Therdavan der Erwählte

Farodin hätte Nuramon ohrfeigen können. Wenn es hier Wächter gab, dann waren sie durch den unbedachten Freudenschrei nun alarmiert.

Verärgert wandte er sich ab. Vor wenigen Wochen noch hätte er für den Schatz in der Nische sein Leben riskiert. Doch jetzt hatte er kaum ein Auge für ihn. Misstrauisch spähte er den Gang hinauf. Das unstete Kerzenlicht ließ Schatten über die Wände tanzen. In jeder der vielen Nischen vor ihnen mochte sich der Devanthar versteckt halten. Vielleicht lauerte er auch hinter dem hohen Bronzetor am Ende des Ganges. Oder hinter ihnen!

Farodin rann der kalte Schweiß über den Rücken. Er wagte einen zweiten Blick in die Nische, vor der Nuramon kniete. Die Krone dort war das prächtigste Schmuckstück, das er jemals gesehen hatte. Sie erinnerte ein wenig an eine goldene Festung, deren Erker und Fenster aus großen Edelsteinen gefügt waren. Und das Festungstor war ein faustgroßer Feueropal.

»Ist das die Dschinnenkrone?«, fragte Mandred ehrfürchtig. »Mit all den Klunkern könnte man im Nordland ein ganzes Fürstentum kaufen.«

Nuramon war aufgestanden und ganz dicht an die Krone herangetreten. Seine Finger tasteten über den Feueropal.

»Komm zurück!«, zischte Farodin. »Das Ganze riecht nach einer Falle.«

Nuramon wandte sich um. »Der Albenstein ist wertlos. Ich weiß nun, warum der Dschinn ihn nicht finden konnte. Der Feueropal ist zersprungen. Er hat all seine Macht verloren.« Sein Gefährte lächelte gequält. »Nur ein Gutes hat die Sache. Wir können sicher sein, dass der Devanthar niemals in die Dschinnenbibliothek gelangt ist. Er weiß also nicht um die Geheimnisse der Zukunft.«

Herzhaftes Lachen ließ Farodin zusammenzucken. Schwefelgeruch lag in der Luft. Die Hand am Schwert, fuhr er herum. Das hohe Bronzetor hatte sich lautlos geöffnet. Ein Mann im nachtblauen Gewand der Tjuredpriester stand dort. Er war mittleren Alters und hatte ein offenes, freundliches Gesicht. Langes blondes Haar reichte ihm bis auf die Schultern herab. Seine Augen leuchteten hellblau, wie der Himmel an einem Sommermorgen. »Ich brauche keine Dschinnenbibliothek, damit ich um eure Zukunft weiß. Eigentlich sollte ich beleidigt sein. Ich hatte Emerelle erwartet oder mindestens Skanga. Auf der anderen Seite schließt sich mit unserer neuerlichen Begegnung ein Kreis, und das verleiht unserer Geschichte die Harmonie epischer Dichtung.« Er deutete auf Liodred. »Ich würde vorschlagen, wir halten das Menschlein dort aus dieser Sache heraus. So bleibt jemand übrig, der zurückkehrt und von eurem Schicksal berichtet. Er war nicht in der Eishöhle dabei. Ich finde, er stört das Gefüge dieses Zusammentreffens.«

Farodin strich sein Haar zurück und schlang ein dünnes Lederband darum, damit es ihm nicht in die Stirn fallen konnte. Ignoriere seine Worte, ermahnte er sich in Gedanken. Vor dem Kampf der Klingen liegt der Kampf um die Herzen. Vernichtet er unsere Hoffnung auf den Sieg, dann ist das Duell entschieden, noch bevor die Schwerter gezogen werden.

»Wer ist dieser großsprecherische Priester?«, fragte Liodred harsch. Zornesröte flammte auf seinen Wangen. »Gestattet, dass ich ihm das Maul stopfe.«

Mandred hielt den König zurück und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

»Oh, bitte, verzeiht.« Der Devanthar deutete eine Verbeugung an. »Unter den Menschen bin ich Therdavan Scallopius, der Erwählte! Der Erste unter den Tjuredpriestern. Die Elfen hingegen fürchten mich als den Letzten meines Volkes. Ich bin ein Devanthar, Liodred. Sie nennen mich auch den Täuscher und haben wohl noch hundert andere verleumderische Namen für mich. Du siehst, hier wird nicht dein Kampf ausgefochten, Mensch. Darum tritt nun zurück und lebe.«

Farodin streckte sich und lockerte seine Schultermuskeln.

