Dunkelheit hatte sich über Rosslyn gesenkt. Robert Langdon stand auf der Veranda des Bruchsteinhauses und freute sich über das fröhliche Lachen der Wiedersehensfreude, das hinter ihm aus der offenen Tür drang. Er hielt einen Becher mit starkem brasilianischen Kaffee in der Hand, der seine zunehmende Mattigkeit zwar ein wenig vertreiben konnte, doch er spürte, dass diese Belebung nur vorübergehend war. Er war erschöpft bis auf die Knochen.
»Sie sind uns heimlich entwischt«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um. Sophies Großmutter war nach draußen gekommen. Ihr Haar schimmerte silbern in der Nacht. Sie hieß Marie Chauvel – seit nunmehr achtundzwanzig Jahren.
Langdon lächelte sie müde an. »Ich wollte Sie bei Ihren Gesprächen über Familienangelegenheiten nicht stören.« Durch das Fenster konnte er Sophie sehen, die sich angeregt mit ihrem Bruder unterhielt.
Marie trat zu ihm. »Mr Langdon, ich habe mich entsetzlich um Sophie gesorgt, nachdem ich von dem Mord an Jacques erfahren hatte. Noch nie war ich so erleichtert wie heute Abend, als ich Sophie in der Tür stehen sah. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
Langdon war um eine Antwort verlegen. Er hatte angeboten, sich zurückzuziehen, damit Sophie und ihre Großmutter ungestört miteinander sprechen konnten, doch Marie hatte ihn gebeten, zu bleiben und zuzuhören. Mein Mann hat Ihnen offenkundig vertraut, Mr Langdon. Weshalb sollte ich es nicht tun?
Also war Langdon geblieben und hatte staunend zugehört, wie Mark die Geschichte von Sophies verstorbenen Eltern erzählte, die beide merowingischer Abstammung gewesen waren – und somit direkte Nachfahren von Maria Magdalena und Jesus Christus. Aus Gründen des Selbstschutzes hatten Sophies Eltern – wie schon deren Vorfahren – die ursprünglichen Familiennamen Plantard und Saint-Clair geändert. Als Abkömmlinge des Königsgeschlechts standen ihre Kinder unter dem besonderen Schutz der Prieuré de Sion. Als Sophies Eltern bei einem Verkehrsunfall mit ungeklärter Ursache ums Leben gekommen waren, fürchtete die Prieuré, die Identität des Königsgeschlechts könnte aufgedeckt sein.
»Als dein Großvater und ich den Anruf bekamen, dass man den Wagen deiner Eltern im Fluss gefunden hat«, erzählte Marie mit erstickter Stimme, »mussten wir uns rasch zu einer schweren Entscheidung durchringen.« Sie tupfte sich die Tränen ab. »in dieser Nacht sollten eigentlich wir alle sechs – also auch wir Großeltern und ihr zwei Kinder – in dem Auto sitzen. Zum Glück haben wir es uns im letzten Moment anders überlegt, und eure Eltern sind allein gefahren. Als uns die Nachricht von dem Unfall erreichte, hatten Jacques und ich keine Möglichkeit festzustellen, was wirklich geschehen war … ob es überhaupt ein Unfall gewesen ist.« Marie sah Sophie und ihren Bruder an. »Wir wussten nur, dass wir unsere Enkelkinder schützen mussten, und haben getan, was wir für geboten hielten. Jacques hat der Polizei mitgeteilt, dass dein Bruder und ich ebenfalls im Wagen gesessen hätten … unsere Leichen seien offenbar vom Fluss fortgeschwemmt worden. Dann hat die Prieuré dafür gesorgt, dass dein Bruder und ich untertauchen konnten. Jacques aber stand im Licht der Öffentlichkeit und konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Da schien es nur logisch, dass Sophie als die Ältere in Paris blieb, um unter den Fittichen von Jacques und der Prieuré aufzuwachsen und zur Schule zu gehen.« Marie begann zu flüstern. »Die Familie auseinander zu reißen war das Schlimmste, was wir uns je abverlangen mussten. Jacques und ich konnten uns nur sehr selten sehen, und das auch nur in aller Heimlichkeit und unter dem Schutz der Prieuré. Es gibt bestimmte Zeremonien, von denen die Prieuré niemals lassen wird.«
Langdon hatte gespürt, dass die Geschichte tiefer gehen würde – in Dimensionen, die nicht für seine Ohren bestimmt waren –, und hatte sich nach draußen begeben. Während er jetzt zu den Fialen von Rosslyn Chapel hinaufsah, erfasste ihn tiefes Unbehagen über das ungelöste Geheimnis von Rosslyn.
