. Jetzt haben wir dich auch gemacht und es fehlt keines mehr.«
Ich stellte eine Flasche Wuliangye auf die Fensterbank, Kleiner Löwe legte ein Päckchen mit Bonbons vor Gugus Füße. »Gugu, wir sind dich besuchen gekommen.«
Gugu war etwas verstört, sie fuchtelte mit Händen und Füßen, als täte sie etwas Verbotenes. Sie versuchte, das Tonkind unter ihrem Hemd zu verstecken, aber es war zu groß. Also hörte sie auf, es zu verstecken: »Ich will es euch gar nicht verheimlichen.«
Ich antwortete: »Gugu wir haben uns den Dokumentarfilm angesehen, den Leber uns geschenkt hat. Wir können das gut verstehen, und wir wissen, wir dir zumute ist.«
»Wenn ihr im Bilde seid, ist es ja gut«, gab sie zurück, dabei stand sie auf und ging mit dem gerade fertig gewordenen Tonkind auf dem Arm zum östlichen Seitenhaus.
Mit bedrückter Stimme forderte sie uns auf: »Kommt mit!« und ging voraus, ohne uns eines Blickes zu würdigen.
Ihr massiger, schwarz gekleideter Körper zog uns in den Bann. Wir hatten Vater schon vor einiger Zeit erzählen hören, dass es bei Gugu im Oberstübchen nicht mehr ganz stimme. Deswegen hatten wir sie auch nur selten besucht, seit wir nach Hause zurückgezogen waren.
Wenn ich an den Einfluss und das Ansehen meiner Tante in früheren Zeiten dachte und sie jetzt in ihrem wüsten Zustand sah, wurde ich sofort furchtbar traurig.
Im Osthaus waren die Lichtverhältnisse schlecht. Es war schummrig und ein feuchtkalter Luftzug schlug uns entgegen. Gugu zog an der Schnur an der Wand, und eine Einhundert-Watt-Glühbirne erleuchtete das Seitenhaus bis in den letzten Winkel. Die Fenster der drei Zimmer im rechten Seitenhaus waren mit Backsteinen zugemauert, alle drei Wände von Holzregalen mit vielen gleich großen Kassettenfächern verdeckt, in denen jeweils, wie in kleinen Heiligennischen, eine Niwawa-Tonpuppe stand.
Gugu stellte die Niwawa in ihrer Hand in das letzte freie Kassettenfach. Dann trat sie einen Schritt zurück. Im Zentrum des Zimmers befand sich ein kleiner Altar mit einem Weihrauchbrenner.
Sie entzündete drei Räucherstäbchen, kniete vor dem Altar, beide Handflächen zum Gebet zusammengelegt, und murmelte stille Verse.
Wir taten es der Tante sofort gleich und knieten auch nieder. Ich wusste nicht, was und wie ich beten sollte, die vielen hundert verschiedenen Babygesichter der Reklametafel zogen wie in einer Wundertrommel Bild für Bild vor meinem geistigen Auge vorbei. Mein Herz war voll von Dankbarkeit und überströmender Liebe, aber dann waren da auch noch Scham und Bildfetzen grauenhafter Ereignisse.
Ich begriff, dass Gugu alle Kinder, die sie abgetrieben hatte, mit Hilfe von Hao Große Hands Händen, einzeln, Kind für Kind, zum Vorschein gebracht hatte. Ich glaube, dass das ihre Methode war, ihre Verbrechen zu sühnen und mit ihrer Reue fertig zu werden. Aber die Verbrechen konnte man nicht ihr persönlich anlasten. Wenn sie es nicht getan hätte, wären es andere gewesen. Außerdem hatten die Männer und ihre Frauen, die verbotenerweise schwanger geworden waren, auch ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen. Wenn niemand die Sache in die Hand genommen hätte, wie stünde es dann heute um China? Welche Meinung sollte man dazu haben? Das ist schwer zu beurteilen.
Nachdem Gugu den Weihrauch entzündet und gebetet hatte, erhob sie sich und lächelte uns entspannt und froh an: »Renner, Kleiner Löwe, ihr kommt gerade recht! Ich habe soeben mein Gelübde erfüllt. Schaut euch genau um. Diese Babys haben alle Nachnamen und Vornamen. Ich habe sie hier versammelt, damit ich für ihre Seelen die Totenopfer darbringen kann, damit sie Seelenenergie ansammeln, um dann dort, wo sie wiedergeboren werden sollen, wiedergeboren werden zu können. Gugu führte uns herum und zeigte uns alle Tonkinder-Nischen, dabei erzählte sie uns, wo all die Bübchen und Mädchen herkamen.
