4. KAPITEL

Capitaine Bezu Fache gefiel sich in der Haltung eines gereizten Stiers – breites Kreuz mit weit zurückgenommenen Schultern, das Kinn in Angriffshaltung auf die Brust gedrückt. Sein dunkles Haar war mit Brillantine an die Kopfhaut geklatscht, was seinen weit in die Stirn vorspringenden spitzen Haaransatz betonte, der wie der Rammsporn einer Galeere zwischen seine gewölbten Brauen stieß. Der stechende Blick seiner kohlschwarzen Augen schien den Boden vor seinen Füßen zu versengen und ließ die unerbittliche Tatkraft und Gedankenschärfe erahnen, die man Fache nachsagte und die vor nichts und niemandem Halt machte.

Langdon folgte dem Capitaine die berühmte Marmortreppe ins Untergeschoss unter der Glaspyramide. Auf halber Höhe der Treppe standen zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte Wache. Die Botschaft war eindeutig: Ohne Capitaine Faches Segen kam hier niemand hinein oder hinaus.

Beim Abstieg unter das Straßenniveau musste Langdon ein wachsendes Unbehagen niederkämpfen. Faches Verhalten war alles andere als einladend, und der Louvre hatte um diese Tages- oder besser Nachtzeit die verlockende Aura einer Gruft. Der Treppenabgang wurde von den Trittleuchten, die in die Stufen eingelassen waren, nur notdürftig erhellt. Langdon hörte das Echo seiner Schritte von den schrägen Scheiben widerhallen. Beim Blick nach oben konnte er feine, lichtdurchwirkte Wasserschleier an der transparenten Dachkonstruktion vorüberwehen sehen.

»Was halten Sie davon?«, wollte Fache wissen und wies mit dem Kinn nach oben.

Langdon seufzte. Für Spielchen war er zu müde. »Ich finde die Pyramide großartig.«

»Das Ding ist ein Pickel auf dem Antlitz von Paris«, stieß Fache mürrisch hervor.

Die erste Pleite. Langdon spürte, dass mit seinem Gastgeber nicht gut Kirschen essen war. Er fragte sich, ob der Capitaine wusste, dass man auf Präsident Mitterands ausdrückliche Anordnung die Pyramide aus genau 666 Glasdreiecken zusammengesetzt hatte. Diese ungewöhnliche Vorgabe war für Verschwörungstheoretiker ein gefundenes Fressen gewesen, hieß es doch, die 666 sei die Zahl des Satans.

Langdon hielt es allerdings für klüger, dieses Thema nicht aufs Tapet zu bringen.

Während sie tiefer in das Zwielicht eintauchten, wurden allmählich die gewaltigen Ausmaße des unterirdischen Foyers erkennbar. Der gut zweiundzwanzig Meter unter Straßenniveau angelegte neue Eingangsbereich des Louvre erstreckte sich wie eine endlose Grotte über mehr als 9300 Quadratmeter. Passend zum honigfarbenen Stein der Fassade hatte man Marmor in warmen Ockertönen als Baumaterial gewählt. Der bei Tage vom Sonnenlicht durchflutete unterirdische Raum wimmelte für gewöhnlich von Besuchern, doch heute Nacht war er düster und verlassen und besaß eher die Atmosphäre einer Krypta.

»Wo ist denn das museumsinterne Wachpersonal?«, wollte Langdon wissen.

»En quarantaine«, gab Fache knapp zur Antwort. Es klang, als hätte Langdon die Integrität von Faches Beamten in Frage gestellt. »Heute Abend hat sich jemand Zutritt verschafft, der hier offensichtlich nichts zu suchen hatte. Das Wachpersonal der Nachtschicht wird zurzeit im Sully-Flügel verhört. Für heute Nacht haben meine Beamten den Sicherheitsdienst übernommen.«

Langdon nickte und legte einen Schritt zu, um an Faches Seite zu bleiben.

»Wie gut haben Sie Jacques Saunière gekannt?«, wallte Fache wissen.