Liegt der Gral wirklich hier in Rosslyn? Und wenn ja, wo sind der Winkel und der Kelch aus Saunières Gedicht?
»Darf ich Ihnen das abnehmen?«, sagte Marie.
»O ja, danke.« Langdon hielt ihr den leeren Kaffeebecher hin.
Sie blickte ihn seltsam an. »Ich habe Ihre andere Hand gemeint, Mr Langdon.«
Als Langdon an sich hinunterschaute, merkte er, dass er in der Linken den Papyrus hielt. »Oh, entschuldigen Sie, natürlich.«
Erheitert nahm Marie den Papyrus an sich. »Ich kenne in Paris einen Mann, der bestimmt sehnsüchtig auf die Rückkehr des Rosenholzkästchens wartet – André Vernet. Er ist ein guter Freund von Jacques. Jacques hat ihm rückhaltlos vertraut. André würde alles tun, um Jacques' Bitte gerecht zu werden, diesen Kasten zu hüten.«
Und sei es, dir eine Kugel in den Leib zu jagen, dachte Langdon. Er behielt für sich, dass er dem armen Kerl vermutlich die Nase gebrochen hatte. Bei der Erwähnung von Paris fielen ihm die drei Seneschalle ein, die am gleichen Abend wie Saunière ermordet worden waren. »Was geschieht jetzt mit der Prieuré? Wie geht es mit der Bruderschaft weiter?«
»Das Räderwerk hat sich bereits in Bewegung gesetzt, Mr Langdon. Die Bruderschaft hat Jahrhunderte überdauert, sie wird auch diesen Schlag überstehen. Man findet, immer Leute, die für die obersten Ränge geeignet sind und die einen Neuaufbau zustande bringen.«
Langdon hatte schon den ganzen Abend vermutet, dass Sophies Großmutter in engster Beziehung zur Prieuré stand. Schließlich hatte die Bruderschaft von jeher auch Frauen aufgenommen und sogar vier Großmeisterinnen gehabt. Die Seneschalle waren traditionsgemäß Männer – die Wächter –, doch die Frauen wurden in der Prieuré hoch geachtet und konnten von jedem Rang in die führenden Ämter aufsteigen.
Langdon dachte an Teabing und Westminster Abbey. Es schien eine Ewigkeit her zu sein. »Hat die Kirche auf Ihren Mann Druck ausgeübt, damit er am Ende der Zeit die Dokumente nicht veröffentlicht?«
»Um Himmels willen, nein! Das Ende der Zeit ist eine Phantasterei verrückter Fanatiker. In der Doktrin der Prieuré ist mit keinem Wort ein Zeitpunkt für die Enthüllung des Grals festgelegt. Ganz im Gegenteil war die Prieuré stets der Meinung, dass er gar nicht enthüllt werden soll.«
»Niemals?« Langdon war sprachlos.
»Das Geheimnis des Grals, sein Rätsel und die Mythen, die sich um ihn ranken, dienen unseren Zielen besser, als seine Enthüllung es je könnte. Der Reiz des Grals liegt in seiner Unfassbarkeit.« Marie Chauvel schaute zur Kapelle hinauf. »Für manche ist der Gral ein Kelch, der ewiges Leben verspricht. Für andere bedeutet er die Suche nach verlorenen Dokumenten und nach einem Geheimnis der Geschichte. Und für die meisten ist der Gral lediglich eine faszinierende Idee, wie ich vermute … ein wundervoller, phantastischer, aber unerreichbarer Schatz, der uns sogar in der heutigen modernen, chaotischen Welt noch zu inspirieren vermag.«
»Aber wenn die Sangreal-Dokumente im Verborgenen bleiben, wird die Geschichte von Maria Magdalena niemals ans Tageslicht kommen«, wandte Langdon ein.