»Diese Kleine«, Gugu zeigte auf ein Niwawa-Baby mit Mandelaugen und kleinem Schmollmündchen, »sollte eigentlich 1974 in Tanjiazhuang bei den Eltern Tan Xiaoliu und Dong Yueer geboren werden, aber ich habe sie vernichtet. Jetzt ist es wieder gut, und sie ist wiedergeboren. Der Ehemann der Kleinen ist ein großer Gemüsebauer und sie seine tüchtige Ehefrau. Sie haben eine Methode entwickelt, Stangenselleriepflanzen mit Kuhmilch zu gießen und ernten dadurch einzigartig zarte Stauden. Jedes Kilo verkaufen sie zu einem Preis von sechzig Yuan RMB.«
»Dieses kleine Bübchen«, sie zeigte auf ein Niwawa-Tonbaby mit blinzelnden Äuglein und lächelndem Mündchen, »wäre im Februar 1983 in Wujiaqiao bei den Eltern Wu Junbao und Zhou Aihua zur Welt gekommen, aber ich habe es vernichtet. Jetzt ist es wieder gut, der Kleine ist als Glückskind wiedergeboren worden, in einer Beamtenfamilie in der alten Präfektur Qingzhou, die Eltern sind beide Regierungskader, sein Opa ist ein leitender Funktionär der Provinzregierung; man sieht ihn oft im Fernsehen. Mein Kleiner, ich habe viel für dich gebetet!
Hier sehr ihr noch zwei Zwillingsmädchen.« Sie zeigte auf zwei Püppchen in einer Doppelnische. »Sie hätten 1990 zur Welt kommen sollen. Ihre Eltern sind leprakrank gewesen. Obwohl sie geheilt wurden, waren ihre Hände deformiert wie Hühnerkrallen und ihre Gesichter schrecklich verunstaltet. Wenn man in so eine Familie geboren wird, hat man nur Not zu leiden, es ist wie ein Kopfsprung in die Hölle. Ich habe die beiden vernichtet, aber auch vor diesem Schicksal bewahrt. Jetzt ist es wieder gut, denn sie sind wiedergeboren, in der Silvesternacht 2000. Sie sind im Krankenhaus von Kiautschou zur Welt gekommen, der Vater der beiden Milleniumsbabys ist ein berühmter Operndarsteller der Gaomier Maoqiang-Oper, ihre Mutter besitzt ein Modegeschäft. Im letzten Jahr sind die beiden Zwillingsschwestern bei der Silvestershow im Fernsehen aufgetreten. Sie haben das berühmte Maoqiang-Opernlied »Zhao Meirong schaut sich die Lampions an«28 gesungen:
趙美蓉觀燈
›Lampion, o Lampion!
Salat Frisé, Grünkohlschnee!‹
茄子燈,紫生生,韭菜燈,亂蓬蓬,
Gurkengleich, angepiekst! Rettich rund! Seel gesund!
黃瓜燈,一身刺,蘿蔔燈,水靈靈,
Und dann Faustkampf Hummerlicht
還有那打拳瞪眼蟹子燈,
weil’s Ei’chen blubbt und
咯咯下蛋的母雞燈 ... ...’
Tuck tuck tuck das Hühnchen spricht ...
Ihre Eltern haben mich extra angerufen und mir Bescheid gegeben, damit ich mir die Sendung aus Kiautschou im Fernsehen anschaue. Himmel, ich habe mir das angesehen, die Tränen sind mir aus den Augen geplätschert, dass man es hören konnte, so habe ich geweint ...«
»Und dieser hier«, Gugu zeigte auf ein Niwawa-Baby, das schielte, »der kleine Mann wäre eigentlich im Dorf Dongfengcun in der Familie des Zhang Faust zur Welt gekommen, aber ich habe ihn vernichtet. Obwohl man mir in diesem Fall nicht die ganze Verantwortung zuschieben darf, übernehme ich meinen Teil. Der Kleine ist dann im Juli 1995 an Ort und Stelle als Fausts Enkel zur Welt gekommen, seine zweite Tochter Zhang Laiti hat ihn geboren. Laiti kam zu mir. Sie hatte schon zwei Mädchen, und ein drittes Kind sieht die Politik der Geburtenplanung nicht vor, es wäre also ein sogenanntes »überzähliges Kind« gewesen. Obwohl ihr Vater mir damals mit dem Knüppel die Kopfverletzung beigebracht hat und ich deswegen einen ziemlichen Hass auf ihn habe, hegen wir trotzdem auch freundschaftliche Gefühle füreinander, und daher habe ich ihm seinen Sohn, den eigentlich seine Frau bekommen sollte, wieder zurückgegeben. Eigentlich wäre er Laitis Bruder gewesen, und jetzt ist er ihr Sohn. Von diesem Geheimnis weiß außer mir niemand etwas. Und jetzt habe ich es euch gesagt, aber ihr verschließt eure Münder bitte so dicht wie der Korken die Flasche. Der Kleine ist ein böses Balg, er kennt meine Angst vor Fröschen. Er hat mich mal mit einem Frosch in einem Paket so heftig erschreckt, dass ich ohnmächtig wurde. Aber ich nehme es ihm nicht übel. Es gibt alles Mögliche auf der Welt, da gibt es natürlich auch Unvollkommenes. Die guten Menschen sind Menschen, die bösen auch.«
Zuletzt zeigte Gugu auf das Baby, das sie gerade in die letzte noch übrige Nische an der Wand gestellt hatte: »Erkennt ihr ihn?«
Ich weinte sofort: »Bitte Gugu, sag nichts, ich erkenne ihn ...«
Kleiner Löwe sagte: »Gugu, der Kleine wird schon bald geboren. Sein Papa ist ein Theaterschriftsteller, die Mutter eine Krankenschwester in Rente. Danke, liebe Gugu! Ich bin schwanger!«
Sugitani san, halten Sie mich für einen Narren, der hier seine irren Wunschgespinste zu Papier bringt? Ich gebe ja zu, dass Gugu einige psychische Probleme hat. Und meine Frau hat sich in ihre freudige Erwartung auf den Kleinen so sehr hineingesteigert, dass bei ihr die Nerven verrücktspielen.