»Eigentlich gar nicht«, sagte Langdon. »Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt.«

Fache blickte ihn überrascht an. »Sie beide hätten sich heute Abend das erste Mal gesehen?«

»Ja. Wir hatten verabredet, uns nach meinem Vortrag beim Empfang der Amerikanischen Universität zu treffen, aber er ist nicht gekommen.«

Fache kritzelte etwas in sein Notizbuch. Beim Weitergehen erspähte Langdon den Umriss einer weniger bekannten Pyramide des Louvre – La Pyramide Inversée –, ein großes Oberlicht, das in einem angrenzenden Bereich des Zwischengeschosses in Gestalt einer auf der Spitze stehenden Pyramide wie ein Stalaktit von der Decke ragte. Fache führte Langdon eine kurze Treppe zum Eingang eines hoch gewölbten Durchgangs hinauf, über dem auf einem Schild DENON zu lesen stand. Der Denon-Flügel war die bekannteste der drei Hauptabteilungen des Louvre.

»Von wem kam der Vorschlag, sich heute Abend zu treffen?«, erkundigte Fache sich unvermutet. »Von ihnen oder von Saunière?«

Was für eine merkwürdige Frage! »Von Monsieur Saunière«, sagte Langdon, während sie den Durchgang betraten. »Seine Sekretärin hat vor einigen Wochen per E-Mail Kontakt mit mir aufgenommen. Sie teilte mir mit, Direktor Saunière habe gehört, dass ich diesen Monat in Paris einen Vortrag hielte. Er würde anschließend gern etwas mit mir besprechen.«

»Und was?«

»Ich habe keine Ahnung. Vermutlich irgendetwas aus dem Bereich der Kunst. Wir haben ein paar gemeinsame Interessensgebiete.«

Fache sah Langdon skeptisch an. »Und Sie haben keine Ahnung, um was es bei Ihrem Treffen gehen sollte?«

Langdon wusste es wirklich nicht. Er war zwar gleich neugierig geworden, hatte es aber für unpassend gehalten, eingehend nachzufragen. Angesichts der Zurückgezogenheit des hochverehrten Jacques Saunière, die in der ganzen Zunft bekannt war, hatte Langdon allein schon die Tatsache, dass der Museumsdirektor ihn zu treffen wünschte, als schmeichelhaft empfunden.

»Haben Sie wenigstens eine Vermutung, Mr Langdon, was unser Mordopfer am Abend seines Todes mit Ihnen besprechen wollte? Es könnte sich als sehr hilfreich erweisen.«

Die Direktheit der Frage ließ Unbehagen in Langdon aufsteigen. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe auch nicht nachgefragt. Ich empfand es als Ehre, von Monsieur Saunière angesprochen zu werden. In meinen Vorlesungen benutze ich seine Veröffentlichungen als Lehrmaterial für meine Studenten.«

Fache vertraute die Information seinem Notizbuch an.

Die beiden Männer hatten inzwischen die Hälfte der Eingangspassage des Denon-Flügels hinter sich gebracht. Langdon sah die beiden Rolltreppen am Ende des Ganges. Sie standen still.

»Sie hatten also gemeinsame Interessengebiete?«, fragte Fache noch einmal nach.

»Ja. Ich habe den größten Teil des letzten Jahres damit verbracht, am Entwurf eines Buches zu arbeiten, das sich mit Monsieur Saunières Hauptinteressensgebiet befasst. Ich habe mir einiges davon versprochen, wenn ich ihm die Würmer aus der Nase ziehe.«

»Wie bitte?« Fache konnte mit dem Ausdruck offensichtlich nichts anfangen.

»Ich war neugierig, was Saunière zu dem Thema zu sagen hatte.«

»Verstehe. Und um welches Thema handelt es sich?«

Langdon zögerte. Er wusste nicht recht, wie er sich verständlich machen sollte. »Mein Manuskript befasst sich im Prinzip mit der Ikonographie der matriarchalischen Kulte – den Vorstellungen von einer Heiligkeit des Weiblichen und der damit verbundenen künstlerischen Symbolik.«

Fache strich sich mit seiner Pranke über das pomadige Haar. »Und Saunière war Experte auf diesem Gebiet?«