»Tatsächlich? Schauen Sie sich um! In der bildenden Kunst, in der Musik und der Literatur wird ihre Geschichte erzählt – heute mehr denn je! Das Pendel schlägt wieder zur anderen Seite aus. Wir merken allmählich, wie bedenklich die Gegenwart ist … und wie zerstörerisch der Weg, den wir eingeschlagen haben. Wir spüren immer deutlicher, dass es notwendig ist, das göttlich Weibliche wieder in sein Recht einzusetzen.« Sie hielt kurz inne. »Sie sagten, dass Sie ein Buch über die Symbole des göttlich Weiblichen schreiben, nicht wahr?«
»Das stimmt.«
Marie lächelte. »Schreiben Sie es fertig, Mr Langdon. Singen Sie das Lied der Göttin. Die Welt verlangt nach modernen Minnesängern.«
Langdon spürte sehr wohl das Verpflichtende von Maries Worten. Er schwieg. Die Mondsichel stieg aus der Weite des bewaldeten Horizonts.
Ein schülerhaftes Verlangen überkam ihn, Rosslyn Chapel das Geheimnis zu entreißen. Du kannst doch Marie jetzt nicht ausfragen. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Sein Blick streifte den Papyrus in Maries Hand und richtete sich dann wieder auf die Kapelle.
»Nur zu, fragen Sie schon, Mr Langdon«, sagte Marie belustigt. »Das Recht haben Sie sich redlich verdient.«
Langdon spürte, dass er rot wurde.
»Sie wollen sicher wissen, ob der Gral hier in Rosslyn liegt.«
»Können Sie es mir verraten?«
Marie seufzte in gespielter Verzweiflung. »Wie kommt es nur, dass Männer den Gral einfach nicht in Ruhe lassen können?« Sie lachte. Die Unterhaltung machte ihr offensichtlich Spaß. »Sie scheinen zu glauben, dass er hier ist. Warum?«
Langdon deutete auf den Papyrus in Maries Hand. »In diesem Vers Ihres Mannes ist ausdrücklich von Rosslyn die Rede. Er erwähnt allerdings auch ›Winkel‹ und ›Kelch‹, die über den Gral wachen. Aber ich habe diese Symbole dort oben nicht entdecken können.«
»Der Winkel und der Kelch?«, sagte Marie. »Aber wie sehen die denn aus?«
Langdon hatte das Gefühl, dass sie sich über ihn lustig machte, doch er beschrieb die Symbole.
Sie schaute ihn an, als könne sie sich nur mit Mühe daran erinnern. »Ach ja, richtig. Der Winkel steht für alles Männliche. Malt man ihn nicht so?« Sie zeichnete mit dem Zeigefinger eine Figur in ihren Handteller:
»Ja«, sagte Langdon. Marie hatte die weniger gebräuchliche Form des »geschlossenen« Winkels gezeichnet.
»Und das Weibliche wird durch die umgekehrte Form symbolisiert, den Kelch.« Wieder zeichnete sie.
»Richtig«, sagte Langdon.
»Und Sie sagen, dass unter den Hunderten von Symbolen, die wir hier oben haben, diese beiden Zeichen fehlen?«
»Ich habe sie jedenfalls nirgendwo gesehen.«
»Und wenn ich sie Ihnen nun zeige, können Sie dann wieder ruhig schlafen?«
Bevor Langdon antworten konnte, war Marie Chauvel schon von der Veranda heruntergestiegen und ging den Weg hinauf zur Kapelle. Langdon folgte ihr. In der Kapelle angekommen, schaltete Marie das Licht ein und deutete in der Mitte des Sakralraums auf den Boden. »Bitte sehr, Mr Langdon. Der Winkel und der Kelch.«
Langdon starrte auf den abgetretenen Steinfußboden. »Aber da ist doch gar nicht … «
Marie seufzte und ging über den Pfad zwischen den Sehenswürdigkeiten, den Langdon zuvor die Touristen hatte abschreiten sehen. Jetzt nahm er zwar das riesige Symbol wahr, konnte aber immer noch nichts damit anfangen.
»Das ist der David … « Er verstummte und schlug sich vor die Stirn.
Winkel und Kelch.
Einfach übereinander gelegt.
Der Davidsstern … das Symbol der vollkommenen Einheit des Männlichen und Weiblichen … das Siegel Salomons … die Kennzeichnung des Allerheiligsten, in dem man die männliche und die weibliche Gottheit wähnte, Jahwe und Schekinah.
