Steine und Trolle

Unter dem Deck der _Zermalmer_ dröhnte dumpf der Schlag der Kesselpauke. Rhythmisch tauchten die Ruder ins Wasser und wühlten es zu weißer Gischt auf. Farodin war überrascht, wie diszipliniert die Trolle den Takt hielten und wie schnell das schwerfällige Schiff unter Rudern vorankam.

Weniger als eine Viertelmeile trennte sie noch von einer großen Kogge, die auf sie zu hielt. Nur wenige Schiffe der Priesterflotte hatten es geschafft, zu wenden und Kurs auf den neuen Feind zu nehmen, der in ihrem Rücken aufgetaucht war. Die überwiegende Masse der Koggen drängte sich im engen Fjord, um den Kampf gegen die Schiffsbarriere der Firnstayner zu unterstützen. Für sie war es unmöglich, sich schnell aus dem Gefecht zu lösen, um sich den Trollen zu stellen.

Farodin zog den Kinnriemen seines Helms nach und prüfte den Sitz seines Waffengurts. Den schweren Schild ließ er noch an die Reling gelehnt stehen. Er würde ihn aufnehmen, sobald das Gefecht begann.

Herzog Orgrim stützte sich lässig auf seinen großen Kriegshammer. »Wir kämpfen erst, wenn wir in das Gedränge vorstoßen«, sagte er ruhig. »Die dort vorn werden uns nicht aufhalten.«

Farodin blickte dem feindlichen Dreimaster entgegen. Das Schiff war viel kleiner als die Galeasse der Trolle. Einen Atemzug lang empfand der Elf Respekt vor den Ordensrittern, die furchtlos einen so viel mächtigeren Feind angriffen. Das Hauptsegel mit dem Wappen der verbrannten Eiche verdeckte den Blick auf das Achterkastell des Schiffes. Farodin fragte sich, auf welche Weise sich die Menschen wohl auf den ungleichen Kampf vorbereiteten. Bisher hielt die Kogge genau auf sie zu, ganz so, als wollte sie das Trollschiff rammen.

»Er wird im letzten Moment ausscheren und versuchen, unsere Ruder auf der Backbord- oder Steuerbordseite zu zerstören«, sagte Farodin.

»Ich weiß«, entgegnete Orgrim ruhig. Er winkte einem der Anführer mittschiffs. »Macht die Deckbrecher bereit!« Entlang der Reling kam Bewegung in die Trolle.

Die beiden Schiffe trennten jetzt weniger als hundert Schritt. Farodin umklammerte die Reling des Achterkastells und machte sich auf den Aufprall gefasst. Er zweifelte nicht daran, dass die Trolle das Gefecht gewinnen würden. Aber sie würden Zeit verlieren. Zeit, die sie nicht mehr hatten, wenn sie Emerelle und den Fjordländern in ihrem verzweifelten Kampf beistehen wollten.

Die Armbrustschützen auf dem Vorderkastell der Kogge eröffneten das Feuer. Ein Troll fiel mit einem Bolzen in der Stirn. Ein anderer grunzte und zog sich ein Geschoss aus der blutenden Schulter. Die Trollkrieger hoben nicht einmal ihre Schilde, um sich vor dem Beschuss zu schützen, sondern verharrten in stoischer Todesverachtung.

Plötzlich scherte die Kogge nach steuerbord aus.

»Ruder steuerbord auf!« Orgrims Ruf war laut wie ein Fanfarenstoß. Die Kesselpauke verstummte. Die Ruderblätter tauchten aus dem Wasser. Einen Augenblick lang verharrten sie waagerecht vom Rumpf abstehend. Die Kogge war nur noch wenige Schritt entfernt.

Hastig wurden die langen Riemen nun durch die engen Ruderluken eingezogen. Krachend zersplitterten die ersten, als die Kogge in zwei Schritt Abstand das Trollschiff passierte. Die meisten Ruder wurden jedoch geborgen.

»Die Deckbrecher!«, rief Orgrim.

Steuerbord duckten sich entlang der Reling mehr als ein Dutzend Trolle. Jeweils zu zweit hoben sie die riesigen Felsbrocken, die Farodin schon zuvor aufgefallen waren. Wie Müllersburschen in der Menschenwelt, die Schwung holten, um einen Mehlsack auf einen hohen Kutschwagen zu werfen, schwenkten die Trolle die Felsbrocken ausgelassen vor und zurück und ließen sie dann in hohem Bogen auf die Kogge zufliegen.