»Der Experte schlechthin.«

»Verstehe.«

Langdon spürte, dass Fache überhaupt nichts verstand. Auf dem Gebiet der bildhaften Darstellung von weiblichen Gottheiten galt Saunière als maßgebliche Kapazität. Saunière hatte nicht nur eine leidenschaftliche persönliche Vorliebe für Artefakte, die mit Fruchtbarkeitsriten, Muttergöttinnen, Hexen- und Weiblichkeitskulten zu tun hatten. In den zwanzig Jahren seiner Amtszeit als Direktor des Louvre hatte er dem Museum zur weltweit umfangreichsten Sammlung entsprechender Kunst- und Kultgegenstände verholfen: Doppeläxte aus dem ältesten Tempel der delphischen Priesterinnen, goldene Hermesstäbe, Hunderte von kleinen Ankhs, ägyptischen Schleifenkreuzen, die Engelsfigürchen ähneln, Sistrumrasseln, mit denen im alten Ägypten die bösen Geister vertrieben wurden, und eine erstaunliche Vielfalt von Plastiken, die die Isis darstellten, wie sie den Horus stillt.

»Es könnte doch sein, dass Saunière von Ihrem Manuskript gewusst und das Treffen vorgeschlagen hat, um Ihnen bei Ihrem Buch zu helfen«, mutmaßte Fache.

Langdon schüttelte den Kopf. »Zurzeit weiß niemand etwas von meinem Manuskript. Es ist bislang nur ein Entwurf. Einzig mein Lektor hat es schon gesehen.«

Fache verstummte.

Was den Grund betraf, weshalb noch niemand das Manuskript zu Gesicht bekommen hatte, schwieg Langdon sich aus. In seinem gut dreihundert Seiten umfassenden Entwurf – mit dem Arbeitstitel »Symbolik der untergegangenen Muttergottheit« – unterbreitete Langdon unkonventionelle Deutungen der herkömmlichen religiösen Symbolik, die mit Gewissheit kontroverse Diskussionen zur Folge hatten.

Am Fuß der Rolltreppe hielt Langdon inne. Fache war nicht mehr an seiner Seite. Als er sich umdrehte, sah er, dass der Capitaine an einem Personalaufzug stehen geblieben war.

»Wir nehmen den Lift«, sagte Fache. »Wie Sie bestimmt wissen, ist es zu Fuß noch ein ziemliches Stück bis zur Galerie.«

Langdon wusste zwar, dass der erste Stock mit dem Aufzug sehr viel einfacher zu erreichen war als über die langen Treppenfluchten, doch er blieb trotzdem regungslos stehen.

Fache hielt ungeduldig die Tür auf. »Stimmt etwas nicht?«

Während Langdon sich umdrehte, ließ er den Blick sehnsüchtig das weiträumige offene Treppenhaus hinaufschweifen. Er atmete tief aus. Es ist alles in bester Ordnung, redete er sich ein und ging zum Aufzug. Langdon litt an Klaustrophobie, seit er als Kind in einen alten Brunnenschacht gefallen war. Er hatte in der engen Brunnenröhre stundenlang Wasser treten müssen, bis man ihn endlich gefunden und mit knapper Not gerettet hatte. Seit damals hatte ihn eine panische Angst vor geschlossenen Räumen verfolgt: Aufzüge, U-Bahnen, Squashcourts. Der Aufzug ist eine völlig unbedenkliche Vorrichtung, sagte er sich nun, glaubte es aber nicht. Das Ding ist ein winziger Blechkasten, der an einem dünnen Drahtseil in einem engen Schacht baumelt! Langdon hielt die Luft an und trat in den Lift. Mit dem Schließen der Schiebetür kam der wohl bekannte Adrenalinstoß.

Zwei Etagen. Zehn Sekunden.

Der Lift fuhr an. »Sie und Monsieur Saunière … «, sagte Fache nachdenklich, »Sie haben sich noch nie miteinander unterhalten? Nie Briefwechsel gehabt?«

Schon wieder so eine seltsame Frage. Langdon schüttelte den Kopf. »Nein, nie.«

Fache legte den Kopf schief. Er schien sich einen Knoten ins imaginäre Taschentuch zu machen und betrachtete kommentarlos die spiegelnde Edelstahltür.

Langdon versuchte, sich auf irgendetwas anderes als die ihn umschließenden vier Wände zu konzentrieren. In der polierten Stahltür spiegelte sich der Krawattenclip des Polizisten – ein silbernes Kreuz mit einer Einlegearbeit aus dreizehn schwarzen Onyxsplittern. Langdon kannte das Symbol als crux gemmata, ein christliches Symbol für Jesus und die zwölf Apostel. Er war erstaunt. Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ein französischer Capitaine seine religiöse Überzeugung so offen vor sich her trug. Aber das war nun mal Frankreich. Das Christentum war hier keine Religion, sondern ein Muttermal.