Langdon brauchte eine ganze Weile, bis er seine Sprachlosigkeit überwunden hatte. »Dann weist der Vers also doch nach Rosslyn.«
Marie lächelte ihn an. »Offensichtlich.«
Langdon lief es eiskalt über den Rücken. »Also liegt der Gral in dem Gewölbe unter unseren Füßen?«
»Nur im Geiste.« Marie lachte. »Eine der ältesten Bestimmungen der Prieuré bestand darin, den Gral eines Tages in sein Heimatland Frankreich zurückzubringen, wo er für immer ruhen soll. Jahrhundertelang war der Gral aus Sicherheitsgründen kreuz und quer durch aller Herren Länder transportiert worden – ein höchst unwürdiger Zustand. Als Jacques Großmeister der Prieuré wurde, stand er insbesondere vor der Aufgabe, die Würde des Grals wiederherzustellen – was konkret bedeutete, den Gral nach Frankreich zu holen und ihm eine königliche Ruhestatt zu bereiten.«
»Und das ist ihm gelungen?«
Marie wurde sehr ernst. »Mr Langdon, in Anbetracht dessen, was Sie heute Abend für mich getan haben, möchte ich Ihnen als Kuratorin des Rosslyn Trust versichern, dass der Gral sich nicht mehr hier befindet.«
Langdon beschloss, ein wenig nachzubohren. »Aber der Schlussstein soll doch eigentlich auf den Ort hinweisen, an dem der Gral heute versteckt ist. Warum weist er dann auf Rosslyn?«
»Vielleicht haben Sie die Bedeutung des Verses nicht richtig erfasst.«
»Aber eindeutiger geht es doch gar nicht! Wir stehen über einem unterirdischen Gewölbe, das mit Winkel und Kelch markiert ist, befinden uns unter einer als Sternenzelt gestalteten Decke, umgeben von der Kunst meisterlicher Steinmetze. Alles weist auf Rosslyn hin!«
»Dann lassen Sie mich einmal den geheimnisvollen Vers ansehen.« Marie rollte den Papyrus auseinander und las laut und bedächtig vor.
Unter Alt-Roslin der Gral verharrt. Winkel und Kelch das Grab bewahrt. Es ist von des Meisten Kunst geschmückt. Und unters Sternenzelt endlich gerückt.
Als sie geendet hatte, blieb sie einige Sekunden lang stumm. Dann glitt ein wissendes Lächeln über ihre Lippen. »Ah, Jacques!«
Langdon sah sie erwartungsvoll an. »Sie haben das verstanden?«
»Mr Langdon, wie Sie selbst soeben anhand des Davidsterns auf dem Kapellenboden erlebt haben, kann man auch einfache Dinge auf vielfältige Weise deuten.«
Langdon bemühte sich, ihr zu folgen, jede Äußerung Jacques Saunières schien einen Doppelsinn zu haben. Er kam einfach nicht weiter.
Marie wirkte plötzlich sehr müde. Sie unterdrückte ein Gähnen. »Ich werde Ihnen jetzt etwas anvertrauen, Mr Langdon. Ich bin zwar nie offiziell in den Aufbewahrungsort des Grals eingeweiht gewesen, aber ich war mit einem Menschen verheiratet, der großes Wissen, umfassende Kenntnisse und machtvolle Befugnisse besaß … und meine weibliche Intuition wollen wir auch nicht vergessen.« Langdon wollte etwas einwerfen, doch Marie fuhr fort: »Es tut mir Leid für Sie, dass Sie nach all Ihren Anstrengungen ohne eine konkrete Antwort von Rosslyn fortgehen müssen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass Sie finden werden, wonach Sie suchen. Eines Tages werden Ihnen die Augen aufgehen.« Sie lächelte ihn an. »Und ich bin überzeugt, dann werden Sie sich als Mensch erweisen, der ein Geheimnis für sich behalten kann.«
Sie hörten, wie jemand sich näherte; dann kam Sophie zur Tür herein. »Ihr beide wart auf einmal verschwunden.«
»Ich wollte mich ohnehin gerade auf den Weg machen«, sagte Sophies Großmutter und ging zu ihrer Enkelin an die Tür. »Gute Nacht, Prinzessin.« Sie küsste Sophie auf die Stirn. »Sieh zu, dass Mr Langdon nicht zu spät ins Bett kommt.«
Marie Chauvel ging zu dem Bruchsteinhaus hinunter. Sophie und Langdon schauten ihr nach. Als Sophie den Blick wieder auf Langdon richtete, schwammen ihre Augen in Tränen. »Mit diesem Ende habe ich nun wirklich nicht gerechnet.«
Dann wären wir schon zwei, dachte Langdon. Er sah, dass Sophie mit ihrer Kraft am Ende war. Was heute Abend an Neuem auf sie eingestürmt war, hatte ihr Leben von Grund auf verändert. »Wie fühlen Sie sich? Sie mussten heute eine Menge verdauen.«
Sophie lächelte versonnen. »Ich habe jetzt eine Familie. Damit werde ich mich als Erstes auseinander setzen. Bis ich mich daran gewöhnt habe, wer wir sind und woher wir kommen, wird wohl noch einige Zeit vergehen.«
Langdon schwieg.
