Elodrins Lied

»Wir können nicht mehr länger warten. Bald steht die Flut so hoch, dass wir nicht mehr aus der Höhle kommen. Dann sitzen wir hier auf Stunden fest!«

Mandred hatte sich schlotternd eine Decke um die Schultern geschlungen. Das Getöse der steigenden Flut hallte von den Wänden der Grotte wider. Der Jarl fühlte sich elend. Er war den Elfen hilflos ausgeliefert. Sie waren mit ihm quer durch den Fjord geschwommen. Landal, ein hagerer, blonder Elf, hatte ihn beim Bart gepackt und hinter sich her gezogen. Sein Zauber hatte Mandred davor bewahrt, im eisigen Wasser zu sterben. Dennoch fühlte er sich mehr tot als lebendig. Die Kälte war ihm tief in die Knochen gedrungen. Er lag auf dem Boden des Boots in mehrere Decken gehüllt und konnte sich kaum bewegen.

»Bringt das Boot aus der Grotte«, kommandierte Elodrin und trat an das Steuerruder im Heck. »Wir werden draußen im Fjord warten. Dort sitzen wir wenigstens nicht in der Falle.«

Die übrigen Elfen legten sich in die Riemen. Gegen die starke Strömung am Höhleneingang anzukämpfen forderte ihnen alle Kraft ab. So hoch stand das Wasser, dass das Boot immer wieder mit dem geschwungenen Vordersteven gegen die Decke schlug. Es sah schon so aus, als wäre es zu spät, der Höhle noch zu entkommen, als der kleine Segler plötzlich einen Satz nach vorn machte. Dann waren sie frei.

Mit großem Geschick steuerte Elodrin sie durch die Riffe und Untiefen, bis sie schließlich in das tiefe Fahrwasser in der Mitte des Fjords gelangten. Erschöpft kauerten die Elfen entlang der Bordwand und erholten sich vom Kampf mit der See. Nur Elodrin stand im Heck. Unruhig spähte er in den dichten Nebel hinaus.

»Ein mächtiger Zauber wird gewirkt«, sagte er leise. »Überall spüre ich Magie. Wir sollten hier nicht bleiben.«

»Wir werden auf Farodin warten!«, beharrte Mandred.

»Das ist nicht klug.« Der alte Elf deutete voraus, dorthin, wo jenseits des Nebels die Nachtzinne liegen musste. »Farodin ist hierher gekommen, um zu sterben.«

»Nein, du kennst ihn nicht. Er hat sein Leben ganz der Suche nach seiner Geliebten geweiht. Er wird hier nicht sterben.«

Elodrin lächelte müde. »So gut kennst du also die Seele der Elfen, Menschensohn?«

Überheblicher Mistkerl, dachte Mandred. »Wenn ihr ihn aufgebt, dann bringt mich zum Ufer. Ich werde nach ihm suchen!«

»Was willst du tun? Zur Nachtzinne kriechen?«

»Jedenfalls werde ich nicht einen Freund im Stich lassen.«

»Was nutzt es Farodin, wenn auch du stirbst?«, fragte Elodrin.

»Das wirst du nie begreifen, Elf. Es ist eine Frage der Ehre, seine Freunde nicht aufzugeben. Ganz gleich, unter welchen Umständen. Und ich bin mir sicher, Farodin würde dasselbe für mich tun!«

Der alte Elf nickte. »Ja, er hat sich sehr verändert. Das konnte ich spüren. Vielleicht … Schweig nun, Mensch. Ich brauche Ruhe!«

Elodrin ließ die Ruderpinne los und kauerte sich ins Heck. Leise summte er eine einlullende Melodie. Das sanfte Schaukeln des Bootes und die Erschöpfung machten Mandred schläfrig. Sein Kopf kippte zur Seite. Nicht einschlafen, war sein letzter Gedanke.

Erschrocken fuhr der Jarl hoch. Die Elfen saßen wieder an den Rudern, und der Nebel hatte sich aufgelöst.

Sie mussten den Fjord verlassen haben! Wütend blickte Mandred zu Elodrin auf. »Du mieser Feigling! Du hast einen Schlafzauber über mich gelegt, um dann zu fliehen!« Er tastete nach seiner Axt. Sie war fort. Jede Bewegung ließ brennenden Schmerz durch sein Bein fahren.