Liodred schien verwirrt. Seine Hand ruhte auf der Axt in seinem Gürtel.

»Ich verstehe.« Der Devanthar nickte beiläufig. »Man hat dir von mir erzählt, und du hast ein Ungeheuer erwartet. Eine Kreatur halb Mensch, halb Eber. Haben sie dir nicht gesagt, dass ich meine Gestalt wechsele, wie es mir beliebt?« Er schwieg kurz, so als erwartete er tatsächlich eine Antwort. »Sie haben es dir also verschwiegen«, fuhr der Devanthar schließlich fort. »Es ist auch wirklich zu peinlich.« Er deutete auf Nuramon. »Diesem dort sah ich einmal so ähnlich, dass selbst seine Buhle keinen Unterschied bemerkte und mit Freuden das Lager mit mir teilte.« Er lächelte. »Pikant wird die Geschichte, wenn man bedenkt, dass sie dem wirklichen Nuramon diese Gunst nicht zukommen ließ. Ihm fehlt wohl etwas, das mir gegeben ist. Anders kann ich mir nicht erklären, dass dieses Weib mir so bereitwillig den Schoß öffnete. Sie war die Erste unter vielen, die mir einen nützlichen Bastard gebaren.«

Nuramon zog sein Langschwert. »Genug der Worte!«

»Willst du dein Leben für einen gehörnten Liebhaber wagen, Liodred?«, spottete der Devanthar. »Ist seine verletzte Eitelkeit wirklich dein Blut wert?«

»Man nennt dich Täuscher …«, setzte der König an.

Der Devanthar lachte auf, und kleine Fältchen umkränzten seine Augen. »Sieh sie dir an! Würden die beiden Elfen hier so verbissene Gesichter machen, wenn meine Geschichte nicht wahr wäre?«

»Wahr ist auch, dass du über mein Volk Tod und Verderben bringen wolltest, und dafür wirst du sterben.«

Der Devanthar ließ mit fließender Bewegung das Priestergewand von seinen Schultern gleiten. Darunter trug er eine eng anliegende dunkelblaue Hose und ein silberbeschlagenes Wehrgehänge. Das weite Priestergewand hatte zwei Kurzschwerter verborgen. Der Oberkörper des Priesters war nackt. Seine Muskeln schimmerten im Kerzenlicht. Der Devanthar zog die beiden schlanken Schwerter, kreuzte ihre Klingen vor der Brust und verneigte sich knapp. »Du hast dich soeben dazu entschieden, deinen Sohn niemals wiederzusehen, König.«

»Genug geschwätzt!« Wie ein wütender Stier stürmte Mandred vor. Der Devanthar wich tänzerisch zur Seite aus. Eines der Schwerter zuckte vor und glitt klirrend über Mandreds Kettenhemd.

»Kreist ihn ein«, rief Farodin seinen Gefährten zu. Ganz gleich, wie gewandt der Devanthar auch sein mochte, kein Kämpfer konnte seine Augen überall haben.

Farodin zog sein Schwert und den Parierdolch. Gleichzeitig mit Nuramon griff er an. Schneller als das Auge zu folgen vermochte, wirbelten die Klingen. Der Devanthar blockte ab und duckte sich unter einem Axthieb Liodreds. Blaues Licht züngelte um die verzauberten Waffen. Farodins Dolch durchdrang die Deckung des Täuschers, während er mit dem Schwert eine der Klingen des Devanthars band. Ein dunkler Schnitt zerteilte den Brustmuskel über dem Herzen des falschen Priesters. Die Wunde war nicht tief. Erstaunlicherweise blutete sie kaum.

