Als Wasserpolospieler hatte Robert Langdon eine ganze Reihe von Unterwasserkämpfen hinter sich gebracht. Die rücksichtslose Wildheit unter der Oberfläche, wo die Augen der Schiedsrichter nicht hinschauen konnten, war den schlimmsten Fouls in anderen Sportarten ebenbürtig. Langdon „war getreten, gekratzt und einmal sogar von einem frustrierten Verteidiger gebissen worden, weil er sich ständig seinem Griff entzogen hatte.
Doch jetzt war er im eisigen Wasser von Berninis Brunnen, Tausende von Meilen vom Wettkampfbecken in Harvard entfernt. Dieser Kampf war kein Spiel, sondern ein Kampf ums nackte Überleben. Es war das zweite Mal, dass der Assassine und Langdon gegeneinander antraten. Kein Schiedsrichter, keine Revanche. Die Arme, die ihn nach unten drückten und an den Boden des Beckens fesselten, besaßen eine Kraft, die keinen Zweifel an ihrer tödlichen Absicht ließ.
Instinktiv drehte sich Langdon wie ein Torpedo um die eigene Achse. Du musst den Griff sprengen! Doch der Assassine drehte ihn wieder zurück. Er genoss einen Vorteil, den kein Verteidiger beim Polospiel je hatte - er stand mit beiden Beinen auf festem Boden. Langdon spannte sich an, versuchte, die Beine unter den Leib zu ziehen. Der Assassine schien hauptsächlich mit einer Hand zu drücken, dennoch war sein Griff eisern.
In diesem Augenblick erkannte Langdon, dass er es nicht schaffen würde. Er tat das Einzige, das ihm einfiel. Er gab seine Bemühungen auf. Wenn du nicht nach Norden kannst, dann versuche es im Osten. Er nahm seine letzten verbliebenen Kräfte zusammen und stieß sich ab, während er die Arme in einem unbeholfenen Schmetterlingsschlag unter sich zog. Er schoss vor.
Die plötzliche Richtungsänderung schien den Assassinen zu überraschen. Langdons Bewegung riss ihn aus dem Gleichgewicht. Der Griff des Mannes lockerte sich, und Langdon trat erneut aus. Es war ein Gefühl, als wäre eine Leine gerissen. Mit einem Mal war er frei. Er stieß die verbrauchte Luft aus den Lungen, während er zur Oberfläche schoss. Doch er bekam nur einen einzigen Atemzug. Mit brutaler Gewalt war der Assassine wieder über Langdon, die Hände auf den Schultern des Gegners, und drückte ihn mit seinem ganzen Gewicht nach unten. Langdon versuchte, die Füße unter den Leib zu ziehen, doch der Mörder kam ihm mit einem geschickten Tritt zuvor.
Einmal mehr lag Langdon flach am Boden des Brunnens.
Seine Muskeln brannten wie Feuer, während er sich wand und dem Griff zu entkommen versuchte. Diesmal war alles Taktieren vergeblich. Durch das schäumende Wasser hindurch suchte er den Boden des Brunnens nach der Pistole ab. Alles war verschwommen. Die Luftblasen waren dichter als vorhin. Blendende Helligkeit hüllte ihn ein, während der Mörder ihn tiefer und tiefer drückte, auf einen Unterwasserscheinwerfer zu, der am Boden des Beckens verankert war. Langdon packte den Scheinwerfer auf der Suche nach Halt. Er war heiß. Langdon versuchte, sich aus der Umklammerung zu winden, doch der Scheinwerfer war auf beweglichen Scharnieren montiert und drehte sich in seiner Hand. Er verlor seinen Hebel.
Der Assassine drückte ihn noch tiefer.
Dann sah Langdon die Waffe. Sie ragte aus den Münzen direkt vor seinem Gesicht. Ein dunkler Lauf. Er griff danach, doch als seine Finger den Lauf umschlossen, fühlte er sich nach Plastik an, nicht nach Metall. Er zog daran, und ein beweglicher Gummischlauch sprang ihm entgegen wie eine sich windende Schlange. Luftblasen blubberten aus dem Ende. Es war nicht die Pistole, die er gefunden hatte. Es war einer der zahlreichen harmlosen spumanti des Brunnens. Ein Blasenmacher.
Nur ein kleines Stück weiter spürte Kardinal Baggia, wie seine Seele darum kämpfte, den Körper zu verlassen. Obwohl er sich sein Lebenlang auf diesen Augenblick vorbereitet hatte, hätte er sich niemals vorgestellt, dass das Ende auf diese Weise kommen würde. Seine körperliche Hülle wand sich im Todeskampf. verbrannt, geschunden und unter Wasser festgehalten von einem unüberwindlichen Gewicht. Er sagte sich wieder und wieder, dass sein Leiden nichts war im Vergleich zu dem, was Jesus ertragen hatte.
