Canton, Herberge »Pflaumenblüte«.


Freitag, der 16. Februar 1844, neun Uhr abends

Sehr verehrter Mr Lindley,

nach äußerst ergiebigen Besuchen der hiesigen Gärten ist es mir gelungen, noch einen Platz für ein Wardian Case auf einem Schiff zu sichern, das morgen in aller Frühe in Richtung London ablegt. Eines der letzten, bevor ab übermorgen die Arbeit im Hafen für drei Tage weitestgehend ruht – wie wohl generell alles hier aufgrund des Neujahrsfestes geschlossen sein wird.

Und wie ich die Chinesen im Lauf der letzten Monate hier kennengelernt habe, wird danach im Hafen erst einmal heilloses Durcheinander herrschen.

In dieser Sendung an die Horticultural Society sind enthalten:

· Azalea indica – diverse

· Chrysanthemum minimum

· Chrysanthemum indicium – diverse

· Citrus medica var. sarcodactylis (vulgo »Buddhas Hand« oder »Fingerzitrone«

· Citrus reticulata (vulgo »Mandarinorange«, hierzulande »Juzi« genannt oder »Gam«)

· Enkianthus quinqueflorus (vulgo »Neujahrsblume«)

· Narcissus tazetta subsp. (?) sinensis

· Paeonia suffruticosa – diverse

Ich hoffe, die Pflanzen kommen allesamt wohlbehalten an und können im Garten von Chiswick Wurzeln schlagen und gedeihen.

Auch zur Methode der Züchtung von Zwergenbäumen konnte ich Näheres in Erfahrung bringen. Die Vorgehensweise dabei ist tatsächlich eine sehr simple und beruht auf einem der grundlegenden Prinzipien der pflanzlichen Physiologie.

Wie wir alle wissen, verhindert alles, was die freie Zirkulation des Pflanzensaftes hemmt, bis zu einem gewissen Ausmaß auch die Ausbildung von Holz und Laub.

Dies kann erreicht werden durch Beschneiden und Veredelung, Begrenzung des Wurzelwachstums, Mangel an Wasser, Verformung der Äste und wohl alles in allem hundert anderen Verfahren mehr, die nach demselben Prinzip vorgehen. Eine Technik, die mehrere Jahre in Anspruch nimmt und die die Chinesen aufs Vollkommenste beherrschen, und damit die Natur dieser besonderen und hierzulande weit verbreiteten Vorliebe unterwerfen.

Das Ergebnis dieser Prozedur wird pun-tsai genannt, »Tablett-Pflanzung«, oder auch pen-ching, »Tablett-Landschaft«. Wobei pun oder pen (auch pan) das Becken oder die flache Schüssel bezeichnet, in dem die Bäumchen wurzeln, oftmals in einer kleinen gestalteten Landschaftsszenerie aus Moosen, Steinen etc. eingebettet.

Einen ausführlicheren Bericht dazu werde ich nach meiner Rückkehr vorlegen.

Von Canton aus werde ich spätestens im März nach Chusan aufbrechen. In der Hoffnung, jetzt im Frühling das vorzufinden, was mich der vergangene Herbst dort an Pflanzenreichtum hat erahnen lassen.

Hochachtungsvoll,

Robert Fortune

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