»Das ist eine crux gemmata«, sagte Fache unvermittelt.

Langdon blickte ertappt auf. In der glänzenden Tür sah er, wie Fache sein Spiegelbild musterte.

Der Aufzug hielt federnd, die Tür glitt auf.

Langdon atmete aus und trat hinaus auf den Gang. Er brauchte die Weite der Gemäldegalerien mit ihren berühmten hohen Decken. Doch die Welt, die er betrat, hatte mit seinen Erwartungen rein gar nichts zu tun. Überrascht blieb er stehen.

Fache streifte ihn mit einem Blick. »Ich kann wohl davon ausgehen, Mr Langdon, dass Sie den Louvre noch nie nach Öffnungsschluss gesehen haben?«

Davon können Sie getrost ausgehen, dachte Langdon und versuchte, sein inneres Gleichgewicht wiederzugewinnen. In den üblicherweise perfekt ausgeleuchteten Galerien des Louvre war es überraschend schummrig. Statt des gleichmäßig von oben herabfallenden weißen Lichts schien sich in gewissen Abständen ein gedämpfter roter Lichtschimmer von den Fußleisten aus nach oben und auf dem gekachelten Boden auszubreiten.

Eigentlich hättest du mit etwas Ähnlichem rechnen müssen, dachte Langdon beim Blick in den düsteren Korridor. In sämtlichen bedeutenden Bildergalerien hatte man inzwischen für die Nachtstunden eine rote Servicebeleuchtung installiert – an strategisch wichtigen Stellen tief angebrachte Lichtquellen, deren diffuses Licht dem Personal das in den Räumlichkeiten erforderliche Arbeitslicht lieferte, andererseits die Farben der Gemälde nicht ausbleichte. Am heutigen Abend besaß das Museum eine geradezu bedrohliche Atmosphäre. Aus allen Ecken krochen lange Schatten hervor, und die sonst so hohen Gewölbedecken wirkten wie eine drückende schwarze Leere.

»Hier entlang«, sagte Fache. Er wandte sich scharf nach rechts, um durch eine Reihe miteinander verbundener Galerien zu gehen. Langdon folgte ihm. Seine Augen gewöhnten sich nach und nach an das schummrige Licht.

Wie Fotos in einer gigantischen Entwicklerschale tauchten ringsum großformatige Ölporträts aus der Dunkelheit … Langdon wurde das Gefühl nicht los, von den Augen der Porträtierten beim Gang durch die Räume verfolgt zu werden. Er roch die vertraute Museumsluft – eine trockene entionisierte Atmosphäre mit einem leichten Beigeschmack von Kohle. Sie strömte aus der Klimaanlage, die rund um die Uhr in Betrieb war und deren Kohlefilter das von den Besucherscharen ausgeatmete Kohlendioxid neutralisierten.

Die hoch an den Wänden montierten, gut sichtbaren Überwachungskameras lieferten den Besuchern eine eindeutige Botschaft: Wir sehen dich! Wehe, du rührst etwas an!

»Sind einige der Kameras echt?«, erkundigte sich Langdon.

»Natürlich nicht«, sagte Fache.

Langdon war keineswegs überrascht. Die Videoüberwachung eines Museums dieser Größe verbot sich schon aus Kostengründen und war außerdem wenig wirkungsvoll. Bei seiner nach Hektar zu bemessenden Ausstellungsfläche hatte der Louvre allein zur Beobachtung der Bildschirme mehrere hundert Mann Überwachungspersonal einsetzen müssen. Die Sicherheitssysteme der meisten großen Museen beruhten mittlerweile nicht mehr auf dem Prinzip des Aussperrens von Eindringlingen, sondern auf der containment security, dem Prinzip des Einsperrens der Täter. Man kann Diebe nicht aus dem Gebäude aussperren, aber man kann sie im Gebäude einsperren. Nach Öffnungsschluss wurde die Schließanlage aktiviert. Sobald ein Täter ein Ausstellungsobjekt von seinem angestammten Platz entfernte, schlossen sich sämtliche Zugänge zur betreffenden Galerie. Der Täter befand sich gewissermaßen schon hinter Gittern, bevor die Polizei anrückte.

