Der Weg ins Eis

Mandred schob die vier Kettenhemdringe über einen rostigen Nagel im Bart der Firnstatue. Hochnäsiges Elfenpack, dachte er. Natürlich hatte keiner von ihnen dem Herrn des Winters geopfert, wenn sie an einem Eisenmann vorbeigeritten waren. Und jetzt hatten sie den Ärger! Immer dichter wurde das Schneetreiben, und sie hatten die Höhle noch immer nicht gefunden.

»Kommst du, Mandred?«

Der Krieger blickte zornig zu Farodin. Der war der Schlimmste von allen. Farodin hatte etwas Unheimliches an sich. Manchmal war er zu still, dachte Mandred. So waren Männer, die etwas zu verbergen hatten. Trotzdem würde er auch für ihn opfern. »Verzeih ihnen, Firn«, flüsterte Mandred und schlug das Zeichen des schützenden Auges. »Sie kommen von einem Ort, an dem mitten im Winter Frühling ist. Sie wissen es nicht besser.«

Der Krieger erhob sich, nur um sich gleich darauf schwer auf den Schaft seiner Saufeder zu stützen. Er musste Luft schöpfen. Nie zuvor war er so hoch in den Bergen gewesen. Längst hatten sie die Baumgrenze hinter sich gelassen. Hier gab es nichts mehr außer Felsen und Schnee. Wenn der Himmel klar war, sahen sie ganz nah den Gabelbart und das Trollhaupt, zwei Gipfel, auf denen selbst im heißesten Sommer der Schnee nie schmolz. Sie waren den Göttern so nah, dass sie schon bei einer leichten Anstrengung kurzatmig wurden. Dieser Platz hier war nicht für Menschen gemacht!

Mandred griff nach den Zügeln seiner Stute. Ihr schien die Kälte nichts auszumachen, und sie musste sich auch nicht mühsam einen Weg durch den tiefen Schnee bahnen. Ganz gleich, wie brüchig der Harschpanzer auf dem alten Schnee war, sie brach niemals ein, genau wie die beiden Wölfe und die Elfen. Sie ließen ihn vorgehen, damit er das Tempo bestimmte. Ohne ihn wären sie gewiss doppelt so schnell vorangekommen.

Trotzig stemmte sich Mandred gegen den eisigen Wind. Wie Knochennadeln stach der Schnee in sein Gesicht. Er blinzelte und versuchte seine Augen so gut es ging mit der Hand abzuschirmen. Hoffentlich wurde das Wetter nicht noch schlechter!

Sie zogen einen langen Gletscher hinauf, der zu ihrer Linken von steilen Felshängen gesäumt war. Heulend brach sich der Wintersturm in den Felszinnen weit über ihren Köpfen. Hoffentlich ist es nur der Sturm, der dort oben heult, dachte Mandred beklommen. Im Winter sollte es hier Trolle geben.

Der Krieger blickte zurück zu den Elfen. Denen schien die verdammte Kälte nichts auszumachen. Sicher hatten sie irgendeinen Zauber gewirkt, um sich zu schützen. Aber er würde nicht jammern oder sie gar um irgendetwas bitten!

Es wurde schnell dunkel. Bald müssten sie Rast machen. Zu groß war die Gefahr, in der Finsternis in eine Gletscherspalte zu stürzen. Verdammtes Wetter! Mandred wischte sich fahrig über die Stirn. Seine Augenbrauen waren von Schnee verkrustet. Er musste den anderen klar machen, dass es keinen Sinn mehr machte, noch länger zu suchen. Selbst wenn sie nicht abstürzten, mochten sie in dem Schneetreiben dicht an der Höhle vorbeilaufen, ohne sie zu bemerken.

Plötzlich verharrte der Krieger. Da war ein fauliger Geruch! Er erinnerte Mandred an die Ausdünstungen der Bestie. Er blinzelte ins Schneetreiben hinein. Nichts! Hatte er es sich nur eingebildet?