Jemand, der bekennt, ein Verbrechen begangen zu haben, muss aber auch versuchen, mit sich selbst nachsichtig zu sein. Ein Beispiel ist die auch Ihnen, lieber Freund, bekannte Kurzgeschichte »Das Neujahrsopfer« von Lu Xun. Einem wachen Menschen wie Xiang Linsao, die in Lu Xuns Geschichte für den Erdgotttempel eine teure Türschwelle tischlern lässt und ein Türschwellenopfer bringt, sollte man nicht den Glauben nehmen, man sollte ihm auf keinen Fall Aberglauben unterstellen, sondern ihm Hoffnung schenken. Die Hoffnung, dass er sich von seiner Schuld befreien kann, dass er nachts keine Alpträume mehr haben muss, dass er wie ein Mensch ohne Schuld weiterleben kann.
Ich spielte also mit, ich war sogar fleißig bemüht zu glauben, woran Gugu und Kleiner Löwe glaubten.
Das ist doch sicher die richtige Herangehensweise? Obwohl ich natürlich weiß, dass die Leute mit ihren naturwissenschaftlich geschulten Gehirnkästen mich belächeln. Dass die Moralapostel und Tugendverfechter mich kritisieren. Selbst wenn Leute, die ganz andere Erkenntnisse gewonnen haben, sich über mich beschweren, werde ich nichts ändern. Dem Baby zuliebe. Für Gugu und für meinen Kleinen Löwen, die beiden Frauen, die eine befremdliche Arbeit verrichtet haben, für sie werde ich weiterhin wie farbenblind durch die Welt laufen.
Am selben Tag holte Gugu ihr Stethoskop aus dem Arzttornister und erklärte in vollem Ernst, sie müsse jetzt die Herztöne abhören. Kleiner Löwe machte den Bauch frei und legte sich auf den Rücken. Sie war voller Glück. Gugu hörte sie konzentriert und sorgfältig ab. Mit einem sehr ernsthaften Gesichtsausdruck. Als sie damit fertig war, befühlte sie den Bauch meiner Frau mit ihren von meiner Mutter immer so sehr gerühmten Händen. Gugu fragte: »Fünf Monate ist das Kleine wohl? Alles in Ordnung. Der Fötus macht deutliche Geräusche, er sitzt auch an der richtigen Stelle.«
»Schon mehr als sechs Monate«, sagte Kleiner Löwe schüchtern mit rotem Gesichtchen.
»Dann komm mal hoch.« Gugu klopfte zärtlich den Bauch meiner Frau. »Obwohl du ja schon älter bist, empfehle ich dir trotzdem eine natürliche Geburt. Mir widerstreben Kaiserschnitte. Eine Mutter, deren Kind nicht durch den Geburtskanal auf die Welt kommt, verpasst das Gefühl, Mutter zu werden.
»Ich habe Bedenken ...«, wandte Kleiner Löwe ein.
»Was kann dir mit mir an deiner Seite passieren, Kleiner Löwe?« Gugu streckte beide Hände in die Höhe: »Diesen beiden Händen, die zehntausend Babys auf die Welt geholt haben, solltest du vertrauen.«
Kleiner Löwe nahm Gugus Hand und legte sie sich auf die Wange. Mit einer Kleinmädchenstimme sagte sie: »Gugu, ich vertraue dir.«