Trophäen

»Besetzt alle Ausgänge!«, befahl Farodin den Wachen.

Sie befanden sich in einer hohen Kammer aus grauem Stein, die spärlich von Kerzenschein erhellt wurde. Über ihnen spannte sich ein kunstvolles Kreuzgewölbe. Ein leichter Duft nach Weihrauch hing in der Luft. Irgendwo in der Ferne erklang feierlicher Gesang. Sie standen inmitten eines goldenen Sterns, der von vier Silberplatten umgeben war.

Mandred sah besorgt zu Liodred. Der König war leichenblass. Die wenigen Schritte, die sie über den Albenpfad durch die Leere gegangen waren, hatten ihn offenbar zutiefst entsetzt. Mandred versetzte ihm einen freundschaftlichen Stoß mit dem Ellenbogen. »Alles in Ordnung?«

Liodred schluckte und bemühte sich um Fassung. »Natürlich!«

Er war ein schlechter Lügner, dachte Mandred. Und ein tapferer Mann! Noch am Abend hatte er versucht, Liodred auszureden, ihnen in den Kampf gegen den Devanthar zu folgen. Doch der König hatte davon nichts hören wollen.

»Willst du den Befehl über die Wachen übernehmen?«, fragte Mandred nun leise. »Mir wäre wohl, wenn ich wüsste, dass du unseren Rückzug sicherst.«

Der König lächelte gequält. »Ahnherr, ich glaube nicht, dass die Elfen besonders erfreut darüber wären, wenn ein Mensch, der keinem von ihnen das Wasser reichen kann, ihnen Befehle gäbe. Gib es auf, mich von meinem Weg abzubringen.«

Mandred dachte an Liodreds kleinen Sohn, dann dachte er an Alfadas. Ein Vater, der erst seinen erwachsenen Sohn kennen lernte. So etwas durfte nicht noch einmal geschehen! Der König hatte ein gnädigeres Schicksal verdient. »Vielleicht solltest du …«

»Nein, bestimmt nicht«, unterbrach ihn der König. »Hast du gezögert, in jener Winternacht auf die Jagd zu gehen, als man dir berichtete, ein Ungeheuer treibe in den Wäldern bei Firnstayn sein Unwesen? Hattest du nicht das Gefühl, als Jarl sei es deine Pflicht, dein Dorf zu schützen? Hättest du diese Pflicht jemals an einen anderen Mann abgetreten?«

»Ich war nur ein Jarl, du bist König. Dein Volk braucht dich!«

»Ob König oder Jarl, die Pflichten sind die gleichen. So wie du dein Dorf geschützt hast, habe ich ein Reich zu schützen. Wenn der Devanthar überlebt, dann wird er erneut angreifen. Ich stehe hier, um das Unheil von jedem Fjordländer fern zu halten. Dieser Pflicht kann ich mich nicht entziehen. Immer schon haben deine Erben in vorderster Schlachtreihe gekämpft, Mandred. Ich werde nicht der erste sein, der mit dieser Tradition bricht.«

Ein Tor aus goldenem Licht öffnete sich. Mandred gab es auf, den König überzeugen zu wollen. Und insgeheim musste er sich eingestehen, dass er an Liodreds Stelle wohl nicht anders gehandelt hätte. Er würde sich im Kampf an dessen Seite halten und ihn schützen, so gut es ging.

Gemeinsam durchschritten sie das Tor und gelangten in ein … Kreuzgewölbe aus grauem Stein. Verblüfft sah Mandred sich um. Sie waren noch immer in derselben Kammer! Kerzen brannten in großen, eisernen Ständern. Flackernde Schatten huschten über die Wände, und sie standen auf einem goldenen Stern, der von vier silbernen Platten umgeben war.

»Ist der Zauber missglückt?«, fragte Mandred verwundert.

Nuramon wirkte verunsichert. »Nein, das kann nicht sein. Ich habe gefühlt, wie wir durch die Leere in die Zerbrochene Welt gegangen sind.«

»Unsere Wachen sind verschwunden«, sagte Farodin ruhig. Seine Hand ruhte auf dem Schwert. Misstrauisch spähte er in die Schatten.

»Ihr nennt diese Kreatur doch den Täuscher«, sagte Liodred. Seine Stimme klang heiser, und jeder seiner Gesten merkte man an, wie angestrengt er seine Angst verbarg. »Ist dies vielleicht eine List, mit der er seine Feinde verwirren will?«

»Das würde zu ihm passen«, murmelte Mandred. »Verdammter Bastard!« Er strich über das Blatt seiner Axt. »Ich hoffe, er ist hier, und wir bringen ihn diesmal endgültig zur Strecke.«

Das Tor verblasste langsam. Nach wenigen Augenblicken war es ganz verschwunden. Farodin bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Sie betraten einen Gang, der von tiefen Nischen flankiert wurde. Dort gab es Feldzeichen, prächtige Waffen und reich verzierte Schilde. Rüstungen, die deutliche Kampfspuren trugen, hingen auf Ständern. Mandred entdeckte eine Statue, die dem Gallabaal von Iskendria ähnelte, jedoch aus dunklerem Stein gefertigt war. Man hatte das Standbild mit schweren Ketten gefesselt, deren Enden mit Eisenringen verbunden waren, die man in die Wand eingelassen hatte. Mandred tastete nach den schweren Ketten. Er hoffte, dass der Gallabaal vielen Ordensrittern den Schädel eingeschlagen hatte.

»Lass das«, zischte Farodin und zog ihn ein Stück zurück. »Die Magie in ihm ist noch nicht ganz verloschen.«

Eine der Ketten klirrte. In der Stille hier unten klang das Geräusch unnatürlich laut.

»Was ist das?«, fragte Liodred flüsternd.

Mandred erklärte dem König, was es mit dem steinernen Wächter auf sich hatte, wurde aber von einem Schrei unterbrochen. Nuramon ging vor einer der Nischen in die Knie, als hätte ein Pfeil ihn getroffen. »Sie ist es!«, rief er verzückt. »Sie ist hier!«

Mit erhobener Axt eilte Mandred an die Seite seines Gefährten, bereit, es mit allem aufzunehmen, was sich in der Nische verborgen halten mochte.

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