Einer der Wölfe stieß ein lang gezogenes Heulen aus.

Die Bestie war hier! Ganz nahe! Mandred ließ die Zügel fahren und umklammerte den Schaft der Saufeder mit beiden Händen. Ein Stück voraus im Schnee erhob sich ein Schatten. »Für Aigilaos!«, schrie der Krieger.

Erst im letzten Augenblick erkannte er, was dort aufragte. Es war ein weiterer Eisenmann! Diesmal aber blickte er nicht weiter den Gletscher hinauf, sondern geradewegs zur Felswand. Ein schmaler Steig führte dort hinauf. Viel zu schmal, als dass Pferde ihn erklimmen konnten.

»Das ist es.« Vanna war an Mandreds Seite getreten und deutete den Felssteig hinauf. »Viele Albenpfade kreuzen sich irgendwo dort oben und bilden einen Albenstern.«

»Was ist ein Albenstern?«, fragte Mandred.

»Ein Ort der Macht, ein Platz, an dem sich zwei oder mehr Albenpfade kreuzen.«

Mandred war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Vermutlich Wege, die früher häufig von Alben beschriften wurden. Aber was hatten sie in Luths Höhle gesucht? Waren sie gekommen, um dem Gott zu huldigen?

»Ich spüre die Pfade schon seit Stunden«, fuhr Vanna fort. »Wenn sich sieben Wege an dieser Stelle kreuzen, dann wird es dort ein Tor geben.«

Der Krieger sah die Elfe verwundert an. »Ein Tor? Dort gibt es kein Haus und keinen Turm. Es ist eine Höhle.«

Vanna lächelte. »Wenn du es sagst.«

Farodin machte sich an der Decke zu schaffen, die er hinter seinen Sattel geschnallt hatte. Er zog ein zweites Schwert hervor und schlang den Gurt um seine Hüften. Brandans Waffe! Dann rollte er die Decke auf und warf sie seinem Hengst über.

»Die Pferde werden sich eine windgeschützte Stelle suchen und auf uns warten, so lange sie die Kälte ertragen«, erklärte Vanna. Sie kraulte den kleineren der beiden Wölfe zwischen den Ohren und redete beruhigend auf ihn ein. »Du bleibst hier und schützt die Pferde vor den Trollen.« Sie zwinkerte Mandred zu.

Die Gefährten taten es Farodin nach und schützten auch die übrigen Tiere mit Decken.

Denen ist wahrscheinlich längst nicht so kalt wie mir, dachte Mandred ärgerlich. Er tätschelte seiner Stute über die Nüstern. Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen auf eine Art an, die ihm nicht gefiel. Wusste sie etwa um sein Schicksal? Pferde sollten nicht so traurig dreinblicken können!

»Wir werden dem Mistvieh den Bauch aufschlitzen und dann sehen, dass wir so schnell wie möglich verschwinden. Hier ist es viel zu kalt, um lange zu verweilen«, sagte Mandred, um sich selbst Mut zu machen.

Die Stute drückte ihm die weichen Nüstern in die Hand und schnaubte leise.

»Bist du bereit?«, fragte Vanna sanft.

Statt zu antworten, ging Mandred auf die Felswand zu. Verwitterte Stufen waren in den grauen Stein geschlagen. Vorsichtig tastete der Krieger sich voran. Eis knirschte unter seinen Tritten. Die linke Hand legte er auf den Fels, um zusätzlichen Halt zu haben. Immer enger wurden die Stufen, sodass zuletzt kaum ein Fuß auf ihnen Platz fand.

Mandreds Atem ging keuchend, als er endlich das Ende des Felssteigs erreichte. Eine Klamm öffnete sich vor ihm. Ihre Wände lagen so dicht beieinander, dass dort keine zwei Männer nebeneinander gehen konnten.

