Kapitel 58.

Neunzehn Uhr sechsundvierzig und dreißig Sekunden -jetzt!« Selbst beim Sprechen in das Walkie-Talkie klang Olivettis Stimme nicht lauter als ein Flüstern.

Langdon saß schwitzend im Fond des Alfa Romeo. Sie standen mit laufendem Motor drei Blocks vom Pantheon entfernt auf der Piazza della Concorde. Vittoria saß neben ihm und beobachtete fasziniert Olivetti, der die letzten Befehle erteilte.

»Wir werden von acht Punkten aus gleichzeitig vorrücken«, erklärte der Oberst. »Vollständiges Einschließungsmanöver mit Schwerpunkt auf den Eingang. Das Zielobjekt könnte Sie erkennen, also machen Sie sich unsichtbar. Keine tödlichen Schüsse. Wir brauchen jemanden, der das Dach im Auge behält. Das Zielobjekt hat oberste Priorität. Die Geisel ist sekundär.«

Mein Gott, dachte Langdon. Die kalte Effizienz, mit der Olivetti seinen Leuten mitteilte, dass der Kardinal entbehrlich war, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Die Geisel ist sekundär.

»Ich wiederhole. Keine tödlichen Schüsse. Wir brauchen das Zielobjekt lebendig. Los.« Olivetti schaltete sein Walkie-Talkie ab.

Vittoria schaute ihn fassungslos an. »Oberst, wollen Sie denn niemanden hinein schicken?«, fragte sie ärgerlich.

Olivetti drehte sich zu ihr um. »Hinein?«

»In das Pantheon! Was glauben Sie, wo der Mord geschehen soll!«

»Attento!«, sagte Olivetti scharf, und sein Blick wurde hart, »Attentos die Garde tatsächlich infiltriert wurde, wird der Täter meine Leute vielleicht beim ersten Anblick erkennen. Ihr

Kollege hat mich gerade gewarnt, dass dies hier unsere einzige Chance ist, das Zielobjekt zu fassen. Ich beabsichtige nicht, irgendjemand zu verscheuchen, indem ich meine Leute im Pantheon aufmarschieren lasse.«

»Aber was, wenn der Mörder schon im Pantheon ist?«

Olivetti sah auf seine Uhr. »Die Zielperson war sehr deutlich. Punkt acht. Uns bleiben also fünfzehn Minuten.«

»Er sagte, er würde den Kardinal Punkt acht Uhr umbringen. Aber vielleicht hat er sein Opfer schon ins Pantheon geschafft. Was ist, wenn Ihre Männer den Mörder herauskommen sehen, ohne zu wissen, dass er es ist? Irgendjemand muss dafür sorgen, dass er nicht schon im Pantheon wartet.«

»Zu riskant. Dazu ist es zu spät.«

»Nicht, wenn er die Person nicht kennt.«

»Verkleidung kostet Zeit und.«

»Ich meinte mich«, sagte Vittoria.

Langdon starrte sie an.

Olivetti schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«

»Er hat meinen Vater ermordet.«

»Genau, und deswegen weiß er wahrscheinlich auch, wer Sie sind.«

»Sie haben ihn selbst am Telefon gehört. Er wusste nicht einmal, dass Leonardo Vetra eine Tochter hat. Und ganz bestimmt weiß er nicht, wie ich aussehe. Ich könnte als Touristin hinein. Wenn ich etwas Verdächtiges sehe, komme ich wieder nach draußen und gebe Ihnen und hren Männern ein Signal.«

»Es tut mir Leid, aber das kann ich nicht erlauben.«

»Comandante?« Olivettis Walkie-Talkie knackte. »Wir haben hier oben ein Problem, Herr Oberst. Der Brunnen versperrt uns die Sicht. Wir können den Eingang nicht beobachten, es sei denn, wir geben uns selbst auf der Piazza zu erkennen. Was sollen wir tun?«

Vittoria hatte offensichtlich lange genug gewartet. »Das reicht. Ich gehe rein.« Sie öffnete die Tür und stieg aus.

Olivetti ließ sein Walkie-Talkie fallen und sprang aus dem Wagen. Er rannte um die Kühlerhaube herum und zu Vittoria.

Auch Langdon stieg aus. Was glaubt sie, was sie da tut, verdammt?

Olivetti versperrte Vittoria den Weg. »Signorina Vetra, ich kann nicht zulassen, dass eine Zivilistin sich einmischt.«

»Einmischt? Sie sind blind! Ich will Ihnen doch nur helfen!«

»Ich hätte wirklich gerne jemanden im Innern des Pantheons, aber.«

»Aber was?«, schnaubte Vittoria. »Aber ich bin eine Frau?«

Olivetti schwieg verbissen.

