Ist das wahr?«, fragte der Camerlengo erstaunt und blickte von Vittoria zu Olivetti.
»Monsignore!«, versicherte ihm der Oberst, »ich gebe zu, wir haben ein fremdes Gerät entdeckt. Es ist auf einem unserer Sicherheitsmonitore zu sehen, doch was Signorina Vetras Behauptungen über die Sprengkraft dieser Substanz angeht, so kann ich nur sagen.«
»Warten Sie!«, unterbrach ihn der Camerlengo. »Sie können dieses Ding sehen?«
»Jawohl, Monsignore. Auf der drahtlosen Kamera Nummer sechsundachtzig.«
»Und warum haben Sie es dann noch nicht geborgen?« In der Stimme des Camerlengos schwang neuer Ärger mit.
»Das ist leider so gut wie unmöglich, Monsignore«, entgegnete Olivetti und stand stramm, während er das Problem schilderte.
Der Camerlengo lauschte, und Vittoria bemerkte seine zunehmende Besorgnis. »Und Sie sind ganz sicher, dass sich dieses Gerät im Innern der Vatikanstadt befindet?«, fragte er schließlich. »Vielleicht hat jemand die Kamera mitgenommen, und sie sendet jetzt von woanders?«
»Unmöglich, Monsignore«, sagte der Oberst. »Unsere Außenmauern sind elektronisch abgeschirmt, um die interne Kommunikation zu schützen. Dieses Signal kann nur aus dem Innern der Vatikanstadt kommen, sonst würden wir es nicht empfangen.«
»Ich nehme an«, sagte der Camerlengo, »dass Sie inzwischen mit allen zur Verfügung stehenden Kräften nach dieser verschwundenen Kamera suchen?«
Olivetti schüttelte den Kopf. »Nein, Monsignore. Diese Kamera zu finden, würde Hunderte von Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Wir haben gegenwärtig eine Reihe anderer Sicherheitsprobleme, und bei allem nötigen Respekt gegenüber Signorina Vetra - dieser Tropfen, von dem sie spricht, ist äußerst klein. Er kann unmöglich so gefährlich sein, wie sie es behauptet.«
Vittorias Geduld war am Ende. »Dieser Tropfen reicht aus, um die Vatikanstadt zu verdampfen! Hören Sie eigentlich zu, wenn jemand mit Ihnen redet?«
»Signorina«, entgegnete Olivetti mit einer Stimme wie Stahl, »meine Erfahrung mit Sprengstoffen ist umfassend.«
»Ihre Erfahrung ist obsolet«, schoss sie genauso hart zurück. »Trotz meiner Kleidung, die Ihnen ja scheinbar einiges Kopfzerbrechen bereitet, bin ich eine hochrangige Wissenschaftlerin bei der weltweit führenden Forschungsanlage für subatomare Physik. Ich persönlich habe die Antimateriefalle entwickelt, die verhindert, dass diese Probe augenblicklich annihiliert! Und ich sage Ihnen noch einmal, wenn es Ihnen nicht gelingt, diesen Behälter innerhalb der nächsten sechs Stunden zu finden, werden Ihre Gardisten nichts mehr zu bewachen haben außer einem riesigen Krater im Boden!«
Olivetti wirbelte zu dem Camerlengo herum. In seinen Insektenaugen blitzte ohnmächtiger Zorn. »Monsignore, ich kann nicht guten Gewissens zulassen, dass dies hier so weitergeht! Ihre Zeit wird von Schwindlern vergeudet! Die Illuminati! Ein Tropfen Flüssigkeit, der uns alle vernichten soll!«
»Basta!«, erklärte der Camerlengo. Er sagte es leise, und doch schien es durch den weiten Raum zu hallen. Danach herrschte Stille. Fast unhörbar leise fuhr er fort: »Gefährlich oder nicht, Illuminati oder nicht, was immer dieses Ding ist - es sollte auf gar keinen Fall in der Vatikanstadt sein. erst recht nicht am
Abend des Konklave. Ich möchte, dass es gefunden und entfernt wird. Organisieren Sie augenblicklich eine Suche!«
»Monsignore, selbst wenn wir all unsere Männer einsetzen, um den gesamten Komplex abzusuchen, würden wir Tage benötigen, um diesen Behälter zu finden!«, beharrte Olivetti. »Außerdem habe ich, nachdem ich mit Signorina Vetra gesprochen habe, einen meiner Leute abkommandiert, um unsere neuesten Ballistik-Datenbänke nach einer Substanz namens Antimaterie zu durchsuchen. Er fand nicht einen einzigen Hinweis. Nichts.«
Selbstherrliches Arschloch!, dachte Vittoria. Eine BallistikDatenbank? Hast du es mal mit einem einfachen Lexikon versucht? Unter A?