Der alte Elf hatte seine Augenbinde angelegt. Er neigte den Kopf in Mandreds Richtung und lächelte. »Dass du gerade jetzt erwachst, zeigt, wie stark das Band eurer Freundschaft ist.«

»Du wirst mich sofort in den Fjord zurückbringen, du elender, dreckfressender …«

»Nardinel! Landal! Helft ihm auf! Sein Gerede stört meinen Zauber!«

Die angesprochenen Elfen zogen ihre Ruder ein und kamen zu ihm herüber. Auch sie trugen wieder ihre Augenbinden. Mandred stöhnte vor Schmerz, als sie ihn unter den Achseln packten und auf die Beine brachten.

»Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast«, zischte Nardinel ihm ins Ohr, »aber deine Unvernunft hat nun auch Elodrin ergriffen! Die Schamanen der Trolle vertreiben den Nebel aus dem Fjord. Jeder kann uns sehen. Und trotzdem halten wir auf den Hafen der Nachtzinne zu!«

Während er sich auf die Elfen stützte, konnte Mandred über die Reling sehen. Das Schneetreiben hatte aufgehört. Der Himmel war klar und voller Sterne. Etwa eine halbe Meile entfernt erhob sich der Turm der Trolle über dem Fjord. Überall auf den Klippen und entlang des Strandes bewegten sich Fackeln. Der Fuß des Turms war von einem matten, rötlichen Leuchten umgeben. Dichter Rauch quoll aus den Fenstern.

Die lange Hafenmole war voller Trolle. Offenbar wurden in aller Eile Schiffe bemannt.

»Siehst du ihn?«, fragte Elodrin vom Heck. »Farodin muss kurz vor uns im Wasser sein. Ich spüre seine Nähe. Es kostet kaum noch Kraft, den Suchzauber aufrechtzuerhalten.«

Mandred spähte in die sanfte Dünung. Einen Schwimmer, der das Wasser aufwühlte, hätte man sofort sehen müssen. Doch da war nichts.

»Bist du sicher, dass er hier ist?«, fragte er leise.

Elodrin deutete links am Vordersteven vorbei. »Dort. Das ist die Richtung, in die du blicken musst!«

Mandred kniff die Augen zusammen. Das Licht der Fackeln spiegelte sich in der glatten See. Plötzlich stieg eine Feuerkugel von der Nachtzinne aus steil in den Himmel. Sie beschrieb einen weiten Bogen und stürzte dann fast senkrecht auf sie zu. Das Geschoss verfehlte sie um viele Schritt. Es war ein Speer mit einem kleinen Brandkorb unter der steinernen Spitze.

Kaum war er im dunklen Wasser verschwunden, stiegen bereits zwei neue Feuerkugeln von der Nachtzinne auf. Vom Hafen her waren kehlige Schreie zu hören. Mandred sah, wie eines der großen schwarzen Schiffe die Leinen löste.

Verzweifelt suchte der Jarl das Wasser ab. Endlich entdeckte er etwas. Einen hellen Fleck. Goldenes Haar, das sich im Takt mit der sanften Dünung wiegte. »Dort! Haltet ein wenig nach Steuerbord! Farodin!«

Sein Gefährte reagierte nicht. Er trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser.

»Schnell! Ein Ruder.«

Mandred stieß Farodin mit dem Ruderblatt an, doch der machte keinen Versuch, sich festzuhalten.

»Landal, hol ihn raus!«, befahl Elodrin.

Der Elf löste sich von Mandred, sprang über Bord und tastete sich am Ruder entlang, bis er zu Farodin gelangte. Er drehte den Elfen um, packte sein Haar und kam mit zwei kraftvollen Schwimmzügen zum Boot zurück.

Als auch Nardinel ihn losließ, um zu helfen, musste Mandred sich an der Reling festklammern. Er konnte sein gebrochenes Bein nicht belasten. Doch langsam kehrten seine Kräfte zurück.

Die beiden Elfen wurden an Bord gezogen. Farodin regte sich nicht. Blicklos starrten seine weit aufgerissenen Augen zu den Sternen. Sein Oberkörper war nackt und blau vor Kälte. Er war übersät mit Schnittwunden und Prellungen.