Aus dem Marmorflur vor ihnen hallten ihnen Stimmen entgegen. Der Lärm schien aus einem geräumigen kurzen Flur zu kommen, der sich weiter vom nach rechts öffnete. Helles Licht fiel in den Gang.

»Das Büro des Museumsdirektors«, erläuterte Fache.

Sie folgten dem Lichtschein. Langdon konnte durch den Flur in Saunières luxuriös ausgestattetes Büro schauen – kostbares Holz und alte Meister, wohin das Auge blickte, sowie ein riesiger antiker Schreibtisch, auf dem ein sechzig Zentimeter großes Modell eines Ritters in voller Rüstung stand. Eine Hand voll Polizeibeamte wuselte telefonierend und Notizen machend umher. Einer saß an Saunières Schreibtisch und tippte etwas in ein Notebook. Das Büro des Museumsdirektors war für diese Nacht offensichtlich zum einstweiligen Hauptquartier des DCPJ umfunktioniert worden.

»Messieurs!«, rief Fache, und alles fuhr herum. »Ne nous dérangez pas sous aucun prétexte. Entendu?«

Alles nickte.

Langdon hatte im Hotel oft genug das Schild mit dem NE PAS DERANGER außen an die Türklinke gehängt, um zu wissen, dass der Capitaine seine Zweisamkeit mit ihm unter keinen Umständen gestört wissen wollte.

Sie ließen die emsige kleine Beamtenschar hinter sich. Fache führte Langdon weiter den großen abgedunkelten Gang hinunter. Dreißig Meter vor ihnen öffnete sich der Zugang zur berühmtesten Abteilung des Louvre, der Grande Galerie, einer scheinbar endlos langen Flucht breiter Gänge, in denen die kostbarsten italienischen Meisterwerke untergebracht waren. Langdon hatte sich bereits ausgerechnet, dass dies der Ort sein musste, wo Saunières Leiche lag: Das Polaroidfoto hatte den berühmten Parkettboden der Grande Galerie unverkennbar wiedergegeben.

Beim Näherkommen bemerkte Langdon, dass der Zugang durch ein gewaltiges Stahlgitter versperrt war. Er fühlte sich an die Falltüren erinnert, mit denen mittelalterliche Burgen sich vor streunendem Raubgesindel geschützt hatten.

»Containment security«, sagte Fache.

Selbst im Zwielicht machte die Barrikade noch den Eindruck, einen Panzer aufhalten zu können. Am Gitter angekommen, spähte Langdon durch die Stäbe in das schwach beleuchtete höhlenartige Innere der Grande Galerie.

»Nach Ihnen, Mr Langdon«, sagte Fache.

Langdon schaute ihn verdutzt an. Er will, dass du vorangehst – aber wohin?

Fache deutete auf den Boden.

Langdons Blick folgte Faches Finger. In der Düsternis war ihm entgangen, dass das Gitter einen halben Meter weit angehoben war. Ein bedrohlicher Spalt tat sich darunter auf.

»Dieser Bereich ist für das Wachpersonal des Louvre immer noch gesperrt«, sagte Fache. »Mein Team von der Police Technique et Scientifique hat die Spurensicherung soeben abgeschlossen.« Er deutete wieder auf den Spalt. »Seien Sie bitte so nett, hier unten durchzukriechen.«

Langdon betrachtete den engen Durchschlupf zu seinen Füßen und dann das massive Stahlgitter darüber. Das kann doch nicht Faches Ernst sein! Die Barrikade wirkte wie eine Guillotine, die nur darauf wartete, jeden Eindringling zu zermalmen.

Fache sah auf die Uhr und sagte ein paar französische Worte. Dann ließ er sich auf alle viere nieder und quetschte seine massige Gestalt durch die Öffnung. Drüben angekommen, erhob er sich und blickte Langdon durch die Gitterstäbe auffordernd an.

Seufzend ging Langdon in die Hocke. Er stützte die Hände flach auf das polierte Parkett, legte sich auf den Bauch und robbte vorwärts. Der Kragen seines Tweedjacketts verfing sich in einer Halteklaue des Gitters, und er stieß mit dem Hinterkopf gegen den Stahlrahmen.

Was für ein Spaß, dachte er säuerlich, doch schließlich war er durch und erhob sich. In ihm keimte der Verdacht auf, dass es eine sehr lange Nacht werden würde.

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