Farodin sprang zurück und entging nur knapp einer Riposte. Der Devanthar setzte ihm nicht nach, sondern machte einen Ausfallschritt auf Liodred zu. Er täuschte einen Hieb auf den Kopf an, wechselte im letzten Augenblick die Schlagrichtung und unterlief die Axt des Königs. Kreischend schrammte sein Schwert über die Brustplatte der Rüstung, die einst Alfadas gehört hatte.

»Eine schöne Arbeit«, lobte der Devanthar und sprang zurück außer Reichweite der Axt. »Menschenstahl hätte meine Klinge durchstoßen.« Fast spielerisch blockte er einen Axthieb ab, den Mandred nach seinem Rücken führte. Das zweite Schwert schlug Liodreds Waffe zur Seite.

»Verrecke, Dämon. Ich …«, schrie der Herrscher des Fjordlands zornig.

Die Klinge des Devanthars schnitt ihm das Wort ab. Sie traf den König in den Mund. Mit einem Ruck stieß der Täuscher nach.

»Nein!«, rief Mandred und warf sich mit dem Mut der Verzweiflung nach vorn. Er sprang den Devanthar an. Eine Klinge schrammte über seine Braue und hinterließ einen klaffenden Schnitt, doch die Wucht des Angriffs brachte den falschen Priester aus dem Gleichgewicht. Sie beide stürzten zu Boden. Sofort war Nuramon über ihnen. Er fing einen Stoß ab, der auf Mandreds Kehle zielte.

Der Priester rollte sich seitlich ab und kam mit katzenhafter Gewandtheit wieder auf die Beine. Spöttisch blickte er zu Liodred. Der König war gestürzt. Dunkles Blut schoss aus seinem Mund. »Was nutzt die beste Rüstung, wenn man seinen Helm nicht trägt?«

Mandred war wieder auf den Beinen und stürmte erneut vor. Der Jarl schwang seine Axt wie eine Sichel und zwang den Devanthar, vor ihm zurückzuweichen. Farodin eilte ihm zu Hilfe. Und auch Nuramon griff erneut an. Der Devanthar war nun in der Defensive. Farodin entdeckte eine Lücke in der Verteidigung ihres Gegners. Er duckte sich tief, machte einen Ausfallschritt und stieß dem falschen Priester sein Schwert unter der Achsel hindurch. Die Klinge schrammte am Schulterblatt vorbei und trat aus dem Rücken wieder aus. Mit einem Ruck befreite er die Waffe.

Ein Zittern durchlief den Devanthar, doch er gab keinen Schmerzenslaut von sich. Trotz der mörderischen Verletzung wehrte er einen Hieb Mandreds ab, drehte sich an der Axt vorbei und hämmerte dem Firnstayner den Knauf seines Schwertes gegen die Stirn. Mandred fiel wie vom Blitz getroffen.

Nuramon setzte einen tiefen Angriff, der auf die Leisten des falschen Priesters zielte. Sein Schwert wurde abgeblockt. Mit einer Drehung aus dem Handgelenk schlug er die Waffe des Elfen zur Seite. Ein schneller Gegenangriff zerschnitt Nuramons Lederrüstung dicht unter der Kehle.

Der rechte Arm des Devanthars hing nutzlos herab. Doch er hatte das zweite Schwert nicht fallen lassen. Farodin wunderte sich, dass die Wunde unter der Achsel kaum blutete. »Glaubt ihr wirklich, ich wäre nicht vorbereitet gewesen?«, höhnte der Devanthar. »Ich habe mit Emerelle und ihren besten Kriegern gerechnet.« Er setzte eine beleidigte Miene auf. »Nun, wenn sie nicht zu mir kommt, dann werde ich sie wohl bald mit meinen Ordensrittern in Albenmark besuchen.« Er schrieb mit dem Schwert eine Rune in die Luft und stieß einen kehligen Laut aus. Dann deutete er zurück zu dem Gewölbe mit dem Albenstern. »Ganz gleich, wie der Kampf endet, ihr habt euch schon jetzt in meinen Zaubern verfangen, ihr Narren.« Der Devanthar hob die Rechte und strich sich in übertriebener Geste über die Stirn.