Mandred fluchte stumm. Der Manneber hatte diesen Ort mit Bedacht gewählt. Hier konnte immer nur einer von ihnen gegen ihn antreten. Weit oben in der Klamm flackerte rötliches Licht, das die Schneewechten auf dem Fels wie gefrorenes Blut erscheinen ließ. Mandred schlug das Zeichen des schützenden Auges. Dann ging er langsam voran. Die dünne Luft war rauchgeschwängert. Irgendwo dort oben brannte harziges Fichtenholz! Der Geruch würde den Gestank des Mannebers überdecken. »Verdammtes Mistvieh!«, entwich es ihm.

Jedes Mal hatte der Manneber sie überrascht. Es schien fast, als könnte er sich unsichtbar machen. Allein sein Geruch verriet seine Anwesenheit. Vorsichtig pirschte Mandred vor. Hoch über ihm hing ein riesiger Felsklotz verkeilt zwischen den Wänden. Wie ein Türsturz rahmte er den Weg. Hatte Vanna diesen Ort gemeint, als sie von einem Tor gesprochen hatte?

Geröll polterte von einer der Felswände. Erschrocken riss Mandred die Saufeder hoch. Etwas kletterte über ihm in der Klamm, aber in der Dunkelheit konnte er es nicht genau erkennen.

Der Menschenkrieger beschleunigte seine Schritte. Langsam weitete sich die enge Schlucht zu einem kleinen Talkessel. Kaum hundert Schritt entfernt klaffte ein finsteres Maul im Felsen. Luths Höhle! Der Boden des Tals war mit großen Felsbrocken übersät. Nahe bei der Höhle brannte ein Feuer.

»Komm heraus und stell dich!« Mandred hob die Saufeder herausfordernd über den Kopf. »Hier sind wir!« Seine Stimme hallte von den Felsen wider.

»Er wird erst kommen, wenn er uns genau dort hat, wo er uns haben will!«, sagte Farodin grimmig. Der Elf öffnete die Brosche seines Umhangs und ließ ihn zu Boden gleiten.

Kurz überlegte Mandred, ob auch er seinen schweren Pelzumhang ablegen sollte. Er mochte ihn vielleicht im Kampf behindern. Aber es war einfach zu kalt. Im Zweifelsfall konnte er ihn immer noch mit einem Handgriff abstreifen.

Farodin ging nun voran. Mit katzenhafter Anmut bewegte er sich zwischen den Felsen.

»Wir bleiben zusammen«, befahl Mandred. »So können wir uns besser verteidigen.« Vanna war deutlich die Angst anzusehen. Ihre Augen waren geweitet, und der Speer in ihren Händen zitterte leicht.

Nuramon hatte als Letzter den Talkessel betreten. Der verbliebene Wolf hielt sich dicht an seiner Seite. Er hatte die Ohren angelegt und wirkte ängstlich.

»Gibt es nicht doch noch etwas, das du uns über die Devanthar erzählen kannst, Zauberin?«, fragte Mandred.

»Niemand weiß viel über sie«, erwiderte Vanna knapp. »Sie werden jedes Mal anders beschrieben in den alten Geschichten. Mal werden sie mit Drachen verglichen, dann wieder mit Schattengeistern oder riesigen Schlangen. Es heißt, sie könnten ihre Gestalt wandeln. Von einem Manneber habe ich allerdings noch nie gehört.«

»Das hilft uns nicht weiter«, murmelte Mandred enttäuscht und stieg dann in das kleine Tal hinab.

Farodin erwartete sie am Feuer. Dort lag ein großer Stapel Brennholz, zersplitterte Stämme und grüne Fichtenzweige.

Der Elf schob einen der Zweige zur Seite. Darunter lag ein Stamm aus dunklerem Holz. Mandred erkannte erst auf den zweiten Blick, was es war.

»Der Devanthar scheint keinen großen Respekt vor deinen Göttern zu haben.«

Mandred zog das schwere Götzenbild unter den Zweigen hervor. Es war einer der Eisenmänner, diesmal ein Bildnis von Luth. Viele der Opfergaben waren aus dem Holz gebrochen und hatten tiefe Kerben hinterlassen. Mandred tastete ungläubig über das geschändete Standbild. »Er wird sterben«, murmelte er. »Sterben! Niemand verspottet ungestraft die Götter. Hast du ihn gesehen?«, fuhr er Farodin an.