»Besser, wenn Sie sich eine andere Antwort überlegen, Herr Oberst. Sie wissen sehr genau, dass es eine gute Idee ist, und wenn Sie irgendeinen archaischen Macho-Scheiß von sich geben wollen.«

»Lassen Sie uns unsere Arbeit tun.«

»Lassen Sie mich helfen.«

»Zu gefährlich. Wir hätten keine Verbindung zu Ihnen. Sie können schließlich kein Walkie-Talkie mitnehmen; es würde Sie augenblicklich verraten.«

Vittoria griff in ihre Hosentasche und zog ihr winziges Mobiltelefon hervor. »Viele Touristen haben so etwas bei sich.«

Olivetti runzelte die Stirn.

Vittoria klappte das Gerät auf und tat, als telefonierte sie. »Hallo, Liebling! Ich stehe im Pantheon! Du solltest das sehen!« Sie klappte das Telefon wieder zu und funkelte Olivetti an. »Wer soll schon wissen, mit wem ich spreche? Es besteht nicht das geringste Risiko! Lassen Sie mich Ihnen helfen!« Sie deutete auf das Mobiltelefon an Olivettis Gürtel. »Wie lautet Ihre Nummer?«

Olivetti antwortete nicht.

Der Fahrer hatte schweigend zugesehen und schien sich seinen Teil zu denken. Jetzt stieg er aus und bat seinen Vorgesetzten beiseite. Sie redeten eine Weile mit gedämpften Stimmen. Schließlich nickte Olivetti und kam zu Vittoria zurück. »Also schön, programmieren Sie diese Nummer ein.« Er diktierte ihr die Zahlen.

Vittoria speicherte sie in ihrem Telefon.

»Und jetzt rufen Sie die Nummer an.«

Vittoria drückte auf die Wähltaste. Das Telefon an Olivettis Gürtel summte. Er zog es hervor und hielt es ans Ohr. »Gehen Sie ins Pantheon, Signorina Vetra, sehen Sie sich um, kommen Sie wieder heraus, rufen Sie mich an und berichten mir, was Sie gesehen haben.«

Vittoria klappte ihr Telefon zu. »Danke sehr, Oberst.«

Langdon spürte, wie sein Beschützerinstinkt unerwartet erwachte. »Warten Sie«, sagte er zu Olivetti. »Sie wollen die Dame ganz allein dort hineinschicken?«

Vittoria starrte ihn finster an. »Robert, mir geschieht schon nichts.«

Der Schweizergardist redete erneut auf Olivetti ein.

»Es ist gefährlich«, sagte Langdon zu Vittoria.

»Er hat Recht«, stimmte Olivetti ihm zu. »Selbst meine besten Männer arbeiten niemals allein. Mein Leutnant hat mich soeben darauf hingewiesen, dass die Tarnung noch effektiver wäre, wenn Sie beide hineingingen.«

Wir beide?, dachte Langdon bestürzt. Ehrlich gesagt, das ist es nicht, was ich wollte...

»Wenn Sie beide zusammen ins Pantheon gehen«, fuhr

Olivetti fort, »sieht es aus, als wären Sie ein Paar im Urlaub. Außerdem können Sie sich gegenseitig Rückendeckung geben, sollte es nötig werden. Mit dieser Lösung würde ich mich wohler fühlen.«

Vittoria zuckte die Schultern. »Meinetwegen. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit.«

Langdon stöhnte. Geschickter Schachzug, Cowboy.

Olivetti deutete die Straße entlang. »Zuerst gehen Sie auf die Via degli Orfani. Halten Sie sich links, dann kommen Sie direkt beim Pantheon heraus. Es liegt nicht mehr als zwei Minuten von hier, höchstenfalls. Ich werde hier warten und meine Männer dirigieren, während ich auf Ihre Antwort warte. Ich möchte, dass Sie das hier zu Ihrem Schutz mitnehmen.« Er zog seine Pistole. »Kann einer von Ihnen beiden damit umgehen?«

Langdons Herz drohte zu stocken. Wir brauchen keine Pistole!

Vittoria streckte die Hand nach der Waffe aus. »Ich kann eine Galionsfigur aus vierzig Meter Entfernung von einem schaukelnden Schiff schießen«, behauptete sie.

»Gut.« Olivetti reichte ihr die Waffe. »Sie müssen sie irgendwie verbergen.«

Vittoria sah an sich herab, auf ihre nackten Beine und die Shorts. Dann fiel ihr Blick auf Langdon.

O nein, das wirst du nicht, dachte Langdon, doch Vittoria war zu schnell. Sie öffnete sein Jackett und ließ die Waffe in eine Innentasche fallen. Sie fühlte sich an wie ein großer Stein, und sein einziger Trost war, dass die Seite aus Galileos Diagramma in der anderen Brusttasche steckte.

»Wir sehen harmlos aus«, sagte Vittoria. »Gehen wir.« Sie hakte sich bei Langdon unter, und gemeinsam setzten sie sich in Bewegung.

»Arm in Arm ist gut!«, rief Olivettis Leutnant hinter ihnen her. »Vergessen Sie nicht, Sie sind gewöhnliche Touristen! Vielleicht könnten Sie beide ja Händchen halten?«

Als sie um die Ecke in die nächste Straße bogen, hätte Langdon schwören können, dass er auf Vittorias Gesicht die Andeutung eines Lächelns bemerkte.

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