Dr. Larry Johnson, seine schwarze Gladstone-Arzttasche in der Hand, trat mit federnden Schritten ins Postamt. Tucker flitzte zu ihm, um ihn zu begrüßen. Mrs. Murphy, die auf dem Schalter gemütlich auf der Seite lag und dabei langsam den Schwanz hin und her schnippen ließ, hob den Kopf, dann legte sie ihn wieder hin.
»Ich glaube, ich weiß, wer das Opfer von Monticello ist.«
Mrs. Murphy setzte sich gespannt auf. Harry und Miranda eilten um den Schalter herum nach vorn.
Larry zog seine selbstgebundene Fliege gerade, bevor er das Wort an sein kleines, aber aufmerksames Publikum richtete. »Meine Damen, ich muß mich entschuldigen, weil ich es Ihnen nicht als erste gesagt habe, aber diese Ehre gebührte Sheriff Shaw, und Sie werden natürlich verstehen, daß ich als nächstes Mim Sanburne verständigen mußte. Sie wiederum hat Warren und Ansley und die übrigen Hauptgeldgeber angerufen. Ich habe auch mit Oliver Zeve telefoniert, aber sobald die offiziellen Anrufe getätigt waren, bin ich sofort hierher geeilt.«
»Wir können's nicht erwarten. Erzählen Sie!« Harry klatschte in die Hände.
»Wie jeder gute Mediziner hat Thomas Walker Aufzeichnungen über seine Patienten gemacht. Ich habe einfach vorn angefangen und gelesen. Im Jahre 1778 hat er das Bein eines fünfjährigen Kindes geschient, Braxton Fleming, achtes Kind von Rebecca und Isaiah Fleming, die am Rivanna River ein großes Stück Land besaßen. Der Junge hat sich das Bein bei einem Ringkampf mit seinem älteren Bruder in einem Baum gebrochen.« Er lachte. »Kinder machen die verrücktesten Sachen, nicht? In einem Baum! Also, Dr. Walker hat notiert, es sei ein komplizierter Bruch gewesen, und er bezweifelte, daß sein Patient wieder vollkommene Gehtüchtigkeit erlangen würde, wie er sich ausdrückte. Er hat gewissenhaft notiert, daß es sich um einen linken Oberschenkelbruch handelte. Er hat außerdem vermerkt, der Junge sei das hübscheste Kind, das er je gesehen habe. Das hat meine Neugierde geweckt, und ich habe mich an die Historische Gesellschaft von Albemarle County gewandt. Die Leute da sind einzigartig - sie arbeiten unentgeltlich. Ich bat sie, ihr Quellenmaterial nach Informationen über Braxton Fleming durchzukämmen. Es scheint, er ist den Weg gegangen, der für einen jungen Burschen aus guter Familie damals typisch war. Er erhielt in Richmond Privatunterricht, aber anstatt anschließend das William and Mary College zu besuchen, schrieb er sich im New Jersey College ein, genau wie Aaron Burr und James Madison. Wir kennen es heute als Princeton. Die Flemings waren intelligent. Alle überlebenden Söhne haben ihr Studium abgeschlossen und einen Beruf ergriffen. Braxton indes war der einzige Sohn, der nördlich der Mason-Dixon-Grenze studierte. Er blieb nach dem Examen eine Zeitlang in Philadelphia und hatte offensichtlich ein gewisses Talent zum Malen. Damals war es genauso schwer wie heute, von Kunst zu leben, deswegen kehrte Braxton schließlich nach Hause zurück. Er versuchte sich in der Landwirtschaft und konnte sich damit über Wasser halten, aber er war nicht mit dem Herzen dabei. Er heiratete eine gute Partie, war aber nicht glücklich und fing an zu trinken. Er soll der stattlichste Mann in Mittel Virginia gewesen sein.«
»Das nenn ich eine Geschichte!« rief Mrs. Hogendobber aus.
Larry hob die Hände, als wollte er Beifall abwehren. »Aber wir wissen nicht, warum er ermordet wurde. Wir wissen nur, wie, und wir haben einen starken Verdacht.«
»Dr. Johnson, weiß man, was ihm zugestoßen ist? Ist irgendwo erwähnt, daß er nicht nach Hause gekommen ist oder so was?«
»Ja.« Er bog den Kopf zurück und blickte an die Decke. »Seine Frau hat erklärt, er habe sich mit einer Gallone Whisky auf den Weg nach Kentucky begeben, um sein Glück zu machen. Im Mai 1803. Seitdem hat man nie wieder von Braxton Fleming gehört.«
Harry stieß einen Pfiff aus. »Das ist unser Mann.«
Larry kraulte Mrs. Murphy unterm Kinn. Sie vergalt es ihm mit gewaltigem Schnurren. »Stell dir vor, neulich hat mir Fair von Retroviren bei Katzen und Pferden erzählt. Er erwähnte auch eine Infektion der Atemwege bei Katzen, die von der Mutter auf das Kind übertragen werden und unter Umständen erst nach zehn Jahren zum Ausbruch kommen kann. Auch Katzenleukämie ist auf dem Vormarsch. Na, Mrs. Murphy, du siehst mir ganz gesund aus, und das freut mich. Es war mir gar nicht klar, daß ein Katzenleben so gefährdet ist.«
»Danke schön«, erwiderte die Katze.
»Larry, Sie müssen uns Bescheid sagen, wenn Sie noch mehr herausfinden. Sie sind ein prima Detektiv.« Ein Lob von Mrs. Hogendobber war wirklich ein großes Lob.
»Ach was, die meiste Arbeit haben die Leute von der Historischen Gesellschaft geleistet.«
Er nahm seine Post, warf den beiden eine Kußhand zu und machte sich auf, begierig, sich wieder Jim Craigs Tagebüchern zu widmen.