Der Elf deutete mit Brandans Schwert auf die Höhle. »Ich vermute, dass er uns dort drinnen erwartet.«

Mandred breitete die Arme aus und blickte in den Nachthimmel. »Herren des Himmels und der Erde! Gebt uns die Kraft, euer rächender Arm zu sein! Norgrimm, Lenker der Schlachten! Hilf mir, unseren Feind zu vernichten!« Er wandte sich der Höhle zu. »Und du, Manneber, fürchte meinen Zorn! Ich werde deine Leber den Raben und Hunden vorwerfen!«

Entschlossen ging Mandred auf die Höhle zu und schlug noch einmal das Zeichen des schützenden Auges. Hinter dem Eingang bog ein Tunnel scharf nach links und weitete sich schon nach wenigen Schritten zu einer Höhle, die größer war als die Festhalle eines Königs und von sinnenverwirrender Schönheit.

In ihrer Mitte lag ein großer Felsbrocken. Davor war der Boden von Ruß geschwärzt. Hier musste Luth am Feuer gesessen haben, dachte Mandred ehrfürchtig.

Schimmerndes Eis bedeckte die Wände. Dahinter schienen Lichter gefangen zu sein. Sie sahen wie kleine Flammen aus und wanderten zur Decke hinauf, wo sich ihr Licht in hunderten von Eiszapfen spiegelte. In der Höhle war es fast so hell wie auf einer Wiese an einem Sommertag.

Zwischen den Eiszapfen wuchsen steinerne Säulen von der Decke hinab, um mit mächtigen Steindornen zu verschmelzen, die sich vom Boden emporstreckten. Nie zuvor hatte Mandred so etwas gesehen. Es schien, als wüchse hier der Fels, so wie Eiszapfen von den Dächern der Langhäuser wuchsen. Dies war wahrlich ein Ort der Götter!

Auch die drei Elfen waren eingetreten. Staunend sahen sie sich um. »Ich spüre nur fünf«, sagte Vanna.

Mandred folgte ihren Blicken. Da war niemand außer ihnen! »Fünf was?«

»An diesem Ort kreuzen sich fünf Albenpfade. Dem Kundigen öffnet sich hier ein Weg zwischen den Welten. Wer seine Reise an einem solchen Ort beginnt, der wird nicht verloren gehen. Aber dieses Tor ist versiegelt. Ich glaube nicht, dass wir es öffnen können.«

Mandred sah die Elfe verwundert an. Er verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Elfenschnickschnack!

_Und ihr sollt dieses Tor auch nicht öffnen, denn eure Reise endet hier_, hallte eine Stimme in seinen Gedanken. Erschrocken fuhr der Jarl herum. Im Eingang zur Höhle stand die Bestie. Der Manneber erschien ihm jetzt noch größer als in der Nacht, in der er ihm zum ersten Mal begegnet war. Dabei stand die massige Gestalt sogar gebeugt.

Der Kopf des Devanthars war der Kopf eines Wildebers, dicht behaart mit schwarzen Borsten. Nur seine blauen Augen erinnerten nicht an ein Tier. Sie funkelten spöttisch. Aus seinem Maul ragten Hauer, so lang wie Dolche.

Der Rumpf war wie bei einem kräftigen Mann, doch seine Arme waren viel zu lang und hingen bis fast zu den Knien. Die Beine waren eine Mischform von menschlichen Gliedern und den Hinterläufen eines Ebers. Sie endeten in großen, gespaltenen Hufen.

Das Ungeheuer spreizte die Hände, und aus den Fingerkuppen schoben sich Krallen. Mandred wurde bei dem Anblick mulmig. Der Manneber hatte sich verändert! So lange Krallen hatte er nicht gehabt, als er ihn und seine drei Gefährten auf der Lichtung nahe Firnstayn überfallen hatte.