Deutlich sah Farodin, dass sich die Wunde unter der Achsel geschlossen hatte. Das musste die Macht des verfluchten Albensteins sein!

Stöhnend tastete Mandred nach seiner Stirn.

»Na, Menschlein«, spottete der Priester. »Für dich habe ich mir etwas Besonderes überlegt. Ich werde dir deine Leber herausschneiden, um sie dich dann essen zu lassen. Du wirst staunen, wie lange Magie dein Leben erhalten kann, ohne zugleich irgendwelche Schmerzen zu lindern!«

Noch während der Devanthar sprach, griff Farodin erneut an. Ein wahrer Hagel von Schlägen ging auf den Täuscher nieder. Schritt um Schritt trieb der Elf ihn auf das Bronzeportal zu. Auch Nuramon griff wieder an. Seine Klinge streifte den Devanthar am Oberarm und hinterließ einen klaffenden Schnitt. Der falsche Priester stieß wiederum keinen Schmerzenslaut aus.

Farodin zog dem Täuscher mit einem Rückhandschlag eine lange, flache Schramme über den Bauch. Im selben Moment durchbrach ein Stoß die Deckung des Elfen. Er riss den Kopf zur Seite und trug dennoch eine Schnittwunde an der Wange davon.

Auch Nuramon blutete aus zahlreichen leichten Wunden. Es schien ganz so, als spielte der falsche Priester mit ihnen und trachtete danach, den Kampf in die Länge zu ziehen, um sie zu verhöhnen. Die kleinen Schnitte und Prellungen zehrten an ihren Kräften.

Ein Stoß zerfetzte Nuramons Lederrüstung nun endgültig.

Dunkles Blut durchtränkte das Hemd, das er darunter trug, und benetzte den rotbraunen Almandin, der an einer dünnen Kette von seinem Hals hing. Ein tiefes Glühen ging vom Innern des Steins aus.

Der Devanthar stieß einen überraschten Schrei aus und wich zurück. Blut troff aus seinem linken Auge. Mit wirbelnden Schlägen ging er auf Nuramon los. Farodin sprang dazwischen und versuchte den Dämon abzulenken, doch der Devanthar kämpfte nun wie ein Berserker. Ein Tritt des falschen Priesters ließ den Elfen straucheln. Beide Schwerter des Devanthars fuhren nieder. Farodin konnte den Hieb der rechten Hand blocken. Doch mit der linken traf der Devanthar Nuramon seitlich am Kopf. Der Elf wurde in eine der Wandnischen geschleudert, schlug hart gegen den Stein und stand nicht mehr auf.

»Nun zu dir, Farodin«, fauchte der Devanthar. Das Spotten war dem falschen Priester vergangen. Eine dunkle Höhle klaffte nun dort, wo einst ein Auge gewesen war. Das geschundene Fleisch war verbrannt, als hätte man ihn mit einem glühenden Eisendorn gemartert. In ungezügeltem Zorn ging er nun auf den Elfen los. Seine Hiebe waren schlechter gezielt als zuvor, und doch trieb die Wildheit des Angriffs Farodin in die Defensive. Er wich zurück, duckte sich oder drehte sich weg und schaffte es kaum noch, seinerseits einen Schlag zu setzen. Der Devanthar drängte ihn durch das Bronzetor in eine Halle, die von einem großen, steinernen Thron beherrscht wurde. Entlang der Wände standen Götterstatuen, die wie der Gallabaal in schwere Eisenfesseln geschlagen waren. Fackeln und ein großes Becken mit glühenden Kohlen erleuchteten den Raum.

Farodin spürte, wie seine Kräfte nachließen. Denkt an Noroelle! Nichts wird euch mehr Kraft verleihen. Das waren die Abschiedsworte der Königin gewesen. Farodin parierte einen Stoß mit seinem Dolch und duckte sich unter einem Rückhandschlag. Wenn er nur an Noroelles Smaragd gelangen könnte! So viele Jahre trug er den Edelstein nun schon im Lederbeutel an seinem Gürtel. Deutlich hatte er die Magie gespürt, die dem Stein innewohnte, ohne je zu verstehen, welchem Zweck sie dienen mochte. Noroelle musste geahnt haben, dass sie dem Devanthar noch einmal begegnen würden. Sie hatte ihnen die Steine nicht nur zur Erinnerung, sondern auch zum Schutz gegeben.