Olivetti redete noch immer. »Monsignore, wenn Sie verlangen, dass wir die ganze Vatikanstadt mit bloßem Auge absuchen, muss ich Einspruch erheben!«
»Oberst.« Die Stimme des Camerlengos vibrierte vor Zorn. »Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mit diesem Amt sprechen, wenn Sie mit mir sprechen? Ich weiß, dass Sie meine Position nicht ernst nehmen - nichtsdestotrotz bin ich nach dem Gesetz für den Augenblick Ihr Vorgesetzter. Falls ich mich nicht irre, befinden sich die Kardinale inzwischen alle in der Sixtinischen Kapelle. Ihre Sicherheitsprobleme dürften minimal sein, solange das Konklave andauert. Ich verstehe nicht, warum Sie immer noch zögern, nach diesem Gerät zu suchen! Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, dass Sie dieses Konklave absichtlich in Gefahr bringen!«
Olivetti sah den Camerlengo verächtlich an. »Wie können Sie es wagen? Ich habe dem letzten Papst zwölf Jahre lang gedient! Und dem vorherigen Papst ganze vierzehn Jahre! Die Schweizergarde sorgt seit 1483 für.«
Das Walkie-Talkie an Olivettis Gürtel gab ein lautes Pfeifen von sich und unterbrach ihn mitten im Satz. »Comandante?«
Olivetti riss das Gerät aus dem Gürtel und drückte auf den Sendeknopf. »Sto occupato! Cosa voi!«
„Scusi«, sagte der Soldat am anderen Ende. »Hier Kommunikationszentrale. Ich dachte, Sie wollten informiert werden, wenn eine Bombendrohung eingeht?«
Olivetti hätte nicht desinteressierter dreinblicken können. »Erledigen Sie das! Verfolgen Sie den Anruf wie üblich, und schreiben Sie alles auf!«
»Das haben wir, doch der Anrufer.» Der Gardist zögerte. »Ich hätte Sie nicht gestört, Comandante, es ist nur. der Anrufer hat die Substanz erwähnt, über die ich Informationen suchen sollte. Antimaterie.«
Alle Anwesenden wechselten verblüffte Blicke.
»Er hat was?«, stammelte Olivetti.
»Antimaterie, Herr Oberst. Während wir versuchten, seinen Anruf zurückzuverfolgen, habe ich ein paar zusätzliche Nachforschungen darüber angestellt. Die Informationen über Antimaterie sind. offen gestanden, sie sind höchst beunruhigend, Herr Oberst.«
»Ich dachte, in den ballistischen Datenbänken wäre nichts darüber erwähnt?«
»Das trifft zu, Herr Oberst. Ich fand die Informationen online.«
Halleluja!, dachte Vittoria.
»Die Substanz scheint höchst explosiv zu sein«, fuhr der
Gardistfort. »Es ist schwer, sich das vorzustellen, aber es heißt, Antimaterie wäre um das Hundertfache zerstörerischer als eine Atombombe.«
Olivettis Haltung zerbrach wie ein in sich zusammenstürzender Berg. Vittorias Triumphgefühl wurde ausgelöscht vom Entsetzen auf dem Gesicht des Camerlengos.
»Haben Sie den Anruf zurückverfolgt?«, stammelte Olivetti.
» Erfolglos, Comandante. Ein Mobiltelefon mit starker Verschlüsselung. Der Anrufer benutzt mehrere Satellitenverbindungen gleichzeitig, daher können wir ihn nicht triangulieten. Die IF-Signatur lässt vermuten, dass er sich irgendwo in Rom aufhält, doch es gibt keine Möglichkeit, ihn direkt zu orten.«
»Hat er Forderungen gestellt?«, fragte Olivetti kleinlaut.
»Nein. Er hat uns lediglich gewarnt, dass im Innern des Komplexes Antimaterie versteckt ist. Er schien überrascht, dass ich nichts darüber wusste. Er fragte mich, ob ich sie denn noch nicht gesehen hätte. Sie hatten mich nach Antimaterie gefragt, Herr Oberst, deswegen dachte ich, dass ich Sie informiere.«
»Sie haben richtig gehandelt«, sagte Olivetti. »Ich bin in einer Minute bei Ihnen. Informieren Sie mich augenblicklich, falls er sich noch einmal meldet.«
Einen Augenblick herrschte Stille auf dem Walkie-Talkie. Dann: »Der Anrufer ist noch immer in der Leitung,
Comandante.«
Olivetti sah aus, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. »Der Anrufer ist was?«
»Er ist noch am Apparat. Wir versuchen seit zehn Minuten, seinen Standort ausfindig zu machen, ohne den geringsten Erfolg. Er muss wissen, dass wir ihn nicht fassen können, denn er weigert sich aufzulegen, bevor er nicht mit dem Camerlengo gesprochen hat.«
»Stellen Sie ihn durch!«, befahl der Camerlengo. »Sofort!«
Olivetti wirbelte herum. »Vater, nein! Ein ausgebildeter
Unterhändler der Schweizergarde ist viel besser geeignet, um mit dieser Situation.«
»Auf der Stelle!«
Olivetti gab den Befehl.
Einen Augenblick später klingelte das Telefon auf
Camerlengo Ventrescas Schreibtisch. Der Camerlengo betätigte den Freisprechknopf. »Für wen, in Gottes Namen, halten Sie sich?«