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Die Bibliothek der Coles erbrachte wenig, was sie nicht schon wuß­ten. Mrs. Hogendobber fand einen rätselhaften Verweis auf Edward Coles, der James Madisons Sekretär und später der erste Gouverneur des Bezirks Illinois gewesen war. Edward, Ned genannt, hatte nie geheiratet oder Kinder gezeugt. Dieser Aufgabe waren andere Coles nachgekommen. Aber ein 1823 datierter Brief enthielt einen Hinweis auf eine Gefälligkeit, die Ned Patsy erwiesen hatte. Jeffersons Toch­ter? Die Gefälligkeit war nicht näher erläutert.

Als die kleine Gruppe von Forscherinnen ging, winkte Samson ih­nen fröhlich nach. Zuvor hatte er sie großzügig mit Erfrischungsge­tränken bewirtet. Lucinda winkte auch.

Sobald der Streifenwagen verschwunden war, ging Lucinda in die Bibliothek. Sie bemerkte, daß das Geschäftsbuch nicht an seinem Platz war. Sie war Harry, Miranda und Cynthia bei der Durchsicht der Aufzeichnungen nicht zur Hand gegangen, weil sie eine Verab­redung in Charlottesville hatte, und Samson war beinahe übereifrig darauf bedacht gewesen, die Gastgeberpflichten zu übernehmen.

Sie suchte die Bibliothek nach dem Ordner ab.

Samson kam hineingeschlendert, ein Glas mit vier Eiswürfeln und seinem Lieblingswhisky Dalwhinnie in der Hand. Er öffnete eine Schranktür und setzte sich in einen Ledersessel. Er schaltete den Fernseher ein, der in dem Schrank verborgen war. Er und Lulu konn­ten es nicht ertragen, ein Fernsehgerät im Raum stehen zu sehen. Sah zu sehr nach Mittelklasse aus.

»Samson, wo ist dein Geschäftsbuch?«

»Das hat nichts mit Jefferson oder seinen Nachkommen zu tun, meine Liebe.«

»Nein, aber es hat eine Menge mit Kimball Haynes zu tun.«

Er stellte den Ton ab, und sie riß ihm die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher ganz aus.

»Verdammt, was ist los mit dir?« Sein Gesicht lief rot an.

»Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich erreiche dich kaum noch an deinem Mobiltelefon. Wenn ich dich dort anrufe, wo du angeblich hingehen wolltest, bist du nicht da. Ich bin vielleicht nicht die hellste Frau der Welt, Samson, aber die dümmste bin ich auch nicht.« »Ach, fang bloß nicht wieder mit diesen Parfüm-Vorhaltungen an. Das ist doch längst abgehakt.«

»Was ist in dem Geschäftsbuch?«

»Nichts, was dich betrifft. Meine Geschäfte haben dich früher nie interessiert, warum jetzt auf einmal?«

»Ich bewirte deine Kunden oft genug.«

»Das ist etwas anderes. Es kann dir doch egal sein, wie ich das Geld verdiene, solange du es ausgeben kannst.«

»Du bist schlau, Samson, viel schlauer als ich, aber ich lasse mich nicht täuschen. Du wirst mich nicht vom Thema abbringen. Was steht in dem Buch?«

»Nichts.«

»Warum hast du es die drei dann eben nicht durchsehen lassen? Kimball hat es gelesen. Damit gehört es zu den Beweisstücken.«

Er führ aus seinem Sessel hoch und baute sich vor ihr auf; seine massige Gestalt bedrohte ihre zierliche Statur, ohne daß er auch nur eine Hand erhob. Er schrie: »Du hältst den Mund über das Buch, sonst helfe mir Gott, ich werde...«

Zum erstenmal in ihrer Ehe gab Lucinda nicht klein bei. »Mich tö­ten?« kreischte sie ihm ins Gesicht. »Entweder steckst du in Schwie­rigkeiten, Samson, oder du tust etwas Ungesetzliches.«

»Halt dich raus aus meinem Leben!«

»Du meinst,>verschwinde aus meinem Leben<«, stieß sie wütend hervor. »Würde dir das dein Verhältnis mit deiner Geliebten nicht erleichtern, wer immer sie ist?«

Samson war die leibhaftige Bedrohung. »Lucinda, wenn du einer Menschenseele etwas von diesem Buch sagst, dann wirst du es bitter bereuen, mehr, als du dir vorstellen kannst. Und jetzt laß mich al­lein.«

Lucinda erwiderte mit eisiger, erschreckender Ruhe: »Du hast Kimball Haynes getötet.«

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