Fauchend schlug eines der Brandgeschosse dicht neben dem Boot ins Wasser.

Elodrin befahl Mandred, Landals Platz auf der hinteren Ruderbank zu übernehmen. Sie wendeten das kleine Boot. Alle legten sich in die Riemen. Ein Brandgeschoss flog dicht über sie hinweg.

Landal versorgte Farodins Wunden. Er tastete den Leib des Elfen ab und entfernte Splitter aus seinem Rücken. All dies tat er mit verbundenen Augen. Doch jede seiner Bewegungen zeugte von großem Geschick. Schließlich wickelte er Farodin in eine Decke. Plötzlich hielt er inne und hob den Kopf, so als hätte er Mandreds Blick bemerkt. Landal machte eine beschwichtigende Geste. »Du musst dir keine Sorgen machen. Er wird sich wieder erholen.«

»Aber er ist mit dem Gesicht nach unten im Wasser getrieben. Wie eine … Wie …« Mandred brachte das Wort nicht über die Lippen.

»Es war die Kälte, die ihn gerettet hat«, erklärte der hagere Elf. »Alles wird langsamer in kaltem Wasser. Der Schlag des Herzens, der Fluss des Blutes. Selbst der Tod. Ich will dir nichts vormachen, Menschensohn. Es geht ihm nicht gut. Er ist zu Tode erschöpft und hat fast ein Dutzend Wunden davongetragen. Aber er wird sich wieder erholen.«

Ein Signalhorn ertönte. Besorgt blickte Mandred zurück. Eines der wuchtigen Trollschiffe hielt auf die Hafenausfahrt zu. Ruder wurden aus dem Rumpf geschoben und zerwühlten die dunkle See. Selbst auf eine halbe Meile war zu erkennen, dass das Schiff der Trolle mehr Fahrt machte als sie. Dumpfer Trommelschlag hallte über das Wasser. Die Ruder des Trollschiffs bewegten sich bald im selben Rhythmus.

Mandred und die Elfen ruderten aus Leibeskräften. Doch so sehr sie sich auch mühten, die Trolle holten stetig auf. Schon als die Verfolgungsjagd begonnen hatte, war klar gewesen, wie sie enden musste. Mandred war in Schweiß gebadet. Jede Bewegung bestrafte sein Bein mit pulsierendem Schmerz. Wohl eine halbe Stunde oder länger dauerte die Jagd nun schon. Die Nachtzinne war längst außer Sicht. Hohe Klippen und die Eiswand eines Gletschers flankierten den Fjord.

Mandred saß mit dem Rücken zum Bug und konnte deutlich sehen, was an Bord des Trollschiffs vor sich ging. Das Vorderkastell, das sich wie ein Turm über das Hauptdeck erhob, war von Fackeln erleuchtet. Dutzende Trolle drängten sich dort. Man hatte Becken mit glühenden Kohlen aufgestellt und bündelweise Pfeile heraufgeschafft. Und als wäre das alles nicht genug, folgte ihnen mit einer Viertelmeile Abstand noch ein zweites Trollschiff.

Farodin war noch immer nicht zu sich gekommen. Bei der Wut, mit der die Trolle ihnen nachsetzten, hatte er wohl Erfolg gehabt mit seinem tollkühnen Plan, dachte Mandred.

Ein scharfer Befehl hallte über das Wasser. Die Bogenschützen hoben die Waffen, und im nächsten Augenblick ging ein Hagel von Pfeilen dicht hinter dem Boot der Elfen nieder.

»Wie weit verfehlen sie uns?«, fragte Elodrin ruhig.

»Zehn oder fünfzehn Schritt.«

»Wie sehen die Ufer jetzt aus?«

Der Gleichmut des Elfen machte Mandred noch rasend. Zwanzigmal oder öfter hatte Elodrin diese Frage gestellt. Was kümmerten sie die Ufer! Dort konnten sie nicht anlanden. Auf dem Landweg würden sie den Trollen noch weniger entkommen. Erneut schlug ein Schauer von Pfeilen hinter ihnen ins Wasser. Diesmal waren sie unter zehn Schritt entfernt.

»Das Ufer!«, ermahnte ihn Elodrin.