Der Wolf stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus. Er hatte die Ohren angelegt und die Rute zwischen die Hinterbeine geklemmt. Gleichzeitig waren seine Lefzen zurückgezogen, und er zeigte drohend seine Fänge.

Der Manneber legte den Kopf in den Nacken und stieß einen markerschütternden Schrei aus, ein dumpfes Grölen, das immer heller wurde, bis es in schrilles Kreischen überging.

Vanna presste sich die Hände auf die Ohren und ging in die Knie. War das ein Zauber? Mandred stürmte vor. Ein Stück Eis fiel ihm vor die Füße. Erschrocken blickte der Krieger zur Decke. Im selben Augenblick lösten sich hunderte von Eiszapfen. Gleich kristallenen Dolchen fuhren sie hinab.

Mandred riss die Arme über den Kopf, um sich zu schützen. Die ganze Höhle war vom Getöse zerschellenden Eises erfüllt. Etwas schrammte über seine Stirn. Dicht vor ihm schlug ein armlanger Eiszapfen auf den Boden und zerbrach. Dann prasselte es auf seinen Rücken. Wie ein Keulenschlag traf ihn etwas am Hinterkopf.

Vanna lag zusammengekrümmt am Boden. Ein Eiszapfen hatte ihren Oberschenkel durchbohrt. Ihre Hose aus Hirschleder war von Blut durchtränkt. Nuramon hatte offensichtlich einen Treffer am Kopf abbekommen. Er lehnte an einer Steinsäule und rieb sich benommen die Stirn. Nur Farodin schien gänzlich unverletzt zu sein.

»Schluss mit den Spielen!« Der Elf zog seine beiden Schwerter und hob eine der Klingen. »Erkennst du diese Waffe? Ihr Besitzer ist tot, und doch wird sie dich treffen. Mit ihr werde ich das Leben aus dir herausschneiden.«

Statt zu antworten, stürmte der Manneber in die Höhle. Vanna versuchte vor ihm fortzukriechen, doch binnen eines Herzschlags war die Kreatur über ihr. Mit einem leichten Rückhandschlag streckte der Manneber sie vollends nieder. Einer seiner Hufe schnellte hinab. Ihr Schädel zerbarst wie ein weingefüllter Tonkrug, der auf Steinplatten fiel.

Mit einem gellenden Schrei warf sich Nuramon auf das Ungeheuer. Doch der Devanthar reagierte überraschend schnell.

Mit einer seitlichen Drehung wich er dem Schwerthieb aus. Eine Krallenhand fuhr hinab und zerfetzte den Umhang des Elfen.

Mandred sprang vor und versuchte dem Manneber die Saufeder zwischen die Rippen zu stoßen. Ein Prankenhieb traf das Speerblatt und hätte dem Krieger beinahe die Waffe aus der Hand gerissen. Auf dem Boden voller Eis geriet Mandred ins Rutschen.

Der Wolf hatte seine Fänge in eines der Beine des Mannebers gegraben, während Farodin mit einem Wirbel von Schlägen angriff. Doch statt den Schwerthieben auszuweichen, sprang die Kreatur vor. Eine Klauenhand fuhr hinab. Farodin warf sich zurück, doch die Pranke hinterließ vier tiefe Striemen auf seiner linken Wange. Der Wolf zerrte am Bein des Mannebers. Mandred wünschte sich, sie hätten den anderen Wolf nicht bei den Pferden zurückgelassen. Hier wäre er ihnen eine größere Hilfe!

Die Bestie fuhr herum und versetzte dem Wolf einen wuchtigen Schlag in den Rücken. Mandred hörte ein scharfes Knacken. Das Tier jaulte auf. Seine Hinterläufe knickten zuckend zur Seite. Noch immer waren seine Fänge in das Bein des Mannebers gegraben. Helles Blut quoll zwischen den schwarzen Borsten hervor. Ein Huftritt ließ Kiefer und Fänge des Wolfes zersplittern.