»Werden Sie morgen schon abreisen?«, wollte Sophie wissen. »Bleiben Sie noch ein paar Tage, ja?«
Langdon seufzte. Nichts hätte er lieber getan. »Sophie, Sie müssen jetzt erst einmal eine Zeit lang bei Ihrer Familie bleiben. Ich fahre morgen nach Paris zurück.«
Sophie wusste, dass es die richtige Entscheidung war; trotzdem wirkte sie ein wenig enttäuscht. Längere Zeit sprachen beide kein Wort. Schließlich ergriff Sophie Langdons Hand und führte ihn aus der Kapelle. Sie gingen zu einer kleinen Erhebung. Im diffusen Licht der Mondsichel, die durch die abziehenden Wolken schien, breitete sich die schottische Landschaft vor ihnen aus. Schweigend ständen sie beieinander und hielten sich an den Händen. Die Erschöpfung forderte allmählich ihren Tribut.
Die Sterne erschienen am Himmelszelt. Im Westen glänzte ein strahlender Lichtpunkt. Langdon lächelte, als er ihn bemerkte. Die Venus. Die antike Göttin ließ ihr goldenes Licht auf sie scheinen.
Der Abend wurde kühl. Eine frische Brise wehte aus den Lowlands herauf. Nach einer Weile blickte Langdon zu Sophie hinüber. Sie hatte die Augen geschlossen. Um ihre Lippen spielte ein zufriedenes Lächeln. Langdon spürte, wie auch seine Lider allmählich schwer wurden. Zögernd drückte er ihre Hand. »Sophie?«
Sie schlug die Augen auf und lächelte ihn schläfrig an. Das sanfte Mondlicht machte ihr Gesicht noch schöner.
Es stimmte Langdon plötzlich traurig, dass er ohne sie nach Paris zurückmusste. »Wenn Sie morgen aufstehen, bin ich wahrscheinlich schon fort.« Er stockte. Der Kloß im Hals wurde immer größer. »Entschuldigen Sie, ich bin nicht so gut im … «
Sophie legte ihm sanft die Hand an die Schläfe, beugte sich zu ihm herüber und küsste ihn auf die Wange. »Wann sehe ich dich wieder?«
Langdon verlor sich in Sophies Augen. Seine Gedanken überschlugen sich. Wusste sie, wie sehr er auf diese Frage gewartet hatte? »Nächsten Monat halte ich auf einer Tagung in Florenz einen Vortrag. Ich bin eine ganze Woche dort und habe nicht allzu viel zu tun.«
»Ist das eine Einladung?«
»Wir hätten allen erdenklichen Luxus. Ich habe eine Suite im Brunelleschi.«
Sophie lächelte ihn schelmisch an. »Sie scheinen sich ja ganz schön Hoffnungen zu machen, Mr Langdon.«
Langdon hatte sich ohrfeigen können. Wie hatte er sich nun wieder ausgedrückt! »Ich meine … «
»Robert, es wäre wunderbar, wenn wir uns in Florenz treffen könnten! Aber nur unter einer Bedingung.« Sophie wurde ernst. »Keine Museen, keine Kirchen, keine Grabmäler, keine Kunstwerke, keine Reliquien.«
»In Florenz? Eine ganze Woche? Etwas anderes kann man dort doch kaum machen.«
Sophie beugte sich wieder zu ihm herüber. Diesmal küsste sie ihn auf den Mund. Ihre Körper berührten sich, zögernd zuerst, dann leidenschaftlich. Als Sophie sich von Langdon löste, lag ein verheißungsvolles Leuchten in ihren Augen.
»Wirklich?«
»Ja«, sagte Langdon. »Wirklich.«