Er starb für meine Sünden.
Baggia hörte unter Wasser das Toben eines Kampfes ganz in der Nähe - und ertrug den Gedanken nicht. Sein Entführer war im Begriff, ein weiteres Leben auszulöschen, den Mann mit den freundlichen, warmen Augen, den Mann, der versucht hatte, ihm zu helfen.
Der Schmerz nahm zu. Baggia lag auf dem Rücken und sah durch das Wasser hinauf in den schwarzen Nachthimmel über sich. Für einen Augenblick glaubte er, die Sterne zu erkennen.
Es war Zeit.
Er löste sich von aller Angst und allen Zweifeln, öffnete den Mund und stieß seinen letzten Atem aus. Er beobachtete, wie sein Geist in einer Reihe transparenter Blasen himmelwärts stieg. Er atmete tief ein. Das Wasser strömte in seine Lungen. Es fühlte sich an wie eisige Dolche in den Seiten, doch diesmal dauerte der Schmerz nur ein paar Sekunden.
Dann. Frieden.
Der Hashishin ignorierte den brennenden Schmerz an seinem Fuß und konzentrierte sich auf den ertrinkenden Amerikaner, den er mit beiden Händen unter die kochende Wasseroberfläche gedrückt hielt. Bring es zu Ende. Er verstärkte seinen Griff. Diesmal würde sein Gegner nicht überleben.
Plötzlich wurde der Amerikaner steif. Er begann wild zu zucken.
Ja, dachte der Hashishin. Die Krämpfe. Wenn das erste Wasser in die Lunge eintritt. Die Krämpfe, das wusste er, dauerten etwa fünf Sekunden.
Sie dauerten sechs.
Dann, genau wie der Hashishin erwartet hatte, erschlaffte sein Opfer unvermittelt. Wie ein großer Ballon, dem die Luft entwich. Es war vorbei. Der Hashishin hielt den anderen Mann noch eine halbe Minute unter Wasser fest, sodass seine Lunge sich zur Gänze mit Flüssigkeit füllen konnte. Er spürte, wie der Körper schwer wurde und von sich aus zu Boden sank. Dann erst ließ der Hashishin los. Die Medien würden eine zweifache Überraschung in Bellinis Fontana dei Fiumi vorfinden.
» Tabban!«, fluchte der Hashishin, als er aus dem Becken kletterte und seinen blutenden Fuß betrachtete. Die Stiefelspitze war zerfetzt und der vordere Teil seines großen Zehs abgerissen. Wütend über seine eigene Unbedachtheit, riss er den Saum von seinem Hosenbein und rammte den Stoff in die Stiefelspitze. Schmerz schoss an seinem Bein hinauf. »Ibn alkalb!« Er biss auf die Zähne und rammte den Stoff noch tiefer hinein. Die Blutung ging zurück, bis es nur noch ein Tröpfeln war.
Er verdrängte den Schmerz aus seinen Gedanken und stieg in den Lieferwagen. Seine Arbeit in Rom war erledigt; jetzt erwartete ihn die Belohnung. Er wusste, womit er seinen Schmerz lindern würde. Vittoria Vetra lag gefesselt im Nest der Illuminati. Der Hashishin spürte, wie sein Glied trotz der Kälte und der Nässe erigierte.
Ich habe mir meine Belohnung verdient.
Vittoria erwachte schmerzerfüllt auf der anderen Seite der Stadt. Sie lag auf dem Rücken. Ihre Muskeln waren hart wie Stein.
Verkrampft. Ihre Arme schmerzten. Sie versuchte sich zu bewegen, doch es ging nicht. Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass ihre Hände auf dem Rücken gefesselt waren.
Ihre erste Reaktion war Verwirrung. Träume ich? Sie versuchte den Kopf zu heben, und cfer Schmerz in ihrem Nacken zeigte ihr, dass sie wach war.
Ihre Verwirrung wich Angst, während sie ihre Umgebung zu erfassen versuchte. Sie befand sich in einem Raum mit nackten Steinwänden - groß und mit kostbarem Mobiliar ausgestattet. Das Licht kam von Fackeln an den Wänden. Irgendeine Art antiker Versammlungsraum. Altertümliche Bänke, die in einem Kreis aufgestellt waren.
Vittoria spürte einen kalten Luftzug. In der Nähe stand eine Doppeltür weit offen. Dahinter lag ein Balkon. Vittoria hätte schwören können, dass sie durch die Lücken im Geländer den Vatikan sehen konnte.