Das Schiff der Menschen lag viel niedriger. Farodin konnte sehen, wie die Ritter mittschiffs ihre Schilde über die Köpfe gehoben hatten. Dicht miteinander verkeilt, bildeten die Wappen einen Wald toter Bäume. Gegen die Felsbrocken schützte sie das nicht. Fast senkrecht schlugen sie auf die Schilde, zermalmten die Männer und zerschlugen die Decksplanken. Krachend und splitternd verschwanden die Felsbrocken im Rumpf des Schiffes.

Neben Farodin schlug ein Armbrustbolzen in die Reling. Der Elf blickte auf. Die Mastkörbe der Kogge waren mit Schützen besetzt. Weitere Bolzen prasselten auf das Achterkastell. Ein Geschoss traf den Steuermann an der Ruderpinne ins Bein. Er fluchte. Doch niemand hier machte Anstalten, in Deckung zu gehen. Farodin war sich klar, dass man schon einen ausgesprochenen Glückstreffer landen musste, um einen Troll mit einem einzigen Bolzen zu töten. Bei ihm allerdings sah das anders aus.

Neben ihm an der Reling lehnte noch immer sein Schild. Der Elf blickte zum Herzog. Dieser stand ganz ruhig auf seinen Streithammer gelehnt. Nein, dachte Farodin, diesen Triumph würde er den Bastarden nicht gönnen! Gewiss warteten alle hier darauf, wie er sich feige hinter seinem Schild verkroch, während die Trolle den Beschuss stoisch über sich ergehen ließen. So stellte er sich lediglich ein wenig seitlich, um den Schützen weniger Trefferfläche zu bieten.

»Wir haben lange an der Angriffstaktik mit den Felsbrocken gefeilt«, sagte Orgrim so entspannt, als säße er in der Nachtzinne an seiner Festtafel und stünde nicht auf einem Deck, das unter Beschuss lag. »Ich hätte gern gesehen, wie diese Art des Angriffs sich gegen Elfen bewährt. Eure Schiffe sind von leichter Bauart und haben nur wenige Decks, soweit ich weiß. Gewiss wären die Steine bis durch den Kiel geschlagen.«

»Ich schätze eher, wir hätten euch nicht bis auf Steinwurfweite an uns herankommen lassen«, entgegnete Farodin kühl.

Insgeheim war er jedoch froh, dass es nie zu einer Seeschlacht mit den Trollen gekommen war.

»Willst du dich nicht schützen?«, fragte der Herzog und deutete auf Farodins Schild an der Reling. »Ich käme nur ungern in die Lage, König Boldor deinen Tod erklären zu müssen.« Der Troll blutete aus einer tiefen Schramme, die sich über seinen kahlen Schädel zog. »Oder glaubst du, du wärst ebensolch ein Dickschädel wie ich?«

»Ich glaube, dass kein Mensch auf einen Elfen schießen wird, der von Trollen umringt ist, die man viel leichter treffen kann.«

Orgrim lachte. »Für einen Elfen hast du das Herz am rechten Fleck. Schade, dass mein Urahn dein Weib erschlagen hat und du ihm die Seelenfehde geschworen hast. Ich werde dich nur ungern töten, wenn die Schlacht vorbei ist und unser beider Frieden endet.«

»Wie kommt es, dass du dir so sicher bist, die Schlacht zu überleben?«

Der Herzog grinste breit. »Es gibt nur wenig, was einen Troll umbringt. Das haben wir deinem Volk voraus.«

Farodin setzte zu einer zynischen Antwort an, doch im selben Moment schlug eine neue Salve Deckbrecher auf der Kogge ein. Das Getöse und die Schreie der Verwundeten waren unbeschreiblich. Dunkle Rinnsale von Blut rannen aus den Speigatten den Rumpf der Kogge hinab.

Der Hauptmast neigte sich. Er war dicht über dem Deck von einem der Felsklötze glatt durchgeschlagen worden und wurde nur noch von den Wanten gehalten.

Das Schiff der Priester hatte die Galeasse fast passiert. Nun hoben die Trolle entlang der Reling die kleineren Felsbrocken auf. So wie Kinder Steine in einen See warfen, schleuderten sie die Felsen in das Gewühl aus Menschen. Farodin sah, wie der Steuermann der Kogge an der Brust getroffen und gegen die Rückwand des Achterkastells geschleudert wurde. Angewidert wandte sich der Elf ab, um das Massaker nicht länger mit ansehen zu müssen.

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