Wild wirbelte der Manneber herum. Nuramon hatte versucht, ihn von hinten anzugreifen. Ein Prankenhieb prellte dem Elfen das Kurzschwert aus der Hand, und ein zweiter Schlag zerfetzte den Brustpanzer aus Drachenhaut.

»Denkt nicht!«, schrie Farodin. »Er kennt jeden eurer Gedanken. Überlegt nicht, was ihr tun wollt. Greift einfach an!«

Mandreds Saufeder zerteilte das Fleisch der Bestie. Er hatte ihr einen tiefen Schnitt gleich unter dem Rippenbogen beigebracht. Mit einem wütenden Schnauben fuhr die Kreatur herum.

Der Krieger riss die Waffe hoch, um den Prankenhieb aufzuhalten, der nach seinem Kopf zielte. Der Schaft der Saufeder zersplitterte unter der Wucht des Treffers. Mandred wurde zurückgeworfen. Doch bevor die Bestie nachsetzen konnte, war Farodin über ihm. Mit ungestümen Schwerthieben trieb er den Manneber fort von Mandred und verschaffte diesem so die Gelegenheit, sich wieder aufzurappeln.

Der Jarl blickte auf die zerstörte Waffe. Das Blatt der Saufeder war so lang wie ein Kurzschwert. Der Krieger warf die nutzlose Hälfte des Schaftes fort. Blut rann seinen Arm hinab. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass der Manneber ihn getroffen hatte.

In tödlichem Tanz umkreisten Farodin und der Manneber einander. Sie bewegten sich so schnell, dass Mandred es nicht wagte vorzustürmen, aus Angst, er könnte Farodin behindern.

Der Atem des Elfen ging keuchend. Die dünne Luft! Mandred konnte sehen, wie Farodins Bewegungen langsamer wurden. Klirrend zerriss ein Prankenhieb das Kettenhemd über seiner linken Schulter. Im selben Moment schnellte Brandans Schwert hoch. Blut spritzte, und eine der Pranken des Mannebers wirbelte durch die Luft. Der Schwerthieb hatte das Handgelenk durchtrennt.

Der Manneber grunzte und wich ein Stück zurück. Spiegelte sich da etwa Angst in seinen blauen Augen?

Farodin stürmte vor. Die Bestie senkte den Kopf und warf sich nach vorn. Ihre Hauer gruben sich in Farodins Brust. Beide wurden zu Boden gerissen.

»Mandred …«

Die Spitze von Brandans Schwert war der Kreatur quer durch den Leib gedrungen und ragte aus ihrem Rücken. Und doch war noch immer Leben in der Bestie. Mit Entsetzen sah Mandred, wie sie sich hochstemmte.

»Nuramon …« Blut troff von Farodins Lippen. »Sag ihr …« Sein Blick trübte sich.

»Farodin!« Mit einem Mal war Nuramon über dem Manneber. Er hob das Schwert mit beiden Händen und ließ es auf das Haupt des Ebers hinabfahren. Knirschend glitt die Klinge ab und hinterließ eine tiefe, blutige Furche. Von der Wucht des eigenen Schwerthiebes taumelte Nuramon zurück. Blankes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Noch halb gebeugt fuhr die Bestie herum und setzte dem Elfen nach. Doch dann verharrte sie plötzlich.

Das ist die letzte Gelegenheit!, dachte Mandred. Der Krieger trat von hinten an den Manneber. Entschlossen packte er mit der Linken die Hauer und riss den mächtigen Kopf zur Seite. Mit der Rechten rammte er dem Ungeheuer die Klinge der Saufeder durch eines seiner Augen. Tief grub sich der Elfenstahl in den Schädel des Devanthars.

Ein letztes Mal bäumte sich der Körper der Bestie auf. Mandred wurde gegen den mächtigen Stein geschleudert, auf dem einst Luth gesessen hatte. Dumpfer Schmerz pochte in seiner Brust.

»Deine Leber werden die Hunde fressen«, stieß Mandred hustend hervor.

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