Gefängnisse sind nicht in Designer-Farben gehalten. Und die Privatsphäre der Insassen gilt auch nicht viel. Der arme Samson Coles hörte stinkende Männer im Delirium tremens brüllen und schreien, kleine Drogendealer ihre Unschuld beteuern und einen Kinderschänder erklären, daß ein achtjähriges Kind ihn verführt habe. Falls Samson je an seinem Geisteszustand gezweifelt hatte, dieser>Urlaub< im Knast bestätigte ihm, daß er normal war - dämlich vielleicht, aber normal.
Bei den Männern in den anderen Zellen war er da nicht so sicher. Ihre Wahnvorstellungen fand er faszinierend und abstoßend zugleich.
Seine einzige Wahnvorstellung war gewesen, daß Ansley Randolph ihn liebte. Er wußte jetzt, daß dem nicht so war. Nicht ein Versuch, Verbindung mit ihm aufzunehmen; er erwartete ja gar nicht, daß sie in der Strafanstalt, wie die euphemistische Bezeichnung lautete, persönlich erschien. Sie hätte ihm einen Brief hineinschmuggeln können - irgendwas.
Wie die meisten Männer war Samson von Frauen ausgenutzt worden, vor allem in seiner Jugend. Das Gute an Lucinda war unter anderem, daß sie ihn nicht ausnutzte. Sie hatte ihn einst geliebt. Schuldgefühle quälten ihn, wann immer er an seine Frau dachte, die Frau, die er betrogen hatte, an seinen guten Namen, den er zerstört hatte, und daran, daß er obendrein seine Maklerzulassung verlieren würde. Er hatte alles ruiniert: sein Zuhause, seine Karriere, sein Ansehen in der Gemeinde. Und wofür?
Und nun stand er unter Mordanklage. Es kam ihm kurz in den Sinn, sich mit einem Laken zu erhängen, aber dann verdrängte er den Gedanken. Irgendwie würde er lernen müssen mit dem, was er getan hatte, zu leben. Vielleicht war er dämlich gewesen, aber er war kein Feigling.
Was Ansley betraf, so wußte er, daß sie unverzüglich zur Tagesordnung übergehen würde. Sie liebte Warren kein bißchen, aber nie würde sie den Reichtum und das Prestige, eine Randolph zu sein, aufs Spiel setzen. Nicht daß es schäbig wäre, eine Coles zu sein, aber gegen Megamillionen kamen ein ordentliches Auskommen und ein guter Name nicht an. Sie mußte ja auch an ihre Jungen denken, für die das Leben viel vorteilhafter sein würde, wenn Ansley blieb, wo sie war.
Rückblickend konnte er sehen, daß Ansleys Ehrgeiz sich mehr auf die Jungen konzentrierte als auf sie selbst, wobei sie vernünftig genug war, es mit ihnen nicht zu übertreiben. Aber wenn sie den Randolph-Clan schon ertragen mußte, dann wollte sie in Gottes Namen erfolgreiche und liebevolle Söhne haben. Blut, Geld und Macht - was für eine Kombination.
Samson schwang seine Beine über die Seite seiner Pritsche. Er würde hier total verfetten, wenn er sich nicht mit Beingymnastik und Liegestützen Bewegung verschaffte. Ein Gutes hatte der Aufenthalt im Knast, es gab keine Saufgelage. Manchmal hätte er gerne geweint, aber er wußte nicht, wie. Um so besser. Schwächlinge werden im Bunker bloß fertiggemacht.
Wie lange er so saß und die Beine baumeln ließ, nur um das Blut zirkulieren zu fühlen, wußte er nicht. Er zog die Beine mit einem Ruck hoch, als ihm klar wurde, daß sein Name genau zu ihm paßte.