Kapitel 66.

Chinita Macri war stocksauer. Sie saß auf dem Beifahrersitz des Übertragungswagens, der mit laufendem Motor am Straßenrand der Via Tomacelli stand. Günther Glick hatte sich offensichtlich verfahren und war in den Stadtplan von Rom auf seinem Schoß vertieft. Wie um Chinitas Befürchtungen zu bestätigen, hatte sich der anonyme Anrufer erneut gemeldet und weitere Informationen mitgeteilt.

»Piazza del Popolo!«, sagte Günther. »Wir müssen sie finden! Dort steht eine Kirche, und in der Kirche finden wir Beweise!«

»Beweise, pah!« Chinita unterbrach das Polieren der Brille in ihrer Hand und wandte sich zu Glick. »Beweise wofür? Dass der Kardinal ermordet wurde?«

»Das hat er gesagt, ja.«

»Du glaubst wohl alles, was man dir erzählt!« Wie schon so häufig wünschte sich Chinita, diejenige zu sein, die das Sagen hätte. Doch Videografen waren der Willkür der Reporter ausgeliefert, denen sie zugeteilt wurden. Wenn Günther Glick einem anonymen Anruf nachgehen wollte, musste sie ihm folgen, ob sie wollte oder nicht. Wie ein Hündchen an der Leine.

Sie musterte ihn, wie er auf dem Fahrersitz saß, die Kiefer entschlossen zusammengebissen. Die Eltern dieses Mannes waren wahrscheinlich frustrierte Schauspieler gewesen, sonst hätten sie ihr Kind nicht mit so einem Namen geschlagen. Günther Glick. Kein Wunder, dass er ständig glaubte, irgendetwas beweisen zu müssen. Doch trotz seines unglückseligen Namens und seines ärgerlichen Eifers, unbedingt einen Treffer zu landen, war Glick irgendwie süß. charmant auf eine blasse, britische Art. Wie Hugh Grant auf Lithium.

»Sollten wir nicht lieber wieder zurück zum Petersdom?«,

fragte Chinita so ruhig, wie es ihr möglich war. »Wir können diese mysteriöse Kirche später immer noch überprüfen. Das Konklave hat vor einer Stunde angefangen. Was, wenn die Kardinale zu einer Entscheidung finden, während wir nicht dort sind?«

Günther schien sie überhaupt nicht zu hören. »Ich glaube, wir müssen dort vorne rechts abbiegen.« Er drehte die Karte um neunzig Grad und studierte sie erneut. »Genau. Wenn ich dort rechts abbiege. und dann gleich wieder links.« Er ordnete sich in den fließenden Verkehr auf der schmalen Straße ein.

»Pass auf!«, rief Chinita. Als Videografin hatte sie scharfe Augen. Zum Glück war Günther genauso schnell. Er stieg mit aller Kraft auf die Bremse und brachte den Wagen gerade noch vor der Kreuzung zum Stehen. Eine Reihe von vier schwarzen Alfa Romeos erschien wie aus dem Nichts und raste an ihnen vorbei. Gleich an der nächsten Kreuzung bremsten die Fahrzeuge mit quietschenden Reifen und bogen nach links ab -auf der gleichen Route, die Günther ebenfalls ausgesucht hatte.

»Die sind wohl verrückt!«, schimpfte Chinita.

Günther hatte einen gewaltigen Schrecken davongetragen. »Hast du das gesehen?«, fragte er mit zitternder Stimme.

»Und ob! Die hätten uns fast umgebracht!«

»Nein, ich meine die Wagen!« Plötzlich klang seine Stimme aufgeregt. »Es waren vier identische Wagen!«

»Na und? Dann hatten sie eben keine Fantasie!«

»Die Wagen waren voll besetzt!«

»Na und?«

»Vier identische Fahrzeuge mit jeweils vier Passagieren?“

»Hast du schon mal was von Fahrgemeinschaften gehört?“

»Was denn, hier in Italien?« Günther warf einen prüfenden Blick auf die Kreuzung, bevor er wieder losfuhr. »Hier haben sie ja noch nicht mal von bleifreiem Benzin gehört.« Er trat auf das Gaspedal und jagte hinter den vier Alfas her.

Chinita wurde in den Sitz gepresst. »Was, zur Hölle, hast du vor?«

Günther Glick raste die Straße hinunter und gleich wieder links - den Weg, den auch die Alfas genommen hatten »Irgendetwas sagt mir, dass du und ich nicht die Einzigen sind, die heule Abend in diese Kirche wollen.«

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