Kapitel 87.

Langdons Uhr, inzwischen blutverschmiert, zeigte einundzwanzig Uhr zweiundvierzig. Er rannte über den Belvederehof und näherte sich dem Brunnen vor der Kaserne der Schweizergarde. Die Wunde an seiner Hand hatte aufgehört zu bluten, doch es fühlte sich schlimmer an, als es aussah. Als er vor dem Gebäude ankam, schienen sich alle zugleich dort versammelt zu haben - Olivetti, Rocher, der Camerlengo, Vittoria sowie eine Hand voll Schweizergardisten.

Vittoria eilte ihm entgegen. »Robert, Sie sind verletzt!« Bevor Langdon antworten konnte, stand Olivetti bei ihm. »Mr. Langdon, ich bin erleichtert, dass Ihnen nichts fehlt. Es tut mir Leid wegen des Stromausfalls im Archiv.«

»Stromausfall?«, fauchte Langdon. »Sie wussten sehr genau.

»Es war mein Fehler«, sagte Rocher und trat zerknirscht vor. »Ich wusste nicht, dass Sie im Archiv waren. Ein Teil unserer weißen Zonen ist mit dem Gebäude verbunden, und wir hatten unsere Suche ausgedehnt. Ich bin derjenige, der den Strom abgeschaltet hat. Hätte ich gewusst.«

»Robert«, sagte Vittoria, während sie seinen Arm nahm und die Wunde untersuchte, »der Papst wurde vergiftet! Die Illuminati haben ihn ermordet.«

Langdon hörte die Worte, doch er verstand sie kaum. Er spürte nur noch die Wärme von Vittorias Händen.

Der Camerlengo nahm ein seidenes Taschentuch aus seinem Gewand und reichte es Langdon, damit er sich säubern konnte. Er schwieg, doch seine grünen Augen blitzten mit neuem heuer.

»Robert«, drängte Vittoria. »Sie sagten, Sie wussten, wo der nächste Mord verübt werden soll!«

Langdon fühlte sich ganz leicht. »Ja, es ist. «

»Halt!«, unterbrach ihn Olivetti. »Mr. Langdon, als ich Sie bat, kein Wort mehr über das Walkie-Talkie zu sagen, hatte ich meine Gründe.« Er wandte sich den versammelten Schweizergardisten zu. »Bitte, meine Herren, wenn Sie uns entschuldigen würden.«

Die Soldaten verschwanden gehorsam im Gebäude.

Olivetti wandte sich wieder zu den anderen um. »So sehr mich diese Feststellung schmerzt, aber die Ermordung des Papstes konnte nur mit Hilfe aus dem Innern dieser Mauern gelingen. Wir dürfen niemandem mehr vertrauen, nicht einmal unserer Schweizergarde.« Olivetti selbst schien am meisten betroffen von seiner Feststellung.

Rocher blickte seinen Kommandanten besorgt an. »Aber das würde bedeuten.«

»Genau«, sagte Olivetti. »Die Integrität Ihrer Suchaktion ist nicht gewährleistet. Trotzdem müssen wir das Risiko eingehen.«

Rocher sah aus, als wollte er etwas entgegnen, doch dann überlegte er es sich anders und ging.

Der Camerlengo atmete tief durch. Er hatte bisher noch kein Wort gesprochen, doch Langdon spürte neue Energie in ihm, als hätte er einen Wendepunkt erreicht.

»Kommandant?« Die Stimme Ventrescas verriet nichts von seinen Gefühlen. »Ich werde das Konklave unterbrechen.«

Olivetti schürzte die Lippen und blickte den Camerlengo halsstarrig an. »Ich rate dringend davon ab, Monsignore. Uns bleiben immer noch zwei Stunden und zwanzig Minuten.«

»Ein Herzschlag, weiter nichts.«

Olivettis Tonfall wurde herausfordernd. »Was beabsichtigen Sie zu tun? Wollen Sie die Kardinale etwa eigenhändig evakuieren?«

»Ich beabsichtige, unsere Kirche zu retten und dazu jede

Macht zu benutzen, die Gott mir gegeben hat. Wie ich das anstelle, soll Ihre Sorge nicht sein.«

Olivetti richtete sich auf. »Was immer Sie vorhaben.« Er zögerte. »Ich besitze nicht die Autorität, Ihnen zu widersprechen, insbesondere nicht im Hinblick auf mein Versagen als Leiter der Sicherheitstruppe. Doch ich bitte Sie, noch zu warten. Zwanzig Minuten. bis zweiundzwanzig Uhr. Falls Mr. Langdons Informationen zutreffend sind, habe ich vielleicht die Gelegenheit, diesen Mörder zu fassen. Und dann besteht noch eine Chance, das Protokoll und die Etikette zu wahren.«

»Die Etikette wahren?« Der Camerlengo stieß ein unterdrücktes Lachen aus. »Wir haben die Schicklichkeit längst hinter uns gelassen, Oberst Olivetti. Für den Fall, dass es Ihnen noch nicht aufgefallen ist - wir befinden uns im Krieg.«

Ein Gardist kam aus der Kaserne und rief nach dem Camerlengo. »Monsignore, ich habe soeben einen Anruf erhalten, dass wir diesen BBC-Reporter aufgespürt haben, diesen Günther Glick.«

Der Camerlengo nickte. »Sehr gut. Lassen Sie ihn und seine Kamerafrau zur Sixtinischen Kapelle bringen und warten Sie dort auf mich.«

Olivetti riss die Augen auf. »Was haben Sie vor?«

»Zwanzig Minuten, Oberst Olivetti. Mehr haben Sie nicht.« Damit wandte er sich um und ging.

Als Olivettis Wagen diesmal aus der Vatikanstadt jagte, folgte ihm keine Kolonne schwarzer Alfa Romeos. Auf dem Rücksitz bandagierte Vittoria die Hand Langdons mit dem Verband aus einem Erste-Hilfe-Kasten, den sie im Handschuhfach gefunden hatte.

Olivetti starrte nach vorn. »Also schön, Mr. Langdon. Wohin fahren wir?«

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