»Klippen! Immer noch Klippen!«, entgegnete Mandred entnervt. »Der Gletscher liegt jetzt vielleicht sechzig Schritt hinter uns.«

»Landal, übernimm bitte das Ruder.«

Der hagere Elf löste Elodrin ab, und dieser ließ sich neben Mandred nieder. Elodrins Gesicht war ausgezehrt. Die vergangenen Stunden hatten ihn seine letzten Kräfte gekostet. Er nahm die Augenbinde ab und legte sie vor sich auf den Boden. Die Augen hielt er fest geschlossen.

Pfeile klatschten ins Wasser. Mit dumpfem Laut bohrten sich mehrere Geschosse ins Heck.

Die nächsten Salven würden das offene Boot in ein Totenschiff verwandeln, dachte Mandred verzweifelt.

»Für einen Menschen bist du recht bemerkenswert, Mandred«, sagte Elodrin freundlich. »Es war sehr unhöflich von mir, dich während unserer Gefangenschaft mit Schweigen zu strafen. Dafür möchte ich mich entschuldigen.«

Mandred beugte sich im Takt des Ruderschlags vor und zurück. Der Alte war wahnsinnig. Sie kämpften verbissen um jeden Zoll, den sie den Trollen noch abgewinnen konnten, und er kam ihm mit so etwas.

»Ich verzeihe dir!«, keuchte er verdrossen.

Elodrin schien ihn nicht mehr zu hören. Wie ein Betender hatte er die Hände zum Himmel erhoben. Sein Mund war weit aufgerissen, der ganze Körper angespannt, so als schriee er in Todespein. Doch kein Laut kam über seine Lippen.

Pfeile schlugen ins Boot. Nardinel wurde von der Ruderbank gerissen. Ein dunkel gefiederter Schaft ragte aus ihrer Brust. Ein anderes Geschoss blieb dicht neben Mandred in der Ruderbank stecken.

Der Jarl legte sich noch verbissener in die Riemen, doch die anderen Ruderer waren aus dem Takt gekommen. Das Boot driftete nach Steuerbord. Und das rettete sie. Der nächste Pfeilschauer verfehlte sie knapp.

Ein gewaltiges Platschen erklang, so als hätte ein Riese mit flacher Hand aufs Wasser geschlagen. Ein Eisbrocken, größer als ein Heuwagen, war vom Gletscher abgebrochen und trieb in der dunklen See. Sanft wurde das kleine Boot von einer Welle angehoben und ein Stück vorwärts geschoben.

An Bord des Trollschiffes wurden Befehle gebellt. Mandred konnte sehen, wie die Bogenschützen diesmal ihre Pfeile in den Feuerbecken entzündeten.

Wie ein Schwarm von Sternschnuppen flogen die flammenden Geschosse dem Boot entgegen. Mandred duckte sich im Reflex, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Rings herum schlugen Geschosse ein. Einer der Elfen schrie auf. Elodrin stürzte. Ein Pfeil ragte aus seinem weit aufgerissenen Mund. Zwei weitere staken in seiner Brust.

Die Decke, in die Farodin eingewickelt lag, hatte Feuer gefangen. Mandred riss sie zur Seite und schleuderte sie über Bord. Dabei sah er, wie die Bogenschützen erneut ihre Waffen hoben.

Ein Laut, wie Mandred ihn noch nie gehört hatte, hallte von den Steilklippen des Gletschers wider. Das Geräusch erinnerte an das Krachen, mit dem sich der Stamm eines Baumes zur Seite neigte, wenn die Holzfäller ihre Stützkeile zogen. Nur war es unendlich viel lauter.

Ein riesiges Stück des Gletschers löste sich und stürzte in den Fjord. Das Wasser wurde zu wirbelnder Gischt aufgewühlt. Immer mehr Eis brach von der Gletscherkante. Hilflos tanzte das Trollschiff auf den Wellen. Eisbrocken zerschlugen die Bordwand, als wäre sie dünnes Pergament. Eine Flutwelle rollte den Fjord hinab. Das Heck ihres Bootes wurde hochgerissen.