Klirrend schlug Stahl auf Stahl. Jede Parade nahm Farodin ein wenig mehr von seiner Kraft. Mit einer seitlichen Drehung löste er sich aus dem Kampf. Doch sofort setzte der Devanthar nach. Der Dämon schien zu ahnen, dass es noch einen zweiten Stein geben mochte. Er ließ nicht zu, dass der Kampf auch nur einen Herzschlag lang stockte. Gnadenlos trieb er den Elfen vor sich her. Farodin blieb keine Zeit, um nach seinem Gürtel zu greifen und die Schnur des Lederbeutels zu lösen. Er musste die Initiative im Kampf zurückgewinnen, sonst war seine Niederlage unabwendbar!

Ein wuchtiger Hieb fegte Farodins Dolch zur Seite. Sofort folgte ein Stich durch die Lücke, die nun in seiner Deckung klaffte. Er warf sich zur Seite und doch schnitt der Stahl des Devanthars durch Kettenhemd und Gambeson. Dunkles Blut sickerte durch die Ringe von Farodins Rüstung. Aus dem Gleichgewicht geraten, stürzte er, als er einem zweiten Hieb des Dämons auswich.

Der Devanthar verfehlte ihn so knapp, dass Farodin den Luftzug der Klinge auf seiner verletzten Wange spürte. Der Elf warf sich nach vorn. Sein Parierdolch stieß nieder und fuhr dem Dämon mit leisem Knirschen hinter der Kniescheibe ins Gelenk.

Der Devanthar knickte seitlich ein und führte noch im Stürzen einen schlecht gezielten Hieb auf Farodins Kopf. Der Elf duckte sich und rollte sich seitlich ab, während der Devanthar sich den Dolch aus dem Knie zog.

Mit fliegender Hast tastete Farodin nach dem Lederbeutel am Gürtel. Seine Finger ertasteten den Knoten, doch er vermochte das blutverschmierte Lederband nicht zu öffnen.

Mit einem wütenden Grunzen schleuderte der Dämon den Dolch zur Seite. »Du wirst langsam sterben«, sagte er.

Farodin konnte sehen, wie sich der schmale Stich über dem Knie des Devanthars schloss. Vorsichtig belastete der Täuscher das verletzte Bein und lächelte dann zufrieden.

Farodin gab es auf, das Lederband aufknoten zu wollen, und zerschnitt den Beutel mit dem Schwert. Klirrend fiel Aileens Ring zu Boden. Farodins Finger schlossen sich um den kühlen Smaragd. Funkelnd brach sich das Licht der Fackeln in den Facetten. In seinem Innern erblühte ein zartes Licht.

Der Devanthar schleuderte eines seiner Schwerter nach Farodin, doch die Klinge verfehlte den Elfen um Armeslänge. Dunkles Blut trat nun auch aus dem verbliebenen Auge des Priesters.

Immer heller wurde das Licht des Smaragds. »Spürst du die Kraft Noroelles?«, fragte Farodin. »Dies ist dein Lohn für die gestohlene Liebesnacht.«

Der Devanthar wand sich vor Schmerz. Er hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. »Sie liebte den Samen jener Nacht, Elf«, stieß er gequält hervor. »Und auch ich mochte Guillaume, so wie ich alle meine Kinder mag. Viele sind so wunderbar begabt darin, auf den Pfaden der Magie zu wandeln. So wie Vater Marcus, der beinahe Emerelle getötet hätte.«

Farodin erhob sich. Auf der breiten Armlehne des Throns lag ein golden schimmernder Stein. War er das? Der Schlüssel zu Noroelle? Der Albenstein, mit dem der Devanthar all die neuen Pfade gezogen hatte?

