Kapitel 38.

Die Vermittlungsstelle der Vatikanstadt befand sich im Ufficio di Communicazione hinter dem Vatikanischen Postamt. Es war ein relativ kleiner Raum mit einem Corelco-Vermittlungsapparat und acht Leitungen. Das Büro hatte etwas mehr als zweitausend Anrufe täglich zu bewältigen, und die meisten davon wurden an das automatische Auskunftssystem weitergeleitet.

Der einzige Dienst habende Telefonist saß an seinem Schreibtisch und trank heißen Tee. Er war stolz darauf, dass er als einer der wenigen Angestellten in dieser Nacht in der Vatikanstadt bleiben durfte. Selbstverständlich war die Ehre ein wenig eingeschränkt durch die Anwesenheit der Gardisten, die vor seiner Tür aufmarschiert waren. Mit einer Eskorte auf die Toilette, dachte der Telefonist. Ah, welche Demütigungen wir doch im Namen des Heiligen Konklaves über uns ergehen lassen.

Glücklicherweise hatte es an diesem Abend nur wenige Anrufer gegeben. Oder vielleicht ist es auch kein Glück, dachte der Mann. Das Interesse der Weltöffentlichkeit am Vatikan war in den letzten paar Jahren stark zurückgegangen. Die Zahl der Presseanrufe war gesunken, und selbst die Irren meldeten sich nicht mehr so häufig. Das Presseamt hatte eigentlich gehofft, dass der heutige Abend mehr Aufmerksamkeit wecken würde. Doch obwohl sich auf dem Petersplatz die Übertragungswagen der Medien drängten, waren es hauptsächlich italienische und europäische Medien. Nur eine Hand voll globaler Fernsehstationen war gekommen. ohne Zweifel hatten sie nur ihre giornalisti secundari geschickt, die zweite Garde.

Der Telefonist packte seinen Becher und fragte sich, wie lange der Abend dauern würde. Mitternacht oder so, schätzte er.

Heutzutage wussten die meisten Insider bereits, wer wahrscheinlich der Nachfolger des verstorbenen Papstes wurde, noch bevor sich das Konklave versammelt hatte, daher war das Prozedere mehr ein drei- oder vierstündiges Ritual als eine richtige Wahl. Natürlich konnten Streitigkeiten in letzter Minute unter den Kardinalen die Zeremonie jederzeit bis zum Morgengrauen verlängern. oder auch darüber hinaus. Das Konklave von 1831 hatte vierundfünfzig Tage gedauert. Aber nicht heute Nacht, sagte sich der Telefonist. Den Gerüchten zufolge würde dieses Konklave eine »Rauchwache« werden.

Ein Summen von einem internen Apparat riss den Telefonisten unsanft aus seinen Gedanken. Er starrte auf das blinkende Licht und kratzte sich am Kopf. Das ist eigenartig, dachte er. Ein Gespräch aus dem Inneren des Vatikans. Wer könnte um diese Zeit noch die Vermittlung in Anspruch nehmen wollen? Wer ist an diesem Abend überhaupt noch in der Vatikanstadt?

»Citta del Vaticano«, sagte er, nachdem er den Hörer abgenommen hatte.

Die Frau redete schnell und in fließendem Italienisch. Der Telefonist erkannte den Akzent - er besaß Ähnlichkeit mit dem der Schweizergarde. Flüssiges Italienisch mit einem frankoschweizerischen Einschlag. Die Anruferin jedoch konnte unmöglich ein Mitglied der Schweizergarde sein.

Der Telefonist sprang auf und verschüttete fast seinen Tee. Er starrte auf die Kontrolllampe - er hatte sich nicht vertan. Es ist eine interne Leitung. Der Anruf kam von innen. Das muss ein Irrtum sein!, dachte er. Eine Frau in der Vatikanstadt? Heute Nacht?

Die Frau redete schnell und erregt. Der Telefonist hatte genügend Erfahrung gesammelt, um za wissen, wann er es mit einem pazzo zu tun hatte. Diese Frau klang alles andere als verrückt. Ihr Ton war drängend, doch vernünftig. Überlegt und

effizient. Befremdet lauschte er ihrer Bitte.

»Il Camerlengo?«, fragte der Telefonist, während er immer noch versuchte herauszufinden, woher der Anruf kam. »Ich kann sie unmöglich mit dem Camerlengo verbinden. ja, ich weiß, dass er sich im Amtszimmer des Papstes aufhält, aber. Wer sagen Sie, sind Sie?. und Sie wollen ihn warnen wegen.« Er lauschte immer nervöser. Alle sind in Gefahr? Wie? Und von wo rufst du an? »Vielleicht sollte ich die Schweizergarde.« Der Telefonist hielt inne. »Wo, sagen Sie, befinden Sie sich? Wo?«

Er lauschte schockiert, dann traf er eine Entscheidung. »Bitte bleiben Sie am Apparat«, sagte er und legte die Frau in eine Warteschleife, bevor sie antworten konnte. Dann wählte er die Direktverbindung zu Oberst Olivetti. Diese Frau nimmt mich auf den Arm. Sie kann unmöglich direkt aus dem Büro...

Die Verbindung kam augenblicklich zustande.

»Per l’amore di Dio!«, zeterte eine vertraute Frauenstimme. »Stellen Sie endlich das verdammte Gespräch durch!«

Die Tür des Sicherheitszentrums glitt zischend auf. Die Wachen wichen auseinander, als Kommandant Olivetti in den Raum schoss wie eine Rakete. Er stürmte in Richtung seines Büros und sah mit einem Blick, dass der Posten am Walkie-Talkie die Wahrheit gesagt hatte - Vittoria Vetra stand an seinem Schreibtisch und telefonierte auf der internen Leitung.

Che coglioni ehe ha questa!, dachte er. Die Pest an ihren Hals!

Fuchsteufelswild stapfte er zur Tür und rammte den Schlüssel ins Schloss. Er riss die Tür auf und brüllte: »Was machen Sie da?«

Vittoria ignorierte ihn völlig. »Ja«, sagte sie in den Hörer. »Und ich muss Sie warnen.«

Olivetti riss ihr den Hörer aus der Hand und hob ihn ans Ohr.

»Wer, zur Hölle, ist da?«

Für einen winzigen Augenblick vergaß der Kommandant seine starre Haltung. »Jawohl, Camerlengo.«, sagte er.» Correct, Monsignore... aber Sicherheitsfragen verlangen. selbstverständlich nicht. Ich habe sie hier eingesperrt, weil. Selbstverständlich, aber.« Er lauschte. »Jawohl, Monsignore«, sagte er schließlich. »Ich werde sie augenblicklich zu Ihnen bringen.«

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