Landal stemmte sich mit aller Kraft gegen das Ruder. Wasser schlug über die Reling. Sie trieben inmitten weißer Gischt auf dem Kamm der Flutwelle. Schnell wie auf einem Elfenpferd, das im gestreckten Galopp dahinjagt, schossen sie dahin. Mandred wagte kaum zu atmen. Doch Luth stand ihnen zur Seite. Und sie kamen unbeschadet davon.

Die Trollschiffe waren durch die Eisbarriere im Fjord gefangen. Eine weitere Verfolgung war für sie unmöglich geworden.

An Bord übernahm Landal das Kommando unter den Elfen. Er entschied, dass der Leichnam Elodrins nicht den Wellen übergeben werden sollte. Er wurde in Decken eingeschlagen und zwischen die Ruderbänke gelegt. Die verletzte Nardinel stimmte ein Totenlied für ihn an, während die anderen Elfen den kleinen Mast aufrichteten, sodass die Kraft des Windes nun das Boot vorantrieb. Doch bis sie den Fjord verlassen hatten, mussten sie sich auch immer wieder mit den Rudern mühen.

Als sie auf die offene See gelangten, entschied Landal, einen Südostkurs einzuschlagen. Mandred war in sprachlose Erschöpfung versunken. Ihm war egal, was die Elfen taten. Sein Bein quälte ihn, und er fror erbärmlich. Farodin lag in tiefer Bewusstlosigkeit neben der Leiche Elodrins. Sein Gefährte atmete regelmäßig, doch jeder Versuch, ihn zu wecken, schlug fehl.

Landal behauptete, es sei ein Heilschlaf, in den Farodin gesunken sei, doch Mandred hatte seine Zweifel. Der hagere Elf hatte etwas Unnahbares. Er schien ungewöhnliche magische Kräfte zu besitzen. Ohne Mühe folgte er einem Albenpfad über das Meer. Am dritten Tag ihrer Reise fand er einen großen Albenstern und öffnete ein Tor. Es sah ganz anders aus als jene Tore, die seine Gefährten bisher erschaffen hatten. Wie ein schillernder Regenbogen erhob es sich hoch über die Wellen.

Beim Übertritt nach Albenmark erwachte Farodin. Wild um sich schlagend, fuhr er hoch. Er brauchte lange, um zu begreifen, wo er war. Über das, was sich auf der Nachtzinne ereignet hatte, mochte er nichts erzählen. Er trat an den Bug und starrte auf das Meer hinaus.

In Albenmark war es weniger kalt. Stetiger Wind füllte ihr Segel, und zwei Tage, nachdem sie das Tor passiert hatten, erreichten sie Reilimee, die Weiße Stadt am Meer.

Landal nahm sie hier in sein Haus auf, und alle Überlebenden schworen, Emerelle gegenüber nicht verlauten zu lassen, dass Farodin und Mandred zurückgekehrt waren.

Mit jedem Tag in der Weißen Stadt wuchs Farodins Unruhe. Doch Mandreds schwere Verletzung erlaubte es ihnen nicht, so bald schon wieder die Stadt zu verlassen. Und Mandred genoss den Frieden. Jeden Tag kam die krumme Nardinel, um nach ihm zu sehen. Sie hatte sich erstaunlich schnell von ihrer Pfeilwunde erholt. Ihre heilenden Hände fügten mit großem Geschick seine Knochen zusammen, und sie taten noch mehr. Keine Elfe war Mandred je so begegnet wie Nardinel. Schon im Boot hatte sie ihn mit ihrem Leib gewärmt, wenn ihn der Schüttelfrost packte, und auch in Reilimee teilte sie oft sein Lager. Sie sprach nur wenig, und bis zum Tag seines Abschieds vermochte sich Mandred nicht zu erklären, was der Ursprung ihrer Gefühle war.

Als er zwei Wochen nach seiner Ankunft wieder in See stach, um mit Farodin in die Welt der Menschen zurückzukehren, fand sie kein Wort des Abschieds und keinen Gruß. Stumm drückte sie ihm einen Armreif in die Hand, geflochten aus ihrem langen schwarzen Haar. Dann wandte sie sich ab und war bald im Gewimmel des Hafens verschwunden.

Ihre seltsame Art der Liebe ließ Mandred mit einem unruhigen Gefühl zurück. Und er freute sich darauf, in seine Welt zu gelangen, wo er die Frauen zumindest manchmal verstand.

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