Der falsche Priester nahm die Hände vom Gesicht. Beide Augen waren nur noch klaffende Löcher. Er bückte sich und tastete nach dem Schwert, das vor ihm auf den Boden gefallen war. Als er es fand, nahm er es hastig auf und deutete dann mit der Klinge auf jene Stelle, an der Farodin eben noch gesessen hatte. »Glaubst du, du hast gesiegt, Elflein?« Schwankend kam der Devanthar auf die Beine.

Lautlos trat Farodin neben den Thron und nahm den Albenstein. Es war ein durchscheinender, goldener Chrysoberyll, der von fünf hellbraunen Adern durchzogen wurde. Jetzt würde alles gut werden! Mit der Macht des Steins konnten sie Noroelle befreien.

Der Devanthar tastete sich in Richtung des Thrones. Vorsichtig trat Farodin ein Stück zurück. »Du buhltest doch auch um die Gunst dieser Elfe, die ich bestiegen habe, nicht wahr? Wie war es für dich, dass sie sich mir in Gestalt dieses Nuramons so bereitwillig hingegeben hat?«

Die Hand des Devanthars tastete über die Armlehne des Thrones. Er stutzte. Noch einmal ließ er die flache Hand über die Lehne streichen.

»Du bewegst dich sehr leise, Farodin … Hatte ich schon erwähnt, wie laut dieses Elfenweib wurde, als es unter mir lag? Ich glaube, sie hatte einfach darauf gewartet, einmal richtig genommen zu werden.« Der Devanthar war ein Stück vom Thron zurückgetreten. Er hielt das Schwert leicht angewinkelt, bereit zur Parade, auch wenn er keinen Angriff mehr kommen sähe.

Jämmerlich, dachte Farodin. Leise umrundete er den Devanthar. Dann griff er ihm ins Haar und riss ihm den Kopf in den Nacken. Mit kaltem Blut hieb er nach dem Gelenk der Schwerthand und durchtrennte Sehnen und Knochen. Klirrend fiel die Waffe des Dämons zu Boden. Seine Finger zuckten kurz, dann lag die Hand still.

Farodin setzte dem Devanthar das Schwert an die Kehle.

_Erinnerst du dich noch, was geschah, als ich in der Eishöhle starb, Elf?_, erklang die Stimme des Dämons nun in Farodins Kopf. _Vielleicht gefällt es mir, eure Liebste noch einmal zu besuchen, wenn du mir meinen Leib nimmst_. Die verbliebene Hand des Täuschers streifte Farodins Bein. Der Elf zuckte zurück. Etwas Kaltes schien nach seinem Innersten zu greifen.

_Welch eine schöne Insel_, wisperte die Stimme. _Willst du mich wirklich dorthin schicken? Soll ich ihr diesmal in deiner Gestalt erscheinen?_

Hellblaues Licht spielte um Farodins Klinge. »Du irrst dich, Täuscher. Niemand kann zu ihr. Nicht einmal du.« Der Stahl grub sich tief in das Fleisch. Mit einem Ruck durchtrennte der Elf die Nackenwirbel und hob den Kopf dann an seinem langen, blonden Haar in die Höhe. Voll kalter Wut blickte er in die ausgebrannten Augen. Dann legte er das Haupt auf die Schale mit den glühenden Kohlen.

Plötzlich begann das Schwert hell zu strahlen. War da ein Schemen bei der Leiche des falschen Priesters?

Farodin sprang vor. Jetzt sah er nichts mehr. War es nur eine Sinnestäuschung gewesen? Eine Illusion, geschaffen von flackerndem Fackellicht? Farodin drehte sich um und ließ dabei seine Klinge wirbeln. Er sprang vor und zurück und hieb in die Luft, als wäre er närrisch geworden. Und mit jedem Herzschlag wuchs seine Angst. Waren die letzten Worte des Devanthars mehr als nur eine verzweifelte Drohung gewesen?

Plötzlich verblasste das Leuchten des Schwertes. Feine schwarze Adern krochen den Stahl hinauf. Eiseskälte drang durch die Lederumwicklung am Griff und tastete nach Farodins Fingern. Erschrocken ließ der Elf die Waffe fallen. Der Stahl war rabenschwarz geworden. Als es auf den Steinboden schlug, zerbrach das Schwert in unzählige Splitter.

Загрузка...