Knochenspiel

Die Knochen hüpften über den großen Tisch mit Karten, der mittschiffs auf der _Albenhammer_, dem Flaggschiff des Trollkönigs, aufgestellt war. Farodin hatte die Daumen in seinen Schwertgurt eingehakt und bemühte sich um Fassung. Die Art, auf die Trolle Krieg führten, war ihm gelinde gesagt befremdlich. Er schielte zu den Rauchwolken, die jenseits der Klippen aufstiegen. Wie die Schlacht wohl stehen mochte?

Die alte Schamanin blickte lange auf die Knöchelchen auf dem Tisch. »Der Schatten des Todes liegt über Emerelle«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Es ist ein Mensch, der mit seiner Macht nach ihr greift. Ein einzelner Mann, der mehr als hundert Elfen getötet hat.«

Alle Augen wandten sich zu Farodin. »Das … das ist unmöglich«, sagte er. »Kein Mensch ist einem Elfen im Kampf gewachsen. Du musst dich irren.«

»Sagst du das, weil nicht sein kann, was nicht sein darf?«, fragte Boldor. Der König der Trolle war fast vier Schritt groß. Breite Narben bedeckten seinen nackten Oberkörper. Die langen spitzen Ohren waren eingerissen und verwachsen. Helle Augen lugten unter einer wulstigen Stirn hervor und musterten Farodin kritisch. »Wirf die Knochen noch einmal, Skanga!«

Die Schamanin fügte sich mit einem bösen Seitenblick auf Farodin. Klackernd rollten die gelben, abgegriffenen Knöchelchen über den Tisch. Skanga verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist, wie ich sagte: Der Schatten des Todes liegt über Emerelle. Deutlich spüre ich die böse Macht des Menschen. Es ist die Art seiner Magie, die ihn so tödlich macht. Sie wirkt ganz anders als unsere Zauber. Er nimmt die Kraft aus der Welt und aus den Herzen der Elfen. Das ist es, was sie tötet. Ganz gleich, was er zaubert, man darf nicht in seiner Nähe sein.«

»Würde diese Magie auch Trolle töten?«, fragte Herzog Orgrim.

»Sie tötet jedes Albenkind!«

»Und kann man sich mit einem Bannspruch dagegen schützen?«, setzte der Herzog nach.

»Nein. Diese Magie ist anders. Nichts bietet davor Schutz. Menschen jedoch kann dieser Zauber nicht verletzen.«

Farodin fühlte sich an die Ereignisse in Aniscans erinnert. Gab es einen zweiten Mann wie Guillaume? Konnte ein Mensch denn jemals so mächtig werden wie ein Bastard, der zur Hälfte Elf und zur Hälfte Sohn eines Devanthars war?

»Was also rätst du zu tun, Skanga?«, fragte der Trollkönig ernst.

»Wer immer sich in die Nähe des Zauberers wagt, der spuckt dem Tod ins Antlitz. Im Augenblick ist er geschwächt. Doch ich spüre, wie seine Macht mit jedem Herzschlag wieder wächst.«

Der König rieb sich mit der Faust die Stirn.

»Gebt mir ein Boot«, sagte Farodin entschieden. »Ich werde an der Seite meines Volkes kämpfen.«

Boldor überging ihn. »Was wird geschehen, wenn wir in die Schlacht eingreifen?«

Wieder warf die Schamanin die Knochen. Diesmal blickte sie lange auf das verwirrende Muster. »Wenn wir kämpfen, wird königliches Blut vergehen«, sagte sie schließlich.

Der König strich sich mit dem Zeigefinger über die wulstige Unterlippe. »Emerelle und der König des Fjordlands kämpfen dort auch, nicht wahr?«

»Sie beide stehen dem schrecklichen Magier gegenüber.«

Boldor hieb mit der Faust auf den Kartentisch. »Koboldscheiße!«, brüllte er leidenschaftlich. »Wir werden nicht hier warten und zusehen, wie Emerelle und dieser Menschenkönig allen Ruhm allein ernten. Holt die Segel ein und bemannt die Ruder! Wir ziehen in die Schlacht.« Er deutete auf die Rauchsäulen hinter den Klippen. »Schüttet Wasser über die Decks, ich will keines meiner Schiffe brennen sehen.«

»Auf welche Weise sollen wir angreifen?«, fragte Orgrim.

»Auf Trollweise! Wir schicken jedes Schiff auf den Meeresgrund, das sich uns in den Weg stellt.«

Noch einmal klapperten die Knochen. »Da ist eine Gefahr am Westflügel. Etwas …« Die Schamanin schob einige Knochen auseinander. »Etwas verbirgt sich dort.«

Der König blickte auf und wies zu den Rauchsäulen. »Um diese Gefahr zu erkennen, brauche ich deine Hilfe nicht, Skanga. Dort brennen die meisten Schiffe. Wir werden uns vorsehen und auf den Flug der Funken achten.«

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